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Herzklopfen in wilden Nächten

Als der Streit mit ihrem Ex zu eskalieren droht, kommt Marianna ein muskulöser, gut aussehender Mann zu Hilfe: ausgerechnet Simon, ihre Jugendliebe! Elf Jahre lang hatten sie keinen Kontakt, aber jetzt braucht Mari den sexy Bodyguard mehr denn je. Denn sie will unbedingt herausfinden, welche dunklen Machenschaften ihr Ex im Namen ihrer gemeinsamen Firma betreibt, und das kann richtig gefährlich werden! Doch noch mehr Herzklopfen bescheren Mari die heißen Küsse ihres Beschützers Simon und bald auch die wilden Nächte mit ihm …


  • Erscheinungstag: 02.10.2020
  • Aus der Serie: Club
  • Bandnummer: 45
  • Seitenanzahl: 208
  • ISBN/Artikelnummer: 9783745752472
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Simon Rodriguez hielt am Straßenrand gegenüber dem Gartentor der Villa im spanischen Stil und schaltete den Mietwagen in den Parkmodus. Er rieb sich das Kinn und spürte die Bartstoppeln, die zu rasieren er sich heute Morgen im Hotel nicht die Mühe gemacht hatte. Niemand wohnte mehr in diesem Haus, soweit er wusste. Niemand würde mitbekommen, wie er einen letzten Blick auf den Ort warf, der ihn beinahe zugrunde gerichtet hatte.

Er nahm die Sonnenbrille ab und öffnete das Fenster, um besser sehen zu können. Verdammt, war es heiß in Miami Beach! Diese schwüle, schwere Hitze, die Bauarbeiten am Nachmittag zur reinsten Hölle machte. Er hatte diese Art körperlicher Arbeit hinter sich gelassen, als er sich vor elf Jahren beim Militär verpflichtet und Miami verlassen hatte, doch seine Reaktion auf die Hitze war noch immer tief verwurzelt. Ein weiterer Grund dafür, dass er von hier abgehauen war, aus diesem Bundesstaat, aus diesem Land. Weg von der einen Frau, mit der Simon sich nie hätte einlassen sollen.

Die beste Entscheidung seines Lebens.

Was tat er also hier, vor Marianna Ruiz’ Haus? Sie war schon vor Jahren ausgezogen, als sie geheiratet hatte. Das Tor war geschlossen – passte es nicht wie die Faust aufs Auge, dass dieser Ort Simon sogar nach dem Tod ihres Vaters noch immer verwehrt blieb?

Zum allerletzten Mal Abschied nehmen. Das tat er hier. Das andere letzte Mal war ganz offenbar noch nicht schmerzvoll genug gewesen, um ihn von hier fernzuhalten. Doch jetzt gab es nichts mehr, was ihm gefährlich werden konnte. Er zog hier lediglich einen Schlussstrich.

Simon starrte das riesige Gebäude jenseits des Tors an, das teilweise hinter den üppigen, grünen Palmen verborgen lag, die das Grundstück säumten. Seitlich war das Dach des Bootshauses zu sehen, jenes Bootshauses, das er damals in diesem Sommer vor so langer Zeit mit seinem Vater gebaut hatte. Sofern Marianna das Anwesen ihres Vaters noch nicht verkauft hatte, lag dort wahrscheinlich auch noch das Boot, auf dem Marianna und er …

Mit quietschenden Bremsen kam ein roter Sportwagen vor der Einfahrt zum Stehen. Simon schreckte hoch und riss den Kopf herum. Das Tor ging ächzend auf, und der Wagen schoss mit aufheulenden Reifen vorwärts. Er raste die schmale Asphaltauffahrt hinauf und stoppte erneut unter lautem Protest der Bremsen, wobei sich die Vorderräder in den Rasen gruben. Der Fahrer drückte ein paar Mal auf die Hupe. Was zum Teufel war hier los?

Die Haustür ging auf, und eine Frau trat heraus. Ihr Gesicht lag im Schatten, als sie die Tür hinter sich zuzog, doch diese Frau würde er überall erkennen.

Marianna.

Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Ihr dunkles, sanft gelocktes Haar war jetzt länger, und sie trug eine weiße Bluse mit Knöpfen und einen roten Rock. Ganz eindeutig eine Frau und kein Mädchen mehr. Noch immer wunderschön.

Marianna strich sich das Haar aus dem Gesicht und verschränkte die Arme. Als sie ins Sonnenlicht trat und die Eingangsstufen hinab auf den Sportwagen zuging, verspürte Simon wieder diesen alten, vertrauten Schmerz tief in seinem Innern.

Er runzelte die Stirn. Was machte Marianna hier im alten Haus ihres Vaters? Und was zum Kuckuck hatte dieser Sportwagenfahrer hier zu suchen?

