×

Ihre Vorbestellung zum Buch »Finding us - Vereint«

Wir benachrichtigen Sie, sobald »Finding us - Vereint« erhältlich ist. Hinterlegen Sie einfach Ihre E-Mail-Adresse. Ihren Kauf können Sie mit Erhalt der E-Mail am Erscheinungstag des Buches abschließen.

Finding us - Vereint

Als Buch hier erhältlich:

Die neue sexy Serie der SPIEGEL-Bestsellerautorin von »Calendar Girl«

Als erfolgreicher Anwalt und Geschäftsmann weiß Nate Walker, wie er bekommt, was er will – nicht nur im Gerichtssaal. Auch die Frauen können ihm nur schwer widerstehen. Bisher hat er noch jede erobert. Doch seitdem er Cami kennt, ist alles anders. Sie zeigt ihm die kalte Schulter und blockt seine Flirtversuche höflich ab. So schnell allerdings gibt Nate nicht auf. In ihrer Nähe empfindet er so viel mehr als nur pures Begehren. Nate setzt sein ganzes Geschick und seinen Charme ein, um sie zu verführen. Aber selbst nach einem hingebungsvollen Kuss spürt er, dass sie etwas vor ihm verbirgt. Er ist entschlossen, all ihre Geheimnisse zu enthüllen. Denn nichts und niemand könnte seine Gefühle für sie je erschüttern, oder?

Der Abschluss der sexy »Finding Us«-Trilogie


  • Erscheinungstag: 23.03.2021
  • Aus der Serie: Finding Us
  • Bandnummer: 3
  • Seitenanzahl: 384
  • ISBN/Artikelnummer: 9783745752076
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kapitel 1

Cami

Zehntausend Dollar. So viel hatte mein Schweigen mir eingebracht. Zu meiner Verteidigung sei erwähnt, dass ich keine Wahl hatte. Achtzehn. Schwanger. Mittellos. Keine Familie. Kein Dach über dem Kopf. Ich tat, was ich tun musste.

Als es passierte, konnte ich es kaum glauben. Welcher Mann schwängert eine Frau, fordert sie anschließend auf, das gemeinsame Kind abzutreiben, und bietet ihr Geld, damit sie sich nicht länger weigert? Doch genau das hatte er getan. Ich war total überfordert gewesen, und so hatte ich es zugelassen. Ich hatte die Dollarscheine genommen, denn ich sah keine andere Möglichkeit, für mich und für das Leben, das in mir heranwuchs, sorgen zu können.

Rückblickend glaube ich, ich hätte ihn unter Druck setzen müssen, ihn zwingen müssen, Verantwortung zu übernehmen. Aber obwohl mein Leben momentan ziemlich hart war und ich jeden Cent zweimal umdrehen musste, war Tanner das alles hundertprozentig wert. Das Zimmer verschwamm vor meinen Augen, sowie ich an jenen Tag vor vier Jahren zurückdachte, als ich zum letzten Mal mit dem Vater meines Sohnes gesprochen hatte.

»Du bist nur eine zweitklassige Hure. Ich hätte wissen müssen, dass die süße Unschuld vom Lande nur eine Masche war. Du bist nur auf die Kohle aus. Ich wette, du hast das alles eingefädelt, um mich einzufangen!«, brüllte er.

»N… nein – hab ich nicht!«, stieß ich erstickt schluchzend hervor. Ich versuchte, nach seinem Arm zu greifen, in dem verzweifelten Wunsch, den Mann festzuhalten, den ich zu lieben glaubte. Angewidert schüttelte er meine Hand ab. Seine Miene war bedrohlich und düster.

»Oh bitte. Du wirst schon bei unserem ersten Fick schwanger? Und das soll ich dir glauben? Ich bin seit fünf Jahren mit meiner Frau zusammen. Fünf. Verdammte. Jahre! Und keine Minute lang gab es auch nur den kurzen Verdacht einer Schwangerschaft.«

Frau. Er hatte eine Frau? Dieses eine Wort dröhnte wie ein Gong in meinem Hirn, ohrenbetäubend, alles übertönend. Schließlich konnte ich seine Worte doch wieder verstehen. »Du und ich, wir haben es nur ein paar Mal miteinander getrieben, und schon bist du schwanger?« Er schüttelte den Kopf und funkelte mich wütend an. »Wahrscheinlich ist es nicht mal von mir!«

»Es ist dein Kind! Du bist der Einzige, Tyler. Ich war dir nie untreu. Ich war noch Jungfrau!«

»Na ja, jetzt bist du’s jedenfalls nicht mehr, Herzblatt. Jetzt schiebst du deinen knackigen Arsch auf direktem Weg in die Klinik und lässt eine Abtreibung vornehmen. Hier ist das Geld.« Er holte ein paar Hundertdollarscheine hervor.

»Ich werde unser Baby nicht umbringen, Tyler. Seien wir doch vernünftig. Wir kriegen das schon hin«, flehte ich, und Tränen strömten mir über das Gesicht, sodass mein Shirt schon ganz nass war. Schützend legte ich die Hand auf meinen Bauch. Er musterte mich und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als er die Jeans bemerkte, die ich jeden Freitag trug, das einzige Paar Schuhe, das ich besaß und das total abgewetzt war, obwohl ich es im Waschbecken des Hotels sauber geschrubbt hatte.

»Hast du deinen verdammten Verstand verloren? Wahrscheinlich.« Mit dem Zeigefinger stieß er so heftig gegen meine Schläfe, als klopfe er an eine Tür. Ich zuckte zusammen, und in diesem Moment wurde mir klar, dass er nicht der Mensch war, für den ich ihn gehalten hatte. Wie hatte ich nur so dumm sein können? Naiv. In seinen Augen loderte ein weiß glühendes Feuer. Ich stand ganz still da, versuchte, stark zu bleiben, obwohl ich wie gelähmt war. »Krieg es in deinen dämlichen klitzekleinen Schädel. Ich will dich nicht. Ich will dein Kind nicht. Und deshalb wirst du es wegmachen lassen.«

»Werde ich nicht!« Ich reckte das Kinn, das er nun schmerzhaft umklammerte. Ich starrte in seine blauen Augen, die er zu so engen Schlitzen zusammengekniffen hatte, dass ich das, was ich an ihnen so geliebt hatte, nicht mehr erkennen konnte. Jetzt blickt er eisig und kalt drein, fest entschlossen, mir zu schaden.

»Ich werde mich weder um diesen kleinen Bastard noch um dich kümmern.« Er ging zum Schreibtisch hinüber, öffnete eine Schublade und zog eine altmodische Geldkassette hervor. Er holte zehn Bündel frischer Hundertdollarnoten heraus, legte sie übereinander auf die Tischplatte, griff nach meinem Arm und rammte mir das Geld so gewaltsam in die Hand, dass ich einen Schritt zurückwich, weil ich glaubte, er wolle mich schlagen. Nach meiner letzten Pflegefamilie war ich an Schläge durchaus gewöhnt, aber nun, da ich schwanger war, würde ich alles tun, um mich und das Baby zu schützen.

»Du nimmst jetzt dieses Geld und lässt es wegmachen. Mir egal, was du tust oder wohin du gehst. Mehr als das hier kriegst du nicht von mir. Hast du kapiert, du blöde Kuh?«

Ich konnte seine Reaktion kaum fassen. Als ob mein schlimmster Albtraum wahr geworden wäre. Ich umklammerte das Geld, hielt mich daran fest wie an einem Talisman, einer Möglichkeit, dieser Hölle zu entkommen. Ich hatte keine Ahnung, was ich nun tun würde, aber ich musste darüber nachdenken, und zwar schnell. Also sah ich zu Boden und nickte.

Das war’s. Im Bruchteil einer Sekunde hatte ich meine Zukunft gewählt. Als alleinerziehende Mutter.

Ein Schaudern durchfuhr mich, während ich an einem wunderschönen, soliden Eichenschreibtisch im Rezeptionsbereich von Jensen Construction saß. Ich arbeitete nun seit drei Monaten hier für Hank Jensen als Empfangsdame/Sekretärin/persönliche Assistentin in einem.

