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Ein Boss zum Verlieben

Augen: eisblau. Muskeln: hart wie Stahl. Ausstrahlung: gefährlich. Als Alicia in die Arme des Ex-Agenten Nikolai stolpert, wird ihr gleichzeitig heiß und kalt. Doch als sie seinem Charme erliegt, stellt sich heraus: Ihr Liebhaber ist gleichzeitig ihr neuer Chef …


  • Erscheinungstag: 30.08.2023
  • Seitenanzahl: 130
  • ISBN/Artikelnummer: 9783745753462
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Das ist ja unerträglich! Entnervt bahnte sich Nikolai Korovin einen Weg durch das dichte Gedränge des angesagten Londoner Nachtclubs. Weder konnte er der dröhnenden Musik etwas abgewinnen, noch dem teuer gekleideten und durchgestylten Publikum. Wenn er jedoch Veronika finden wollte, war dies der richtige Ort.

„Lust auf einen Drink – oder etwas anderes?“

Eine schwarzhaarige Schönheit mit aufgespritzten Lippen und dichten Kunstwimpern verdeutlichte ihm die Vorzüge ihrer Figur, indem sie sich aufdringlich an ihn drängte.

Nikolai schob sie von sich und musterte sie eisig. Das reichte. Die Augen der Frau weiteten sich vor Schreck, sie wich zurück und verschwand eiligst in der Menge.

Nachdem er zweimal die Tanzfläche und den Barbereich umrundet und vergeblich nach Veronika Ausschau gehalten hatte, blieb Nikolai stehen und lehnte sich gegen einen der riesigen Lautsprecher. Es war der ideale Beobachtungsposten, er stand im Schatten und konnte sehen, ohne gesehen zu werden. Dafür nahm er auch in Kauf, dass ihm die Musik in den Ohren dröhnte und der Boden unter ihm unangenehm vibrierte.

Nikolai murmelte einen russischen Fluch. Er hasste diesen Club ebenso wie die anderen Bars und Discos, die er schon durchkämmt hatte. Doch er hatte sich geschworen, Veronika zur Rede zu stellen – und nur in einer hochkarätigen Vergnügungsstätte wie dieser bestand die Chance, ihr zu begegnen.

Sein Ziel war ebenso einfach wie klar umrissen. Er wollte endlich die Wahrheit erfahren. Wenn er das erreicht hatte, wollte er nie wieder etwas mit seiner Ex zu tun haben.

„Ich habe dich nie geliebt.“ Mit diesen Worten hatte sie sich vor sieben Jahren aus seinem Leben verabschiedet …

Eine lange Zigarette zwischen den blutrot geschminkten Lippen, hatte Veronika zwischen ihren gepackten Koffern gestanden. „Zeitweise war ich dir zwar treu, aber nur aus Mangel an Gelegenheit.“ Sie lächelte und zuckte die Schultern. Nikolai nahm ihr die schonungslose Offenheit nicht übel, er hatte sich auch nicht besser verhalten.

„Stefan ist nicht dein Sohn, das versteht sich von selbst. Eine Frau müsste schon verrückt sein, ein Kind von dir haben zu wollen.“

Auch diese brutalen Worte hatte Nikolai gelassen hingenommen. Schließlich wusste keiner besser als er, wie er war – was er war …

Er wusste jedoch auch, was von seiner Ex zu halten war. Nach der Scheidung hatte sie sich dem internationalen Jetset angeschlossen, um ein Luxusleben auf Kosten ihrer reichen Liebhaber zu führen. Überall in der Welt zu Hause, befand sie sich jedoch im Moment weder auf Mauritius noch in der Karibik, sondern hielt sich in London auf.

Bestens über ihr Leben informiert zu sein war für ihn als ehemaligen Geheimagenten ein Kinderspiel. Zurzeit war Veronika mit dem jüngeren Sohn eines Scheichs zusammen, der – außer Geld auszugeben – nichts zu tun hatte. Die beiden lebten in einer festungsähnlichen und von Leibwächtern geschützten Villa im besten Stadtviertel Londons.

Mit all seinem Wissen und seinen Fähigkeiten wäre es Nikolai nicht weiter schwer gefallen, sich selbst dort Zutritt zu verschaffen, um Veronika zur Rede zu stellen. Doch ein solches Vorgehen konnte er sich heute nicht mehr leisten. Seine Zeit im russischen Geheimdienst lag immerhin bereits sieben Jahre zurück, und er konnte es sich nicht leisten, womöglich in einen internationalen Skandal verwickelt zu werden.

