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Immer wieder Liebe

Als Buch hier erhältlich:

Nora Roberts


Bist du verliebt, Mami?

Single-Mom Zoe hat alles im Griff - bis sie sich in ihren Untermieter Cooper verliebt. Wie wird ihr Sohn auf den neuen Mann reagieren? Zoe setzt alles auf eine Karte. Denn wer nicht wagt, der nicht gewinnt …

Rebecca Daniels


Verräterische Blicke

Ein Blick reicht, und die Luft zwischen Marissa und dem attraktiven Dylan brennt. Aber kann er ihr wirklich verzeihen, was sie ihm damals angetan hat? Nur dann bekommt Marissa eine Chance auf das große Glück!

Jennifer Drew


Dein Lächeln macht mich schwach

Sich für eine Kolumne romantische Rendezvous‘ auszudenken ist eine Sache - sie mit ihrem arroganten Kollegen Joe nachzustellen eine ganz andere. Bis er Amy heiß küsst. Ist es für ihn wirklich nur ein Spiel?

  • Erscheinungstag: 02.01.2018
  • Seitenanzahl: 368
  • ISBN/Artikelnummer: 9783956497568

Leseprobe

Prolog

„Lass mich doch erklären …“

„Was gibt es da noch zu erklären?“, schrie Dylan und schleuderte den Ball, den er in der Hand hielt, auf den Boden. „Es hat funktioniert – ich bin auf deinen Trick reingefallen. Ihr hattet euren Spaß, du und deine Schwester. Jetzt lass mich in Ruhe!“

„Dylan, bitte“, flehte Marissa. Noch nie in ihrem Leben war sie so verzweifelt gewesen. „Es war nicht, wie du denkst, es war kein Spaß.“

„Was dann, Marissa?“ Dylan starrte auf sie hinunter. „Wie würdest du es denn nennen, dass du mich die ganze Zeit hast glauben lassen, du wärst Mallory? Wie würdest du es nennen, wenn eine Zwillingsschwester vorgibt, die andere zu sein?“

Marissa sah zu ihm hoch. In seinen dunklen Augen glänzten Tränen, die er nicht weinen wollte. „Ich wollte es dir sagen …“

„Ach ja? Wann wolltest du es mir sagen?“, fragte er wütend. „Bevor du mit mir geschlafen hast oder danach?“

Dylans Worte trafen Marissas Herz wie tausend kleine Pfeile. Mallory hatte sie davor gewarnt, mit dem Feuer zu spielen, hatte sie inständig gebeten, Dylan die Wahrheit zu sagen. Warum hatte sie nicht auf ihre Schwester gehört? Sie hatte ihn nicht verletzen wollen. Marissa war es gewohnt, mit ihrer Zwillingsschwester verwechselt zu werden. Und so hatte es sie nicht überrascht, dass Dylan sie für Mallory hielt, als sie an die Tankstelle fuhr, an der er den Sommer über arbeitete.

Als Leiterin der Cheerleader-Gruppe war Mallory mit allen Mitgliedern der Football-Mannschaft befreundet – auch mit dem Quarterback Dylan James. Mallory galt als die beliebtere, lustigere der Schwestern. Marissa dagegen war die ruhigere, die „Kluge“, die stets über ihren Büchern saß und Klassenbeste war. Aber an diesem Sommermorgen an der Tankstelle hätte sie in dem Augenblick, als Dylan auf ihren Wagen zukam und sie ansprach, alles darum gegeben, Mallory zu sein.

Sie hatte es richtigstellen wollen – wirklich. Aber es war einfach so schön gewesen, dass er ihr für eine Weile seine ganze Aufmerksamkeit widmete. Mallory hatte es nicht gekümmert – sie war an Dylan nicht interessiert. Die telepathische Verbindung zwischen den Schwestern – der „Zwillingsradar“, der die eine immer wissen ließ, was die andere fühlte – bestätigte Marissa, dass es so war. Und Mallory wusste, dass Marissa schon immer heimlich für Dylan geschwärmt hatte. Aber irgendwie war das harmlose Spiel außer Kontrolle geraten.