Ein Mann stieg aus dem Wagen, knallte die Tür zu und ging viel zu schnell auf Marianna zu. Simon packte das Lenkrad seines Mietwagens fester und versuchte auszublenden, wie sich etwas in seiner Brust schmerzhaft zusammenzog. Der Kerl sah geschniegelt aus, mit schickem Hemd und Anzughose, doch er hatte die Hände zu Fäusten geballt und sein Gesicht war vor Wut rot angelaufen. Und er marschierte auf die Frau zu, die Simon nie hatte wiedersehen wollen, wie er sich eingeredet hatte. Am besten würde er den Motor einschalten und das Weite suchen, bevor er etwas Dummes tat.

„Verdammt noch mal, Marianna. Was für eine Scheiße versuchst du hier abzuziehen?“, brüllte der Typ.

Das Arschloch stürmte auf sie zu und kam ihr viel zu nahe. Und brüllte viel zu laut. „Du kannst nicht einfach zum Pier fahren und verlangen, dass die Ladungen geöffnet werden. Du hast ja keine Ahnung, in was du dich da einmischst.“

Marianna wich vor ihm zurück, doch der Kerl nahm das als Einladung, sie noch mehr zu bedrängen. Simon biss die Zähne zusammen und wünschte, er wäre nicht hergekommen.

Sie stolperte leicht, als sie auf dem Rasen einen Schritt rückwärts machte. Der Schwachkopf war viel größer als sie, doch selbst während sie zurückwich, reckte sie ihm standhaft das Kinn entgegen. So, wie sie früher auch ihm Paroli geboten hatte.

Simon verzog das Gesicht. Mist. Die Situation geriet rasant außer Kontrolle. Eine solche Szene konnte er nicht einfach ihren Lauf nehmen lassen. Er besaß jahrelange Erfahrung darin, solche Zwischenfälle richtig einzuschätzen, und alles an diesem Kerl schrie förmlich danach, dass er gleich explodieren würde.

„Es ist auch meine Firma, William“, erklärte Marianna mit ruhiger Stimme. „Tatsächlich trägt sie sogar meinen Namen, falls du es vergessen hast.“

William, ihr Ehemann. William Rooney III, ein Name, der Reichtum und Privilegien verkörperte. All die Dinge, die Simon ihr vor elf Jahren nicht hatte bieten können. Mein Stichwort, schleunigst von hier zu verschwinden. Allerdings wirkte William im Augenblick mehr wie ein Schläger als wie ein braver Sohn aus gutem Hause. Und welche Chance hätte Marianna schon, falls der Kerl wirklich handgreiflich werden sollte? Der Typ war doppelt so groß wie sie und schien eine sehr niedrige Reizschwelle zu haben.

Simon durfte jetzt nicht die Nerven verlieren. Zu oft schon hatte er miterlebt, wohin solche Szenen führten, wenn Männer auf dem schmalen Grat zwischen Wut und Gewalt schwankten. Die Situation konnte jederzeit kippen. Aber Simon würde nicht aus dem Wagen aussteigen. Er würde Marianna nicht noch einmal entgegentreten. Keinesfalls – außer, ihm blieb wirklich gar nichts anderes mehr übrig.

„Du weißt nicht das Geringste darüber, wie Ruiz Imports läuft, und es wird alles zusammenbrechen, wenn du verdammt noch mal deine Nase nicht da raushältst“, fauchte William so laut, dass es über den Rasen hallte, und kam bis auf wenige Zentimeter an Marianna heran. „Also bleib du lieber bei deinen Geschäftsdinnern und deinem Wohltätigkeitsscheiß und halt dich hier raus.“

Marianna schüttelte den Kopf. „Entweder du verschwindest oder ich rufe die Polizei. Das ist mein Haus. Du hast hier nichts zu suchen.“

„Sag du mir ja nicht, was ich zu tun habe.“

Seine Stimme klang leise und bedrohlich, und der Dreckskerl packte sie am Arm. Marianna zuckte zusammen.

Es geschah alles so schnell, dass Simon sich nicht erinnern konnte, aus dem Wagen gestiegen zu sein. Im nächsten Moment ging er bereits schnurgerade auf die beiden zu, wobei er die Umgebung sondierte und die Risiken abwog. Dieser Mann war auf hundertachtzig, stand kurz vor dem Explodieren, und Simon hatte nur einen Gedanken: ihn so weit wie möglich von Marianna wegzubekommen.

Er schritt durch das Tor und überquerte den Rasen, knapp außerhalb von Williams Sichtfeld. Jeder Schritt kostete ihn enorme Selbstbeherrschung. Er verhielt sich ganz ruhig, bis er in Reichweite war. Es war besser, diesen Kerl zu überrumpeln. Solche Typen ließen sich nur von einer Machtdemonstration beeindrucken.

„Lassen Sie sie los.“ Simons Stimme war kalt, drohend.

„Wer zum Teufel sind Sie?“ William wirbelte herum, die Augen weit aufgerissen. „Das hier geht Sie einen Scheißdreck an. Verschwinden Sie. Auf der Stelle.“

Der Kerl war stinkwütend, doch jetzt richtete sich seine Wut gegen Simon und nicht mehr gegen sein ursprüngliches Ziel.

„Simon?“, flüsterte Marianna. Der Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben.

Erneut verspürte er einen Stich im Herzen. Himmel noch mal! Diese Stimme. Er durfte sich nicht ablenken lassen. Er durfte sie nicht einmal ansehen. Nicht, bevor dieses Arschloch weit weg war.

