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Ein Millionär und Gentleman

hier erhältlich:

3 Romane in einem Band

Gleich drei Millionäre aus Sydney bitte zum Tanz in den siebten Himmel. Doch die bildschönen Damen, für die sich die eleganten Pokerfreunde entscheiden, machen es den Gentlemen nicht gerade leicht ...

1. Ich heirate einen Millionär
Die High-Society von Australien steht Kopf: Der galante Brauereibesitzer Charles Brandon feiert mit der bezaubernden Dominique eine Hochzeit der Extraklasse. Wobei es Dominique allerdings nur um eins zu gehen scheint: Um sein Geld ...

2. Die Einzige unter Millionen
Für sein Millionenpublikum ist TV-Koch Rico Mandretti ein Superstar! Die Frauen liegen ihm zu Füßen - nur nicht die, die er will. Also greift er zu einem Trick: Bei der nächsten Pokerrunde ist René der Einsatz!

3. Lass mich dein Traumprinz sein!
500 Millionen Dollar ist es Prinz Ali von Dubar, dem dritten Millionär der Pokerrunde, wert, dass Top-Model Charmaine ihn für eine Woche auf seinen luxuriösen Landsitz begleitet. Es werden für beide unvergessliche Tage.


  • Erscheinungstag: 01.06.2014
  • Seitenanzahl: 368
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955763473
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieser Ausgabe © 2014 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der englischen Originalausgaben:

A Rich Man’s Revenge

Copyright © 2003 by Miranda Lee

Mistress for a Month

Copyright © 2003 by Miranda Lee

Sold to the Sheikh

Copyright © 2003 by Miranda Lee

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Maja Gause

Titelabbildung: Getty Images, München;

pecher und soiron, Köln

ISBN eBook 978-3-95576-347-3

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Miranda Lee

Ich heirate einen Millionär

Aus dem Englischen von Marion Koppelmann

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1. KAPITEL

“Musst du eigentlich jeden Freitag pokern?”

Im Spiegel sah Charles eine sehr schöne Blonde bäuchlings auf seinem Kingsize-Bett liegen. Das herrlich goldfarbene Haar umspielte ihre schmalen Schultern, während sie den Kopf auf die Hände gestützt hielt. Ihr Blick aus großen himmelblauen Augen begegnete seinem, und sie versuchte, ihn damit umzustimmen.

Charles zögerte, aber nur für einen Moment, dann knöpfte er sein graues Seidenhemd weiter zu. Auch wenn es ihn reizte, sich wieder zu der Blonden aufs Bett zu legen, konnte er unmöglich den jeden Freitag stattfindenden Pokerabend ausfallen lassen.

“Meine Freunde und ich haben schon vor einiger Zeit ein Abkommen geschlossen”, erklärte er nun. “Wenn wir an einem Freitagabend in Sydney sind, müssen wir erscheinen. Eigentlich reicht schon, in Australien zu sein. Wir können Treffen nur absagen, wenn wir uns in Übersee oder im Krankenhaus befinden. Und sogar als Rico dort letzten Winter nach einen Skiunfall behandelt wurde, bestand er darauf, dass wir zu ihm kommen, um in seinem Krankenzimmer zu spielen.”

Charles lächelte, während er an seinen besten Freund und dessen Pokerleidenschaft dachte. “Ich schätze mal, falls Rico wieder heiratet – was unwahrscheinlich ist –, wird er uns bitten, ihn in die Flitterwochen zu begleiten, damit er nicht auf seinen wöchentlichen Pokerabend verzichten muss. Ich dagegen habe während der gesamten vier Wochen meiner Hochzeitsreise gern darauf verzichtet”, fügte er mit einem jungenhaften Lächeln hinzu.

“Deine Frau wäre sonst auch verstimmt gewesen.”

“Tatsächlich?” Lächelnd wandte er sich ihr zu. “Und wie verstimmt?”

“Ernsthaft.”

“Und, sind Sie das heute Abend auch, Mrs. Brandon?”, fragte er neckend.

Die Blonde zuckte die Schultern und rollte sich auf den Rücken, bevor sie sich genüsslich auf dem Satinlaken räkelte. Charles versuchte, ihre perfekte Figur und ihre Schönheit zu ignorieren. Aber es war schwer, nicht darin zu schwelgen: Dominique verkörperte wahr gewordene Männerfantasien und gehörte ganz allein ihm.

Dabei konnte er immer noch nicht fassen, dass es ihm gelungen war, die Hand – und die Liebe – dieses herrlichen Geschöpfes für sich zu gewinnen. Und sie liebte ihn wirklich. Er wusste, wann Zuneigung nicht nur geheuchelt war. Dazu hatte er sich oft genug mit Frauen verabredet, die es nur auf sein Geld abgesehen hatten.

Während Dominique ihn unter ihren langen Wimpern ansah, seufzte sie. “Ich schätze mal, ich kann einige Stunden ohne dich auskommen. Ich muss mich sowieso daran gewöhnen, da du ja am Montag wieder arbeiten gehst.”

Arbeiten? Bei der Vorstellung stöhnte Charles auf, und das war noch nie vorgekommen. Nachdem die Familienbrauerei Brandon Beer vor zwanzig Jahren vor dem Bankrott gestanden hatte – aufgrund der Verschwendungssucht seines Vaters –, hatte ihr Charles sein Leben gewidmet, das Studium abgebrochen, Schwierigkeiten als Herausforderung angesehen und Überstunden nicht gezählt. Dabei war es ihm gelungen, Brandon Beer wieder zum Exportschlager zu machen. Gleichzeitig hatte er sich auch noch ein halbes Dutzend Hotels in Sydney gekauft, wobei ihm jedes ein beträchtliches Vermögen einbrachte, seitdem dort “Einarmige Banditen” standen.

Während sich Charles zu einem der erfolgreichsten Geschäftsmänner Australiens hochgearbeitet hatte, mussten Ehe und Familie warten. Doch seitdem er Dominique kannte und mit ihr verheiratet war, spielte die Arbeit für ihn nur noch eine untergeordnete Rolle. Investitionsmöglichkeiten, Marktforschungsergebnisse und Expansionsprogramme interessierten ihn nicht mehr so sehr wie früher. Und obwohl seine Flitterwochen jetzt zu Ende waren, konzentrierte er sich vorwiegend auf Dinge, die nichts mit der Arbeit zu tun hatten.

Die Vorstellung, in nächster Zukunft eine Familie zu gründen, fand er fast genauso aufregend wie die Frau an seiner Seite. Dominique wollte wenigstens zwei Kinder haben und hatte beschlossen, kommenden Monat die Pille abzusetzen. Das kam Brandon sehr entgegen, genauso wie ihre Entscheidung, als seine Ehefrau nicht wieder arbeiten zu gehen. Ihre Stellung in der Marketing-Abteilung von Brandon Beer hatte sie bereits aufgegeben, nachdem sie seinen Heiratsantrag angenommen hatte. Es war ihr nicht richtig vorgekommen, auch weiterhin dort zu arbeiten.

Natürlich hätte sie mit ihrer Persönlichkeit und ihrem guten Aussehen im Handumdrehen eine neue Anstellung bekommen, und er hatte ihr auch zu verstehen gegeben, dass sie nicht glauben solle, er sei dem altmodischen Gedanken verfallen, seine Frau dürfe nicht arbeiten. Aber sie hatte erklärt, sie wolle die nächsten Jahre erst einmal als seine Ehefrau und Mutter seiner Kinder Karriere machen. Vielleicht würde sie wieder arbeiten gehen, wenn ihr jüngstes Kind eingeschult wurde.

Charles hielt sich durchaus für modern, musste aber zugeben, dass ihm die Vorstellung gefiel, seine Frau vorzufinden, wenn er von der Arbeit nach Hause kam, und sich von ihr verwöhnen zu lassen. Ohnehin schien es ihr ein besonderes Anliegen zu sein, ihn zu umsorgen.

“Ich werde dich schrecklich vermissen”, sagte sie jetzt und klang ein wenig vorwurfsvoll. “Bist du ganz sicher, dass du am Montag wieder zur Arbeit musst?”, fragte sie dann und warf ihm den verführerischsten Blick seit Adam und Eva zu, woraufhin sich bei Charles sofort etwas regte. Er würde es zwar heute Abend einige Stunden ohne Dominique aushalten, aber die Vorstellung, in Zukunft nicht mehr mit ihr schlafen zu können, wann immer ihm der Sinn danach stand, behagte ihm gar nicht. Flitterwochen konnten einen ganz schön aus der Bahn werfen, genauso wie schöne Ehefrauen, die einem keinen Wunsch abschlugen.

“Ich schätze, eine Woche kann ich schon noch freimachen”, sagte er nun und dachte: Meine Mitarbeiter werden auch fünf weitere Tage klarkommen, ohne dass ich persönlich erscheine. Wozu gab es Telefon und Internet? “Dann hätten wir ein bisschen Zeit, um uns nach unserer neuen Bleibe umzusehen.” Er wollte sein Penthaus gegen ein Einfamilienhaus in einem Nobelvorort Sydneys eintauschen. Dann müsste er auch nicht mehr jeden Tag die Harbour Bridge überqueren, wenn er zur Arbeit fuhr.

“Was für ein wunderbarer Einfall!”, rief Dominique jetzt und strahlte. “Aber kannst du wirklich auf die Arbeit verzichten? Ich meine, deinen Ruf als Workaholic hast du ja wohl nicht umsonst!”

Gespielt wehmütig erwiderte Charles ihren Blick. “Du weißt doch, dass ich fast alles tun würde, um dir einen Gefallen zu tun. Du hast mich verhext”, flüsterte er dann und beugte sich über sie.

“So, habe ich das?” Sie sprach ganz leise und lasziv, und er stand sofort in Flammen. Dabei war er bald einundvierzig Jahre alt und kein unerfahrener Siebzehnjähriger mehr. Aber er konnte von Dominique einfach nicht genug bekommen. Auch das war ihm noch bei keiner Frau passiert, und er hatte auch noch keine so geliebt.

Zärtlich strich sie ihm jetzt übers Gesicht. “Ich kann mir gar nicht vorstellen, Darling, wie du dich in dieser Verfassung aufs Kartenspielen konzentrieren willst. Deine Freunde würden doch bestimmt nichts sagen, wenn du ein kleines bisschen zu spät kommst.”

Wie gern hätte er ihr nachgegeben. Aber bei einem Quickie würde es dann nicht bleiben, und er konnte sich schon jetzt Ricos Reaktion vorstellen, wenn er, Charles, deutlich zu spät kam. Nein, er musste stark bleiben und durfte Dominique nicht zu Willen sein. Was vielleicht auch mal ganz gut war. Seit ihrer Heirat hatte er sie ungeheuer verwöhnt. Während der zwei Wochen in Paris hatte er ein Vermögen für Designermode ausgegeben, und bei ihrem Zwischenstopp in Rom vor dem Weiterflug nach Australien war noch einmal ein großer Betrag für handgearbeitete italienische Schuhe hinzugekommen. Aber genug war genug! Sie mussten endlich mit ihrem Ehealltag beginnen, und dazu gehörte auch, dass er jeden Freitagabend zum Pokern ging.

