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Hochzeitsnacht in Acapulco

Mit stechenden Kopfschmerzen erwacht Joelle in ihrem Hotelzimmer in Acapulco - und erstarrt. Ist das ein Ehering an ihrem Finger? Und was macht der attraktive Farmer Gabriel Lafl eur nur mit einem Handtuch bekleidet in ihrem Bad? Es sieht so aus, als hätte sie einiges zu klären ...


  • Erscheinungstag: 10.12.2012
  • Seitenanzahl: 192
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955761011
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kristin Morgan

Liebesreise nach Mexiko – Hochzeitsnacht in Acapulco

Roman

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieses eBooks © 2012 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der englischen Originalausgabe:

Having Gabriel’s Baby

Copyright © by Barbara Lantier Veillon

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

Übersetzt von: Elke Schuller-Wannagat

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Getty Images, München /

pecher & soiron, Köln

ISBN eBook 978-3-95576-101-1

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

Grelles Sonnenlicht flutete zwischen den nicht ganz vors Fenster gezogenen Vorhängen ins Hotelzimmer. Joelle Ames drehte sich im Bett auf die Seite und stöhnte, als ein unerträglich scharfer Schmerz ihren Kopf von Schläfe zu Schläfe durchzuckte.

Was würde ich jetzt nicht alles für eine Schmerztablette geben – oder noch besser: gleich drei und dazu einen Eisbeutel auf die Stirn, dachte sie, nachdem sie den Kopf nochmals nur ganz behutsam bewegt hatte.

Es war ihr letzter Tag in Acapulco, wo sie einen kurzen Urlaub verbracht hatte. Und es würde, wie es aussah, kein guter Tag für sie werden. Fünf Tage zuvor war sie aus ihrer Heimatstadt San Diego hergekommen, und da sie dringend Erholung brauchte, hatte sie sich bewusst zurückgehalten und nicht allzu viel unternommen.

Was hatte sie vergangene Nacht denn angestellt, was das fürchterliche Kopfweh erklären könnte? Sie war doch bloß mit Gabriel Lafleur zum Abendessen ausgegangen, einem Farmer aus Louisiana, mit dem sie bisher einige Ausflüge gemacht hatte. Es hatte sich einfach irgendwie so ergeben.

Ja sicher, er war ein attraktiver Mann, regelrecht sexy, und sie hatte sich zum ersten Mal seit Langem wieder entspannt gefühlt und das Zusammensein mit ihm genossen. Das war alles gewesen. Sie hatte eine vergnügliche Nacht verbracht, die jetzt vorbei war. Joelle wünschte sich, das Kopfweh wäre es auch.

Wenn sie sich doch nur dazu aufraffen könnte, die Augen zu öffnen! Dann könnte sie aufstehen und in ihrem Gepäck nachsehen, ob sie vielleicht Schmerztabletten mitgebracht hatte.

Wenn sie doch nur ihre Gedanken auf die Reihe bringen könnte!

Bei den Kopfschmerzen war aber allein der Versuch, sich zu konzentrieren, eine Qual. Tatsächlich wäre es ihr im Moment wie eine Wohltat erschienen, das Bewusstsein zu verlieren, aber das würde ihr bestimmt nicht vergönnt sein.

Plötzlich schoss ihr eine Erinnerung an die vergangene Nacht durch den Kopf: Sie hatte in einer urigen kleinen Taverne getanzt, die irgendwo abseits der üblichen Touristenpfade lag. Die Gäste hatten viel gelacht. Sie auch. Dann hatten sie und Gabriel Lafleur ein, zwei Gläser Tequila an der Bar getrunken. Mindestens zwei. Du liebe Güte, noch nie im Leben hatte sie so viel Schnaps konsumiert! Hatten sie und Gabriel sich nicht nur einen einzigen Schlummertrunk genehmigen wollen? Was war bloß in sie gefahren, es sich anders zu überlegen?