„Lassen Sie sie los.“ Simon sprach ganz ruhig, schob sich jedoch zwischen William und Marianna.

Der Kerl war ein Fiesling, doch aus der Nähe betrachtet wirkte er nicht unbedingt wie ein Kämpfer. Es dauerte noch einen Augenblick, bis William klar wurde, dass Simon in jeder Hinsicht im Vorteil war. Größe. Gewicht. Technik. Mit finsterem Blick ließ William den Arm sinken und trat zurück.

„Sie haben ja keine Ahnung, wo Sie hier hineingeraten sind“, fauchte William.

Eigentlich wusste Simon ganz genau, in was er gerade hineingeriet.

„Sie hat Sie gebeten, zu gehen“, sagte Simon.

Jedes Mal, wenn William zögerte, schob sich Simon noch ein Stückchen weiter zwischen die beiden, sodass Marianna hinter ihm in Deckung war. Angeekelt schüttelte William den Kopf und trat den Rückzug zu seinem Wagen an. „Halt dich von den Scheißpiers fern, Marianna. Du steckst schon viel zu tief drin.“

William stieg in seinen roten Sportwagen und ließ den Motor aufheulen. Er schlitterte zurück auf den Asphalt und brauste davon.

Simon verharrte absolut regungslos, während das Geräusch des Motors immer leiser wurde. Dann war nichts mehr zu hören außer dem Verkehrslärm aus den umliegenden Straßen, dem sanften Rauschen der Palmen im Wind und Mariannas Atemzügen. Langsam drehte er sich um.

Sie starrte ihn an. „Simon?“

Sein Name war sowohl eine Frage als auch ein Seufzen. Ihre leise, raue Stimme weckte etwas in ihm, das längst hätte tot sein sollen, tot und begraben. Simon suchte nach Worten, fand jedoch keine.

Reiß dich zusammen und verschwinde von hier.

Doch keiner von beiden rührte sich, keiner löste den Blick vom anderen. Langsam sah er sich an ihr satt. Die vollen Lippen, leicht geöffnet. Die Augen vor Überraschung geweitet. Körperlich hatte sie sich nicht sehr verändert. Ihre Hüften waren vielleicht etwas runder und ihre Brüste etwas voller, aber dieser Gesichtsausdruck war ihm nur allzu vertraut. Und eine Sekunde lang überkam ihn eine so große Sehnsucht nach der Vergangenheit, dass es ihn fast übermannte. Wieso war er hierauf nicht vorbereitet?

Sie schob sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und wandte den Blick ab.

„Was zum Teufel war hier los?“, fragte er. Die Worte kamen schroffer heraus, als er beabsichtigt hatte.

Sie sagte nichts. Stand einfach nur still da.

„Mari?“, sagte er, weicher.

Sie zog die Schultern hoch und hob eine zitternde Hand vor den Mund. Verdammt. Die mutige, starke Marianna Ruiz stand kurz davor, die Beherrschung zu verlieren.

Simon reagierte instinktiv. Er trat einen Schritt näher – was genau er vorhatte, wusste er selbst nicht. Sie zitterte und drehte sich ein wenig weg. Er wollte schon wieder einen Schritt zurücktreten, da wandte sie sich ihm langsam zu. Sie ließ die Schultern sinken und vergrub das Gesicht in den Händen. Sie holte Luft und seufzte lang und tief. Hatte William sie so aufgewühlt oder das Wiedersehen mit ihm?

„Du bist es wirklich, Simon“, sagte sie und sah ihm endlich in die Augen. „Was in aller Welt machst du hier?“

Der Duft ihres Parfüms drohte den Schutzwall einzureißen, hinter dem er diese Erinnerungen verbarrikadiert hatte. Er schüttelte den Kopf. Er musste sich wieder in den Griff bekommen, doch wie sie hier so nah vor ihm stand, war es unmöglich, nicht die Hand auszustrecken und sie zu berühren.

Nein, unmöglich war es nicht. Denn er hatte die letzten elf Jahre damit verbracht, sich unter Kontrolle zu halten. Dennoch machte der Anblick ihrer haselnussbraunen Augen, sanft und benetzt von unvergossenen Tränen, ihn fertig.

„Erzählst du mir vielleicht mal, was hier los ist, Mari?“, fragte er mit rauer Stimme.

Marianna wandte erneut den Blick ab und schüttelte den Kopf.

„Ich nehme an, das war dein Mann.“ Der Mann, der für eine Heirat gut genug gewesen war. Simon schluckte die Verbitterung hinunter, die in ihm aufstieg. Er musste sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. „Es geht mich ja nichts an, aber er scheint ein Arschloch zu sein. Ein gewalttätiges Arschloch. Du steckst in der Klemme, stimmt’s?“

Mit flatternden Wimpern schloss Marianna die Augen. „Das ist eine lange Geschichte, Simon.“

„Ich habe es nicht eilig“, drängte er sie sanft. „In meiner Branche sehe ich so etwas oft.“

Sie biss sich auf die Lippe. „Ich weiß.“

Sie weiß es? Wie viel wusste sie denn schon? Wurde auch sie in manchen Nächten schwach und suchte nach Informationen über sein Leben, so wie er es umgekehrt mit ihr tat?