“Ganz im Gegenteil”, erklärte Charles jetzt mit einem jungenhaften Lächeln, “ich werde mich hervorragend konzentrieren können. Unbefriedigte Lust spornt Männer an. Bestimmt gewinne ich heute Abend, und wenn ich nach Hause komme, hast du auch noch etwas davon. So, und jetzt hör auf, mich zu verführen, und zieh dir etwas über.”

Sie lachte und rollte sich auf den Bauch. “Wird es so gehen?”

“Ich denke schon.” Obwohl natürlich auch ihr Rücken und Po eine Augenweide darstellten. Dominique war einfach in jeder Beziehung ein Traum! Ganz im Gegensatz zu ihm. Charles wusste, dass er kein ausgesprochener Frauenschwarm war. Als Teenager hatten ihn die Mädchen überhaupt nicht wahrgenommen, und später wollten sie ihn höchstens als “guten Freund”. Aber seitdem er ein gewisses Vermögen sein Eigen nannte, fanden ihn plötzlich zahllose umwerfende Frauen unwiderstehlich. Zwar hatte er sich mit dem Älterwerden zu seinem Vorteil verändert, aber man konnte nicht behaupten, er sei besonders gut aussehend wie sein Vater oder Rico. Deshalb war Charles auch immer davon ausgegangen, dass die Frauen es vor allem auf sein Geld abgesehen hatten.

Inzwischen sah er ganz passabel aus. Er war sehr groß, hielt sich fit und besaß immer noch volles Haar. Der berufliche Erfolg hatte sicher auch sein Auftreten verändert. Manche Journalisten beschrieben ihn als “beeindruckend und übermächtig”, andere als “rücksichtslos und arrogant”. Aber Charles interessierte nur, was Dominique von ihm hielt. Offensichtlich war er für sie attraktiv genug. Das hatte sie ihm auch in ihrer Hochzeitsnacht gesagt. Von Anfang an habe sie ihn unglaublich sexy gefunden, und das war bei ihm, was sie betraf, nicht anders gewesen.

Bei der letzten Betriebsweihnachtsfeier war er auf Dominique aufmerksam geworden. Sie hatte gerade begonnen, für Brandon Beer zu arbeiten, nachdem sie zuvor von Melbourne nach Sydney gezogen war. Natürlich kannte Charles ihre Personalunterlagen und wusste, dass sie achtundzwanzig Jahre alt und in Tasmanien, dem kleinsten Bundesstaat Australiens, geboren war. Sie besaß keine besonders gute Schulausbildung, hatte sich aber in Abendkursen weitergebildet. Das gefiel ihm. Bei ihrer letzten Anstellung war sie immerhin persönliche Assistentin des Firmengründers gewesen.

Von seinem Personalchef wusste Charles bereits, dass “die Neue” eine sehr attraktive Blondine war, aber als er sie in natura erlebte, verschlug es im buchstäblich den Atem. Dominique trug ein dreiviertellanges weißes Satinkleid mit tiefem V-Ausschnitt und Holderneck, das keinen Zweifel an ihrer umwerfenden Figur ließ. Ihre vollen Lippen glänzten rosig, und an ihren Ohrläppchen baumelten Perlenohrringe. Als Charles näher kam, roch er einen unheimlich exotischen und verführerischen Duft, der, wie er inzwischen wusste, “Casablanca” hieß.

Schon Minuten nachdem sie einander vorgestellt worden waren, bat er Dominique, mit ihm auszugehen, da er sie bereits zu diesem Zeitpunkt unheimlich begehrte. Daran gewöhnt, dass Frauen ihm zu Willen waren, traf ihn Dominiques ablehnende Antwort umso härter, besonders da sie im Lauf der Unterhaltung zugab, nicht anderweitig gebunden zu sein. Sie sagte ihm höflich, aber bestimmt, dass sie niemals mit ihrem Chef etwas anfangen würde – egal, wie sehr sie sich zu ihm hingezogen fühlen mochte.

“Dann finden Sie mich also durchaus attraktiv”, hatte er teils geschmeichelt, teils frustriert erwidert.

Dominique warf ihm einen merkwürdig nervösen Blick zu, wirbelte auf ihren hohen Absätzen herum und verließ die Party. Doch Charles war so hingerissen, dass er sich während der Betriebsferien zu Weihnachten an ihre Fersen hängte. Jeden Tag schickte er ihr Blumen und rief sie abends an – Adresse und Telefonnummer entnahm er der Personalakte –, bis Dominique endlich einwilligte, mit ihm essen zu gehen. Trotzdem bestand sie darauf, sich im Restaurant zu treffen und danach allein mit dem Taxi nach Hause zu fahren – was ihn nur noch mehr reizte.

Offensichtlich hatte sie Angst, mit ihm allein zu sein. Aber warum?

Das fand er erst beim Nachtisch heraus. Sehr bewegt erzählte sie ihm, dass sie eine Affäre mit ihrem letzten Chef gehabt habe. Er hatte ihr den Himmel auf Erden versprochen, am Ende aber eine junge Frau der Gesellschaft geheiratet. Deshalb war Dominique auch nach Sydney gezogen und hatte beschlossen, sich nie wieder auf ihren Chef einzulassen. Vorgesetzte, so ihre Meinung, seien nur darauf aus, eine hübsche Angestellte ins Bett zu bekommen, um sie dann fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel.

Charles nahm sich vor, Dominique das Gegenteil zu beweisen, aber sie war nur schwer zu überzeugen. Zwar akzeptierte sie auch weitere Einladungen zum Dinner und zeigte ihm auf zahllose unglaubliche süße Weisen, dass sie ihn sehr gern mochte, wies aber auch weiterhin seine Avancen zurück. Charles’ Gefühle für sie wurden immer tiefer, und er schwor sich, ihr das auch zu zeigen.

Noch heute erinnerte er sich an ihren erschrockenen Gesichtsausdruck, als er ihr eines Abends Anfang März beim Essen im Restaurant eröffnet hatte, dass er sie mehr liebe, als Worte es ausdrücken könnten. Doch als er sie daraufhin bat, seine Frau zu werden, und einen wunderschönen, unheimlich kostspieligen Diamantring aus der Jackentasche nahm, verwandelte sich Dominiques Schreck rasch in offene Ablehnung.

“Das meinst du doch nicht ernst! Das sagst du doch nur, um mich ins Bett zu bekommen. Du glaubst, du könntest meine Liebe kaufen. Pah! Das Geld für den Klunker hättest du dir sparen können. Das Schlimme ist, dass ich mich längst in dich verliebt habe und heute Nacht ohnehin mit dir schlafen wollte.”

Als er das hörte, war es ihm unmöglich, nicht zu zeigen, wie begeistert er darüber war und dass sich diese Begeisterung gleichzeitig als körperliche Reaktion ausdrückte.

“Meinetwegen steck mir das blöde Ding an den Finger! Und dann bring mich von hier weg, und nimm mich endlich. Aber wir wissen beide, dass danach keine Hochzeitsglocken läuten werden. Wenn du hattest, was du willst, wirst du mich genauso fallen lassen wie mein letzter Chef.”

“Da irrst du dich aber!”, beharrte Charles leidenschaftlich, während er ihr den glitzernden Diamantring an den Finger steckte. Und dass sie sich tatsächlich irrte, bewies er ihr dann auch: Vier Wochen später heirateten sie, ohne dass er sie vorher ein einziges Mal angerührt hätte. Der Kuss, den er ihr nach der schlichten Zeremonie im kleinsten Kreis gab, war der erste richtige überhaupt. Natürlich war es für Charles die reinste Hölle gewesen, sich so lange zu beherrschen. Aber er hatte sich auf sein eigentliches Ziel konzentriert.

Rico nannte es “verrückt”, eine Frau zu heiraten, mit der er vorher nicht einmal intim geworden war. Merkwürdig eigentlich für einen Italiener. Die standen doch auf Jungfrauen, oder? Nicht, dass Dominique eine gewesen wäre. Daraus machte sie auch keinen Hehl. Aber sie hatte so etwas rührend Unschuldiges gehabt, als sie in der Hochzeitsnacht mit ihrem cremefarbenen Satinnachthemd im Schlafzimmer erschienen war.

Sie wirkte nervös und war vielleicht auch besorgt, weil sie einen Mann geheiratet hatte, mit dem sie noch nie geschlafen hatte. Schließlich hätte es sich bei ihm auch um den schlechtesten Liebhaber der Welt handeln können! Aber ihre Hochzeitsnacht verlief für sie beide märchenhaft. Als er sah, mit welch ehrfürchtiger Freude seine Braut seine Berührungen genoss, kannte auch Charles’ eigene Leidenschaft keine Grenzen mehr.

Danach, irgendwann im Morgengrauen, lagen sie einander rundum zufrieden in den Armen, und Dominique sagte: “Bisher wusste ich ja nicht, was wahre Liebe ist. Aber dich, Charles, liebe ich so sehr, dass ich sterben würde, wenn du mich irgendwann nicht mehr liebtest.”

Ein Ding der Unmöglichkeit, hatte er damals gedacht und war nach wie vor derselben Meinung. Wenn überhaupt, liebte er Dominique inzwischen noch mehr als vorher, und er wäre derjenige, der sterben müsste, sollte sie sich eines Tages von ihm abwenden.

“Ich muss los”, sagte er jetzt liebevoll und fühlte sich ein wenig schuldig, sie allein zu lassen. “Ich will versuchen, nicht so spät nach Hause zu kommen, aber …”

“Ja, ich weiß.” Sie seufzte. “Rico wird versuchen, dich bis zum Morgengrauen dazubehalten.” Bei dem Gedanken an Charles’ Trauzeugen biss Dominique unwillkürlich die Zähne zusammen, und das hatte nichts mit Ricos Pokerleidenschaft zu tun.

Von Anfang an hatte Enrico Mandretti keinen Hehl daraus gemacht, dass er Zweifel an ihrer Liebe zu Charles hatte. Das war seinen Blicken eindeutig zu entnehmen gewesen. Bestimmt glaubte er, sie habe es nur auf Charles’ Geld abgesehen, und das Schlimme war: Er hatte recht und auch wieder nicht. Bevor sie Charles kennengelernt hatte, war sie tatsächlich auf der Suche nach einem reichen Mann gewesen – eine junge Frau, die ihr gutes Aussehen und ihren Körper benutzte, um ihr Hauptziel im Leben zu erreichen: sich einen reichen Mann mit einer hervorragenden Krankenversicherung zu angeln, die ihr das Schicksal ihrer Mutter ersparte.