Mit dieser Anstellung war ein Traum für mich wahr geworden. Mehr als das. Dieser Job war alles. Mein Ticket aus der Armut. Na ja, zumindest beinahe. Den anderen Job hatte ich trotzdem noch. Ich war keineswegs stolz auf die Beschäftigung, der ich nach Feierabend nachging. Tanner würde ich nie erzählen, dass ich es getan hatte, und ich würde das Blaue vom Himmel lügen, sollte er – oder sonst irgendjemand – es herausfinden. Nur meine Mitbewohnerin Jin wusste Bescheid, und das auch nur, weil sie selbst das Gleiche machte.

Manchmal musste man einfach Dinge tun, die man selbst niemals für möglich gehalten hätte. Wenn einem ein anderes Leben anvertraut war, für das man sorgen musste, musste man drastische Maßnahmen ergreifen. Meinen vierjährigen Sohn Tanner versorgen zu können war jegliche Hölle wert gewesen, die ich durchgemacht hatte. Er war meine Welt, und ich hätte alles getan, um ihm ein gutes Leben zu ermöglichen. In meiner Kindheit und Jugend war ich, solange ich mich erinnern konnte, von einer Pflegefamilie zur nächsten weitergereicht worden. Einige waren ganz in Ordnung gewesen, aber die meisten waren unerträglich. Kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag nahm ich also die mageren Ersparnisse, die ich hatte zusammenkratzen können, und ließ New Jersey hinter mir, um mein Glück im Big Apple zu versuchen.

Ich wusste nicht, was ich dort tun würde. Ich hatte keine besondere Begabung, aber ich hatte vor, mir meinen Lebensunterhalt irgendwo als Verkäuferin zu verdienen, das College zu besuchen und dann Lehrerin zu werden. Davon träumte ich schon seit Langem. Und ich habe den Traum noch immer nicht aufgegeben. Natürlich hatte es nicht zu meinem Plan gehört, Tyler Thornton kennenzulernen und mich Hals über Kopf in einen reichen Mistkerl zu verlieben. Ebenso wenig wie ich vorgehabt hatte, mit achtzehn schwanger zu werden. Durch die Schwangerschaft konnte ich nach der Highschool nicht gleich aufs College gehen.

Im ersten Jahr arbeitete ich in einem Diner. Ein mörderischer Knochenjob, doch ich beklagte mich nie. Die Besitzer beschäftigten mich weiter, auch als ich schon zu platzen drohte, denn sie wussten, dass ich das Geld brauchte. Dort lernte ich auch meine jetzige Mitbewohnerin Jin kennen. Ich wohnte in einem schäbigen Hotelzimmer, und sie hatte eine Wohnung und brauchte jemanden, der sich an der Miete beteiligen konnte. Ich war damals schon ein paar Monate lang schwanger und wusste, dass ich jeden Cent von den zehn Riesen für mein Kind sparen musste. Wie sich herausstellte, hatte Jin selbst ein einjähriges Kind. Wir teilten uns ein schäbiges Appartement in einer schlechten Gegend der Stadt, arbeiteten wie die Tiere für einen Hungerlohn und zogen gemeinsam unsere Kinder groß, als seien wir eine glückliche Familie. Es war die beste Entscheidung meines Lebens. Jin und ich verstanden uns super, und unsere Kinder waren wie Brüder füreinander. Es war die Familie, die ich nie hatte.

Unsere Wohnung war nicht groß, aber wir hielten sie sauber und warm und hatten immer genug zu essen für die Jungs. Jins Sohn Zach war mittlerweile ein fünfjähriges Energiebündel, während mein Tan Man ein kleiner Engel war. Die beiden waren total gegensätzlich, aber trotzdem beste Freunde, genau wie Jin und ich. Man sagt ja, dass Gott einem nur so viel aufbürdet, wie man bewältigen kann. Keine Ahnung, ob etwas Wahres an dieser Redensart ist, doch was mein Kind anging, hatte ich definitiv das große Los gezogen.

»Hey, Sweetie, haben Sie irgendwo die Bestellung von Bill’s Lumber gesehen?« Mein Boss stützte sich mit den Fingerknöcheln auf meine Schreibtischplatte, was aufgrund seiner Größe ein ungewöhnlich lautes Geräusch verursachte. Der Mann war ein Riese. Nichts als Muskeln und Männlichkeit in einem herkulesmäßigen Cowboy-Gesamtpaket. Und bei seinem gedehnten Südstaatenakzent machte mein Herz immer einen Satz.

»Wen nennst du da gerade ›Sweetie‹?«, klang eine aufgeregte Stimme hinter ihm, nachdem sich die Tür geöffnet und wieder geschlossen hatte. Diese Stimme kannte ich. Mein Boss, Mr. Herkules Hank Jensen höchstpersönlich, drehte sich nicht um, sondern grinste nur breit und fuhr sich mit der Hand durch das sandfarbene Haar. Er schüttelte den Kopf.

»Engel«, sagte er seufzend, sah mich an und wackelte mit den Augenbrauen. Ich erwiderte sein Grinsen. Jetzt würde er sicher etwas zu hören bekommen.

Mein Gott, diese beiden gaben mir den Glauben daran zurück, dass es die wahre Liebe tatsächlich gab. In den letzten drei Monaten hatte ich es täglich beobachten können. Hank drehte sich auf dem Absatz herum, und da stand sie vor ihm. Sie hatte eine Hüfte zur Seite geschoben, und das lange, blonde Haar floss ihr in einer einzigen goldenen Welle über die Schulter. Sie trug ein sexy feuerrotes Kleid, das sich eng um ihre Kurven schmiegte. Insbesondere um den riesigen, basketballgroßen Babybauch. Aspen Jensen war eine Granate. Ob schwanger oder nicht, jeder Mann fiel ihr zu Füßen und betete sie an, und genau das tat auch Hank. Zunächst lief er um sie herum, dann kniete er sich vor ihr hin und streichelte und küsste ihren Bauch. Bei diesem Anblick wünschte ich mir plötzlich, auch einen Mann zu haben, der mich und Tanner auf diese Art liebte.

»Wie geht es meinem kleinen Mädchen? Fühlst du dich wohl da drinnen, Darlin’?«, fragte er Aspens Bauch zärtlich. Aspen ließ sich seine öffentliche Liebesbekundung gefallen, vergrub die Finger in seinem Haar und lächelte, wie nur eine Frau, die bis über beide Ohren verliebt war, lächeln konnte, egal wer sie dabei beobachtete.

»Es geht ihr gut, mein Hengst. Strampelt wie eine Verrückte, aber das war nicht anders zu erwarten.«

»In welcher Woche sind wir?«, fragte ich und wusste genau, was jetzt kommen würde.

Hanks Augen leuchteten auf, und zärtlich legte er beide Hände auf den Bauch seiner Frau. »Sie hat jetzt die Größe eines Salatkopfs«, sagte er glücklich und blickte Aspen in die Augen. »Sechsundzwanzigste Woche. Wow!«, sagte Hank jetzt zu seinem Kind. »Sei bloß lieb zu deiner Mama. Tritt nicht so fest!« Er stand auf, schüttelte den Kopf und zog seine Frau an sich, um ihr einen Kuss zu geben.

Er konnte einfach nicht die Finger von ihr lassen. Es war ihm egal, wer sich in der Nähe befand oder was gerade anstand. Immerzu berührte er sie, küsste sie und war insgesamt der hingebungsvollste Ehemann, den ich je gesehen hatte. Es war fast wie im Märchen. Es kam mir unmöglich vor, dass ein Paar, das in jeder Beziehung so unterschiedlich war, so füreinander geschaffen zu sein schien. Bei diesen beiden funktionierte es einfach. Solch eine Beziehung war mir nie vergönnt gewesen, doch immerhin hatte ich Tanner, und mehr brauchte ich nicht, um glücklich zu sein.

»Wie fühlen Sie sich, Mrs. Jensen?«, fragte ich, während Hank sie immer noch fest im Arm hielt.

»Ich bekomme zu wenig Schlaf, muss alle fünf Minuten auf die Toilette, habe erst einen Bärenhunger und bin im nächsten Moment schon pappsatt. Es krempelt mein ganzes Leben um.«

»Nur weil da drinnen das perfekteste kleine Mädchen der Welt heranwächst!« Wieder legte Hank die Hand auf ihren Bauch. Eins musste man Aspen lassen. Sie reagierte auf Hanks Anhänglichkeit, als sei es völlig normal. Für mich wäre es undenkbar gewesen, mich ständig von einem Mann berühren zu lassen. Allein schon bei dem Gedanken bekam ich Beklemmungen. Allerdings: Bei einem so gut aussehenden Typen wie Hank würde ich es mir vielleicht doch noch mal überlegen.