Simon trat zurück, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und versuchte zu ignorieren, wie sich ihm der Magen zusammenzog. Doch mitten in der Geste hielt er inne, als er bemerkte, wie ihr Blick auf seinen Bizeps fiel. Sie sah ihm wieder ins Gesicht, und in ihren Augen lag glühendes Verlangen. Dann war dieser Ausdruck wieder fort. Sie errötete und wandte sich ab.

Er atmete tief ein, um sich zu beruhigen, und runzelte die Stirn. Die Anziehungskraft zwischen ihnen hatte sich nicht verändert. Das würde sie wahrscheinlich nie tun.

Schließlich stieß Marianna einen langen Atemzug aus. „Was machst du in Miami? Ich dachte, du lebst jetzt in Australien.“

Ihre Frage klang wie ein Vorwurf. So, wie die Dinge zwischen ihnen geendet hatten, konnte er es ihr nicht verübeln.

Simon ging nicht darauf ein. „Das ist nur ein kurzer beruflicher Zwischenstopp in den Staaten. Und den habe ich für einen Abstecher nach Miami genutzt, um das Grab meines Vaters zu besuchen.“

Die Wahrheit, doch bei Weitem nicht die ganze Wahrheit.

„Und da kommst du ganz zufällig an meinem Haus vorbei?“

„So ungefähr.“

Ihre nussbraunen Augen wurden dunkler, als sie ihn erneut musterte. Ihr Ehemann war längst weg, und die Bedrohung, die von ihm ausgegangen war, verflüchtigte sich in der schwülen Luft Miamis. Simon sollte jetzt lieber gehen und die Erinnerungen an Marianna, die ihn zu übermannen drohten, im Keim ersticken.

Ihre Hände auf seinen Hüften. Ihr Atem in seinem Ohr, während sie ihm all die schmutzigen Dinge zuflüsterte, die sie mit ihm ausprobieren wollte. Sie hatten so viel besser zusammengepasst, als es bei Achtzehnjährigen wahrscheinlich war. Jetzt, wo er es wusste, was zum Teufel machte er da noch hier? Scheiße. Das würde etwas werden, von dem er sich nie erholen würde. Es war Zeit, sie erneut loszulassen.

Simon hatte geglaubt, er sei wütend, als er vor ihrem Haus vorgefahren war – doch er wusste beim besten Willen nicht, wie er diese Reaktion auf das Wiedersehen mit Marianna interpretieren sollte. Er fühlte sich, als hätte er einen Schlag in die Magengrube bekommen. Das war nicht wirklich Wut. Es war etwas Düstereres.

Sie verschränkte die Arme. „Ich habe noch nicht vergessen, wie du mit mir Schluss gemacht hast.“

„Ich weiß.“

„Nur, damit wir uns richtig verstehen“, sagte sie leise und deutete mit dem Kopf zum Haus. „Lass uns reingehen.“

Marianna zog ihre Schlüssel aus der Hosentasche und verriegelte das Tor zur Auffahrt. Dann drehte sie Simon den Rücken zu und ging zur Haustür.

Was in Gottes Namen machte er hier, nach all diesen Jahren? Simon Rodriguez. Der Mann, der immer noch ab und zu in ihren Träumen herumgeisterte, obwohl herumgeistern nicht gerade das beschrieb, was in diesen Träumen geschah. Und er war noch verdammt viel attraktiver, als sie ihn in Erinnerung hatte. Anders. Ein bisschen größer, ein bisschen muskulöser. Und jetzt war er wieder aufgetaucht, genau in dem Moment, als sich der ganze Schlamassel mit William noch weiter zugespitzt hatte. Und sie verwundbar war.

Warum ist er hier? Wie kann er überhaupt hier sein? Ein Jahrzehnt lang höre ich nichts von ihm, und jetzt taucht er einfach auf …

Falls er auf der Suche nach dem achtzehnjährigen Mädchen war, das er damals verlassen hatte, verschwendete er seine Zeit. Dieses Mädchen gab es nicht mehr. Das verwöhnte Mädchen, das nur auf Spaß mit einem märchenhaften Happy End aus gewesen war. Bevor das wahre Leben zugeschlagen und ihr die Illusionen geraubt hatte. Die erste Illusion, die sie aufgegeben hatte, war die Liebe gewesen – dafür hatte Simon gesorgt, als er sie einfach ohne Vorwarnung hatte fallen lassen. Dann waren die Illusionen von Ehe, Vertrauen und Loyalität gefolgt – das hatte William auf einen Schlag erledigt. Das einzige Stückchen Kindheit, an dem sie noch festhielt, war die Familie – und da ihre Eltern tot waren, blieb ihr nur deren Vermächtnis in Form des Familienunternehmens.