In den Augen der Öffentlichkeit hatte sich Nikolai nämlich inzwischen zum Wohltäter und Menschenfreund gewandelt: Der Wolf war in den Schafspelz geschlüpft.

Die Wandlung vom eiskalten Agenten zum barmherzigen Samariter war ihm überzeugend gelungen. Nach seinem Ausstieg beim Militär hatte Nikolai sich höchst erfolgreich um das Vermögen seines berühmten Bruders gekümmert – und nebenbei ein eigenes Vermögen angehäuft. Mittlerweile kümmerte er sich aber hauptsächlich um die Geschäfte der Korovin Foundation. Er hatte diese Stiftung für bedürftige Kinder zusammen mit seinem Bruder Ivan ins Leben gerufen, nachdem dieser sich aus dem Filmgeschäft zurückgezogen hatte. Ivan hatte in Hollywood eine steile Karriere als Karatekämpfer und Filmschauspieler gemacht und in zahlreichen Actionfilmen die Rolle des Helden gespielt.

Bei seiner neuen Aufgabe als geschäftsführender Präsident der Korovin Foundation hatte Nikolai eine überraschende Selbsterkenntnis gewonnen: Er war überaus geschickt im Umgang mit den Reichen dieser Welt. Die Spendengelder, die er ihnen aus der Tasche lockte, erreichten astronomische Höhen.

Trotzdem hatte sich für Nikolai nichts geändert. Er war durch eine harte Schule gegangen und felsenfest davon überzeugt, bereits mit einem Herzen aus Stein und ohne Seele auf die Welt gekommen zu sein. Für Nikolai ging es beim Sammeln von Spenden um Taktik und List, eben dem, was er als Geheimdienstler gelernt hatte. Nur die Waffen hatten sich geändert: Statt Gewalt anzuwenden, verließ er sich nun ausschließlich auf Charme und Diplomatie.

Was allerdings zur Folge hatte, dass Nikolai nicht mehr einfach bei dem Sohn eines Scheichs einbrechen konnte …

Von dem grell flackernden Licht und der dröhnenden Musik genervt, blickte er auf die Uhr. Für seine Verhältnisse war es noch relativ früh. Er musste sich in Geduld fassen.

Er hatte sich vorgenommen, an diesem Abend die Wahrheit über Stefan herauszufinden, und nichts würde ihn davon abbringen.

Hatte Veronika vor sieben Jahren die Wahrheit gesprochen oder ihn aus Rache angelogen? Noch nie zuvor hatte Veronika den leisesten Zweifel an seiner Vaterschaft geäußert, obwohl Stefan zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Jahre alt war.

Jetzt bestand er auf einem Vaterschaftstest, um endlich die Wahrheit zu erfahren. Er brauchte diese Klarheit, da hatte sein Bruder recht gehabt.

„Tu was, und bring dein Leben in Ordnung“, hatte Ivan ihn nachdrücklich aufgefordert.

Sein älterer Bruder war der einzige Mensch, an dem Nikolai etwas lag. Nur er wusste von der dunklen Vergangenheit, von dem grausamen Onkel, zu dem die beiden Waisen abgeschoben worden waren. Nikolai war noch keine zwei gewesen, als die Eltern der beiden bei einem Fabrikbrand ums Leben gekommen waren.

Nachdem Ivan ihm seine Meinung offen ins Gesicht gesagt hatte, hatte er Nikolai von oben bis unten gemustert, sich umgedreht und war gegangen. Das Ganze lag zwei Jahre zurück, seitdem hatte Nikolai seinen Bruder nicht mehr gesehen. Bei ihren seltenen Telefonaten hatten sie danach ausschließlich über Themen gesprochen, die die Stiftung betrafen.

Nikolai nahm seinem Bruder diese Abkehr nicht übel. Ivan wusste es einfach nicht besser, er war verblendet. Er glaubte an das Gute im Menschen, an Liebe und Mitgefühl, wovon er natürlich auch seinen kleinen Bruder überzeugen wollte. Doch für Nikolai waren das nur Illusionen. Blendwerk für Schwächlinge, die den harten Tatsachen nicht ins Auge sehen konnten.

Nikolai verbot sich diesen Luxus.