Sie kam nicht darauf. Die Erinnerung an die vergangene Nacht war bestenfalls verschwommen. Kein Wunder – die rasenden Kopfschmerzen schienen ihr Gedächtnis zu lähmen. Was habe ich gemacht, nachdem Gabriel und ich die Kneipe verlassen haben? fragte Joelle sich. Vielleicht sollte sie ihn in seinem Zimmer, zwei Stockwerke über ihrem, anrufen und ihn bitten, ihrem Erinnerungsvermögen auf die Sprünge zu helfen?

Joelle drehte sich auf den Rücken und stöhnte wieder. Noch niemals hatte sie derartige Schmerzen gehabt. Plötzlich fiel ihr auf, dass sie nackt war, und in ihrem Kopf schien es Alarm zu läuten. Sie schlief niemals nackt – und sie trank sonst auch nie zu viel! Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.

Kopfweh hin oder her, es wurde Zeit, dem Tag die Stirn zu bieten. Joelle rieb sich die Augen und öffnete sie schließlich widerstrebend. Starr schaute sie eine Weile zur Zimmerdecke hinauf, dann ließ sie den Blick rasch durch den Raum gleiten. Erwartete sie, etwas Ungewöhnliches zu sehen? Das wusste sie selbst nicht.

In dem Moment, als sie eine Männerhose über der einen Sessellehne entdeckte, wurde die Tür zum angrenzenden Bad geöffnet, und Gabriel Lafleur kam ins Zimmer. Sein dunkelbraunes Haar war feucht und zerzaust, und abgesehen von einem Handtuch, das er sich um die Hüften geschlungen hatte, war er nackt. Joelle fühlte sich plötzlich, als hätte ihr jemand in den Magen geboxt.

Gabriel kam näher, und ihre Blicke trafen sich. Er blieb so abrupt stehen, als wäre vor ihm ein Fallgitter niedergegangen. Nach kurzem Zögern sagte er: “Guten Morgen. Du bist also endlich aufgewacht!”

Sprachlos vor Schock und keines klaren Gedankens fähig, sah Joelle ihn nur starr an, während ihr Magen sich verkrampfte. Brennende Hitze durchflutete sie, und ihr wurde so übel, dass sie befürchtete, sofort ins Bad laufen zu müssen. Nur noch verschwommen nahm sie ihre Umgebung wahr.

“Hallo, du fällst doch jetzt nicht in Ohnmacht, oder?”, hörte sie Gabriels tiefe Stimme.

Joelle atmete mehrmals tief durch, und nun sah sie das Zimmer wieder klar umrissen.

Gabriel war inzwischen zum Fußende des Bettes gekommen und schaute kritisch auf sie herunter. Den Blick kannte sie gut. Genauso sah ihr Vater sie an, wenn er ihr zu verstehen geben wollte, dass sie ihn wieder einmal enttäuscht hatte. Und das war, laut ihrem Vater, ständig der Fall – schon seit ihrer Geburt, einunddreißig Jahre zuvor. Er hatte sich einen Sohn gewünscht, der einmal in seine Fußstapfen treten würde, keine Tochter, die es zwar versuchte, dabei aber jedes Mal zu straucheln schien.

Joelle wandte kurz den Blick ab. Sie fühlte sich verwundbar und gedemütigt, weil Gabriel Lafleur – ein Mann, den sie nur flüchtig kannte –, auf sie heruntersah und nun wahrscheinlich ihren Charakter beurteilte oder vielmehr dessen Mängel. Mit welchem Recht eigentlich? Gabriel wusste nur sehr wenig über sie, abgesehen davon, dass sie dumm genug gewesen war, ihn für anständig zu halten. So anständig, dass sie ohne Bedenken mit ihm essen gegangen war. Ein schwerwiegender Fehler!