Bestimmt machten reiche Frauen nicht durch, was ihre Mutter auszustehen gehabt hatte. Und falls diese Frauen nicht ohnehin wieder gesund wurden, weil sie in der Lage waren, sich eine kostspielige Behandlung zu leisten, konnten sie zumindest in Würde sterben. Nach dem qualvollen Dahinsiechen ihrer Mutter hatte sich Dominique geschworen, reich zu heiraten. Aber das war nicht so einfach, selbst wenn man so gut aussah wie sie. Wohlhabende Männer heirateten Frauen, die sich in ihren gesellschaftlichen Kreisen bewegten oder mit ihnen arbeiteten: weltgewandte Akademikerinnen.

Unglücklicherweise hatte ihre, Dominiques, Ausbildung sehr zu wünschen übrig gelassen. Oft hatte sie tagelang von der Schule fern bleiben müssen, weil ihre sterbenskranke Mutter ihre Hilfe brauchte. Mit achtzehn war ihr klar geworden, dass es sie Jahre kosten würde, um einen akademischen Grad zu erwerben, der sie schließlich in den Dunstkreis gut betuchter Geschäftsleute bringen würde. Aber sie war hübsch und ehrgeizig und erreichte schließlich auch ohne Universitätsabschluss ihr Ziel, an der Seite eines wohlhabenden, gut aussehenden und unverheirateten Mannes zu arbeiten.

Dummerweise verfolgte Jonathon Hall seine Ziele noch rücksichtsloser als sie, und in seinem Lebensentwurf war kein Platz für eine unvermögende Ehefrau aus den Wäldern Tasmaniens, egal, wie viel sie inzwischen aus sich gemacht haben mochte und wie sehr er sich zu ihr hingezogen fühlte. Mit ihr zu schlafen war wunderbar, sie anzulügen auch. Aber sie zu heiraten kam nicht infrage!

Nach dem Scheitern ihrer Mission, Mrs. Jonathon Hall zu werden, hatte Dominique traurig und auch ein wenig verbittert dessen großzügige Abfindung und das von Schuldgefühlen diktierte, besonders positive Arbeitszeugnis entgegengenommen, um sich in Sydney einen noch größeren Fisch zu angeln. Dort angekommen, hatte sie kaltblütiger als je zuvor ihre Strategie verfolgt, Mrs. Charles Brandon zu werden.

Aber an den Gefühlen, die Charles bereits bei ihrem ersten Treffen in ihr hervorrief, war nichts kaltblütig gewesen. Auf Fotos hatte sie ihn auch vorher schon recht attraktiv gefunden – niemals hätte sie sich mit einem Mann einlassen können, der sie abstieß –, aber in natura war er so sexy, dass es ihr den Atem nahm.

Bisher hatte sich Dominique noch nie richtig verliebt oder wirklich nach einem Mann verzehrt. Seit der Pubertät fühlte sie sich mal mehr oder weniger zu jemandem hingezogen, hatte gelegentlich sogar mit dem einen oder anderen geschlafen. Von Jonathon war sie sogar ganz besonders angetan, und auch der Sex mit ihm war recht angenehm gewesen. Aber ungezügelte Liebe und Leidenschaft hatte es dabei nicht gegeben. Sie verlor auch nie den Kopf und spielte den Männern ihre Höhepunkte immer nur vor.

Doch als Charles ihre Figur bewunderte, durchbrach er mit seinem Blick aus stahlgrauen Augen ihren Schutzwall und sah ihr direkt ins Herz. Dominique war ganz hin und weg von seiner Größe und Fitness … und reagierte geradezu panisch darauf. Kein Wunder, dass sie ihrem Plan, Charles Brandon zu verführen, abschwor! Sie wollte zwar einen reichen Mann heiraten, aber sich nicht in ihn verlieben. Liebe machte Frauen blind und verletzlich und brachte nur Unglück.

Aber Charles hatte einfach nicht locker gelassen, und jetzt war sie seine Frau und liebte ihn geradezu abgöttisch. Nun wusste sie auch, was ihre Mutter auf die Frage hin, warum sie einen so abgehalfterten Typen wie ihren Vater heiraten musste, gemeint hatte mit: “Ich war einfach unsterblich in ihn verliebt.” Und das, obwohl diese Liebe sie schließlich ins Grab brachte.

Während Dominique ihrem Mann jetzt zusah, wie er seine Jacke anzog, versuchte sie, sich nicht allzu große Sorgen darüber zu machen, dass sie ihn tatsächlich liebte. Bei ihm konnte sie es sich wohl erlauben, ein wenig Schwäche zu zeigen. Schließlich erwiderte er ihre Gefühle und war ohnehin ganz anders als Jonathon. Verrückt, dachte sie dann, dass ich mir Charles genau aus diesem Grund als Heiratskandidaten ausgesucht habe – weil er eben nicht mehr so jung war und nicht ganz so gut aussah wie Jonathon. Sie hatte gehofft, das würde ihn für ihre Verführungskünste empfänglicher machen und ihr mehr Macht über ihn geben.

Aber genau das Gegenteil war der Fall. Von Anfang an hatte Charles sie im Griff gehabt und dazu gebracht, mit ihm auszugehen, trotz ihrer Befürchtung, sich in ihn zu verlieben. Aber es gab keinen Grund, Angst zu haben. Charles war ein wunderbarer Ehemann und Liebhaber, und er würde auch ein wunderbarer Vater sein.

Der plötzliche Kinderwunsch war auch so etwas, worüber sich Dominique immer wieder wunderte. Bisher hatte sie sich nie als Hausfrau und Mutter gesehen. Doch jetzt konnte sie es kaum erwarten, ein Kind zu bekommen. Und nicht nur eins. Mit einem Mal war es ihr Wunschtraum, ein Haus voller Kinder zu haben.

Natürlich hätte es nichts mit dem ihrer Mutter gemein. Es wäre keine erbärmliche Hütte, sondern eine Vorortvilla. Ihr Ehemann war auch kein Taugenichts und konnte sich locker eine Frau und mehrere Kinder leisten, nicht so wie ihr Vater – der Versager! –, dem es nicht einmal gelungen war, für sich selbst zu sorgen, geschweige denn für Frau und Kind.

“Ich bin weg”, sagte Charles jetzt, während er Handy und Schlüsselbund vom Nachttisch nahm. “Du hast ja meine Telefonnummer, falls etwas sein sollte. So, und jetzt sei schön brav!”, fügte er lächelnd hinzu.

Als Dominique ihn das Schlafzimmer verlassen sah, ergriff sie irgendwie Panik. “Charles!”

Stirnrunzelnd drehte er sich um. “Was ist denn?”

“Ach nichts. Ich … Ich liebe dich.”

“Ich weiß.” Wieder lächelte er sein jungenhaftes Lächeln. “Ich kann es kaum erwarten, zurückzukommen.”

2. KAPITEL

Von Charles’ Penthaus in der Innenstadt bis zum Regency Hotel war es nicht weit, trotzdem fuhr er mit dem Wagen. Zu Fuß zu gehen gehörte nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Fünf Minuten später gab er den Schlüssel des silberfarbenen Jaguars dem Parkwächter und ging mit großen Schritten in das Fünfsternehotel.

Während er über den Marmorboden der weitläufigen, im Arkadenstil gehaltenen Eingangshalle eilte, fiel sein Blick auf die Auslage einer australischen Schmucknobelmarke. Unvermittelt blieb er vor der Vitrine stehen und betrachtete ein wunderbar gearbeitetes zweireihiges Halsband aus oval geschliffenen Opalen in fein gearbeiteter, diamantbesetzter Weißgoldfassung.

Diese Kette würde an Dominique mit ihrem grazilen Hals und dem langen Haar einfach wunderbar aussehen! Rasch warf er einen Blick auf die Uhr. Ihm blieben noch zwölf Minuten bis zum offiziellen Beginn der Pokerrunde um zwanzig Uhr. Die zugehörige Niederlassung von “Whitmore Opals” war auch noch geöffnet. Dabei sagte sich Charles, dass er wirklich aufhören müsse, Dominique zu verwöhnen. Aber es war zu spät: Vor seinem geistigen Auge sah er sie bereits mit dem Collier. Natürlich hatte es einen stolzen Preis, aber Diamanten gab es nun einmal nicht umsonst.

Die Sache war also entschieden, und fünf Minuten später schob er eine lederne Schmuckschatulle in seine Jackentasche. Zwei Minuten vor zwanzig Uhr betrat er den Privatlift zum obersten Stockwerk, und eine Minute später öffneten sich ihm die Türen zur Präsidentensuite.

Als er Dominique erzählt hatte, dass sie immer im Regency zu pokern pflegten, war sie erstaunt über den kostspieligen Treffpunkt gewesen. Warum sie nicht einfach reihum bei sich zu Hause spielten, hatte sie gefragt. Das wäre doch viel billiger!

Er hatte ihr erklärt, dass ihn der Spaß nichts koste. Einer seiner Pokerfreunde war ein arabischer Scheichsohn, der jedes Wochenende in der Luxussuite des Regency verbrachte, nachdem er sich zuvor per Hubschrauber von seinem australischen Landsitz im hundertachtzig Kilometer entfernten Hunter Valley nach Sydney bringen ließ.

Über diese Neuigkeit geriet Dominique natürlich ganz aus dem Häuschen und wollte mehr über den geheimnisvollen Scheich wissen, mit dem ihr Mann pokerte. Charles erzählte ihr dann das bisschen, das er selbst wusste. Prinz Ali war dreiunddreißig Jahre alt, sah umwerfend aus und war der jüngste Sohn König Khaleds von Dubar, einem der reichsten Staaten der Vereinigten Emirate. Bei vier älteren Brüdern war es ziemlich unwahrscheinlich, dass er jemals den Thron bestieg, und so hatte man ihn vor einigen Jahren nach Australien entsandt, damit er sich hier um die Rennpferde der königlichen Familie kümmerte.

Und das war ihm offensichtlich gut gelungen. Aus dem königlichen Vollblutgestüt wurden jedes Jahr zu Ostern Jährlinge der Spitzenklasse verkauft und zu eben solchen Preisen. Aber der Gerüchteküche war zu entnehmen, dass sein Händchen in Sachen Pferde nichts damit zu tun hatte, dass er sich nun um das königlich-väterliche Gestüt kümmerte. Angeblich hatte man ihn um seiner Sicherheit willen aus dem Emirat “entfernt”, nachdem es einen Skandal mit einer verheirateten Frau gegeben hatte.

Charles’ Meinung nach konnte da durchaus etwas dran sein. Auch in Australien hatte sich Ali einen Namen als Frauenheld gemacht, aber nicht, weil er seine Affären in die Öffentlichkeit trug. Er war noch nie allein mit einer Frau gesehen oder fotografiert worden. Wenn er bei seinen wöchentlichen Besuchen auf der Rennbahn eine Frau entdeckte, die ihm gefiel, traf er bei gegenseitigem Interesse entsprechende Vorbereitungen, um sein “Objekt der Begierde” auf seinen Landsitz fliegen zu lassen.