Marianna hätte Simon einfach hier im Vorgarten danken und ihn fortschicken sollen. Aber nein – denn sie begriff noch immer nicht, was hier los war. Er war einfach zufällig an ihrem Haus vorbeigekommen? Nie im Leben. Wenn sie ihn hineinbat, würde ihr das ein wenig Zeit verschaffen, der Sache auf den Grund zu gehen.

Doch ihre Hände zitterten noch immer, als sie nach dem Geländer der Eingangstreppe griff. Verdammter William und sein verbissener Kampf um die Kontrolle über Ruiz Imports.

„Du wohnst also wieder hier?“ Simons Stimme kam von dicht hinter ihr. So dicht, dass sie die elektrisierende Anziehungskraft zwischen ihnen spüren konnte. Oder vielleicht auch nur den Widerhall ihrer Vergangenheit.

Marianna hielt mitten auf der Treppe inne und versuchte, sich auf die Frage zu konzentrieren, die er ihr gerade gestellt hatte. Wie viel sollte sie ihm über das Ende ihrer Ehe erzählen? Sie drehte sich nicht um. „Seit ich William verlassen habe. Wir haben uns kurz nach dem Tod meines Vaters scheiden lassen.“

„Verstehe.“

Jetzt war sie noch verwirrter. Simon schien nicht überrascht zu sein, dass ihr Vater gestorben war, und doch wusste er nicht, dass sie jetzt wieder hier wohnte – er hatte geglaubt, das Haus stünde leer. Was wollte er? Irgendetwas schien ihr zu entgehen. Etwas, dem sie auf den Grund gehen musste, bevor sie sich erneut in sumpfiges Terrain ziehen ließ, für das sie keine Landkarte hatte. Denn das vergangene Jahr war eine einzige harte Lehrstunde gewesen: Mit dem Tod ihres Vaters waren all seine Probleme zu ihren geworden.

Marianna hantierte an der Haustür herum, bis sie aufschwang. Sie warf einen letzten Blick in den leeren Vorgarten. William würde nicht zurückkommen, zumindest nicht heute. Sie ging hinein, und Simon folgte ihr dicht auf den Fersen.

Im Eingang blieb er stehen und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Er würde also nicht mitbekommen, wenn sie ihn erneut musterte. Sie sah sich an dieser neuen, erwachsenen Version des Mannes satt, der ihr Märchenbild von der Liebe zerstört hatte. Seine Haut war sonnengebräunt – in Australien war gerade Sommer, oder? Sein T-Shirt spannte sich über seinen Armmuskeln, die sogar in entspanntem Zustand klar definiert waren. Größer, doch noch immer vertraut. Dieselben Muskeln, deren Spiel sie beobachtet hatte, während er sich über sie gestützt hatte. Die Erinnerung daran blitzte so plötzlich und intensiv vor ihren Augen auf, dass sie nach Luft schnappte und gegen die Hitze ankämpfte, die durch sie hindurchschoss. Es brauchte nur ein paar Minuten mit Simon und all die alten Gefühle strömten zurück. Oh Gott, es war damals so gut mit ihm gewesen.

Und es war ja so was von vorbei.

Also zurück zur aktuellen Situation: Wieso in aller Welt war Simon heute hier aufgetaucht? Ex-Freunde schneiten nicht einfach auf ein kurzes Hallo vorbei und verschwanden dann wieder. Sie kamen, weil sie etwas von ihr wollten. William war nicht der Erste gewesen, der sie das gelehrt hatte.

Fairerweise musste sie sagen, dass die meisten Menschen etwas von ihr wollten, auch wenn diese Dinge normalerweise leichter abzuschätzen waren – eine wohltätige Spende, ihre Anwesenheit bei einer Veranstaltung, solche Dinge. In den Augen ihres Vaters war das ein unvermeidbarer Nebeneffekt, wenn man reich war. Das hatte sie akzeptiert. Doch Ex-Freunde waren hinterlistiger, sie gingen zu Beginn weniger direkt vor und wurden dann im Laufe der Zeit immer fordernder. Sie wussten, womit sie ihr unter die Haut gehen konnten. Aber sie ließen sich auch von ihren Schwänzen ablenken.

Womit sie wieder bei Simon wäre, der im Augenblick ihre Haustür inspizierte.

„Du brauchst neue Schlösser“, brummte er.

„Darum kümmere ich mich bereits“, erwiderte sie. „Ich weiß nur noch nicht, wie ich das Tor zur Einfahrt sichern kann.“

Sie griff um ihn herum und schloss die Tür ab. Dann sah sie zu Simon auf. Er starrte ihre Hand an, und in seinen Augen lag ein Ausdruck, als wäre er Lichtjahre weit entfernt. Vielleicht aber auch nur elf Jahre. Er sah hoch und fing ihren Blick auf, und der entrückte Ausdruck verschwand. An seine Stelle rückte dieser neue, harte Blick, den sie nicht bei ihm kannte.