Falls Gabriel jetzt dachte, dass sie sich vor seinen Augen in Tränen auflösen würde, dann würde er enttäuscht werden! Ihrem Vater gönnte sie ja auch nicht mehr die Genugtuung, sie weinen zu sehen. Nein, kein Mann sollte sie für ein schwaches Wesen ohne Mumm in den Knochen halten! Sie setzte eine ausdruckslose Miene auf, das reinste Pokergesicht, und funkelte Gabriel an. Es war hoffentlich eine Oscar-reife schauspielerische Leistung.

Allerdings half ihr die nicht sonderlich, die Situation zu ertragen, ja, es fiel ihr von Minute zu Minute schwerer. Dennoch sah Joelle Gabriel weiterhin unverwandt an. Seine Brust war muskulös und sonnengebräunt, die dunklen Haare darauf waren noch feucht vom Duschen. Dann folgte ihr Blick unwillkürlich einem Wassertropfen, der Gabriel über die Haut glitt, bis er schließlich von dem Handtuch aufgesogen wurde, das um die schmale Taille gewickelt war.

Joelle war die Kehle plötzlich wie ausgedörrt, und sie schluckte trocken. Rasch hob sie den Blick und merkte, dass Gabriel ahnte, was in ihr vorging. Da sie das nicht ertrug, schloss sie die Augen und hoffte inbrünstig, dass er verschwunden sein würde, wenn sie sie wieder öffnete.

Ja, mein Vater hat recht: Ich bin zu nachgiebig und feminin, um mich in der von Männern beherrschten Welt durchzusetzen, dachte Joelle selbstkritisch. Wenn sie Charakterstärke besitzen würde, wäre sie jetzt nicht in dieser demütigenden Lage.

Plötzlich spürte sie Gabriels Hand auf dem Arm und zuckte zusammen. Sie hätte ja wissen können, dass ihr der Wunsch nach Alleinsein nicht erfüllt werden würde.

“Ist alles in Ordnung mit dir?”, fragte Gabriel.

Joelle öffnete die Augen wieder. Einen Moment lang sahen sie und Gabriel sich an wie zwei Fassadenkletterer, die einander auf dem Dach desselben Hauses ertappt hatten.

“Natürlich”, versicherte sie ihm schließlich kurz angebunden.

“Gott sei Dank! Alles, was mir heute Morgen noch fehlt, ist eine weinende Frau”, erwiderte er ironisch.

“Was machst du überhaupt in meinem Zimmer?”, erkundigte Joelle sich, obwohl sie befürchtete, die Antwort schon zu kennen. Sie hoffte nur, dass ihr Gefühl sie trog. Eins wusste sie jedenfalls ganz sicher: Er würde keine einzige Träne in ihren Augen entdecken!

“Na ja …” Gabriel lächelte breit.

Er hatte die perfektesten Zähne, die sie jemals gesehen hatte: regelmäßig und weiß. Seine braunen Augen blickten klar, seine Lippen waren voll und zugleich fest – wie zum Küssen geschaffen. Sein Gesicht war markant, er war über einen Meter achtzig groß und äußerst maskulin, kurz gesagt: ein Bild von einem Mann.

“Ich habe mir erlaubt, mich hier wie zu Hause zu fühlen”, erklärte er höflich. Es schien für ihn nicht weiter von Bedeutung zu sein, sich in ihrem Zimmer aufzuhalten. Sie, Joelle, empfand das allerdings ganz anders! “Es macht dir doch hoffentlich nichts aus, dass ich dein Bad benutzt habe”, fügte er hinzu. “Ich dachte mir, unter den besonderen Umständen hättest du nichts dagegen.”

Wieder schluckte Joelle trocken. “Und welche sind das?”, fragte sie zögernd und sah ihm ins Gesicht, nachdem sie den Blick viel zu lange auf seinem flachen Bauch und den schmalen Hüften hatte ruhen lassen. Zum Glück hatte Gabriel wenigstens noch das Handtuch um! Und obwohl sie ihn einerseits gern länger betrachtet hätte, wünschte sie sich andererseits, sie könnte ihn mit einem Fingerschnippen zum Verschwinden bringen.