Keine von Alis so genannten Freundinnen hatte jemals ihre Geschichte an die Medien verkauft, deshalb blieben diese Beziehungen nur Spekulation. Auch Ali sprach niemals über sein Liebesleben. Aber Charles ging davon aus, dass an dem Gerede etwas Wahres sein musste. Jemand mit Alis Aussehen und dem märchenhaften Reichtum war ja schon fast gezwungen, zum Casanova zu werden. Ein bisschen war er, Charles, das auch gewesen, bevor er Dominique kennengelernt hatte. Aber an Ali konnte er sich natürlich nicht messen. Schließlich handelte es sich bei dem Mann um einen Prinzen!

Seine Herkunft war auch der Grund dafür, dass sie sich jeden Freitag in der Hotelsuite trafen und er sie nicht besuchen kam. Im Regency war alles viel sicherer und entspannter. Als sie letztes Jahr bei Rico im Krankenhaus gespielt hatten, war Ali von zwei Leibwächtern begleitet worden. Der eine stand die ganze Zeit vor der Tür, und der andere saß in einer Ecke bei ihnen – wohlgemerkt, nachdem er die Vorhänge zugezogen hatte.

Ein bisschen beunruhigend war das schon gewesen. Aber in der Hotelsuite gab es keinen Grund, ein mulmiges Gefühl zu bekommen. Der Sicherheitsdienst war ständig im Einsatz, und wenn Prinz Ali im Royal residierte, bestand Alarmstufe eins. Außerdem kam niemand ohne Geheimnummer für den Lift in die Präsidentensuite. Und selbst im Aufzug wurde die Identität noch einmal überprüft und mit den Fotos unerwünschter Gäste verglichen, die dem Sicherheitspersonal vorlagen. Gleiches galt, bevor sich die Tür zur Suite öffnete.

Als Charles jetzt klingelte, wurde ihm im Handumdrehen aufgemacht. Seine Ankunft war eindeutig schon mit Ungeduld erwartet worden.

“Guten Abend, Mr. Brandon”, begrüßte ihn der Butler.

“Guten Abend, James”, antwortete Charles beim Eintreten.

“Sicher hatten Sie sehr angenehme Flitterwochen, Sir”, fuhr James förmlich fort. Er arbeitete für das Hotel, war in England ausgebildet worden und jeden Freitagabend der Präsidentensuite zugeteilt. Er verhielt sich respektvoll, hatte ein Auge auf die kleinste Kleinigkeit und verfügte über ein hervorragendes Gedächtnis, was Namen, Gesichter und Fakten betraf.

“Die Flitterwochen waren herrlich”, antwortete Charles jetzt. “Aber Paris im Frühling ist immer eine Reise wert.”

“Und Mrs. Brandon?”

Charles lächelte schalkhaft. “Sie ist auch herrlich.”

James gestattete sich den Anflug eines Lächelns. “Wenn ich das sagen darf, Sir, sehen Sie auch ganz besonders erholt aus.”

“So fühle ich mich auch.”

“Das kann ich von Mr. Mandretti nicht behaupten”, fügte der Butler nun in vertraulichem Flüsterton hinzu.

“Oh, ist Rico in meiner Abwesenheit krank gewesen?”

“Nein, aber irgendetwas scheint ihn schwer zu beschäftigen. Auf jeden Fall ist er heute sehr kurz angebunden mit mir, was sonst ja gar nicht seine Art ist.”

Da sich Rico von ganz unten nach ganz oben hochgearbeitet hatte, war er geneigt, die Angestellten, mit denen er zu tun hatte, mindestens genauso freundlich zu behandeln wie die vom Glück Verwöhnten, mit denen er inzwischen verkehrte. Ihn mochte und bewunderte Rico, weil er sich sein Geld selbst verdient hatte. Für Menschen, die schon mit einem silbernen Löffel im Mund geboren wurden, hatte er normalerweise wenig übrig. Eine Ausnahme bildete dabei ihr Gastgeber.

Prinz Ali verfügte zwar von Geburt an über ein Riesenvermögen, aber er war kein Faulpelz. Rico hatte sich schon einige Male auf seinem Landsitz aufgehalten und ihn in Aktion erlebt. Auf dem Gestüt schuftete Prinz Ali wie ein Pferd und packte selbst mit an, wenn es um seine geliebten Vollblüter ging. Der Mann war in Ordnung – trotz seiner Milliarden –, und deshalb behandelte Rico ihn entsprechend respektvoll.

Das vierte und letzte Mitglied in ihrer privaten Pokerrunde respektierte Rico dagegen nicht wirklich. Aber seine Haltung Mrs. Renée Selinsky gegenüber war ohnehin zwiespältig. Obwohl sie der Arbeiterschicht entstammte und zunächst als Model und dann als Eigentümerin einer sehr erfolgreichen Modelagentur zu Reichtum gelangt war, kam Rico nicht darüber hinweg, dass sie danach einen Banker geheiratet hatte, der alt genug gewesen war, um ihr Großvater zu sein. Seiner Meinung nach war es genauso verwerflich, des Geldes wegen zu heiraten, wie es zu erben. Dass Renée tatsächlich einen Mittsechziger geliebt haben wollte, konnte er einfach nicht glauben.

Mit dreißig war sie Witwe geworden – eine äußerst reiche noch dazu – und hatte begonnen, in Rennpferde zu investieren. So hatten sich die vier auch kennengelernt, als sie alle Anteile an einem von Alis wunderschönen Jährlingen erwarben. Und an dem Tag, an dem ihr Pferdchen den “Silver Slipper Stakes” gewann, entdeckten sie und der stolze Züchter beim Feiern in eben dieser Suite ihre gemeinsame Leidenschaft fürs Pokern und machten ihr erstes Spiel.

Das war nun etwa fünf Jahre her. Inzwischen war die “lustige Witwe”, wie Rico Renée manchmal nannte, fünfunddreißig, sah immer noch super aus, und ihre nach wie vor kühle, zurückhaltende Art ging ihm unter die Haut. Doch ihre Cleverness brachte Rico am meisten auf. Er hasste es, wenn er beim Pokern gegen sie verlor. Aber Renée konnte einfach unerhört gut bluffen. Wenn sie ihr Spiel spielte, war keiner von ihnen in der Lage, ihr das Wasser zu reichen.

Charles hatte längst akzeptiert, dass Renée besser war als er, und verhielt sich zurückhaltend, wenn sie den Pot hatte. Er verlor einfach nicht gern Geld. Ali dagegen versuchte, sie herauszufordern, indem er den Einsatz in Schwindel erregende Höhen trieb, und hatte damit sogar gelegentlich Erfolg. Renée war reich, aber nicht so reich wie der Prinz. Rico dagegen wurde reizbar und unhöflich und versuchte, Renée damit aus der Fassung zu bringen. Aber dann wollte er meistens im falschen Moment “sehen”, passte, wenn er besser dabei geblieben wäre, oder erhöhte den Einsatz, wenn Renée ein unschlagbares Blatt auf der Hand hielt.

Charles’ Meinung nach hatte es Rico heimlich auf sie abgesehen, würde es aber nie zugeben – nicht einmal sich selbst gegenüber. Doch wenn er seine Spitzen gegen Renée losließ, lag eindeutig eine sexuelle Botschaft in seinem Blick. Ohnehin war Rico mit seinen vierunddreißig Jahren ein sehr leidenschaftlicher Mensch. Der typische Latin Lover. Unwillkürlich fragte sich Charles jetzt, ob Ricos schlechte Laune an diesem Abend nur an einem Zuviel männlicher Hormone lag.

Rico war jetzt seit einem Jahr geschieden und hatte bisher keine feste Freundin. Das bekam ihm einfach nicht. Er brauchte Sex wie das tägliche Brot! Sicher wäre es das Beste, er würde wieder heiraten, und zwar eine Frau, die ihn wirklich liebte. Doch nachdem er einmal hereingefallen war, weil seine Exfrau Jasmine es nur auf sein Geld abgesehen hatte, war er jetzt auf der Hut.

Als Charles den Rundbogen vom Flur in den Salon durchschritt und Rico sah, kam er zum gleichen Schluss wie James: Der Mann war nicht krank, er strotzte geradezu vor Gesundheit. Er trug eine Designerhose, einen lässigen Pullover, und sein welliges Haar glänzte wie immer. Aber er hatte eindeutig schlechte Laune und machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter, während er sein Glas Rotwein – wahrscheinlich Chianti, denn er zog italienische Weine den australischen vor – leerte.

“Wird aber auch Zeit, dass du auftauchst!”, fuhr er ihn jetzt ohne seinen Akzent an, dessen er sich in seiner beliebten Kochsendung Pasta-Leidenschaft immer bediente. Seine Eltern waren vor über einem halben Jahrhundert nach Australien ausgewandert, und ihre Kinder – fünf Mädchen und drei Jungen – samt und sonders in Sydney geboren. Rico war der Jüngste, und Charles als Einzelkind fand es nach wie vor unfassbar, dass man so viele Geschwister haben konnte.

“Ich bin pünktlich”, antwortete er jetzt gelassen.

“Nein, das bist du nicht! Das Spiel sollte eigentlich um acht Uhr beginnen. Jetzt ist es schon fünf Minuten nach acht, weil du dich mit dem Personal unterhalten musstest. Hier, James, füllen Sie das bitte nach.” Er reichte dem Butler sein leeres Glas.

Charles überlegte, was Rico ärgerte, entschied sich aber, nicht danach zu fragen. Am besten, sie fingen sofort an zu pokern. Die anderen saßen schon am Spieltisch, der wie immer direkt neben dem Fenster stand, das aus schusssicherem Glas war und einen wunderbaren Blick über Sydney bot. Renée in ihrem zartrosa Kaschmirpullover sah sanfter aus als normalerweise und prostete ihm mit ihrem Weißweinglas zu. Ali in Jeans und Hemd nickte zur Begrüßung, während er einen Schluck Mineralwasser trank. Alkohol rührte er nicht an, sorgte aber immer dafür, dass seinen Gästen nur das Beste serviert wurde.

“Siehst du, Rico”, meinte Renée jetzt mit ihrer rauchigen Stimme, “ich habe dir gleich gesagt, dass Charles kommt! Obwohl ich hätte verstehen können, wenn er heute Abend noch einmal zu Hause geblieben wäre. Schließlich ist er erst vier Wochen verheiratet, und seine Frau sieht umwerfend gut aus.”

Das tust du auch, Renée, dachte Charles. Sie war nur nicht sein Typ, hatte hohe Wangenknochen und ungewöhnlich geformte hellgrüne Augen mit Schlafzimmerblick, den sie noch betonte, indem sie sich die Brauen ganz fein zupfte. Dadurch wirkte sie beim Lächeln immer entweder belustigt oder spöttisch, aber nie püppchenhaft. Ansonsten konnte man sie von ihrem Gesichtsausdruck her leicht für hochnäsig oder zumindest sehr von sich eingenommen halten. Das war ihr auf dem Laufsteg wahrscheinlich zugute gekommen, aber im täglichen Leben stieß sie damit eher auf Ablehnung.