Er glaubte an Macht, Sex und Geld und nicht an sentimentale Empfindungen. Durch den Bruch mit seinem Bruder war in Nikolai das letzte Fünkchen Gefühl erloschen. Das galt auch für die Beziehungen zu seinen Geliebten. Sie mussten sich mit den von ihm diktierten Bedingungen und Einschränkungen schriftlich einverstanden erklären, bevor sie sein Bett teilen oder ihn zu offiziellen Anlässen begleiten durften. Er ging kein Risiko ein.

Ivan war das beste Beispiel dafür, was einem Mann passierte, wenn er einer Frau verfiel. Er wurde zum Sklaven, war kein freier Mensch mehr. Das konnte Nikolai nicht passieren. Fehlende Emotionen machten das Leben kontrollierbar.

Ebenso nüchtern, wie er das Leben betrachtete, war auch seine Selbsteinschätzung. Er wusste genau, was er war: ein Mann mit durchtrainiertem Körper und scharfem Verstand, aber ohne Herz und Seele. Eiskalt und leer.

Es hatte für ihn auch andere Zeiten gegeben, Jahre, in denen er zu viel getrunken und zu Gewalttätigkeiten geneigt hatte. In jener Phase war er seinem brutalen Onkel, den er so verachtete, gefährlich ähnlich gewesen.

Niemals wieder.

Wenn man keine Gefühle hatte, war man in jeder Situation in der Lage, sich zu beherrschen.

Nur wenn man sich von allen Gefühlen unabhängig machte, war man wirklich frei. Das Einzige, was ihn noch band, war die Sache mit der ungeklärten Vaterschaft. Jetzt musste er nur noch Veronika finden und auf einem Test bestehen. Dann hatte er sein Ziel erreicht.

Alicia Teller wünschte sich weit weg.

Wäre sie doch nur zu Hause geblieben, hätte ihren Koffer ausgepackt und sich um die Wäsche gekümmert! Dann brauchte sie sich nicht hier auf der Tanzfläche von angetrunkenen oder zugedröhnten Teenies anrempeln zu lassen. Mit ihren neunundzwanzig Jahren war sie einfach zu alt für diesen Rummel.

Doch sie hatte sich von ihrer Freundin, mit der sie auch die Wohnung teilte, überreden lassen.

„Ich habe für heute zwei Freikarten für den coolsten Club in ganz London“, hatte Rosie ihr versichert. „Randvoll mit Promis – also auch randvoll mit attraktiven Männern!“

„Dann passe ich nicht dorthin. Ich bin nicht cool. Und ich brauche weder romantische Abenteuer noch einen Märchenprinzen. Ich bin, wie ich bin. Kannst du das nicht endlich akzeptieren?“

„Nie und nimmer!“ Rosie, die Alicia im Taxi vom Flughafen abgeholt hatte, verdrehte theatralisch die Augen. „Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo du keinen Spaß ausgelassen hast, und ich werde nicht eher Ruhe geben, bis du wieder so bist wie früher.“

„Das ist vergebliche Liebesmüh, Rosie, glaub es mir.“

Alicia wusste genau, was für einen Menschenschlag man in einem Club wie diesem kennenlernte. In ihrer Studentenzeit hatte sie schließlich selbst dazugezählt! Alicia war sich ganz sicher. Nie wieder würde sie für ein bisschen „Spaß“ die Kontrolle verlieren. Es war es nicht wert. Irgendwann bekam man die Rechnung.

Bei ihr hatte es Jahre gedauert, bevor sie ihrem Vater wieder in die Augen blicken konnte …

Bis zu jener schrecklichen Nacht vor acht Jahren war Alicia in jeder Beziehung Papas kleine Prinzessin gewesen: verwöhnt, verhätschelt und verzogen. Was in jener Nacht geschah, wusste sie eigentlich nur aus der Schilderung ihres Vaters am Morgen danach. Während ihr Magen rebellierte und ihr der Kopf zu zerspringen drohte, erzählte ihr Vater die abstoßenden Einzelheiten.

In der Nacht war sie betrunken von einer Party nach Hause gekommen und war dann irgendwie statt in ihrem Zimmer im Hintergarten gelandet. Dort hatte ihr Vater sie dann auf dem Rasen gefunden: beim Liebesakt mit Mr Reddick.