»Haben Sie beide schon einen Namen ausgesucht?«

Beide nickten und lächelten. »Das haben wir, aber wir halten ihn geheim. Wir wollen nicht, dass jemand unsere Entscheidung ins Wanken bringt. Ich hoffe, das können Sie verstehen.« Aspen rieb sich den Bauch.

»Oh, aber absolut. Als ich schwang…« Die Augen der beiden weiteten sich, und mir ging auf, was ich ihnen beinahe gestanden hätte. »Ähm, ich meine, ich habe natürlich volles Verständnis für Ihr Bedürfnis nach Privatsphäre.« Aspen kniff die Augen zusammen und neigte den Kopf zur Seite. Prüfend sah sie mich an. Ihr Blick war scharf. Ihr entging nichts, insbesondere, wenn man etwas geheim zu halten versuchte. Wahrscheinlich war das der Grund, warum sie Geld wie Heu hatte und den ganzen Wolkenkratzer besaß, in dem Jensen Construction untergebracht war.

»Cami, haben Sie Kinder?«, fragte Aspen rundheraus. Hank musterte mich neugierig. Ich merkte, dass ich ganz blass wurde. Ich spürte förmlich, wie meine Haut kribbelte. Doch bevor ich antworten konnte, stürmte Oliver, Aspens persönlicher Assistent und bester Freund, hinein und rettete mich, genau wie an jenem Tag, als er mir vor drei Monaten in diesem Diner über den Weg gelaufen war und mir verkündet hatte, dass er mein Leben verändern würde. Olivers markantes, glattes Gesicht war grimmig, und er ballte seine manikürten Hände zu Fäusten. Ich hatte ihn noch nie so fassungslos erlebt.

Krise abgewendet. Gott sei Dank! Mein Privatleben musste privat bleiben. Diese freundlichen Menschen, die so reich, bodenständig und liebevoll waren, durften nichts von Tanner oder meinem Zweitjob erfahren. Das passte weder zu ihrem guten Namen noch zu ihren erfolgreichen Unternehmen. Und wenn sie herausfanden, was ich nachts tat, war der Ofen mit Sicherheit ganz aus.

»Da seid ihr ja! Der Arzt unseres Babys wartet nicht, bis ihr beiden euch stundenlang abgeknutscht habt.« Hank war mittlerweile dazu übergegangen, seiner Frau den Hals zu küssen und ihr über den Rücken zu streicheln.

»Unseres Babys, Oliver«, berichtigte Hank und deutete erst auf seine Frau und dann auf sich selbst. Oliver stand in seinem makellosen Anzug nur da und wirkte zu Tode gelangweilt. Er hielt sich sogar die Hand vor den Mund und tat, als müsse er gähnen.

»Hör auf, dir die Lorbeeren für meine harte Arbeit einzuheimsen«, fuhr Hank unbeirrt fort.

Aspen zog eine Grimasse. »Deine harte Arbeit? Du meinst wohl eher meine harte Arbeit. Ich bin diejenige, die unter Schlafmangel leidet. Die sich zu jeder Tages- und Nachtzeit übergeben muss. Und nicht zu vergessen die Rückenschmerzen, weil ich dein riesiges Kind ausbrüte, Mister.« Hank drehte seine Frau um und schob sie zur Tür, während sie weiter herumzeterte.

»Nach unserem Baby-Termin bin ich wieder da«, rief er mir über die Schulter hinweg zu.

»… geschwollene Knöchel, riesige Brüste.«

»Hey, über Letzteres solltest du nicht schlecht reden. Die waren eine schöne Überraschung, über die ich mich keinesfalls beklagen werde«, meinte Hank, während sie den Flur hinabgingen.

Das Telefon läutete, und ich hob nach dem zweiten Klingeln ab. »Jensen Construction, Cami am Apparat. Wie kann ich Ihnen helfen?«

»Hallo, ist Hank zu sprechen?«, war eine sanfte britische Stimme zu hören. Dieser sexy Akzent sandte mir einen ungewöhnlichen Schauer über den Rücken. Erst als der Anrufer wieder etwas sagte, wurde mir klar, dass ich ihm gar nicht geantwortet hatte. »Hallo? Cami?«

»Ähm, ja, sorry. Nein. Mr. Jenson ist momentan nicht im Büro und wird erst in ein paar Stunden wieder zurück sein. Kann ich etwas ausrichten?«, entgegnete ich hastig, sodass es zumindest einigermaßen professionell klang.

»Tatsächlich? Er meinte, ich solle mich heute melden, um mit ihm ein Treffen zu arrangieren. Soll ich vielleicht ein andermal wieder anrufen?« Die Stimme dieses Mannes war sanft und seidig. Ich hatte den verrückten Wunsch, ihm einfach noch ein wenig länger zuzuhören.

»Ja, das können Sie natürlich tun. Äh, einen Termin mit ihm vereinbaren, meine ich. Nicht zurückrufen.« Der Fremde am anderen Ende der Leitung lachte. Der Laut fuhr mir geradewegs in den Bauch, sodass er sich erst zusammenzog und dann von einer prickelnden Wärme erfüllt wurde. »Ich bin für Mr. Jensens Terminplanung zuständig«, schloss ich ein wenig atemlos. Meine Reaktion auf diesen Anrufer war äußerst ungewöhnlich. Selten hatte ich mich von einem Fremden so … angezogen gefühlt. Eigentlich noch nie.

Seit meinem Zusammensein mit Ty vor vielen Jahren hatte ich kein einziges Mal das Verlangen verspürt, mich mit dem anderen Geschlecht auf welche Weise auch immer abzugeben. Doch nun, da ich diesen sexy Unbekannten am anderen Ende der Leitung hörte, seine muntere Stimme, schlug ich die Beine mehrfach übereinander, um den Druck zwischen meinen Oberschenkeln loszuwerden. Das verunsicherte mich.

»Aha, Sie sind also Ms. Effizient?«, fragte er rau.

»Ich gebe mein Bestes. Lassen Sie mich einen Blick in seinen Kalender werfen.« Ich drückte ein paar Tasten, um Hanks Terminplan aufzurufen. »Mr. Jensen hätte heute Nachmittag um vier für Sie Zeit. Passt es Ihnen da?«

»Hervorragend, Liebes.« Mein Gott, so wie er mich »Liebes« nannte, fühlte ich mich tatsächlich irgendwie geliebt, obwohl es natürlich verrückt war, so etwas zu denken, nachdem ich mich mit diesem Fremden gerade mal ein paar Minuten unterhalten hatte. Ich kannte nicht einmal seinen Namen und war total verunsichert. Aber gleichzeitig war mir so warm ums Herz wie schon seit Jahren nicht mehr.

»Dürfte ich Sie um Ihren Namen und Ihr Anliegen bitten?«

»Natürlich, Liebes.« Diesmal kam ich mir bei dieser Anrede nicht mehr ganz so besonders vor. Vielleicht nannte er jeden so. Immerhin war er Brite. »Ich bin Nathaniel Walker von Stone, Walker & Associates.«

»Und worum geht es?«

»Ich glaube nicht, dass Sie das etwas angeht.« Seine Stimme klang nun kühl.

Ich schüttelte den Kopf und entschuldigte mich. »Oh nein, tut mir leid. Ich wollte nicht neugierig sein. Normalerweise bereite ich immer alles vor, was Mr. Jensen für seine Termine benötigen könnte. Entschuldigen Sie, dass ich so …«

»Cami, Liebes, ich habe Sie nur veralbert. Ich bin Mr. Jensens Anwalt.« Mein Gesicht wurde ganz heiß.

Sein Anwalt. Moment mal … seinen Anwalt hatte ich doch schon mal kennengelernt. Aber er hieß nicht Nathaniel. Sondern Collier Stone. »Keine Ahnung, was Sie mit dieser Behauptung bezwecken wollen. Aber der Anwalt von Jensen Construction ist Collier Stone.«

Wieder lachte er am anderen Ende der Leitung schallend, ein Laut, der mir durch den ganzen Körper ging. »Ich wollte Sie nicht übers Ohr hauen, Liebes. Collier ist mein Bruder. Er ist der Stone in Stone, Walker & Associates.« Ich umklammerte den Hörer, bis meine Fingerknöchel weiß hervortraten, und hatte alle Mühe, meine Stirn nicht auf die harte Tischplatte zu schlagen. Dumm, dumm, dumm! Ich spürte, wie ich vor Verlegenheit knallrot anlief.