Am Anfang hatte Charles Renée auch nicht gemocht. Doch der erste Eindruck trog oft. Zwar konnte er selbst nach fünf Jahren noch nicht behaupten, sie gut zu kennen, fand sie allerdings schon viel sympathischer. Schließlich war es unmöglich, eine Frau, die so hervorragend pokerte, nicht zu mögen.

Ihm war auch egal, ob sie den Banker nun des Geldes wegen geheiratet hatte oder nicht. Zweifellos hatte sie ihre Gründe gehabt. Trotzdem kam ihm Renée immer viel zu kühl und beherrscht vor. Ganz anders als Dominique, die ständig zwischen süßer Hingabe und unersättlichem Verlangen schwankte. “Noch einmal, Charles!”, pflegte sie zu sagen, wenn er der Meinung war, er hätte seine eheliche Pflicht längst erfüllt. Aber eigentlich konnte er von Dominique nie genug bekommen.

Verdammt, er hätte nicht wieder an sie denken sollen!

Nachdem man entschieden hatte, wer die Karten gab – wobei Renée zu Ricos großer Verärgerung gewonnen hatte –, versuchte Charles, sich auf das Spiel zu konzentrieren. Aber es war zwecklos. Und als sie um zweiundzwanzig Uhr dreißig eine Pause einlegten, um etwas zu essen, hatte er bereits mehr verloren, als ihm lieb war.

“Du bist heute Abend nicht mit den Gedanken dabei, Charles”, stellte Ali mit seinem englischen Elite-Uni-Akzent fest, als sie beim Nachtisch angelangt waren.

“Ich bin einfach ein bisschen aus der Übung.”

“Vielleicht macht er uns auch nur etwas vor”, meinte Renée, “um später einen Superstich zu landen.”

Charles lächelte, wobei er hoffte, es würde geheimnisvoll wirken.

“Das ist ja mal wieder typisch!”, sagte Rico irritiert. “Ein teuflisches Weib wie du würde genau das tun. Aber Charles ist geradeheraus. Er spielt heute Abend nur schlecht, weil es ihm nicht gelingt, seine Gedanken oberhalb der Gürtellinie zu halten.”

“Und wer könnte ihm das verdenken?”, fragte Ali. “Renée hat recht: Du kannst dich sehr glücklich schätzen, Charles, dass du eine so schöne Frau für dein Bett gefunden hast.”

“Dominique ist nicht nur schön, Ali, sondern auch sehr geistreich”, antwortete Charles leicht vorwurfsvoll. Es passte ihm nicht, dass Ali Dominique und sein Leben mit ihr auf ihre sexuellen Reize reduzierte. “Wir sind nicht nur ein Liebespaar, sondern auch gute Freunde – Gleichberechtigte in allen Lebenslagen.”

Rico lachte. “Wem willst du denn damit etwas vormachen, Charles? Die Frau hat dich doch fest im Griff!”

“Musst du so anzüglich sein?” Renée warf ihm unter halb geschlossenen Lidern einen entsprechenden Blick zu, bevor sie sich an Charles wandte. “Achte einfach nicht auf ihn. Er ist nur eifersüchtig, weil er niemanden hat, der seine Liebe ehrlich erwidert.”

Wieder lachte Rico, aber es klang irgendwie künstlich. “Ich wünschte, ich wäre eifersüchtig. Das würde mir besser bekommen.”

“Besser als was?”, fragte Charles, der ihm nicht ganz folgen konnte.

“Ach nichts, ich rede Unsinn.” Plötzlich wirkte Rico betreten. “Wahrscheinlich habe ich einfach zu viel getrunken. Ab jetzt halt ich mich an Kaffee.”

“Eine hervorragende Idee”, meinte Ali. “Alkohol ist der Anfang allen Übels.”

“Ich dachte, das sei Geld!”, entgegnete Rico.

“Nein, Sex”, erklärte da Renée überraschend. “Ohne ihn würde es uns allen viel besser gehen.”

“Aber dann würde es auch keine Kinder geben”, gab Charles zu bedenken.

“Eben”, antwortete Renée.

“Dass du keine Kinder magst war ja klar!”, schimpfte Rico schon wieder.

“Das habe ich nicht gesagt”, erklärte Renée pikiert. “Aber die Welt ist ohnehin schon übervölkert, und so viele Kinder leben im Elend. Da sollte man nicht noch selbst welche bekommen.”

“Entschuldige, Renée, aber da bin ich anderer Meinung”, sagte Charles. “Dominique und ich wollen Kinder haben, und zwar schon bald.”

Blitzartig wandte sich Rico ihm zu. “Ich dachte, den Kinderwunsch hättest du erst einmal verschoben.” Stirnrunzelnd fuhr er fort: “Verdammt, Charles, du bist doch erst seit vier Wochen verheiratet!”

“Ich werde einundvierzig, Rico, und habe keine Zeit mehr zu verlieren. Außerdem möchte Dominique unbedingt sofort ein Baby.”

“So, möchte sie das?” Rico klang spöttisch wie immer, wenn er von ihr sprach. Er konnte sie nicht leiden, da brauchte sich Charles nicht länger etwas vorzumachen. Ricos Meinung nach war Dominique wie seine Exfrau, die es nur auf sein Geld abgesehen hatte.

Charles hätte allen Grund gehabt, sich durch die Einstellung seines Freundes beleidigt zu fühlen. Konnte sich Rico denn nicht vorstellen, dass ihn, Charles, eine Frau nur um seiner selbst willen liebte? Aber ihm war natürlich klar, dass Rico die eigene Scheidung immer noch nicht verwunden hatte. Mit der Zeit würde er schon feststellen, dass man Dominique nicht mit Jasmine vergleichen konnte. Und dann würde er vielleicht auch wieder heiraten.

“Ich finde, wir sollten aufhören, über persönliche Themen zu reden, und weiterspielen”, machte Ali nun einen Vorschlag zur Güte. “Schließlich kommen wir freitags hierher, um zu pokern und die kleinen Probleme des Alltags zu vergessen.”

Rico und Renée sahen ihn mit einem Blick an, der die Frage aufwarf, welche “kleinen Probleme des Alltags” jemand mit Alis Reichtum und Einfluss wohl haben könnte? Bevor Charles Dominique begegnet war, hätte er den beiden vielleicht zugestimmt: Geld hatte Ali mit Sicherheit den Weg geebnet. Aber inzwischen wusste Charles aus eigener Erfahrung, dass Reichtum allein nicht glücklich machte. Das konnte nur die Liebe.

Ohne sie mochte man noch so reich sein und fühlte sich trotzdem unausgefüllt. Wahrscheinlich war Alis Privatleben nicht glücklicher als Ricos oder das der “lustigen Witwe”. Man brauchte Renée nur in die Augen zu sehen, um zu wissen, dass sie nicht zufrieden war.

Vorhin hatte sie zwar geklungen, als würde sie keine Kinder wollen. Aber entsprach das auch der Wahrheit? Oder hatte sie sich einfach nur damit abgefunden, wohin ihr Leben steuerte? Bald wäre es für sie nicht mehr so leicht, schwanger zu werden, vor allem nicht ohne festen Partner.

Natürlich stellte Charles damit nur Mutmaßungen an. Denn genau wie Ali sprach Renée äußerst selten von sich. Bestimmt hatte sie ein Liebesleben, aber mit wem, vermochte Charles nicht zu sagen. Er wusste nur, dass sie immer allein zu den Pferderennen kam und noch keinen Freitagabend abgesagt hatte. Ziemlich ungewöhnlich für eine Frau.

Aber auch was das Auftreten in der Öffentlichkeit betraf, war Renée nicht wie andere Frauen. Sie wirkte ziemlich einschüchternd. Der Mann, der sich jemals in sie verlieben sollte, tat ihm jetzt schon leid. Schließlich wollte sich doch niemand von der Frau an seiner Seite das Selbstvertrauen nehmen lassen, sondern sich gut fühlen so wie er mit Dominique.

Ah, Dominique! Heute Abend ging sie ihm wohl gar nicht mehr aus dem Kopf. Da konnte Ali noch so vehement fordern, dass sie ihre persönlichen Angelegenheiten außen vor ließen. Dazu war seine, Charles’, Liebe zu ihr noch zu neu und vereinnahmend. Unwillkürlich berührte er die Schmuckschatulle in der Jackentasche und lehnte sich zurück. Dabei stellte er sich vor, wie Dominique den Deckel öffnen würde, und spürte ein angenehmes Kribbeln. Er konnte es gar nicht erwarten, ihr die Kette anzulegen.

Entsprechend lang kamen ihm die folgenden beiden Stunden vor, und sein Spiel wurde noch schlechter. Er machte so viele Fehler, dass Ali den Kopf schüttelte, Renée milde lächelte und Rico ein Gesicht schnitt.

“Was soll ich nur mit dir machen, Charles?”, fragte Rico, als der Pokerabend beendet war und sie sich gemeinsam im Aufzug befanden. Renée war wie immer als Erste gegangen. An diesem Abend hatten sie bis halb ein Uhr gespielt, etwas länger als sonst, weil Charles später gekommen war.

Jetzt lachte er. “Nächste Woche spiele ich besser.” Bis dahin müsste es ihm doch gelungen sein, einen Großteil seiner Libido abzubauen. Das sagte er Rico natürlich nicht. Der würde sofort über den Ausdruck “Libido” herfallen und behaupten, er habe recht gehabt, dass seinen Freund lediglich der Gedanke an Sex davon abhalte, konzentriert zu spielen.

Charles lächelte. Dabei war es nur natürlich, dass er und Dominique einander sexuell immer noch besonders anziehend fanden. Anders als die meisten Jungverheirateten hatten sie vor der Ehe nicht zusammengewohnt, ja, sich nicht einmal geküsst!

“Hast du eigentlich ernst gemeint, dass ihr schon gleich Kinder wollt?”, riss ihn da Rico aus seinen Gedanken.

“Warum sollte ich bei so etwas lügen?”, fragte Charles erstaunt.

“Aber du hast sie doch noch nicht geschwängert, oder?”

“Nein, Dominique will die Pille nächsten Monat absetzen.”

“Ehrlich gesagt, halte ich das für keine gute Idee. Du solltest wenigstens ein Jahr warten, bevor du einen so großen Schritt machst, Charles. Lern Dominique erst einmal besser kennen. Schließlich kennst du die Frau doch kaum.”

“Ich weiß von ihr, was ich wissen muss”, antwortete Charles kurz angebunden. Unwillkürlich begann seine Zurückhaltung, was Ricos feindselige Einstellung Dominique gegenüber betraf, zu schwinden. “Jetzt pass mal auf, Rico, mir ist bewusst, dass du denkst, Dominique habe es nur auf mein Geld abgesehen, aber …”

“Da irrst du dich, mein Freund”, unterbrach Rico ihn mit grimmigem Gesichtsausdruck. “Ich denke es nicht nur, ich weiß es.”