Er lächelte vielsagend. “Erinnerst du dich nicht?”

Joelle blinzelte. “Woran?”

“An das, was wir getan haben?”

“Was haben wir denn getan?” Ihr Herz pochte wie wild.

Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er sie. “Du erinnerst dich wirklich nicht, stimmt’s?”

Rasch zog sie sich die Decke bis unters Kinn. “Ja, doch! Wir … wir waren zusammen essen.”

“Und …”

“Und wir sind dann in eine originelle kleine Kneipe gegangen, um noch einen Drink zu uns zu nehmen.” Joelle war stolz auf sich, weil sie sich an so viel erinnerte. Jetzt würde Gabriel sie nicht für eine völlige Idiotin halten.

“Anschließend haben wir …”, gab er ihr das Stichwort.

Sie sah ihn nur verständnislos an.

“Ich dachte es mir ja”, bemerkte er. “Du erinnerst dich tatsächlich nicht, oder?”

Sie umfasste die Decke fester und versuchte, ihrem Gedächtnis weitere Erinnerungen an die vorangegangene Nacht abzuringen. Das verursachte ihr allerdings nur noch heftigeres Kopfweh.

“Nein, ich erinnere mich nicht.”

“Mach dir nichts daraus!”, tröstete Gabriel sie. “Ich erinnere mich auch nicht.”

Erstaunt sah Joelle ihn an. “Wie bitte?”

“Na ja, es ist allerdings ziemlich offensichtlich, dass wir hierher ins Hotel zurückgekommen sind und die Nacht zusammen verbracht haben.” Er machte eine Pause, wahrscheinlich um ihr Gelegenheit zu einem Kommentar zu geben.

Zu dem war Joelle nicht fähig. Beim Gedanken an den schwerwiegenden Fehler, den sie gemacht hatte, wurde ihr erneut übel.

Gabriel sah auf sie herab und fuhr sich mit beiden Händen durchs feuchte Haar. “Um ehrlich zu sein: Meine Erinnerungen an das, was zwischen unserem Abgang aus der Kneipe und dem Aufwachen heute Morgen passiert ist, sind ziemlich verschwommen. Ich vermute, dass wir uns beide nicht der verheerenden Wirkung des Tequilas bewusst waren. Er hat uns einfach hinterrücks überwältigt.”

“Anders gesagt: Wir beide haben uns sinnlos betrunken.”

“Ja, das ist eine präzise formulierte Zusammenfassung”, bestätigte er.

Wieder schloss Joelle die Augen. “Meine Güte, wie konnte ich nur etwas so Dummes tun?”

“Hör mal, Joelle, eines muss ich unbedingt wissen, und vielleicht kannst du mir helfen.”

Sie öffnete die Augen und seufzte. “Ich habe dir doch gerade gestanden, dass ich mich an nichts erinnern kann, Lafleur! Ehrlich gesagt wäre es mir auch lieber, wenn es dabei bliebe.”

Herausfordernd sah Gabriel sie an. “Das ist mir durchaus recht, Ames, abgesehen von einem.”

Nochmals seufzte sie tief. Typisch Mann, auch noch die geringfügigste Einzelheit genau wissen zu wollen, dachte sie. “Und zwar?”

“Haben wir geheiratet?”

Joelle presste die Decke an die Brust und setzte sich auf. “Wie bitte?”

“Haben wir letzte Nacht geheiratet, bevor wir ins Hotel zurückgekommen sind?”

“Bist du verrückt, Lafleur? Weshalb hätten wir das tun sollen?”

Er rieb sich die Stirn. “Das kann ich dir auch nicht sagen. Jedenfalls haben wir beide heute Morgen billige Eheringe am Finger. Ich weiß ja nicht, wie es bei dir war, aber ich hatte gestern noch keinen.”