Nate

Das Goldstück Cami am anderen Ende der Leitung schwieg so lange, dass ich schon befürchtete, sie hätte aufgelegt. Ich genoss den kleinen Plausch mit ihr. Beim Klang ihrer Stimme, der Atemlosigkeit ihrer Worte wurde mir ganz anders. Am liebsten hätte ich mich den ganzen Tag mit der jungen Frau unterhalten. Zumindest vermutete ich, dass sie jung war.

»Tut mir leid, Mr. Walker. Ich arbeite erst seit drei Monaten hier. Bitte seien Sie nicht verärgert. Ich brauche diesen Job …«

»Wow, Liebes. Nun halten Sie mal die Luft an«, unterbrach ich sie. »Keine Sorge. Nichts passiert. Nur ein fröhliches Geplänkel zwischen zukünftigen Freunden. Okay?«

»Danke.« Ich hörte, wie sie tief Luft holte, um sich zu beruhigen. »Ähm, okay. Freunde. Klar. Ich trage den Termin ein. Soll ich für Ihr Meeting mit Mr. Jensen irgendetwas vorbereiten? Egal was? Ich bin Ihnen etwas schuldig«, fügte sie mit süßer Stimme hinzu.

»Ein Tropfen Tee und ein Biskuit am späten Nachmittag wären fantastisch«, witzelte ich. Unglücklicherweise nahm sie meine Worte ernst. Diese Yankees hatten eine Prise Humor dringend nötig.

»Biskuit? Vielleicht bekomme ich das ja in der Bäckerei. Ich werde mich bemühen. Aber Tee mit Keksen können wir Ihnen durchaus anbieten.«

»Oh, Liebes, Sie sind wirklich ein Goldstück. Ich kann es kaum erwarten, Ihre Bekanntschaft zu machen. Und im Zuge Ihrer Vorbereitungen schlagen Sie doch am besten mal nach, was wir Briten mit Biskuit meinen. Wir reden dann um vier darüber. Cheers!« Ich legte auf und lehnte mich in meinem Stuhl zurück.

Die süße Ms. Cami wollte mir seltsamerweise auch danach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ich war schon eine ganze Weile nicht mehr in Hanks Büro gewesen, aber nun, da ich mit seiner entzückend klingenden Empfangsdame gesprochen hatte, freute ich mich auf meinen Termin um vier Uhr. Es schadete nie, neue Freundschaften zu schließen, insbesondere nicht, wenn die potenziellen Freundinnen sexy waren. Aufgrund ihrer atemlosen leisen Stimme stellte ich sie mir als zierliche Blondine mit weiblichen Kurven vor.

Ich beeilte mich bei meinem letzten Termin und traf ein wenig zu früh im AIR-Bright-Gebäude ein. Als ich den Aufzug verließ und einen Blick durch die Verglasung riskierte, blieb mir schlichtweg der Atem weg, und ich blieb wie angewurzelt stehen. Gebannt beobachtete ich einen Augenblick lang die elegante Schönheit und nahm ihre appetitliche Erscheinung in mich auf, während sie den Schreibtisch umrundete. Wenn dies das Goldstück Cami war, mit dem ich gesprochen hatte, konnte ich über mein Glück nur jubeln. Ganz gewiss war sie weder zierlich noch blond. Diese Frau war groß. Angesichts meiner eins neunzig schätzte ich sie mindestens auf eins fünfundsiebzig. Das braune Haar floss ihr über den gesamten Rücken. Sie hatte zwar keine Locken, aber diesen windzerzausten Strandlook, den amerikanische Frauen so gut draufhaben. Das einzige Wort, das mir bei ihrem Anblick in den Sinn kam, war atemberaubend.

Mit meinen achtundzwanzig Jahren hielt ich mich für einen Kenner in puncto schöne Frauen. Musste mich nie besonders anstrengen, um die Zuneigung eines weiblichen Wesens zu gewinnen, und unzählige Male hatte man mir versichert, dass ich gefährlich attraktiv war. Diverse Frauen hatten im Laufe der letzten Jahre sogar behauptet, mich zu lieben. Noch nie hatte ich das Gefühl gehabt, dass eine Frau eine Nummer zu groß für mich war.

Bis zu diesem Tag.

Für diesen Körper hätte ich sterben können. Durch die Glasscheibe beobachtete ich, wie sie von ihrem Schreibtisch zu einem Aktenschrank und wieder zurück ging. Ihre Bewegungen waren geschmeidig, effizient und hundertprozentig konzentriert. Diese Frau hatte ich bei meiner Ankunft bestimmt nicht erwartet. Ja, sie war jung. Doch ich war nicht darauf vorbereitet gewesen, dass sie so fantastisch sein würde … einfach atemberaubend. Ihr Haar hatte die Farbe von Esskastanien. Nicht wirklich braun, sondern vielmehr ein Mix aus sämtlichen Farben, derentwegen der Herbst meine liebste Jahreszeit war.

Während ich sie bei der Arbeit beobachtete, wurde mir ganz heiß. Meine Haut kribbelte, und der Dreiteiler, den ich angezogen hatte, engte mich plötzlich ein. Sie trug einen Midirock, der jedoch kaum bis zum Knie reichte. Ich hatte gehört, dass man solche Röcke als Beleistiftröcke bezeichnete, obwohl mir verdammt noch mal schleierhaft war, wieso. Ein Bleistift war ein dünnes, gerades Schreibinstrument. Diese Frau war zwar durchaus schlank, jedoch an allen wichtigen Stellen wohlgerundet. Ihre Taille war geradezu winzig. Gütiger Himmel, sie trug hohe Stilettos, die verteufelt sexy waren und über denen sich feste, sportliche Waden erhoben. Vor meinem geistigen Auge sah ich, wie sie die Beine mit diesen Nimm-mich-Schuhen um meine Taille schlang, sodass die Absätze sich direkt in die empfindliche Haut meines Hintern bohrten, während ich es ihr besorgte.

Im Grunde hatte sie den Körper eines Playboy-Models. Ihre Brüste waren zweifellos groß, wenn auch züchtig hinter einem eng anliegenden Oberteil verborgen, das nur die Andeutung ihres perlmuttfarbenen Dekolletés frei ließ, wenn sie sich vornüberbeugte, um ein Dokument zur Hand zu nehmen. Mein Gott, je länger ich sie ansah, desto härter wurde ich. Es war ein ungeheurer Kraftakt vonnöten, um nicht geradewegs hineinzustürmen, sich diese Frau zu schnappen und ihr zu zeigen, was ich am liebsten mit ihr tun wollte.

Ich schüttelte den Kopf, um diese wilden Fantasien zu verbannen, und straffte mich. Gerade in dem Augenblick, als sie aufblickte, öffnete ich die Tür. Ihre perfekt gerundeten Brüste spannten den Stoff ihres Oberteils, während sie mich anstarrte. Ihre Lippen waren voll und glänzten wie eine feuchte, reife Erdbeere. Doch so appetitlich sie auch aussahen, sie waren es nicht, was mich anzog. Das waren ihre Augen. Sie waren grün, wirkten aber beinahe goldfarben und musterten mich mit katzenähnlichem Blick. Eine solche Farbe hatte ich noch nie gesehen, und ich hatte schon viele Frauen gehabt, hatte vielen Frauen in die Augen geschaut, während ich sie bis zur Besinnungslosigkeit vögelte. Doch so etwas hatte ich noch nie gesehen.

Sie richtete sich auf, und beinahe hätte ich geflucht, weil ich nun nicht mehr in ihren Ausschnitt und auf ihre perfekten Brüste sehen konnte. Doch dann legte sie noch eins obendrauf und lächelte. Ein waschechtes »Wie geht es Ihnen, nett, Sie kennenzulernen, ich bin ein guter Mensch, den die Meinung der anderen einen Scheiß interessiert«-Lächeln. Plötzlich fühlte ich mich verletzlich und angreifbar. Eines hatte ich als Anwalt in New York gelernt: Einen aufrichtigen Menschen traf man nicht allzu häufig. Vielleicht war sie die eine unter den mehr als acht Millionen Menschen, die hier lebten. Ich würde mich bemühen, herauszufinden, ob das stimmte.