Simon stählte sich gegen die Erinnerungen, die beim Betreten des Hauses der Familie Ruiz erwacht waren. Nichts hatte sich verändert. Nicht der Fußboden aus Terrakottafliesen, den er überquert hatte, wenn er barfuß aus ihrem Schlafzimmer gekommen war. Nicht das warme Gelb der Wände, gegen die er sie gedrückt hatte, wenn sie allein im Haus gewesen waren. Nicht der Flurschrank, in dem er sich versteckt hatte, als Alex Ruiz ganz unerwartet mitten am Tag nach Hause gekommen war. Jeder Raum im Haus barg Erinnerungen an diesen einen magischen Sommer. Doch in diesem Haus war Simon noch immer bloß der Sohn armer kubanischer Flüchtlinge, der es nie zu etwas bringen würde. Auch das würde sich nicht ändern.

Aber dieser Junge war er nicht mehr. Er war zur Armee gegangen, hatte gedient und sich bis an die Spitze emporgearbeitet. Spezialgebiet Suche und Bergung. Er hatte sich hervorgetan, selbst in einer Einheit voller anderer ehrgeiziger, engagierter Männer. Und hatte mit diesen Fähigkeiten anschließend einen Haufen Geld in der privaten Wirtschaft gemacht, nachdem ihm sein guter Freund Cameron Blackmore die Chance verschafft hatte, in die Sicherheitsbranche einzusteigen.

War das der Grund, weshalb er heute vor dem Ruiz-Anwesen geparkt hatte? Um sich vor Augen zu rufen, wie weit er es gebracht hatte?

Marianna trat einen Schritt zurück und ging ins Haus hinein.

„Gehen wir in die Küche“, sagte sie über die Schulter.

Simon folgte ihr den Flur hinab. Ihr Haar schwang bei jedem Schritt hin und her. Sein Blick glitt tiefer, zu ihrer schlanken Taille. Dem Ansatz ihres hübschen runden Hinterns. Bevor er es verhindern konnte, schossen ihm die wildesten nächtlichen Fantasien durch den Kopf. Marianna nackt auf Händen und Knien. Unter ihm.

Nein. Blende es aus.

Doch als sie Küche betraten, musste er noch mehr um Selbstbeherrschung ringen. Diesen Raum hatte er am allerdringendsten vergessen wollen. Den Ort, an dem alles angefangen hatte. Marianna ging durch den Raum, schloss die Spülmaschine und holte Gläser aus dem Schrank, als wäre sie sich der Bedeutung dieses Raums nicht bewusst. Doch als sie mit dem Rücken zu ihm stand, blieb sie stehen.

„Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen“, sagte sie. Ihre Stimme klang ruhig, als redete sie über das Wetter.

Er schluckte die Welle der Emotionen hinab, die in ihm aufstieg. „So war es auch geplant gewesen.“

„Und trotzdem hast du dich in meine Auffahrt verirrt?“

Es gab keine nette Art, ihr zu erklären, wieso er heute Morgen hierhergekommen war. Wahrscheinlich, weil er sich selbst noch nicht wirklich darüber im Klaren war. Nur aus Nostalgie? In ihrer Küche zu stehen, fühlte sich nach so viel mehr an.

Marianna brach die Stille, indem sie die Gläser auf den Tresen stellte. Sie holte einen Krug aus dem Kühlschrank. Das Licht, das durch die Küchenfenster schien, fiel auf das Wasser und ließ es glitzern, während sie eingoss. Sie drehte sich um und reichte Simon eins der Gläser. Und erstarrte.

Erinnerte auch sie sich wieder? An einem heißen Sommernachmittag vor elf Jahren hatte sie ihm auch ein Glas Wasser angeboten, und das hatte zu viel, viel mehr geführt.

Aber das hier war nicht die Vergangenheit.

„Danke“, sagte er schroff.

Seine Finger streiften ihre, als er das Glas nahm. Mariannas Wangen röteten sich, und sie wandte den Blick ab.

Simon rieb sich mit der Hand über die Stirn und versuchte, sich zu konzentrieren. Er musste einfach die Probleme beseitigen, in denen sie zu stecken schien, und wieder verschwinden. So schnell es ging.

Bei dem Streit draußen war es um Ruiz Imports gegangen, um irgendetwas am Pier. War Marianna in etwas Illegales verwickelt? Nein. Unmöglich. Als er noch in Miami gelebt hatte, war gemunkelt worden, dass ihr Vater Verbindungen zur Drogen- und Waffenunterwelt habe, doch Marianna würde sich nie auf so etwas einlassen.

Simon fuhr sich mit der Hand durch die Haare und sah sie an. „Weshalb hat William dich vorhin so angeschrien?“

Eine kurze Pause, dann erwiderte sie mit einem Hauch von Sarkasmus: „Er dachte, er hätte eine Vorzeigefrau geheiratet. Die nicht das geringste Interesse daran hätte, ein Geschäft zu führen. Die letzten sechs Jahre waren eine herbe Enttäuschung für ihn.“

Simon runzelte die Stirn. „Es klang aber eher nach etwas Konkreterem.“

Einen Augenblick lang flackerte Angst in ihren Augen auf. Hatte dieser Kerl sie schon zuvor bedroht?

Nein. Deswegen bist du nicht hier. Er würde sich nicht wieder von diesem Ort vereinnahmen lassen, an dem sich letzten Endes alles um Marianna drehte.