Verblüfft beobachtete sie, wie er den Ring vom Finger zu ziehen versuchte, der nicht über den Knöchel gleiten wollte. “Und wenn ich mich richtig erinnere”, fügte Gabriel hinzu, während er weiter an dem Ring zerrte, “hast du behauptet, du würdest nicht mit einem Mann ins Bett gehen, bevor du nicht zu einer langfristigen Beziehung mit ihm bereit seist.”

Wie benommen hob Joelle die rechte Hand und betrachtete ihren Ringfinger so misstrauisch wie einen Feuerwerkskörper, der jeden Moment explodieren konnte. Dann riss sie sich zusammen und zog den Ring ab, eins dieser billig aussehenden Dinger, wie sie in jedem Touristenort der Welt von Straßenhändlern verhökert werden. Scheinbar gelassen legte sie ihn auf den Nachttisch. Bestimmt hatte er keinerlei Bedeutung! Ihr Herz pochte dennoch wie wild, und ihr war zumute, als würde sie an einem Marathonlauf teilnehmen und ihr Leben davon abhängen, dass sie ihn gewann.

Joelle atmete tief durch und sah zu Gabriel auf. “Ja, wenn du letzte Nacht so unverfroren warst, mir vorzuschlagen, dass wir miteinander schlafen, habe ich bestimmt etwas von tiefer gehenden Beziehungen gesagt. Ich kann mir vorstellen, was du jetzt von mir denkst, aber ich betrinke mich üblicherweise nicht, schon gar nicht mit Männern, die ich nur flüchtig kenne. Und ich steige nicht wahllos mit Männern ins Bett.”

“Du brauchst dich vor mir nicht zu rechtfertigen”, erwiderte er. “Trotzdem ändert es nichts daran, dass ich mich schwach erinnere, wie wir beide die Kneipe mit der idiotischen Idee verlassen haben, jemanden zu finden, der uns traut. Zum Kuckuck noch mal, ich möchte doch nur wissen, ob uns das gelungen ist.”

Joelle schnitt ein Gesicht. Jetzt fiel ihr auch wieder verschwommen ein, dass sie so etwas vorgehabt hatten. Doch wenn man diesen Plan nüchtern bei Tageslicht betrachtete, war er einfach zu absurd, um glaubwürdig zu klingen. Ihr Gedächtnis spielte ihr wahrscheinlich einen Streich. Oder vielleicht versuchte Gabriel, ihr hinterhältig etwas einzureden.

Wütend funkelte sie ihn an. “Der Gedanke, wir könnten geheiratet haben, ist absolut lächerlich. Ich würde niemals etwas so Unvorstellbares tun”, erwiderte sie beharrlich, obwohl ihr Herz noch wilder zu schlagen begann, als die Erinnerung plötzlich deutlicher wurde. “Das hast du dir ausgedacht.”

“Ich fürchte, nein.”

Ungläubig sah sie ihn an. “Versuchst du mir zu sagen, dass wir – vielleicht – letzte Nacht geheiratet haben, und zwar nur, weil wir miteinander schlafen wollten?”

“Ich fürchte, ja. Der Anschein spricht für diese Deutung der Ereignisse.”

“Nein, das ist völlig unmöglich.”

“Gnädigste, wenn ich mich richtig entsinne, haben Sie die Bedingung gestellt, nicht ich.” Gabriel klang sarkastisch.

“Moment mal! Ich versichere dir, dass ich dich … bestimmt nicht genötigt habe”, erwiderte sie stockend.

“Ich dich auch nicht.”

“Schließlich bin ich nicht nach Acapulco gekommen, um mir hier einen Ehemann zu angeln.”