Plötzlich hatte Dylan sie um eine Verabredung gebeten, und sie hatte Hals über Kopf zugesagt. Sie schwor sich, ihm die Wahrheit zu sagen, sobald sie ihn wiedersehen würde. Doch als er am Abend dann auf ihrer Veranda stand, sah er sie mit seinen dunklen Augen auf solch eine Art an, dass sie nicht anders konnte, als ihn weiterhin im falschen Glauben zu belassen. Und so folgte auf diese erste Verabredung eine zweite und dann noch eine und noch eine …

Von da an vergingen die Sommermonate wie im Flug. Marissa und Dylan verbrachten jede freie Minute zusammen. Mallory, die sah, was passierte, hatte sie angefleht, mit dem Versteckspiel aufzuhören, aber Marissa hatte gezögert. Zu groß war die Angst, Dylan für immer zu verlieren. Sie wusste, dass die Zeit knapp wurde. Bald würde das neue Schuljahr anfangen, und dann würde die Wahrheit unweigerlich ans Tageslicht kommen. Sie hatte sich in Dylan verliebt, und er liebte sie auch. Sie wollte, dass er erfuhr, dass sie es war, die er liebte – Marissa, nicht Mallory. Sie wollte nur auf den richtigen Zeitpunkt warten, ihm alles zu erklären.

Aber sie hatte zu lange gewartet. Irgendwie hatte jemand Wind von der Wahrheit bekommen und die Nachricht verbreitet, sodass er alles erfuhr. Die ganze Football-Mannschaft wusste, wie Marissa ihn hereingelegt hatte, und nun würde er ihr niemals verzeihen.

„Bitte, Dylan“, rief sie unter Tränen. „Es tut mir so leid. Ich liebe dich.“

„Du liebst mich?“, schnaubte Dylan wütend. „Ich weiß nicht einmal, wer du bist. Ich weiß gar nichts über dich.“

„Das stimmt nicht“, sagte sie schluchzend. „Du weißt alles über mich.“

„Ich dachte, du wärst Mallory“, knurrte er. „Ich dachte, ich würde Mallory kennen.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich dachte, ich hätte mich in Mallory verliebt.“

„Dylan“, schrie Marissa, als er sich abwandte und quer über den Platz wegging. „Bitte, komm zurück.“

„Lass mich in Ruhe.“ E blieb stehen und drehte sich langsam zu ihr um. „Ich hatte noch nie Lust, mit der Zweitbesetzung zu spielen.“

1. Kapitel

Sechzehn Jahre später

Dylan stieg die Treppe zum Büro des Sheriffs von Amador County voller Elan hinauf. Es war kurz vor zehn Uhr morgens, aber in diesem nordkalifornischen Städtchen namens Jackson kletterte die Temperatur bereits kräftig nach oben. Dylan wischte sich den Schweiß von der Stirn und stieß einen Fluch aus. Die Sommer konnten in dieser Gegend grässlich heiß sein.

Als er eine Tür mit der Aufschrift „Zutritt nur für Berechtigte“ aufstieß, schlug ihm ein wohltuend kühler Luftzug entgegen. Dylan hasste es, zu spät zur Arbeit zu kommen. Er hasste es auch, den Vormittag in einer endlosen Haushaltsdebatte verbringen zu müssen, zusammen mit einem Stab von Aufsichtsratsmitgliedern, die sich mehr um die Kampagnen zu ihrer Wiederwahl kümmerten als um die Betreuung ihrer Wahlkreise. Aber er hatte keine Wahl. Für ihn als Sheriff war die Anwesenheit bei der halbjährlichen Haushaltsdebatte des Bezirks zwingend vorgeschrieben. Dabei pflegte eine Debatte meist wie die andere abzulaufen – er verlangte Geld, um fünf neue Hilfssheriffs einstellen zu können, und der Aufsichtsrat genehmigte gerade genug Mittel für einen.

Dylan griff nach der Post in seinem Fach. „Ich bin wieder da, Kim“, sagte er zu der blonden Schalterbeamtin, ohne aufzublicken. „Könnten Sie mir die eingegangenen Nachrichten rüberlegen? Und versuchen Sie bitte, die Liste mit den Überstunden zu finden.“

„Alles klar, Sheriff“, antwortete Kimberly Young rasch. „Ach, und …“

„Und stellen Sie eine Verbindung zum Büro des Staatsanwalts her“, unterbrach sie Dylan. „Ich möchte gern wissen, was mit dem Steckbrief passiert ist, den wir rübergeschickt haben.“

„Mach ich“, sagte Kimberly und nickte. „Aber …“

„Machen Sie denen bitte klar, dass wir darauf warten.“

Kimberly war mit ihrer Geduld am Ende. Entschlossen packte sie Dylan am Arm. „Sheriff.“

Überrascht sah Dylan auf. „Was ist denn?“

Sie senkte die Stimme. „Da wartet jemand auf Sie.“

Er verzog das Gesicht und blickte auf seine Uhr. „Ich bin ziemlich in Zeitdruck. Haben Sie eine Ahnung, worum es geht?“

„Es geht um Joshua Wakefield.“

Die Überraschung traf ihn wie ein Blitz. Dylan sah auf und fühlte sich plötzlich in die Zeit zurückversetzt, als er der Quarterback der High School von Jackson war und glaubte, das Mädchen seiner Träume gefunden zu haben.