»Hallo, willkommen bei Jensen Construction. Ich bin Cami. Mr. Walker, nicht wahr?« Sie streckte mir die Hand entgegen. Ich umfing sie mit meinen beiden Händen, drehte sie um und küsste ihr Handgelenk. Sie atmete scharf ein und verspannte sich, als meine Lippen sie berührten.

»Sie sind wirklich ein Goldstück, meine Liebe.« Noch einmal küsste ich ihr blasses Handgelenk. Ihre Haut war so zart, dass ich das Blut in ihren Adern sehen konnte, die sich bläulich vom Weiß abhoben. Bei diesem Anblick regte sich etwas Wildes, Animalisches in meinem Innern.

Cami neigte den Kopf zur Seite, sowie ich ihre Hand losließ. Sie kniff die Augen halb zusammen. »Mir hat noch nie jemand einen Kuss aufs Handgelenk gegeben. Ist das bei Ihnen in England so üblich?« Was für eine Unschuld. Ich hatte beinahe ein schlechtes Gewissen, weil ich mir so sehr wünschte, es auf unanständige Weise mit ihr zu treiben.

»Nein.« Meine Augen nahmen jeden Zentimeter ihres atemberaubenden Körpers in sich auf, angefangen bei ihren Fußspitzen in den zehn Zentimeter hohen Schuhen bis hin zu ihren weich fließenden Locken. »Ein Blick auf Sie, und ich wusste, dass ich Sie mit den Lippen berühren musste.« Sie öffnete den Mund, dann biss sie sich auf ihre volle Unterlippe, was ein lustvolles Prickeln geradewegs in meinen Schwanz hinabsandte.

»Okay. Na gut.« Sie stellte sich hinter ihren Schreibtisch, ging auf Abstand. Dann legte sie sich die Hand auf die Brust. Cami atmete nun deutlich schneller. Selbstbewusst hoffte ich, dass ich es war, der ihr Herz höherschlagen ließ. »Mr. Jensen ist von seinem Termin noch nicht zurück. Nehmen Sie Platz.«

Statt mich auf einen der Stühle an der Wand zu setzen, die offensichtlich den Wartebereich darstellten, lehnte ich mich an ihren Schreibtisch. Ihre Katzenaugen musterten meinen Körper. Sie ergriff nicht die Flucht. Ein gutes Zeichen. Vielleicht gefiel ihr das, was sie sah.

»Erzählen Sie mir eins, Cami.«

»Ja, Mr. Walker?« Ihre Stimme klang nun ebenso atemlos wie vorhin am Telefon, was mein Verlangen nur noch steigerte. Ich merkte, wie verunsichert sie war.

»Nate.«

»Wie bitte?«

»Nennen Sie mich Nate. Ich will hören, wie diese wunderschönen Lippen meinen Namen aussprechen.«

Eine feine Röte zog ihr den Hals hinauf und färbte ihre Wangen. Sie war nervös, aber immer noch wich sie nicht vor mir zurück. »Hmm, okay, Nate«, sagte sie verlegen.

»Schon besser.« Ich grinste, und sie setzte sich. Ich ergriff sofort die Gelegenheit und umrundete ihren Schreibtisch, kam ihr noch näher, indem ich mich auf die Tischkante hockte, sodass ich sie hätte berühren können. Das Verlangen, ihr nahe zu sein, war einfach lächerlich. Es war, als zöge mich ein unsichtbares Band zu ihr hin. »Nun, erzählen Sie mir etwas, was niemand von Ihnen weiß.«

»Hmm?« Sie runzelte die Stirn. »Was zum Beispiel?«

»Das entscheiden Sie selbst. Ich finde es leichter, jemanden kennenzulernen, wenn man mit etwas anfängt, was niemand sonst weiß.« Sie senkte die Lider und biss sich erneut auf die Lippe, wahrscheinlich, um mir nicht in die Augen sehen zu müssen. Doch ich wollte unbedingt ihren Blick auf mir spüren. Wenn sie schon nicht ihren Körper um meinen schlang, dann musste ich mich eben damit zufriedengeben.

»Schauen Sie mich an, Cami.« Mit einem Finger hob ich ihr Kinn an. Sie erzitterte sichtlich unter meiner Berührung. Gab mir ein Gefühl der Macht, wonach ich augenblicklich süchtig wurde. »Wenn Sie mit mir reden, möchte ich Ihre wunderschönen Augen sehen. Sie sind bezaubernd.«

»Sie machen mich nervös«, bekannte sie.

»Das war nicht meine Absicht, Liebes. Ich entschuldige mich dafür.« Ich lehnte mich zurück, allerdings ohne mich von ihrer Tischkante fortzubewegen, denn ich wollte ihr weiterhin nahe sein. »Ich muss jedoch zugeben, dass ich von Ihnen fasziniert bin. Also, erzählen Sie mir etwas über sich, was niemand hier …« Ich deutete auf das Büro. »… von Ihnen weiß.« Obwohl das zu meinem Spiel gehörte und zu meinen Methoden, um Frauen zu umgarnen, war ich auf ihre Antwort nicht vorbereitet.

Cami bearbeitete wieder ihre Lippe, dann schloss sie die Augen. »Früher war ich Turnerin.«

Ich stöhnte und fuhr mir ein paarmal mit den Fingern durchs Haar. »Wollen Sie mich umbringen?« Vor meinem geistigen Auge sah ich, wie sich ihr kurvenreicher Körper erst in die eine Richtung, dann in die andere bog und das auch noch … nackt … schwitzend. Das war zu viel für mich. Ich war hart wie Stahl.

Ihr schockierter Gesichtsausdruck zeigte mir, dass sie keineswegs die Absicht gehabt hatte, kokett oder frech zu sein, wie ich zuerst gedacht hatte. Sie war tatsächlich genauso süß, wie ich schon am Telefon angenommen hatte. »Nein. Warum sagen Sie das?«

»Weil ich mich wirklich nach Kräften bemühe, meine Hände bei mir zu behalten. Und wenn Sie mir so etwas erzählen, dann … ist das beinahe unmöglich.«

Kapitel 2

Cami

»Mr. Walker …« Ich stieß mich auf meinem Bürostuhl zurück, um ein bisschen Abstand von diesem Mann zu gewinnen. In seiner Anwesenheit war ich nicht ich selbst, und das war ich nicht gewohnt. Ich war ganz zittrig, und meine Haut kribbelte.

»Nate.«

Ich holte tief Luft, um mich zu beruhigen. »Nate. Sie sind ziemlich forsch.«

Bei dem bedächtigen Grinsen, das er mir jetzt schenkte, schmolz ich beinahe dahin. Ich musste mir auf die Unterlippe beißen und die Nägel in meine Handflächen krallen.

»Stimmt schon. Wenn ich etwas sehe, was ich haben will …« Seine hellen Augen zogen mich förmlich aus. »… dann nehme ich es mir.«

»Entschuldigen Sie mich.« Schnell stand ich auf und entfernte mich von dem Schreibtisch und von ihm, brauchte dringend noch mehr Abstand. Nate bewegte sich nicht von der Tischplatte weg. Der dunkelgraue Nadelstreifenanzug war elegant und ihm perfekt auf den schlanken Leib geschneidert. Unter dem dreiteiligen Designerstück erahnte man einen muskulösen Körper. »Wissen Sie, Sie haben ganz schön Nerven. Sie kennen mich doch gar nicht.« Ich ballte meine Hände zu Fäusten, damit er nicht sah, wie sie zitterten, versuchte verzweifelt, ihn nicht merken zu lassen, wie sehr er mir unter die Haut ging.

Langsam, wie ein Raubtier, das sich an seine Beute heranpirscht, umrundete er den Schreibtisch und kam auf mich zu. Ich wich erneut einen Schritt zurück. Doch dann kam ich mir lächerlich vor und kämpfte gegen den Fluchtimpuls an. Es war heller Tag. Er würde mir nichts tun. Nate streckte die Hand aus und fuhr mit dem Zeigefinger über meine Wange. Auf meinen Armen bildete sich eine Gänsehaut, und ich schloss die Augen.