Mr Reddick, Nachbar und bis zu jenem Zeitpunkt bester Freund ihres Vaters, war verheiratet und hatte drei Kinder. Wenn die Reddicks ausgingen, pflegte Alicia schon seit Jahren auf die Kinder aufzupassen.

Auch nach acht Jahren noch waren Alicias Selbstvorwürfe quälend wie am ersten Tag, immer noch errötete sie vor Scham, wenn sie an jene Nacht auch nur dachte. Wie hatte sie sich nur so völlig vergessen können?

Wenn sie auch die Antwort darauf nicht kannte, eins dagegen wusste sie genau: Von „Spaß“ wollte sie für den Rest des Lebens nichts mehr wissen.

„Ich möchte dir für diesen Abend einen gut gemeinten Rat geben, heilige Alicia“, hatte Rosie auf dem Weg zum Club gesagt. „Setz deinen Heiligenschein einfach mal über Nacht ab, und vergiss deinen klösterlichen Lebensstil. Du wirst garantiert nicht daran sterben. Wer weiß, vielleicht findest du sogar wieder Spaß an einem heißen Flirt, so wie früher!“

Rosie wusste natürlich nichts von jener schicksalhaften Sommernacht vor acht Jahren. Außer ihrem Vater hatte nie jemand davon erfahren. Alicia hatte nie den Mut gefunden, sich ihrer besten Freundin anzuvertrauen. Auch ihre Mutter und Geschwister ahnten nicht, weshalb sich das innige Verhältnis zwischen dem Vater und seiner Lieblingstochter von einem Tag auf den anderen in das genaue Gegenteil verkehrt hatte.

Doch nicht nur ihre Vaterbeziehung, ihr ganzes Leben war danach wie auf den Kopf gestellt. Sie stürzte sich mit Feuereifer in ihren Job, den sie bis dahin eher als lästig empfunden hatte. Statt an den Wochenenden auszugehen, besuchte sie Seminare und Fortbildungen und machte eine beeindruckende Karriere, auf die sie zu Recht stolz war. Obwohl ihr Vater ihr dafür größten Respekt zollte, blieb der Kontakt zwischen den beiden oberflächlich und reserviert.

Und jetzt, zum ersten Mal in acht Jahren, war sie über ihren eigenen Schatten gesprungen und besuchte tatsächlich einen Nachtclub. Sie tanzte – und sie amüsierte sich sogar. Das Tanzen, die Musik, die aufgeheizte Partystimmung – all das hatte ihr schon gefehlt, das musste sie jetzt zugeben. Doch mit Rosies Ausdauer konnte sie nicht mithalten, nach einem Überseeflug mit entsprechender Zeitverschiebung schon gar nicht.

Viel schwerer als unter dem Jetlag litt sie jedoch an Selbstzweifeln. Weshalb war sie damals nach jener feuchtfröhlichen Party so abgestürzt?

Was Rosie auch sagen mochte, sie besaß keinen Heiligenschein, sie war gegen Versuchung nicht gefeit. Ihre einzige Rettung lag darin, allen Verlockungen aus dem Wege zu gehen. Andere mochten tanzen, sie war zu Hause besser aufgehoben.

Plötzlich ernüchtert, bahnte sie sich einen Weg durch die tanzende Menge zum Ausgang. Sie hatte den Rand der Tanzfläche gerade erreicht, als sie von einem mit geschlossenen Augen ekstatisch tanzenden Teenie einen Stoß in den Rücken bekam. Sie stolperte in den Schatten des Lautsprechers.

Doch der Schatten erwies sich als Mensch aus Fleisch und Blut, und die Arme, die sie auffingen, schienen Muskeln aus Stahl zu besitzen. Alicia fand sich an der Brust eines Mannes wieder, dessen Duft sie auf der Stelle bezauberte. Er roch nach klarer frostiger Winterluft mit einem Hauch von Holzfeuer.

Der Fremde hatte ihre Oberarme gefasst, und erst jetzt wurde Alicia klar, wie gut sein Reaktionsvermögen sein musste. Trotz des irritierenden, schnell wechselnden Farbspiels der Strobos hatte er zielsicher zugegriffen. Dafür wollte sie sich bedanken.

Lächelnd hob sie den Kopf – und die Welt blieb stehen.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und die Dankesworte blieben ungesagt. Wie hypnotisiert blickte Alicia ihm in die Augen.