Er stemmte die Hände in die Hüften. “Und ich ganz sicher nicht, um mir eine Frau zu suchen. Mir behagt es ebenso wenig wie dir, mich mit der jetzigen Situation auseinandersetzen zu müssen. Ich hoffe nur inbrünstig, dass wir niemand gefunden haben, der uns getraut hat, sondern dass wir einfach ohne Trauschein ins Bett gestiegen sind. Das würde weniger Komplikationen nach sich ziehen.”

Damit hat er durchaus recht, stimmte Joelle ihm im Stillen zu. Trotzdem wurde ihr ganz flau beim Gedanken, einfach so mit Gabriel ins Bett gegangen zu sein. Ihr Vater hatte sie streng erzogen, und sie hielt sich an die moralischen Maßstäbe, die er ihr von klein auf eingebläut hatte. Freilich schuldete sie Gabriel keine Erklärung über ihre Erziehung und Wertvorstellungen. Und außerdem: Was würde das jetzt noch nützen?

Um ihr wachsendes Unbehagen zu verbergen, funkelte Joelle ihn neuerlich an. “Wieso erinnerst du dich nicht genauer an die letzte Nacht, Lafleur?”

Er zuckte die Schultern. “Aus demselben Grund wie du vermutlich: zu viel Tequila.”

“Oh nein!” Sie hüllte sich ins Bettlaken und setzte die Füße auf den Boden. Den schmerzenden Kopf stützte sie stöhnend in die Hand. In letzter Zeit war in ihrem Leben einiges schiefgegangen, und dass es jetzt auch noch zu einer echten Katastrophe gekommen sein sollte, wollte sie nicht glauben. “Das alles ist einfach schrecklich.”

“Wem sagst du das? Glaub mir, ich weiß genau, was du jetzt empfindest.” Gabriel seufzte. “Oh, warte mal! Mir fällt gerade etwas ein: Wenn wir tatsächlich geheiratet haben, müssten wir einen Beweis dafür haben, richtig? Einen Trauschein oder ein ähnliches Dokument.”

Er wandte sich ab und begann ihre Sachen auf der Kommode durchzusehen auf der Suche nach einem Beweisstück. Als er nichts fand, drehte er sich wieder um. “Sitz nicht einfach so da, Joelle! Steh auf und hilf mir suchen! Dir behagt die jetzige Situation doch ebenso wenig wie mir, oder?”

Er klang so frustriert, dass sie sich endlich aufraffte, etwas zu tun. Sie stand auf und durchsuchte das Zimmer. Überall sah sie nach, auch unter dem Bett. Dort fand sie ihren Slip und BH, dazu Gabriels Krawatte und seine Boxershorts, verborgen unter der vom Bett gerutschten Steppdecke. Die weiße Bluse und den blauen Rock, die sie am Vorabend getragen hatte, entdeckte sie zusammen mit Gabriels Hose auf einem Stuhl. Jedes Stück machte ihr klar, dass sie äußerst eifrig gewesen waren, die Sachen auszuziehen und ins Bett zu gehen, ob mit oder ohne Trauschein. Joelle errötete verlegen.

Und plötzlich kamen weitere Erinnerungen an die vergangene Nacht an die Oberfläche: Sie waren im Lift, und Gabriel küsste sie. Er trug sie über die Zimmerschwelle. So als wären sie tatsächlich verheiratet! Und ganz deutlich hatte sie jetzt das Bild vor dem inneren Auge, wie sie und Gabriel aufs Bett sanken und sich hemmungslos liebten.

Ihr wurde heiß und kalt, während sie nach ihrer Handtasche griff und darin suchte. Hoffentlich finde ich keine Trauungsurkunde, dachte Joelle inbrünstig. Sich zu betrinken und mit Gabriel zu schlafen war ein Fehler gewesen und schlimm genug. Mit Gabriel verheiratet zu sein wäre eine Katastrophe.

“Hast du etwas gefunden, Joelle?” Er kam zu ihr.

“Nein, noch nicht”, erwiderte sie kurz angebunden und trat einen Schritt beiseite. Sie brauchte Abstand zu Gabriel, unbedingt. “Und du?”