»Ich will Sie besser kennenlernen. Essen Sie mit mir zu Abend?«

Etwa zehn Sekunden lang starrte ich sein gut aussehendes Gesicht an. Dunkles Haar, das in einer sexy Welle zurückgekämmt war, obwohl man sehen konnte, dass er mehrfach mit den Fingern hindurchgefahren war. Leicht gebräunte Haut, geschwungene, kaffeefarbene Augenbrauen, die perfekt zu seinem dichten Haar passten, ein perfekt getrimmtes Ziegenbärtchen an seinem markanten Kinn. Seine Lippen waren voll und üppig – der perfekte Schmollmund. Am liebsten hätte ich diese Lippen geküsst. Außerdem fragte ich mich, wie es sich wohl anfühlen mochte, wenn sein Bart an meinem Hals entlangglitt, während er mich dort küsste … oder zwischen meinen Brüsten … meinen Schenkeln.

Ich schüttelte den Kopf, denn plötzlich ging mir auf, dass ich hier vor einem wunderschönen Exemplar der männlichen Spezies stand und mich in Tagträumen verlor, obwohl dieser Mann mich gerade um ein Date gebeten hatte. Ein richtiges Date.

»Warum?«, fragte ich, schockiert, dass dieser fantastische Typ Zeit mit mir verbringen wollte. Er lächelte, wollte antworten. Ich hielt die Hand hoch, um ihn daran zu hindern. Die Synapsen in meinem Gehirn, die zuvor von seiner unglaublichen Präsenz außer Gefecht gesetzt worden waren, feuerten wieder und versorgten mich mit den relevanten Informationen. »Egal.« Ich schüttelte den Kopf. »Nein, sorry. Ich kann nicht mit Ihnen zu Abend essen. Aber danke, dass Sie gefragt haben.«

»Morgen vielleicht?«, fuhr er mit diesem sexy britischen Akzent fort.

Das war unmöglich. Wieder schüttelte ich den Kopf. »Ich weiß Ihre Geste zu schätzen, Mr. Walker, aber ich bin sehr beschäftigt. Trotzdem nochmals danke.«

»Das verstehe ich nicht, Liebes.« Nate legte mir die Hand auf die Schulter. Seine Wärme durchdrang meine Haut. Ich gab mich eine Sekunde lang der Berührung hin, erneut überwältigt von seiner Nähe.

»Das müssen Sie auch gar nicht verstehen. Es ist einfach so.« Ich ließ die Hand von meiner Schulter gleiten und wünschte, es könnte anders sein. Dass ich anders wäre. Dass mein Leben … anders wäre.

In diesem Augenblick betrat Hank das Büro, ein breites Lächeln auf dem Gesicht. Nach jedem Besuch beim Frauenarzt war er bester Stimmung.

»Wie geht es ihr?«, fragte ich glücklich. Endlich konnte ich das Thema wechseln und Nathaniels Avancen entgehen. Nate wandte sich um, und Hank schüttelte dem Mann freundlich die Hand.

»Perfekt! Natürlich habe ich mit meiner Einschätzung voll ins Schwarze getroffen. Sechsundzwanzigste Woche.« Mit seinen großen Händen bildete er einen Kreis. »Wie ein hübsch geformter Salatkopf. Mein Baby wächst, der Herzschlag ist kräftig. Außerdem ist Aspen total happy.«

»Warum?«, fragte ich lachend. Besuche beim Gynäkologen aus männlicher Sicht geschildert zu bekommen war wirklich amüsant. Mit Tanners Vater hatte ich dieses Vergnügen nicht gehabt und genoss Hanks Gedanken zu diesem Thema in vollen Zügen.

»Ja, Kumpel, erzähl es uns«, bat Nate.

Ich war überrascht, dass Nate sich nach Einzelheiten erkundigte. Er kam mir nicht wie der Typ vor, der sich für die wachsende Familie eines anderen Mannes und die damit verbundenen Details interessierte. Er war fast schon übertrieben selbstbewusst. Ein Mann, der in der Regel kriegte, was er wollte. Er sah mich an und zog neugierig eine Augenbraue hoch. Allein diese Geste war unglaublich cool und verdammt sexy.

Hank zuckte mit den Schultern und lächelte. »Sie selbst hat diesmal nicht an Gewicht zugelegt, deshalb will sie heute Abend feiern!«

Nate und ich lachten. Sein männliches Lachen sandte mir Schauer über den Rücken, die warm in der empfindlichen Kuhle meines Kreuzes mündeten.

»Ich glaube, ich führe sie zum Abendessen aus und werde sie heimlich ein bisschen mästen.« Er legte die Finger auf die Lippen, um anzudeuten, dass wir ihr nichts verraten durften. »Aber kein Wort zu ihr. Ich will dafür sorgen, dass mein Baby und meine Frau alles bekommen, was sie brauchen. Und eigentlich sollte sie mittlerweile ein paar Pfund zugelegt haben.«

»Mr. Jensen, es ist schon in Ordnung, wenn sie nicht zunimmt. Schwangere Frauen sind höchst unterschiedlich. Lesen Sie es nach.« Hank richtete den Blick auf mich und fuhr sich mit der Hand über seinen Bartschatten.

»Wissen Sie was, das mach ich. Also, Nate, Partner. Danke, dass du gekommen bist. Cami, Sweetie, haben Sie die Unterlagen parat?« Nate kniff die Augen zusammen, als Hank mich Sweetie nannte. Doch das kümmerte mich nicht. Aus seinem Mund war dieser Kosename keineswegs herablassend gemeint. Hanks Herz gehörte Aspen, also kein Grund, ihn wegen dieser Anrede zurechtzuweisen.

»Ja, Sir, alles da.« Ich gab ihm die beiden Stapel. »Soll ich mitschreiben?«

»Nee, gehen Sie heim. Wenn ich mit Nate fertig bin, mach ich auch Feierabend. Jetzt regeln wir aber erst mal das kleine Problem mit der mangelhaften Ware, die letzte Woche bei unserem Howzer-Auftrag geliefert wurde. Der Mistkerl will, dass ich für mieses Zeug zahle, das unter Druck gleich zusammengefallen ist.«

Ich lächelte, nickte und packte meine Habseligkeiten zusammen. Hank marschierte in sein Büro und fluchte immer noch leise über den Lieferanten vor sich hin, der ihn bei einem wichtigen Auftrag mit mangelhaftem Material versorgt hatte. Wegen der daraus resultierenden Verzögerung der Arbeiten um ganze drei Wochen war Nate hier. Hank und er wollten den Lieferanten wegen des Verdienstausfalls verklagen.

»Einen Moment noch, Kumpel«, sagte Nate zu Hank.

Hastig räumte ich alles weg, schnappte mir meine Tasche aus der Schublade und schlang mir den Riemen über die Schulter. Als ich am Aufzug anlangte, hatte er mich noch nicht eingeholt. Wie eine Wilde drückte ich auf den Knopf nach unten und hoffte inständig, dass sich die Türen rechtzeitig öffnen würden. Doch Pech gehabt.

»Hey, Cami, warten Sie.« Mit seiner großen Hand fasste Nate mich am Ellbogen. Ich wandte mich um und schaute ihm in die blauen Augen. Er war so gut aussehend. Unter anderen Umständen hätte ich am liebsten den ganzen Tag in diese Augen geblickt. Nate leckte sich die Lippen und legte den Kopf schräg. »Lunch, morgen. Ich lade Sie ein.«

»Ich kann nicht …«

»Sie können, und Sie werden. Ich bin Punkt zwölf hier.«

Ich schüttelte den Kopf, aber er trat den Rückzug an, ein sexy Grinsen auf seinem unerträglich hinreißenden Gesicht.

»Nate … wirklich, das ist keine gute Idee.«

»Es ist eine hervorragende Idee. Die beste, die ich seit Langem hatte. Bis morgen, Goldstück.« Er drehte sich auf dem Absatz herum und öffnete entschlossen die Glastüren, womit er jeglichen weiteren Protest meinerseits im Keim erstickte.

Mist!

Was sollte ich jetzt tun?