Sie erinnerten sie an kostbare Saphire, blau, klar und strahlend hell. Alicia fühlte sich ganz von gleißendem Licht durchdrungen, schien zu schweben und hatte das Gefühl, sich in einer geheimnisvollen Welt zu verlieren.

Der faszinierende Fremde erwiderte ihren Blick mit einer Intensität, dass es vor Spannung knisterte. Alicia erschauderte, wich jedoch keinen Schritt zurück.

Auch der Unbekannte schien die Schwingungen zu empfinden, denn er runzelte die Brauen. Einen Moment lang dachte Alicia, er wolle sie von sich schieben, doch er zog sie nur tiefer in den Schatten, weg von der Menge.

Beide standen ganz still, hatten die Umwelt vergessen und sahen einander an.

Endlich, dachte Alicia benommen, endlich erfüllt sich etwas, nach dem ich mich unbewusst schon immer gesehnt habe.

Sie schluckte. „Du erinnerst mich an den Wolf aus dem Märchen“, sprach sie ihren spontanen Gedanken aus.

Amüsierte ihn das? Seine schmalen und doch sinnlichen Lippen bewegten sich kaum. Dennoch strahlte sie ihn an, als hätte er ihr das charmanteste Lächeln der Welt geschenkt.

„Und du in deinem roten Kleid? Bist du etwa Rotkäppchen?“ Seine Stimme war tief und wohlklingend, er sprach jedoch mit einem Akzent, den sie nicht recht einordnen konnte. „Dann muss ich dich warnen, ich habe nämlich große Zähne.“

„Hoffentlich sind es Reißzähne, sonst wäre ich um eine Illusion ärmer.“ Sie spürte, wie er seinen eisernen Griff lockerte und die Hände leicht bewegte – es war wie eine Liebkosung.

Wieder deutete er ein Lächeln an, und wieder verspürte Alicia dieses sehnsüchtige Ziehen, das ihr solche Angst einjagte, weil sie sich vor den Konsequenzen fürchtete. Trotzdem rührte sie sich nicht vom Fleck.

„Die größten und schärfsten in ganz London, und das ist keine Übertreibung.“

Seine Miene hellte sich auf, und er legte ihr den Arm um die Taille. Alicia duldete es nicht nur, die Geste erregte sie. Statt auf ihre innere Stimme zu hören und zum Ausgang zu fliehen, wurde sie immer leichtsinniger.

„Und das soll ich glauben?“, fragte sie lachend. Nach langer Zeit fühlte sie sich das erste Mal wieder unbeschwert und glücklich. Der böse Wolf jagte ihr keine Angst ein. „Hast du sie vermessen lassen?“

Er sah ihr in die Augen, sein Blick war hart und klar, wie geschliffenes Kristall. „Das ist überflüssig, Solnischka . Ich weiß es.“ Er senkte die Lider und betrachtete ihre Lippen.

Dieser Mann glich wirklich einem arktischen Wolf, einem Raubtier mit untrüglichen Instinkten und kräftigen Muskeln. Und er war groß. Trotz ihrer hochhackigen Pumps kam Alicia sich in seinen Armen puppenhaft klein vor.

Er war ganz in Schwarz gekleidet, Anzug, T-Shirt und Schuhe. Auch sein kurz geschnittenes Haar war rabenschwarz, was das unwahrscheinliche Blau seiner Augen noch heller strahlen ließ. Er besaß hohe, ausgeprägte Wangenknochen und ein energisches Kinn. Er war wild, gefährlich und faszinierend zugleich.

Alicia war seinem Zauber vom ersten Augenblick an erlegen, all ihre Vorsätze, die sie sonst so eisern befolgte, waren vergessen. Unwillkürlich lehnte sie sich enger an ihn und ließ die Hände tastend über seine breite Brust gleiten. Als er sie enger an sich zog, hob sie den Kopf. Das Eis seiner Augen war zu Feuer geworden.

Das gleiche leidenschaftliche Feuer brannte auch in ihr.

Sie war nicht mehr sie selbst, sie verstand ihre Gefühle nicht mehr. Sie wusste nur eins: Wenn sie ihr gewohntes Leben weiterführen wollte, musste sie sich umgehend von dem Fremden losreißen, sonst war sie verloren.

Doch was sie verspürte, diese schmerzhafte und doch so süße Sehnsucht, die ihren Körper weich und hingebungsvoll machte, war der Himmel auf Erden.