“Auch noch nichts.” Er blickte ihr auf die Brüste, und ein Prickeln überlief ihre Haut.

Was sieht er mich so unverschämt an? dachte Joelle empört. Sie war schließlich nicht die einzige Person im Raum, die nicht gesellschaftsfähig gekleidet war!

Gabriel räusperte sich und fuhr sich durchs Haar. “Vielleicht bedeutet es ja, dass wir irgendwann beschlossen hatten, doch nicht zu heiraten. Oder dass wir niemand gefunden haben, der berechtigt war, die Trauung zu vollziehen.”

“Vielleicht”, bestätigte Joelle mürrisch. “Leider befürchte ich, dass mir das Glück nicht so hold ist. In letzter Zeit war mir das Schicksal nicht besonders wohlgesinnt. So betrunken, wie wir waren, haben wir möglicherweise das Dokument auf dem Weg zurück ins Hotel verloren.”

Gabriel runzelte die Stirn. Die Möglichkeit schien ihm nicht zu behagen.

Mir behagt sie ja auch nicht, dachte Joelle. Sie gab jedoch die Hoffnung nicht auf, dass sie die Sache noch klären würden und sich ohne Sorgen und großes Trara voneinander verabschieden konnten. Bestimmt erinnerte sich bald einer von ihnen wieder an alles, und dann hatte die liebe Seele endlich Ruh! Rasch durchsuchte sie die Seitenfächer der Handtasche, fand aber auch dort nichts.

“Hast du in allen Hosen- und Jacketttaschen nachgesehen?”, erkundigte Joelle sich.

“Nur in den Hosentaschen. Mein Hemd habe ich noch nicht entdeckt.”

“Hier ist es.” Mit spitzen Fingern hob sie es auf und hielt es ihm hin.

“Danke.” Lächelnd nahm Gabriel es.

“Aber gern.”

“Hör mal, Joelle, wegen letzter Nacht …”

“Vergiss es. Es war ebenso sehr mein Fehler wie deiner.”

“Schon, aber das wollte ich nicht sagen.”

“Sondern?”

“Also, der Sex … ich meine, es war schön mit dir.”

Joelle hatte es ebenfalls schön gefunden, wollte jetzt aber nicht daran denken. “Ach, ich erinnere mich an nichts”, log sie. “Und dabei möchte ich es belassen.”

“Wie du willst.” Das klang gleichgültig.

Sie sah zu Gabriel auf und konnte den Blick nicht mehr abwenden. Nach einigen Momenten wurde ihr bewusst, dass sie bei diesem Blickduell den Kürzeren ziehen würde. Was dachte sie sich überhaupt dabei, ihn so anzusehen? War sie völlig verrückt geworden?

Schließlich riss sie sich zusammen und trat einige Schritte zurück. Gabriel sah sie gequält an, während er in die Brusttasche des Hemds griff und ein gefaltetes weißes Papier herauszog. Joelles Herz schien einen Schlag lang auszusetzen. “Was ist das?”, fragte sie beklommen und stellte sich nun wieder neben ihn.

“Ich weiß nicht.” Er atmete tief durch und faltete das Papier auseinander. Es war ein einzelnes liniertes Blatt, auf dem in krakeliger Schrift das Datum des Vortags und die Worte standen: “Gabriel und Joelle, hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau. Unterzeichnet von José Cuervo.”

José Cuervo war der Markenname des Tequilas, den sie getrunken hatten.

Verblüfft sahen Joelle und Gabriel einander schweigend an, bis sie es nicht länger aushielt. “Was bedeutet das?”, flüsterte sie. Sie wagte nicht, lauter zu sprechen, weil sie absurderweise Angst hatte, dann würde die ganze Welt von ihrem Fehltritt erfahren.

Gabriel antwortete nicht. Schließlich stieß sie ihn an. “Lafleur, antworte mir! Was bedeutet der Wisch?”