Doch er konnte noch nicht einfach gehen. Das stünde nicht nur im Widerspruch zu seiner Ausbildung, sondern auch zu seinen Instinkten. Erst musste er irgendwie sicherstellen, dass sich diese kleine Szene im Vorgarten nie wiederholen würde. Heute. Und morgen würde er in ein Flugzeug steigen und verdammt noch mal nie wieder zurückblicken.

Simon holte tief Luft. „Marianna, was genau hat William gemeint, als er den Pier erwähnte?“

Marianna schnaubte verärgert. „Du kannst nicht einfach wieder in mein Leben platzen und verlangen, dass ich dir alles erzähle.“

„Ich verlange nicht. Ich frage nur.“

Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Und warum sollte ich dir antworten? Weil wir vor Jahren miteinander geschlafen haben?“

Miteinander geschlafen? So bezeichnete sie all die gemeinsamen Monate, die an Besessenheit gegrenzt hatten? Die Untertreibung des Jahres.

„Nicht, weil wir miteinander geschlafen haben, Marianna“, widersprach er ihr zähneknirschend. „Sondern, weil ich in der privaten Sicherheitsbranche arbeite und es Dinge gibt, die ich tun kann, um dir zu helfen. Du kannst mir vertrauen.“

Sie zog die Stirn kraus und legte den Kopf ein wenig schief, als müsse sie diese Bemerkung erst abwägen. Vertraute sie ihm nicht? Vielleicht hatte ihr Vater ihr nie die Wahrheit über das Ende ihrer Beziehung erzählt.

„Du kannst mir vertrauen, was deine Sicherheit angeht“, stellte er richtig und sprach die letzten Worte ganz langsam aus.

Die Falten auf ihrer Stirn glätteten sich, und einen Augenblick später nickte sie. Und damit ließ auch die schmerzende Anspannung in Simons Schultern etwas nach.

Er verschränkte die Arme. „Also, was hat es mit dem Pier auf sich?“

„Ich bin hingefahren und habe mir eine der Schiffsladungen unserer Firma angesehen“, erklärte sie.

„Wieso?“

„Weil ich Teilhaberin der Firma bin“, blaffte sie.

Simon hob die Hände. „Hör zu, ich versuche nur zu verstehen, was los ist.“

Sie zog die Schultern hoch und ließ sie wieder sinken. „Ich … Ich wollte mir einen besseren Einblick in diesen Bereich der Geschäfte verschaffen.“

„Allein?“

Marianna verdrehte die Augen. „Fang jetzt bitte nicht damit an.“

Simon verzog das Gesicht. An dieser Geschichte war eindeutig mehr dran, aber sie wollte es ihm nicht erzählen. Und er konnte es ihr nicht verübeln. Sie waren beide Teenager gewesen, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, und die Sache hatte böse geendet. Doch er brauchte nur genug Informationen, um ihre Sicherheit einschätzen zu können. Also wartete er.

Sie steckte sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr. „Pass auf, meine Rolle in der Firma ist eher die Öffentlichkeitsarbeit. Ich bin nicht so sehr in die eigentlichen Import- und Exportgeschäfte involviert … Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob William mir gegenüber völlig ehrlich in Bezug auf einige unserer eingehenden Lieferungen ist. Darum habe ich mich mit diesem Mann am Pier getroffen, um ein paar…“ Sie zögerte. „… Ungereimtheiten zu überprüfen.“

Mist. Das klang nicht gut. Simon sah ihr in die Augen. „Du hast den Verdacht, dass Ruiz Imports mit mehr handelt als mit dem, was in den Büchern steht?“

Marianna antwortete nicht. Was Antwort genug war.

Er wollte nicht zu tief bohren, sich nicht zu tief mit hineinziehen lassen. Sie kannten einander kaum noch, doch ihr Schweigen reizte ihn.

„Wenn du mir nicht sagen willst, was hier wirklich los ist, ist das in Ordnung“, erklärte er. „Aber sei vorsichtig, Marianna. Es hat den Anschein, als hättest du deinen Ex-Mann ziemlich auf die Palme gebracht. Mit wem auch immer du dich da triffst – kannst du dir sicher sein, dass der nicht auch in der Sache drinsteckt, von der William dich fernhalten will?“

Sie blinzelte zu ihm hoch. Diese Möglichkeit hatte sie offenbar noch nicht einmal in Betracht gezogen.

„Mein Vater und er standen sich sehr nah“, sagte sie langsam. „Mein Vater hat ihm geholfen, und er verdankt unserer Familie alles. Er würde nie irgendetwas tun, das mir schaden würde.“

Simon zog die Augenbrauen hoch.

„Das würde er nie tun, Simon“, wiederholte sie, diesmal mit Nachdruck. Sie trank einen Schluck Wasser, und Simons Blick fiel auf ihren langen, zarten Hals. Wie es wohl wäre, noch einmal mit den Fingern über ihre weiche Haut zu streichen? Nein. Konzentrier dich.