In Rekordgeschwindigkeit kam ich zu Hause an. Allerdings hätte ich gar nicht sagen können, wie ich dorthin gelangt war, denn in Gedanken beschäftigte ich mich ausschließlich mit einem gewissen sexy britischen Anwalt, der entschlossen zu sein schien, mich wie eine Dampfwalze zu überrollen, um seinen Willen zu bekommen. Jin, meine Mitbewohnerin und beste Freundin, machte gerade eine Chinapfanne zum Abendessen. Sie trug ein winziges, korallenfarbenes Slipdress, das so kurz war, dass es an ihrer zierlichen Gestalt wie ein T-Shirt wirkte. Wie unsere Kinder, so waren auch wir total gegensätzlich. Ich kam mir neben ihren gerade mal eins siebenundfünfzig und ihrer schlanken Figur wie eine Amazone in Turnschuhen vor. Ihr Hautton passte wunderbar zu ihren dunklen Augen und ihrem dichten, schimmernden schwarzen Haar, das ihr bis zum Po reichte. Ich behauptete im Scherz immer, dass sie das genaue Ebenbild von Lucy Liu in Drei Engel für Charly war. Sie antwortete dann stets, dass sie lieber wie Cameron Diaz aussähe. Jin war Koreanerin und total besessen von allem Amerikanischen.

Genau wie ich hatte Jin keine Angehörigen, weshalb wir uns hier unsere Ersatzfamilie aufgebaut hatten. Jin passte tagsüber auf die Jungs auf, damit ich bei Jensen Construction arbeiten konnte, und dann noch mal abends, wenn ich meine Schicht im Gems absolvierte. In diesen Gentlemen’s Club hatte Jin mich eingeführt, kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten. Inzwischen arbeitete sie dort vier Abende die Woche und war die beliebteste Stripperin. Männer hatten eine Vorliebe für kleine sexy Asiatinnen, doch ich behauptete mich ebenfalls wacker und machte meine Sache gut. Zumindest ging ich davon aus.

»Hi, Honey, bin wieder da«, rief ich und gab Jin einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange.

»Perfektes Timing. Abendessen ist gleich fertig. Kannst du die Jungs holen?«, fragte sie und schaufelte die Teller voll mit dampfendem Gemüse und Hühnchen auf einem Bett aus Jasminreis.

Ich machte mich auf den Weg ins Zimmer der Jungs. Mein kleiner Mann saß auf dem Boden und schob eifrig sein Auto über die Rennstrecke, die auf den Teppich gemalt worden war. Zachery, Jins Sohn, lag neben ihm und malte. Sein langes, pechschwarzes Haar sah genauso aus wie das seiner Mutter und fiel ihm beinahe bis auf das Blatt Papier.

Beim Anblick der spielenden Jungs war mein Herz voller Freude. Die beiden waren unzertrennlich. Wenn Tanner in der Küche war, war Zach gewiss in der Nähe. Wenn Zach im Zimmer war, würde Tanner ganz sicher auch dort spielen. Sie genossen ihre Gesellschaft. Bei Jungs im Alter von vier und fünf Jahren hätte man eigentlich den ein oder anderen Streit oder Eifersucht erwartet, aber so waren die beiden nicht. Das gab mir die Hoffnung, dass sie auch später im Leben enge Freunde sein würden, genau wie ich und Jin.

»Wie geht es meinen Jungs?«

»Mommy!«, »Auntie!«, riefen die beiden gleichzeitig und schmiegten sich jeder an eine meiner Hüften. Ich hockte mich hin und umarmte sie beide, genoss ihren Duft.

»Zach, deine Mommy möchte, dass du dir die Hände wäschst und zum Essen kommst.« Er rannte aus dem Zimmer und ins Bad.

Ich zerzauste Tanners Haar, und er grinste. Die großen, blauen Augen seines Vaters leuchteten fröhlich, als er mir die kleinen Hände um den Hals schlang. Täglich genoss ich die Momente, die ich mit meinem Sohn allein hatte. Ich lebte für sie. »Wie war’s bei der Arbeit, Mommy?«, fragte er mit seiner süßen, hohen Micky-Maus-Stimme.

»Sehr schön, Baby. Danke, dass du fragst. Hattest du einen schönen Tag mit Jin und Zach?«

Begeistert nickte er. »Ich habe dir heute was gebaut!« Er rannte zu seiner kleinen Kommode hinüber und öffnete seine »Schatztruhe«. Niemand durfte hineinsehen. Ich respektierte sein Bedürfnis, etwas zu haben, was nur ihm gehörte. Jeder brauchte seine Grenzen, und ich ermutigte ihn. Er legte beide Hände aneinander, beinahe, als wolle er beten. Dann kam er zu mir hinüber, hielt sie mir vors Gesicht und öffnete sie langsam.

In seinen kleinen Händen lag ein Perlenarmband in vielen bunten Farben: rot, grün, gelb, blau und lila. »Das ist ein Regenbogen, den du tragen sollst. Dann hast du immer einen Regenbogen bei dir. Hab ich für dich gebastelt. Gefällt es dir?«

Ich drängte die Tränen zurück und nahm ihn fest in den Arm. »Es ist wunderschön. So schön, Tan Man. Danke.«

»Trägst du es morgen bei der Arbeit?« Aus seinen unschuldigen Augen sah er mich an. Er hüpfte vor Aufregung auf und ab. Ich konnte einfach nicht Nein sagen, obwohl ich es definitiv nicht bei der Arbeit tragen würde. Schließlich konnte es irgendjemandem auffallen, der dann eine Bemerkung darüber machte. Er runzelte die Stirn und wartete auf meine Antwort. »Gefällt es dir nicht?«

»Doch, Baby, das tut es. Es ist nur, dass es im Büro …« Seine Lippen zitterten, und ich brachte es einfach nicht übers Herz, ihn zu enttäuschen. »Natürlich trage ich es bei der Arbeit.« Ich streifte es übers Handgelenk, und er betrachtete es glücklich. »Passt perfekt. Mein ganz eigener Regenbogen. Ich liebe es.«

»Ich liebe dich, Mommy.«

»Und ich liebe dich mehr – immer, Tan Man. Ich liebe dich mehr.«

Nate

Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit freute ich mich auf ein Date. Das hier war mehr als nur eine schnelle Mahlzeit mit anschließendem Vögeln. Diese Verabredung diente tatsächlich dem Zweck, eine Frau näher kennenzulernen. Zum letzten Mal hatte ich mich auf ein solches Date eingelassen, als ich die Medienmogulin und Milliardärin Aspen Reynolds, die heutige Aspen Jensen, ausgeführt hatte. Ich war ziemlich hinter ihr her gewesen, damit sie sich mit mir traf, denn ich glaubte, die hübsche Blondine dann mit geringem Aufwand ins Bett zu kriegen. Letztlich stellte ich fest, dass ich mich von ihrem scharfen Verstand, ihrem Geschäftssinn und ihrer aufrichtigen Freundlichkeit angezogen fühlte. Ich hätte sie nicht zu einer meiner diversen Kerben am Bettpfosten machen können. Nein, sie war eine Sahneschnitte mit Klasse, und als ich sie am Ende des Abends schließlich geküsst hatte, hatten wir beide gelacht. Sie war zum gleichen Schluss gekommen wie ich. Wir würden niemals mehr als Freunde sein. Es hatte einfach nicht gefunkt zwischen uns. Also abgehakt.

Seit Collier und ich in den Staaten lebten, hatte ich Frauen immer nur ausgeführt, um anschließend bei mir zu Hause eine schnelle Nummer mit ihnen zu schieben. So ging das jetzt schon seit fünf Jahren, und mittlerweile war ich diesen Lebensstil verdammt leid. Je mehr Zeit ich mit den Jensens verbrachte oder mit meinem Bruder und seiner Freundin London oder mit meinen neuen Freunden Dean und Oliver, umso mehr erkannte ich, wie vollkommen allein ich war.

Als ich gestern die zurückhaltende Empfangsdame kennenlernte, hatte ich mich ihr unwillkürlich sofort verbunden gefühlt. Es war, als sei die Luft, die sie umgab, ruhig, kühl und einladend, wie eine tropische Brise auf einer verlassenen Insel. Sie kurbelte nicht nur meine Libido an – und zwar so sehr, dass es schon peinlich war –, sondern ich hatte in ihrer Gegenwart plötzlich auch das Gefühl, am richtigen Platz zu sein. Mein Leben bestand ausschließlich aus harten und schnellen Verhandlungen, raschen Vergleichen und unzähligen Meetings mit Klienten. Das hatte sich sogar noch gesteigert, als mein Bruder und Geschäftspartner Collier vor ein paar Monaten beinahe gestorben wäre. In seiner Abwesenheit hatte ich die Hauptlast unserer Fälle bei Stone, Walker & Associates allein tragen müssen. Mittlerweile war Collier wieder voll einsatzfähig und glücklicher denn je. Er war bei seiner Freundin London Kelley eingezogen, der Schwester unserer Klientin und Freundin Aspen Jensen. Colliers Rückkehr verschaffte mir wieder etwas Freiraum, um meinen eigenen Interessen nachgehen zu können. Und im Augenblick konzentrierten diese sich voll und ganz auf eine hochgewachsene brünette Schönheit.