“Ich weiß es auch nicht”, erwiderte er mürrisch und zerknüllte das Papier. Dann warf er es in hohem Bogen in den Papierkorb. “Bingo! Ab in den Müll damit, wo es hingehört. Jetzt sind wir aus dem Schneider.”

“Bist du dir sicher?” Joelle war noch immer wie vor den Kopf gestoßen von den turbulenten Ereignissen seit dem Aufwachen. Sie setzte sich aufs Bett und versuchte, sich zusammenzureißen.

“Jetzt hör mir mal zu”, begann Gabriel und stemmte wieder die Hände in die Hüften.

Unwillkürlich warf sie einen Blick auf seine Hände, die kräftig und zugleich feinfühlig wirkten, ja, ausgesprochen sinnlich. Die hatte er in der vergangenen Nacht zärtlich über sie gleiten lassen. Immer und immer wieder. Der Gedanke verschlug ihr den Atem. Sie schluckte trocken und sah Gabriel in die Augen. “Was wolltest du sagen?”

“Du hast doch gesehen, dass das Papier kein echtes Dokument ist. Kein Priester oder Standesbeamter würde uns einen handgeschriebenen Zettel als Trauschein ausstellen.”

“Ja, ich weiß, aber worauf willst du hinaus?”

“Der Zettel beweist nichts, jedenfalls nicht, dass wir verheiratet sind.”

“Das ist mir völlig klar. Aber wer könnte ihn geschrieben haben?”

“Ich habe keine Ahnung”, antwortete Gabriel. “Jeder beliebige Passant auf der Straße.”

“Du warst es also nicht.”

“Ich?” Er klang überrascht. “Natürlich nicht.” Mit zusammengekniffenen Augen sah er sie forschend an. “Warst du es?”

“Du träumst wohl, Lafleur!” Zum ersten Mal seit dem Aufwachen war ihr nach Lachen zumute.

“Warst du es?”, wiederholte er.

Ihr wurde klar, dass er es ernst meinte. “Nein.”

“Dann sind wir wieder am Ausgangspunkt unseres Gesprächs: Wir wissen noch immer nicht genau, was wir letzte Nacht getan haben.”

Plötzlich fiel Joelle etwas sehr Wichtiges ein. Sie stöhnte entsetzt. “Um Himmels willen! Wie spät ist es eigentlich?”

Gabriel sah auf seine Armbanduhr, die auf dem Nachttisch lag. “Gleich halb zwölf.”

“Du meine Güte, ich bin ja wirklich zu blöd! In einer Stunde startet das Flugzeug nach San Diego, und ich bin noch nicht einmal angezogen.”

Rasch stand Joelle auf und eilte zu ihrem Gepäck, das sie glücklicherweise schon am Vortag gepackt hatte. Auf dem einen Koffer lagen griffbereit die Sachen, die sie anzuziehen beabsichtigte.

“Tu mir einen Gefallen”, bat sie Gabriel. “Ruf mir ein Taxi. Es soll in fünfzehn Minuten am Eingang bereitstehen.” Sie eilte ins Bad.

Wenige Minuten später kam sie wieder heraus. Sie hatte geduscht und sich angezogen und war bereit zum Aufbruch. Zuerst dachte sie, dass Gabriel sich aus dem Staub gemacht hätte – die wahrscheinlich beste Methode, diesen Albtraum zu beenden. Dann sah sie ihn, den Rücken ihr zugewandt, vollständig angezogen am Fenster stehen. Plötzlich wurden ihr die Knie weich.

Sie sah sich noch einmal um, ob sie nichts hatte liegen lassen. Dann nahm sie ein Gepäckstück in jede Hand und räusperte sich, um Gabriels Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er wandte sich ihr zu, die Hände in die Hosentaschen geschoben.

“So, ich muss jetzt los”, verkündete Joelle.

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