3. KAPITEL

Die Hände zu Fäusten geballt, wirbelte Charles herum. “Ich warne dich, Rico, hör jetzt ein für alle Mal damit auf! Nur weil Jasmine dich an der Nase herumgeführt hat, heißt das nicht, dass Dominique dasselbe mit mir macht. Meine Frau liebt mich. Und Renée hat recht: Du bist eifersüchtig.”

Als die Türen aufglitten, warf Charles Rico noch einen unnachgiebigen Blick zu. “Ich schlage vor, du entschuldigst dich, bevor wir den Aufzug verlassen, sonst betrachte ich unsere Freundschaft als beendet.”

“Es tut mir leid, Charles, und zwar mehr, als du denkst”, erklärte Rico, wirkte allerdings eher besorgt denn schuldbewusst. “Aber ich kann nicht mit ansehen, wie du dich zum Narren machen lässt. Und bestimmt werde ich nicht zulassen, dass du blind in dein Unglück rennst, wenn du mit dieser Frau ein Kind zeugst. Ich habe handfeste Beweise für meine Behauptungen.”

Zunächst hatte Charles empört das Kinn gehoben, doch jetzt war er noch mehr verärgert. “Beweise? Was denn für welche?”, fragte er hitzig.

“Unwiderlegbare.”

“Und woher?”

“Von einer angesehenen Detektei. Tatsachen und Zahlen, Mitschnitte von Gesprächen, die Dominique mit ehemaligen Mitbewohnerinnen, Kollegen und Liebhabern geführt hat. Du kannst sie dir gern anhören und den Bericht einsehen. Deine Frau ist eine Abzockerin, mein Lieber, daran besteht kein Zweifel. Während der Zeit in Melbourne hat sie auch ganz offen zugegeben, dass es ihr Ziel sei, reich zu heiraten. Und nachdem es mit dem letzten Kandidaten nicht geklappt hat, hat sie dich ausgeguckt und ist nach Sydney gezogen.”

Charles schluckte, um das Kloßgefühl im Hals loszuwerden. Doch Rico fuhr gnadenlos fort: “Der Mann war ihr letzter Arbeitgeber, ein gewisser Jonathon Hall, ein ziemlich erfolgreicher Sportmanager, allerdings nicht so reich, wie es sein Lebensstil vermuten ließ. Deshalb hat er schließlich selbst des Geldes wegen geheiratet. Anscheinend war Dominique sehr ungehalten darüber. Danach hat sie einer Freundin erzählt, sie würde sich das nächste Mal nicht wieder jemanden aussuchen, der so gut aussehe und so charmant sei wie Hall. Sie wolle es mit einem Älteren versuchen, der dankbar sei, dass ihm jemand wie sie überhaupt Aufmerksamkeit schenkt.”

Charles hätte am liebsten geschrien, dass nichts von all dem wahr sei und Dominique ihn liebe. Aber Rico fuhr mit seinem Bericht fort: “Dominique ist nicht einmal ihr richtiger Name. Eigentlich heißt sie ganz banal Jane oder Joan, genau erinnere ich mich nicht mehr. Als sie mit neunzehn Jahren von Tasmanien nach Melbourne kam, hat sie sich Dominique genannt. Da fällt mir noch etwas ein. Ihre Eltern wurden auch nicht bei einem Autounfall getötet. Ihre Mutter ist an Krebs gestorben, als Dominique achtzehn war, und ihr Vater ist immer noch ungeheuer lebendig. Er wohnt in einer Kleinstadt an der Westküste und arbeitet in einer der Minen. Deine über alles geliebte Dominique ist eine Kunstfigur, mein Lieber!”

Charles spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich, und dann wurde er auf Ricos entsetzten Blick aufmerksam. Offensichtlich sah er, Charles, genauso aus, wie er sich fühlte.

“Du meine Güte, kipp mir jetzt bloß nicht um! He, Mann, ich wusste ja nicht, wie sehr du sie liebst. Ich habe gedacht, du würdest dich nur sexuell zu ihr hingezogen fühlen. Du siehst furchtbar aus! Ich glaube, du brauchst jetzt was Hochprozentiges. Komm, ich gebe dir einen aus.”

Charles ließ sich von Rico in die nächste Bar bringen und dort auf einen Barhocker setzen. Den ersten Drink schüttete er in einem Schluck hinunter genau wie den zweiten, während er wie gebannt auf die Flaschen hinter der Theke starrte. Aber schon bald tat der Brandy seine Wirkung, und das Blut kehrte in seine Wangen zurück, während seine Verzweiflung für den Moment von einer zwanghaften Neugier überlagert wurde.

“Wann hast du das alles herausgefunden?”, fragte er, nachdem er sich Rico zugewandt hatte. “Doch wohl nicht schon vor der Hochzeit?”

“Nein, ich habe den Privatdetektiv angeheuert, während du in den Flitterwochen warst. Der Abschlussbericht ist erst gestern gekommen.”

“Aber wieso hast du überhaupt einen Detektiv auf Dominique angesetzt?”

“Eine ihrer ehemaligen Mitbewohnerinnen ist eine Cousine von mir und vor einigen Jahren nach Melbourne gezogen, nachdem ihre Ehe in die Brüche gegangen war. Erst vor Kurzem ist sie nach Sydney zurückgekehrt. Ich habe sie anlässlich einer Familienfeier getroffen und einige Fotos von eurer Hochzeit gezeigt. Claudia hat deine Frau wiedererkannt und erzählt, sie sei besessen davon gewesen, irgendwann einmal reich zu sein. Anscheinend hat Dominique ihr auch anvertraut, dass sie wohl selbst nie genug Geld verdienen könne und ihr deshalb nur die Möglichkeit bleibe, reich zu heiraten. Darauf habe Dominique ihr ganzes Tun ausgerichtet, sagt meine Cousine.”

Charles gab seiner Verzweiflung mit einem deftigen Schimpfwort Ausdruck.

“Da bin ich ganz deiner Meinung”, meinte Rico. “Aber jetzt weißt du wenigstens, warum ich es als meine Pflicht erachtet habe, alles über Dominique herauszufinden.”

“Wobei du offensichtlich kaum erwarten konntest, es mir zu erzählen”, sagte Charles verbittert. “Ich frage mich nur, zu welchem Zweck? Indem du mich mit einem Schlag von meiner ‘Wolke sieben’ herunterholst, tust du mir keinen Gefallen! Du hättest mich ruhig unwissend lassen können. Das wäre netter gewesen.”

“Glaub mir, das wollte ich ja, zumindest eine Zeit lang. Aber nicht mehr, nachdem du heute Abend erzählt hast, du wollest eine Familie gründen. Da konnte ich einfach nicht länger schweigen, Charles.”

“Und warum nicht?”

“Damit du nicht ins offene Messer läufst.”

Charles seufzte. “Ich weiß nicht, ob mir das nicht lieber gewesen wäre.”

“Sieh mal, mein Junge, es gibt zwei Kategorien von Frauen, die es auf dein Geld abgesehen haben”, erklärte Rico. “Zunächst sind da die Jasmines dieser Welt, die dich heiraten, weil sie sich an deiner Seite ein Leben im Luxus erhoffen, das sie von einer High-Society-Party zur nächsten bringt. Nicht einmal im Traum würde diese Kategorie Frau daran denken, sich die Figur für ein Baby zu ruinieren. Ihre Absicht ist es, es sich eine Weile auf deine Kosten gut gehen zu lassen, bis du auf das Thema ‘Kinder’ zu sprechen kommst, wie ich es dummerweise getan habe. Dann lassen sie sich von dir scheiden und erwarten, dass du ihnen Unterhalt zahlst, damit sie ihren kostspieligen Lebensstil fortführen können. Frauen der zweiten Kategorie – in die fällt offensichtlich deine Dominique – bekommen so früh wie möglich ein Kind, um ihre Stellung zu festigen, die ihnen dann eine noch höhere Unterhaltszahlung beschert, wenn sie sich schließlich doch von dir scheiden lassen. Dabei ist das Kind nur Mittel zum Zweck und nicht das kostbare Geschenk, für das du es hältst.”

Charles konnte kaum glauben, wie mühelos es Rico gelang, seine Vorfreude, mit Dominique ein Kind zu haben, zu zerstören.

“Deshalb musste ich auch etwas sagen, Charles”, fuhr Rico nun fort und legte ihm mitfühlend eine Hand auf die Schulter. “Nicht nur deinetwegen, sondern auch um des Babys willen. Kein Kind verdient es, nur in die Welt gesetzt zu werden, um den Preis hochzutreiben.”

Charles nickte, obwohl er irgendwie immer noch wünschte, Rico hätte geschwiegen. Jetzt würde er wahrscheinlich nie einen Sohn oder eine Tochter haben.

“Trenn dich von ihr, Charles, lass sie fallen und dich scheiden. Nachdem der Richter die Unterlagen eingesehen hat, die ich gesammelt habe, kann Dominique von Glück reden, wenn sie überhaupt etwas bekommt.”

Ricos Rat war nicht von der Hand zu weisen. Aber er würde ihn nicht befolgen, zumindest nicht sofort. Etwa, weil er es nicht konnte? Er schob die Hand in die Jackentasche und berührte die Schmuckschatulle.

Nein, er würde sich jetzt noch nicht von seiner wunderschönen Frau trennen. Dominique sollte ihm für die Halskette bezahlen … und für alles andere. Das verlangte einfach sein Stolz, und der Groll auf sie trug ein Übriges dazu bei.

Wenn er daran dachte, wie er sich von Dominique hatte an der Nase herumführen lassen, wurde ihm ganz schlecht. Er war ein dummer, verliebter, eingebildeter Trottel gewesen. Von Anfang an hatte sie mit ihm gespielt. Dass sie die vergangene Weihnachtsfeier so plötzlich verlassen hatte, war genauso Teil ihres Plans gewesen wie ihre anfängliche Weigerung, mit ihm auszugehen, und auch das konsequente Zurückweisen seiner Avancen.

Lächerlich, wie er triumphiert hatte, als sie seinen Heiratsantrag angenommen hatte! Dabei war sie diejenige gewesen, die allen Grund zum Jubeln gehabt hätte. Bestimmt war sie hinter seinem Rücken in schallendes Gelächter ausgebrochen, nachdem er beschlossen hatte, erst in der Hochzeitsnacht mit ihr zu schlafen.

Nun, wer zuletzt lachte, lachte am besten. Er war gespannt, wie gut sie ihm in den kommenden vier Wochen etwas vortäuschen würde. Denn das wollte er ihr und sich noch zugestehen: einen Monat, einen Monat der Rache! Während er daran dachte, was er sich für diese vier Wochen vorgenommen hatte, schnitt er ein Gesicht. Wahrscheinlich würde Dominique sogar so tun, als gefiele es ihr, das war schließlich ihr Kapital.