Eilig verließ ich das Büro, bereit, Cami zu unserem Date abzuholen. Hank Jensens Rezeptionistin. Verrückt, die Welt war manchmal wirklich ein Dorf!

Als ich ankam, saß sie nicht an ihrem Platz. Ich sah auf die Uhr. Es war zehn vor zwölf. Ich war früh dran. Und dann hörte ich es. Ihr Lachen. Cami hatte die Tür zu Hanks Büro geöffnet. Ihre Schultern bebten vor Lachen, mutmaßlich über Hank auf der anderen Seite der Tür. Ich war nicht darauf vorbereitet, wie wahnsinnig schön sie war, als sie dort hoch aufgerichtet und graziös am Türrahmen lehnte. Ihr Rock war heute ein paar Zentimeter kürzer als gestern und hatte kleine Rüschen am Saum. Er schmiegte sich um ihre Oberschenkel und wirkte gleichzeitig sexy und verspielt. Ihre Bluse war aus Seide und floss über die Wölbung ihrer Brüste, die sie mir im Profil zeigte. Sie waren groß, was sie offensichtlich ein wenig zu kaschieren versuchte. Das gefiel mir.

»Danke, Mr. Jensen. Ich bin in ein paar Minuten in der Mittagspause. Brauchen Sie vorher noch irgendetwas?« Sie hatte mich immer noch nicht bemerkt.

»Hank!«, hörte ich meinen Kumpel antworten, offensichtlich verärgert, dass sie ihn mit Mr. Jensen ansprach. Jetzt wandte sie mir den Rücken zu. Sie trug auch heute wieder ihre sündhaft sexy Stilettos. Schwarz und hoch. Mein Blick wanderte von der Spitze des einen Absatzes ihre anmutige Fessel hinauf, dann weiter über ihre wohlgeformte Wade. Ich musste ein Stöhnen unterdrücken, während sie dieses Bein anhob und mit dem Fuß so über die andere Wade strich, wie ich es gern getan hätte. Unwillkürlich stellte ich mir vor, wie sie eben jene langen Beine um meinen Körper schlang, wie sie diese Nimm-mich-Absätze in meinen Hintern bohrte, während ich mich an der nächstbesten Wand in sie trieb.

Mein Schwanz wurde schmerzhaft hart in meiner Hose. Etwas für eine Frau zu empfinden, die ich gerade erst kennengelernt hatte, war extrem ungewöhnlich für mich. Ich kam mir wie ein sexbesessener Teenager vor, weil ich meine Körperfunktionen nicht im Griff hatte. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was so anders an ihr war, aber ich war fest entschlossen, es herauszufinden.

Cami wandte sich um. Sogleich schnappte sie nach Luft und sah mir in die Augen. »Sie sind gekommen?« Ihre Stimme klang ein wenig erstaunt.

Ich richtete mich auf und schob die Hände in die Taschen, wobei ich mir ein wenig Platz in der Lendengegend verschaffte. Der Anblick meines Ständers hätte sie sicher verschreckt.

»Hab ich doch gesagt.« Sie betrachtete mich, musterte meinen dunklen Anzug. Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Dann legte sie sich die Hand auf die Brust. Ich fragte mich, ob ihr Herz meinetwegen höherschlug. Ich hoffte es. »Sind Sie fertig? Können wir los?«

»Na ja, ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet, dass Sie kommen würden.« Cami blickte zu Boden. »Manchmal sagen Männer irgendetwas, meinen es aber nicht ernst, und ich …«

»Ich bin nicht so wie diese Männer, Goldstück.« Ruckartig hob sie den Kopf und schaute mir in die Augen. Ich ging auf sie zu, sodass uns nun nur noch wenige Zentimeter trennten. »Ich meine immer ernst, was ich sage.« Ich berührte eine lose Strähne ihres seidigen Haars. Sie trug es zusammengefasst, doch eine widerspenstige Locke, die kürzer war als der Rest, schmiegte sich lose an ihr anmutig geschwungenes Kinn. Ich beugte mich nah zu ihr herab, aber nicht genug, um sie zu berühren. Sie spannte sich an, als mein Atem an ihrem Ohr entlangstrich. Sie duftete ungewöhnlich. Eine Mischung aus Wassermelone und Babylotion. Ob sie überall so roch? Köstlich.

Ich machte einen weiteren Schritt auf sie zu, um sie mit der Hitze meines Körpers einzuhüllen. Sie seufzte und legte den Kopf in den Nacken, bot mir ihren schlanken Hals dar. Es wäre so leicht gewesen, das Angebot anzunehmen. Doch ich bewegte mich weiterhin bedächtig, um sie nicht zu erschrecken, und schmiegte meine Wange an ihre. »Ich meine immer ernst, was ich sage. Und ich lasse niemals eine Frau mit ihrem Verlangen im Regen stehen«, flüsterte ich und ließ meine Wange in der sachtesten aller Liebkosungen an ihrer entlanggleiten.

Als ich mich wieder aufrichtete, bemerkte ich, dass sie die Augen geschlossen hatte. Sie holte Luft und leckte sich die Lippen. Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht dem Drang nachzugeben, von diesem beerenroten Mund zu kosten.

»Sollen wir also?«, fragte ich und legte ihre Hand in meine Armbeuge.

Sie wirkte zögerlich, aber statt mich zurückzustoßen, hob sie die Schultern und ließ sie einmal kreisen. Dann atmete sie tief aus. »Ich will nur eben meine Tasche holen.«

Ich führte sie zum Ausgang. »Die werden Sie nicht brauchen.«

Sie blieb stehen. »Ich muss mein Handy immer dabeihaben, falls …« Sie blickte hektisch um sich, als suche sie nach einer Fluchtmöglichkeit.

»Falls was, Goldstück? Falls Sie um Hilfe rufen müssen?« Mit einer kurzen Hüftdrehung presste ich sanft ihre Gestalt nur mit meinem Körper gegen das Glas. Sie stöhnte, und ihre Augen weiteten sich, als ich meine Erektion an ihren Bauch drückte. Ich wollte, dass sie genau wusste, was sie mit mir machte. Ich legte ihr beide Hände auf die Wangen. »Ich versichere Ihnen: Diese Hände sind nur dazu da, Ihnen Lust zu bereiten.« Ich hielt sie in die Höhe, dann ließ ich eine Handfläche von ihrem Kinn an ihrem Hals hinabgleiten, dorthin, wo er in die Schulter überging. Ich wünschte mir, ihr das Shirt auszuziehen und zärtlich an ihr zu knabbern.

»Es ist nur … ich würde mich wohler fühlen, wenn ich Tasche und Handy dabeihätte.« Ihre Stimme klang atemlos und gepresst.

Ich liebkoste ihre Wange. Sie hielt meinem Blick zunächst stand, dann senkte sie die Lider. Bei direktem Augenkontakt fühlte sie sich unbehaglich. »Augen auf, Cami.« Sie schaute mich wieder an. »Holen Sie Ihre Tasche. Ich verhungere nämlich gleich.« Sie wich ein paar Schritte zurück, dann ging sie flink um mich herum und holte eine winzige Tasche aus der Schublade ihres Schreibtisches. Es konnte nicht mehr als ein Handy und ein Geldbeutel darin sein. Ich war an Frauen gewöhnt, die eine Reisetasche voller Gott weiß was alles mit sich herumschleppten.

»Fertig?«, fragte ich grinsend.

Wieder sah sie zu Boden und kehrte zu mir zurück. Als sie bei mir angelangt war, schob ich ihr Kinn mit einem Finger nach oben. Es ärgerte mich, dass sie den Blick dauernd abwandte. »Sie sind so schön. Es war nachlässig von mir, das nicht schon früher zu sagen.« Eine hübsche Röte überzog ihre Wangen, und ein winziges Lächeln umspielte ihre roten Lippen.

»Danke.«

Autor