Nur noch eine Minute, sagte sie sich, eine Minute noch, dann gehe ich.

Der Fremde schien ihre Gedanken lesen zu können und wurde ernst. „Lauf“, forderte er sie auf. „Flieh vor mir, so schnell du kannst.“

Er sah so traurig aus. So bitter. Alicia fühlte ein schmerzendes Ziehen in ihrer Brust. Sie wollte ein Lächeln sehen auf diesem gefährlichen Mund …

Es ergab keinen Sinn. Sie kannte noch nicht einmal seinen Namen! Acht Jahre lang war sie so wachsam und diszipliniert gewesen, hatte sich aus Angst, etwas Schlimmes zu tun, jede spontane Reaktion verboten. Acht Jahre lang hatte sie tagtäglich an ihren verhängnisvollen Fehler gedacht. Und jetzt kam dieser Mann mit den eisblauen Augen und dem traurigen Mund, und die Vergangenheit war wie ausradiert. Sie fühlte sich befreit und lebendig, fühlte sich wieder ganz als Frau.

Das wollte sie genießen, auch wenn ihr nur einige Minuten im Schatten einer Lautsprecherbox in einem lärmenden Nachtclub vergönnt waren. Zeit, ihr strikt geordnetes Leben wieder aufzunehmen, blieb ihr danach genug.

Jetzt aber gab Alicia ihrem wilden Verlangen nach, schmiegte sich noch enger an den geheimnisvollen Fremden – und küsste ihn.

2. KAPITEL

Ihre Lippen berührten sich nur kurz.

Alicia schloss die Lider. Sie hatte ihn geschmeckt, den Fremden, und erfahren, welche dunklen wilden Gefühle er in ihr auslöste. Nachdem sie sich diesen Wunsch erfüllt hatte, war es nun Zeit zu gehen.

Doch der Fremde kam ihr zuvor.

Noch bevor sie die Augen wieder öffnen konnte, übernahm der Fremde die Führung. Alicia spürte, wie er ihr Kinn umfasste und ihren Kopf etwas zu sich drehte, um ihre Lippen besser erreichen zu können.

Sein Kuss war tief und besitzergreifend, so war Alicia noch nie geküsst worden. Dieser Mann glich wirklich einem Wolf, der sie mit Haut und Haaren zu vereinnahmen drohte. Alicia war wie berauscht von seiner Leidenschaft, und jeder Widerstand schmolz dahin.

Instinktiv legte sie ihm die Arme um den Nacken, denn ihre Knie drohten nachzugeben. Sie spürte seine Hände in ihrem Haar, an ihrer Taille und auf den Hüften. Er drehte und bog sie, wie es ihm gefiel, und willenlos und hingebungsvoll folgte sie seiner Führung. Er küsste sie, als könne er nicht genug von ihr bekommen.

In seinen Armen fühlte sich Alicia schön und begehrenswert, schwach und hilflos und verrückt vor Begehren. Sie wusste nicht mehr, wo und wer sie war.

Als er seine Lippen von ihren löste und den Kopf hob, verstand sie die Welt nicht mehr. Er starrte sie an wie eine Erscheinung und sagte etwas, das sie nicht verstand.

Erst nach etlichen Sekunden fand sie die Erklärung dafür: Er redete in einer ihr unbekannten Sprache. Diese Erkenntnis brachte sie zurück auf den Boden der Tatsachen, und sie nahm ihre Umwelt wieder wahr. Sie hörte die dröhnende Musik, sah die bunt zuckenden Lichter und die Menschen, die sich auf der Tanzfläche drängten.

Alles war genau wie vor dem Kuss – doch Alicia war eine andere geworden.

Der Fremde musterte ihr Gesicht, als suche er nach etwas. Dann schüttelte er den Kopf und ließ einen Finger sanft über ihr Schlüsselbein gleiten, als müsse er sich vergewissern, ob sie wirklich existierte. Hielt er sie für eine böse Fee, waren seine Worte eine Verwünschung gewesen?

Ratlos und aus großen Augen sah sie ihn an. Er wirkte wie eine Droge auf sie. Sie war nach ihm süchtig, obwohl sie wusste, wie gefährlich er ihr werden konnte.

„Dies ist deine letzte Chance“, warnte er sie, als habe er ihre Gedanken erraten. „Noch kannst du fliehen.“

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