“Du wirst dich nicht von ihr scheiden lassen, stimmt’s?”, fragte Rico erstaunt, als er Charles’ Gesicht sah. Der ließ den Rest seines dritten Brandys stehen – betrunken zu sein war das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte – und wandte sich seinem Freund zu. “Nein”, sagte er dann bedrohlich gelassen, “noch nicht. Aber mach dir keine Sorgen. Es wird kein Baby geben.” Dominique war nicht die Einzige, die lügen und betrügen konnte.

Stirnrunzelnd sah Rico ihn an. “Ich weiß nicht, ob du mir leidtust oder Dominique.”

“Ich würde mein Mitleid nicht an sie verschwenden.”

“Du machst doch keine Dummheiten, Charles?”

“Was meinst du damit?”

“Du wirst sie doch nicht erwürgen, während du mit ihr schläfst?”

Charles lachte abfällig. “Glaubst du wirklich, ich gehe wegen so einer Schlampe ins Gefängnis? Du kannst sicher sein, dass meine Rache nicht außer Kontrolle gerät.” Während er vom Barhocker glitt, legte er seinem Freund eine Hand auf die Schulter, einerseits um sich abzustützen, weil ihm die Knie weich waren, andererseits, um Rico zu beruhigen. “Mach dir keine Sorgen, mein Junge. Ich werd’s überleben. Was machst du morgen?”

“Morgen? … Ich … Ich gehe auf die Rennbahn.”

Charles runzelte die Stirn. “Von unseren Pferden tritt doch keins an.”

“Ich weiß, aber Ali hat einige viel versprechende Tiere laufen”, fügte Rico hinzu. “Und außerdem habe ich dann etwas zu tun. Wieso fragst du?”

“Ich wollte eigentlich vorbeikommen, um mir den Bericht der Detektei und die Kassetten abzuholen. Aber vielleicht könntest du sie auf dem Weg zur Rennbahn bei mir vorbeibringen?”

“Ich weiß nicht, ob es gut ist, sie jetzt schon zu lesen. Du solltest dich erst einmal ein bisschen beruhigen.”

“Ich bin superruhig”, stieß Charles hervor. “Bring sie einfach vorbei, ja?”

Rico seufzte. “Meinetwegen.”

“Falls dir Dominique dabei begegnen sollte, tu bitte so, als würdest du sie mögen. Benutz deinen berühmt-berüchtigten Latino-Charme.”

“Wenn du darauf bestehst?”

“Das tue ich. Jetzt muss ich aber los. Dominique ist wahrscheinlich noch auf und gibt vor, mich sehnlichst zu erwarten. Da will ich sie nicht enttäuschen.”

Ricos Stirnrunzeln vertiefte sich. “Es gefällt mir gar nicht, wie du auf die Situation reagierst, Charles. Manchmal benimmst du dich zwar etwas anmaßend, aber eigentlich bist du ein guter Kerl. Und das will bei einem Multimillionär etwas heißen! Sieh mal, ich weiß, dass du aufgebracht bist, und dazu hast du auch allen Grund, aber du denkst nicht logisch.”

Charles lachte und hatte dabei das Gefühl, sein Herz wäre aus Stein. “Seit Monaten habe ich nicht mehr so logisch gedacht.”

“Vielleicht, aber es ist falsch, sich zu rächen. Mit Rache erreicht man nichts, damit tut man sich nur selbst weh. Trenn dich einfach von ihr, das ist das Beste, glaub mir!”

“Das werde ich am Ende auch tun. Bis morgen dann.”

Rico sah seinen Freund noch aus der Bar wanken und fragte sich unwillkürlich: Was habe ich getan? Er hätte seine große Klappe halten und nicht schlafende Hunde wecken sollen. Stattdessen hatte er einen Rosenkrieg vom Zaun gebrochen, und keiner wusste, wie das alles enden würde.

Auf jeden Fall nicht glücklich, das war mal sicher. Rico seufzte, wandte sich wieder der Theke zu und trank den Rest von Charles’ Brandy. “Ich nehme noch einen”, sagte er dann zum Barkeeper. “Aber diesmal keinen Brandy, sondern Bourbon. Pur, ohne Eis.” Er konnte es sich erlauben, sich zu betrinken. Freitagnachts fuhr er immer mit dem Taxi nach Hause, wo ihn nur ein kaltes Bett erwartete. Aber das war vielleicht immer noch besser, als zu einer Frau wie Dominique zurückzukehren, oder?

Rico blickte sich in der Bar um und entdeckte am anderen Ende des Tresens eine umwerfend gut aussehende Blondine von etwa dreißig Jahren. Als er ihr zulächelte, erwiderte sie sein Lächeln, wie es Frauen schon seit Jahrhunderten taten. Sie war keine Professionelle – dafür war sie ein bisschen zu teuer gekleidet –, aber auf jeden Fall gut für einen One-Night-Stand. Heute Nacht würde er also nicht allein bleiben, und sie brauchten auch nicht weit zu gehen. Das Regency hatte mit Sicherheit ein hübsches Zimmer frei.

Nur eins ließ ihn zögern: Mit der Blonden ins Bett zu gehen würde nichts an seiner Frustration ändern. Das konnte im Augenblick nur eine ganz bestimmte Frau, und die würde ihm als Bettgenossin bestimmt nicht zur Verfügung stehen. Renée verachtete ihn beinah genauso wie er sie. Warum es ihn trotzdem so furchtbar nach ihr verlangte, konnte er nicht sagen. Es war geradezu abartig und wurde immer schlimmer.

Vielleicht …

Er warf der Blonden noch einen Blick zu. Nein, für seinen Geschmack ähnelte sie viel zu sehr Dominique, und ein Mann in seiner Stellung konnte es sich nicht erlauben, mit jeder ins Bett zu steigen. Was das betraf, hatte er sich in der Vergangenheit ein bisschen zu sorglos verhalten. Schöne Frauen bedeuteten unweigerlich Ärger. Als er Dominique das erste Mal gesehen hatte, war ihm das sofort bewusst geworden. Aber Charles hatte sie ja unbedingt heiraten müssen. Na ja, verliebte Männer waren nun einmal nicht zurechnungsfähig.

Rico umfasste das Whiskeyglas. Er wollte nicht an Liebe denken. Er wollte überhaupt nicht denken!

Verflixt und zugenäht! Es gab nur eine Lösung für sein Problem, auch wenn die nicht von Dauer, unklug und überflüssig war. Doch Rico stand trotzdem auf, nahm sein Whiskeyglas und ging ans andere Ende der Bar, wo er sich neben die Blonde auf einen freien Barhocker setzte. “So ganz allein?”, fragte er daraufhin mit demselben herausfordernden Lächeln, das weltweit jede Woche Millionen von Frauen vor den Bildschirmen in Bann zog.

Die Fremde warf ihm einen selbstsicheren Blick zu. “Jetzt nicht mehr”, sagte sie dann.

4. KAPITEL

Dominique schreckte aus dem Schlaf hoch und wusste gleich, dass Charles zu Hause war. Sie hörte ihn im Penthaus umhergehen. Sofort setzte sie sich auf, stopfte sich das Kopfkissen in den Rücken und nahm das Buch, das ihr beim Einschlafen aus der Hand gefallen war. Sie hatte versucht, für Charles wach zu bleiben, sich dazu zwei Filme angesehen und dann einen Thriller zu lesen begonnen, bei dem man laut Schutzumschlag von der ersten bis zur letzten Seite hellwach bleiben sollte. Aber sie war bereits bei Seite zwanzig eingedöst.

Sie sah zum Wecker: zehn Minuten nach ein Uhr. Nicht besonders spät, um von einem Pokerabend nach Hause zu kommen. Viele Männer spielten die ganze Nacht. Nicht, dass Charles’ Pokerfreunde alle männlichen Geschlechts gewesen wären. Das konnte man von der wunderschönen Mrs. Renée Selinsky, einer vermögenden Witwe und Eigentümerin der Topmodelagentur “Renées”, nun wirklich nicht behaupten.

Dominique hatte sie zum ersten Mal eine Woche vor der Hochzeit auf der Rennbahn getroffen und war mehr als nur ein bisschen beunruhigt gewesen, dass Charles nach den Flitterwochen wieder jeden Freitag einige Stunden in ihrer Gesellschaft verbringen würde. Die Frau sah nicht nur umwerfend aus, sondern war offensichtlich auch besonders intelligent und gefährlich ungebunden. Sowohl auf der Rennbahn als auch bei der Hochzeit war sie ohne Begleiter erschienen.

Aber richtig eifersüchtig wurde Dominique erst, als sie Charles und Renée beim Hochzeitsempfang im Penthaus miteinander plaudern sah. Die beiden standen auf der Terrasse, hatten die Köpfe zusammengesteckt und wirkten dabei eher wie ein heimliches Liebespaar denn wie gute Freunde. Als sie ihn später danach fragte – bemüht, nur interessiert zu klingen –, hatte er ihr mehr über seine Beziehung zu dieser Renée erzählt.

Es gefiel Dominique absolut nicht, dass die Frau den Beinamen “lustige Witwe” trug, schließlich ließ der einige Rückschlüsse zu. Keinen festen Partner zu haben bedeutete heutzutage schließlich nicht mehr, sexfrei leben zu müssen. Dominique überlegte sogar, ob Charles nicht hin und wieder mit ihr geschlafen hatte. Schließlich spielten sie seit fünf Jahren jeden Freitagabend in einem Hotel zusammen Karten. Da war es ein Leichtes, sich danach ein Zimmer zu nehmen.

Diese Vorstellung hatte Dominique am meisten zugesetzt, als Charles an diesem Abend zum Pokern gegangen war. Nicht dass sie es ihm gegenüber erwähnt hätte. Die Blöße wollte sie sich nicht geben. Eifersüchtige Ehefrauen liebten zu sehr, und das war gefährlich, manchmal sogar tödlich. Aber sie konnte nun einmal nichts an ihrer Liebe zu Charles ändern.

Wie auch immer, als er einfach nicht ins Bett kommen wollte, umklammerte Dominique den Thriller, bis ihre Knöchel weiß hervortraten. Was hielt ihn denn auf? Er hatte doch bestimmt gesehen, dass bei ihr noch Licht brannte und sie für ihn wach geblieben war.

Als sie hörte, wie irgendwo im Apartment Wasser aufgedreht wurde, begann ihr Herz wie wild zu schlagen. Wusch er sich jetzt den Duft der anderen Frau vom Körper und sorgte dafür, dass auch ja keine Lippenstiftspuren zu sehen waren?

Dann malte sie sich noch Schlimmeres aus. War er überhaupt zum Pokern gegangen? Vielleicht diente das Kartenspiel nur als Vorwand, damit er jeden Freitagabend im Bett der “lustigen Witwe” verbringen konnte. Erotische Spielchen beherrschte eine Frau wie sie bestimmt bis zur Perfektion.