Er machte ein ernstes Gesicht. „Woher weißt du denn, dass diese verdächtigen Geschäfte, über die du mir nichts verraten willst, nicht schon zu Zeiten deines Vaters angefangen haben?“

Marianna verschluckte sich an ihrem Wasser. Sie knallte das Glas auf den Tresen und hustete weiter. Simon stand unentschlossen hinter ihr, doch dann berührte er sie und streichelte ihr ein paar Mal beruhigend mit der Hand über den Rücken. Marianna atmete mehrmals zaghaft ein und bekam endlich wieder Luft.

„Alles okay?“, fragte er leise.

Er ließ die Hand noch kurz auf ihrem Rücken liegen, bevor er sie wegnahm. Doch er rührte sich nicht von der Stelle. Er stand ganz nah bei ihr, wie es schon immer seine Art gewesen war – etwas, das sie verzweifelt zu vergessen versucht hatte.

Marianna runzelte die Stirn. Sie hob das Kinn und sah ihn an.

„Mein Vater hat sein Geld auf ehrliche Weise verdient“, erklärte sie in ruhigem, eisigem Tonfall. Nein. Simon würde nicht wieder in ihr Leben zurückkehren und ihr das Einzige nehmen, was ihr noch geblieben war.

Simon erwiderte nichts, doch seine harten Worte von damals klangen ihr in den Ohren. Niemand mit so viel Geld hat eine reine Weste. Diesmal musste er es nicht laut aussprechen. Er sah sie nur mit diesen tiefgrünen Augen an. Diese Augen mit den langen, schönen Wimpern machten ihr das Denken schwer.

Simon verschränkte die Arme. „Was auch immer du vorhast, ich kenne Leute aus der Sicherheitsbranche, Leute, denen du trauen kann. Wenn wir es ein bisschen genauer besprechen, kann ich es arrangieren, dass schon heute ein Team herkommt.“

Marianna schnaubte kurz und verdrehte die Augen. „Oh, so wird das also laufen?“

Er machte ein finsteres Gesicht. „Das ist mein Job, Marianna.“

Er sprach ihren Namen ganz langsam und leise aus, und das lenkte sie ab. Ja, sie wusste, dass das jetzt sein Job war. Er hatte sich mithilfe seiner Militärausbildung einen Namen bei Blackmore Inc. gemacht, einer der angesehensten Sicherheitsfirmen der Welt. Spezialgebiet Personenschutz. Was ziemlich beeindruckend klang, auch wenn sie nicht genau wusste, wie das im Detail funktionierte. Aber er hatte recht. Sie konnte ihm vertrauen, zumindest in dieser Hinsicht. Und genau das brauchte sie im Augenblick: jemanden, dem sie vertrauen konnte. Sie war dabei, viel zu tief in diese Sache hineinzugeraten. Oder vielleicht steckte sie auch schon bis zum Hals drin.

Simon rieb sich die Augen und seufzte. „Okay, Miss Superschnüfflerin. Du fährst also runter zum Pier und öffnest unter viel Tamtam eine Ladung. Was steht als Nächstes auf dem Plan?“

„Mit William reden?“ Marianna zog die Stirn kraus. Das hatte selbstsicher klingen sollen, nicht wie eine Frage, aber nach der Szene im Vorgarten heute Morgen kam es ihr langsam nicht mehr wie gute Idee vor. Sie stieß den Atem aus. „Wenn da irgendetwas nicht in Ordnung ist – mir gehört schließlich die Hälfte der Firma. Ich will mich nicht in irgendwelche krummen Geschäfte verwickeln lassen.“

Er schüttelte den Kopf. „Keine gute Idee. Sah er vorhin etwa so aus, als würde er mit sich reden lassen? Und was ist, wenn du tatsächlich auf Drogen oder Waffen stößt?“

Marianna biss sich auf die Lippe. Gutes Argument. Wie in aller Welt würde sie damit umgehen? Die Behörden auf ihre eigene Firma hetzen?

„Hör zu, ich arbeite noch an dem Plan. Vielleicht kannst du ja mitkommen und mit mir zusammen nachsehen. Mir bei der Entscheidung helfen, was ich tun soll“, sagte sie leise. „Ich bezahle dich auch.“

Ein finsterer Ausdruck huschte über sein Gesicht. Er kam näher und stützte einen Arm auf den Tresen neben ihr, wobei er ihr mit seinem Körper die Sicht auf alles außer ihm versperrte. In den letzten elf Jahren hatte ihr Herz allzu oft einen Hüpfer gemacht, wenn sie an jemandem mit dem gleichen Aftershave oder mit dem gleichen Körperbau vorbeigekommen war.

„Ich habe mich damals klar ausgedrückt, Marianna“, knurrte er. „Ich will dein Geld nicht.“

Marianna biss die Zähne zusammen. Richtig. Diese Wunde war jetzt schon ein Jahrzehnt alt, doch sie schmerzte offenbar noch immer. Heute sollte sie nicht wieder aufgerissen werden. Außerdem hatte Marianna ihn online gestalkt und wusste daher, dass er wohlhabend war und ihr Geld wirklich nicht brauchte. Worauf war er also aus? Marianna konnte diese Sache hier nicht enden lassen, bevor sie eine Antwort hatte.

Sie sah ihn aus schmalen Augen an.

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