Sein Freund Rico würde ihn mit Sicherheit decken. Aber würde Prinz Ali das auch tun? Wahrscheinlich nicht. Er war kein enger Freund von Charles, mehr ein Bekannter. Trotzdem hatte Dominique nicht vor, einen arabischen Scheichsohn zu fragen, wie er seine Freitagabende verbrachte. Sie war ihm erst ein einziges Mal begegnet – beim Pferderennen, am gleichen Tag wie Renée – und hatte ihn besonders einschüchternd gefunden. Glücklicherweise war er nicht zur Hochzeit gekommen. Es hatte sie schon Nerven genug gekostet, Ricos Missfallen und die Anwesenheit der “lustigen Witwe” zu ertragen.

Jetzt wurde der Wasserhahn zugedreht, und es vergingen fünf Minuten, aber Charles kam immer noch nicht ins Schlafzimmer. Draußen war es plötzlich ganz still, und Dominique wäre am liebsten aufgestanden, um nachzusehen, was ihr Mann machte. Doch irgendeine unbegründete Furcht hielt sie davon ab, das Bett zu verlassen.

Ich benehme mich lächerlich, dachte sie schließlich, sitze hier und gebe mich meiner Eifersucht hin, obwohl ich mir geschworen habe, es nie so weit kommen zu lassen. Charles liebt mich, das weiß ich doch genau. Wahrscheinlich ist er beim Nachhausekommen direkt ins Wohnzimmer gegangen, ohne nachzusehen, ob unter der Schlafzimmertür noch Licht brennt. Jetzt denkt er, ich sei längst eingeschlafen, und nimmt nur Rücksicht. Deshalb benutzt er auch das Gästebad und nicht das ans Schlafzimmer angrenzende. Er war eben ein sehr umsichtiger Mann.

Sie hatte zwei Möglichkeiten: Entweder sie blieb, wo sie war, bis er endlich ins Bett kam, oder sie stand auf und zeigte ihm, dass sie sich nach ihm verzehrte. Er musste ja nicht unbedingt mit ihr schlafen, dazu war er bestimmt zu müde. Aber seine Gesellschaft wäre schön gewesen, genauso wie sich mit ihm zu unterhalten und von ihm in die Arme genommen zu werden.

Sie warf die Bettdecke zurück und eilte zum begehbaren Kleiderschrank. Obwohl sie auf Charles’ Wunsch hin seit der Hochzeitsnacht immer nackt schlief, besaß sie zwei hübsche Negligé-Kombinationen, die sie sich im Hinblick auf die Flitterwochen gekauft hatte. Das Nachthemd, das sie in ihrer Hochzeitsnacht getragen hatte, war lang und bestand aus schimmerndem cremefarbenem Satin. Das andere war aus schwarzer Spitze gearbeitet und fast durchsichtig. Sie zog es über und schlüpfte dann ins dazu passende Negligé, wobei sie sich einredete, Charles damit nicht verführen zu wollen. Aber als sie sich im Spiegel betrachtete, war ihr klar, dass sie sich nur selbst etwas vormachte. Dieses Nachthemd diente einzig und allein dem Zweck der Verführung. Deshalb hatte sie es schließlich gekauft.

Und jetzt musste sie einfach wissen, dass Charles sie noch immer begehrte und nicht mit dieser Renée zusammen gewesen war. Dabei spielte Zeit eine wichtige Rolle – Charles hätte sich schnell erholt. Rasch schlüpfte sie in die zum Negligé passenden hochhackigen Satinslipper, legte etwas Lippenstift und Parfüm auf und machte sich auf die Suche nach ihrem Ehemann.

Er saß auf dem großen Wildledersofa im Wohnzimmer, hielt ein Brandyglas in der Hand und sah wie gebannt zum Fenster hinaus auf die Skyline Sydneys. Als er Dominique bemerkte, wandte er sich ihr halb zu.

Die Heiratsschwindlerin ist also wieder wach?, dachte er verbittert, während er spürte, dass sein Körper nach wie vor auf sie reagierte. Dieses sexy Outfit hatte es in sich. Beim Nachhausekommen war er direkt ins Schlafzimmer gegangen, weil er unbedingt mit seinem Rachefeldzug hatte beginnen wollen. Aber als er Dominique sah, die im Schlaf so mädchenhaft unschuldig wirkte, brachte ihn das ganz von seinem Vorhaben ab.

Beinah wäre er an ihrem Bett schwach geworden und hätte sie zur Rede gestellt. Um das zu verhindern, ging er rasch ins Wohnzimmer und schenkte sich einen doppelten Brandy ein, in der Hoffnung, Trost im Alkohol zu finden. Aber wenn man wusste, dass man eine Lüge lebte und die Liebe des Partners nur vorgespielt war, gab es keinen Trost, nur diese schreckliche innere Leere.

Als Dominique jetzt auf ihn zuschwebte, ließ er den Blick über sie gleiten. Ihr schwarzes Negligé hatte sich leicht geöffnet, und darunter kam ein dazu passendes atemberaubendes Nachthemd zum Vorschein. Es war fast durchsichtig, und der Ausschnitt ging bis zum Nabel, wobei die Spitzenbahnen lediglich zwischen Dominiques herrlichen Brüsten von einer kleinen Satinschleife zusammengehalten wurden.

Vor zwanzig Minuten hatte sie noch wie ein unschuldiges Mädchen gewirkt, jetzt aber, mit diesem Outfit, sah sie danach aus, was sie war: eine Verführerin vom Scheitel bis zur Sohle. Obwohl Charles inzwischen ihre wahren Beweggründe kannte, spürte er, wie er auf sie reagierte. Erstaunlich, dachte er, und armselig. Aber genau das hatte er erwartet.

“Du brauchst mir nichts zu erzählen”, flötete sie jetzt und ließ sich vor ihm auf dem cremefarbenen Teppich nieder. “Du hast verloren.”

Wie gebannt sah er zu ihr hinunter, bemüht, sich den Hass und die Lust, die er auf sie verspürte, nicht anmerken zu lassen. Ja, er hatte verloren, und zwar alles, mit Ausnahme dessen, was er jetzt noch vor sich sah und berühren konnte: ihre Lippen, ihre Brüste, ihren Körper, mit dem sie ihm zu Willen sein würde, so wie immer. Obwohl auch seine Erregung immer stärker wurde, fragte er sich, wie sie das machte, welchen Trick sie anwandte.

“Armer Darling”, säuselte sie jetzt, bettete ihren Kopf in seinen Schoß und sah gleichzeitig zu ihm auf.

“Nicht so schlimm”, flüsterte er, “es ist ja nur Geld gewesen.” Unwillkürlich legte er ihr eine Hand auf den Kopf und spielte mit ihrem Haar. Dabei stellte er entsetzt fest, dass es ihm immer noch Freude bereitete, sie zu berühren. Dabei müsste er doch eine Gänsehaut bekommen.

“Das Negligé kenne ich ja noch gar nicht”, sagte er dann, während er einen Schluck Brandy trank und weiter mit ihrem Haar spielte. “Wie lang hast du es schon?” Bei der Vorstellung, dass sie es womöglich getragen hatte, um den Mann vor ihm zu verführen, hätte er es am liebsten zerrissen.

Sie lächelte, und Charles dachte: Was für ein hübsches Lächeln, was für schöne Lippen, und was für ein mieser Charakter!

“Ich habe es für unsere Flitterwochen gekauft”, erklärte sie, “aber nach der Hochzeitsnacht wolltest du ja nicht, dass ich im Bett überhaupt etwas trage.” Verführerisch blickte sie erneut zu ihm auf.

“Stimmt.” Charles spielte mit dem Gedanken, von ihr zu verlangen, dass sie generell keine Kleidung mehr tragen solle, wenn sie allein im Penthaus waren. Mit der Zentralheizung war das kein Problem, es sei denn, Dominique würde auf die Terrasse gehen. Aber der Pool war ja beheizt. Auf jeden Fall wollte er in Zukunft darauf beharren, dass sie sich auszog, wenn sie zusammen schwimmen gingen, obwohl man die Terrasse von mehreren umstehenden Bürogebäuden aus einsehen konnte. Wenn sie sich von Fremden begaffen lassen würde, war klar, dass sie wirklich geldgierig war.

Ob sie ihm wohl nachgeben würde? Natürlich, dachte er und wurde rot vor Wut.

“Gefällt dir das Negligé nicht?”

“Doch, doch, es ist sehr sexy. Steh mal auf, damit ich es mir besser ansehen kann.”

Sofort kam sie seinem Wunsch nach, und das erregte ihn irgendwie noch mehr. An eine eigene Sexsklavin könnte er sich gewöhnen. Wissen war wirklich Macht. Was er in Zukunft von Dominique zu verlangen beabsichtigte, hätte er unter normalen Umständen niemals zu erbeten gewagt. Plötzlich fiel ihm Ricos Warnung, Rache sei selbstzerstörerisch, wieder ein. Wollte er diesen Weg wirklich beschreiten und Dominiques wunderschönen Körper benutzen, um seine geheimen Sexfantasien auszuleben und sich dadurch an ihr zu rächen?

Als er zu ihr aufsah, wie sie so vor ihm stand und ihn mit diesem gespielt liebevollen Blick ansah, wusste er, wie seine Antwort lauten würde: Ja. Jetzt war er am Zug und würde ihr etwas vorspielen – ein sehr befriedigender Gedanke. Rache ist nicht selbstzerstörerisch, Rico, sondern süß und unheimlich aufregend.

“Zieh das Negligé aus”, befahl er dann, “und lass es fallen.” Sie gehorchte.

Du liebes bisschen! Kein Wunder, dass er so in ihrem Bann stand! Sie hatte einen unheimlich schönen Körper.

“Öffne die Schleife”, verlangte er daraufhin kalt, obwohl ihm ganz heiß war. Sie gehorchte auch diesmal, wenn auch zögerlich und mit bebenden Fingern.

Raffiniertes Luder! Das hatte sie wirklich gut drauf. In ihrer Hochzeitsnacht war sie ihm mit demselben Trick gekommen. “Jetzt entblöß deinen Oberkörper … Nein, noch weiter. Ich will dich sehen.”

Sie machte große Augen, und als sie schließlich die Träger von den Schultern streifte, zitterten wieder ihre Hände. Langsam ging ihm ihr jungfräuliches Getue auf die Nerven. “Komm her!”, befahl er deshalb kurz angebunden, “und knie dich zwischen meine Beine.”

Erneutes kurzes Zögern, aber dann gehorchte sie, wie erwartet, atmete sogar schneller, und es wirkte ganz echt.

Nachdem Charles sein Glas weggestellt hatte, beugte er sich vor und nahm ihre Brustknospen zwischen Daumen und Zeigefinger. Während er zudrückte und gleichzeitig daran zog, entlockte er ihr sowohl lustvolles Stöhnen als auch einen erstaunten Aufschrei.

“Hat dir das gefallen?”, fragte er ungerührt, ja geradezu unbeteiligt.

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