„Marissa?“

„Hallo, Dylan“, flüsterte Marissa. Die Stimme hatte er tausendmal in seinen Träumen gehört. „Es ist lange her.“

„Da hast du recht“, sagte er und ließ seine Stimme so unbeteiligt wie möglich klingen. In Wirklichkeit hatte es ihm einen richtigen Schock versetzt, sie wiederzusehen. „Wie ist es dir so ergangen?“

„Gut, danke.“ Sie holte tief Luft. „Und dir?“

Obwohl ihm zumute war, als hätte er gerade auf schmerzhafte Weise mit den Fäusten eines Boxers Bekanntschaft geschlossen, zuckte er nur die Achseln. „Gut. Sehr gut.“

Die Erinnerungen begannen Dylan einzuholen – schmerzliche, quälende Erinnerungen, von denen er gehofft hatte, dass sie für immer verschüttet bleiben würden. Er hatte hart daran gearbeitet, Marissa Wakefield aus seinem Leben und seinen Gedanken zu verbannen. Doch nun, nach so langer Zeit, drängte sie mit aller Macht wieder in sein Leben und seine Gedanken zurück. „Du wolltest mich sprechen?“, fragte er.

„Wie ich sehe, bist du sehr beschäftigt“, sagte sie mit einem leisen Lachen. „Es ist nur so, dass morgen Joshs Verhandlung stattfindet, und ich dachte, wenn du ein paar Minuten Zeit hättest …“ Sie machte eine Pause und strich sich eine blonde Strähne hinters Ohr.

Dylan war nicht wirklich überrascht. Marissa Wakefields Neffe hatte in den letzten Jahren eine Menge Ärger verursacht. Dylan hatte Josh und seine Freunde schon öfter wegen verschiedener Vergehen festnehmen müssen, die von Hausfriedensbruch bis hin zu unerlaubten Spritztouren mit dem Auto von Joshs Mutter reichten. Die Wakefields hatten in der Vergangenheit immer jemanden gefunden, der die Jungs gegen Kaution freibekam – aber diesmal war es wirklich ernst. Josh und seinen Freunden wurde eine Brandstiftung zur Last gelegt, und es drohten ihnen Jugendstrafen in einer Erziehungsanstalt.

Dylan sah seine einstige Freundin an. Als sie sich damals auf der Schule kennenlernten, waren sie nur wenig älter gewesen als Josh jetzt, und doch hatte sie sich seither kaum verändert. Natürlich war sie reifer geworden, aber ihre Schönheit und Eleganz waren gleichgeblieben. Wie sie da in ihrem blaugrünen Leinenkostüm vor ihm stand, sah sie wirklich umwerfend aus. Um den Hals trug sie eine schmale goldene Halskette mit einem Anhänger, der mit einem Schwarm kleiner Sternchen besetzt war. Sie war wirklich eine tolle Erscheinung, aber Dylan wusste besser als jeder andere, wie der Schein trügen konnte – ganz besonders, wenn es um Marissa Wakefield ging.

„Kim, stellen Sie jetzt bitte keine Anrufe durch“, sagte er ruhig, wandte sich wieder Marissa zu und deutete auf die Tür hinter dem Schalter. „Komm mit. Wir können in meinem Büro sprechen.“

„Es war schön, Sie wiederzusehen, Kimberly.“ Marissa lächelte die junge Beamtin hinter dem Schalter an. „Bitte grüßen Sie Ihre Familie von mir.“

„Mach’ ich“, sagte Kim und winkte kurz.

Marissa trat in den schmalen Gang, wo Dylan auf sie wartete. Sie fühlte sich verlegen und hilflos, fast wie ein Lamm, das die Höhle des Löwen betrat. Aber sie war schon zu weit gegangen, um jetzt noch einen Rückzieher zu machen. Joshs Zukunft stand auf dem Spiel, und dafür war sie bereit, alles in Kauf zu nehmen.

Joshs Anwalt war der Meinung gewesen, wenn der Sheriff von Amador County vor Gericht zugunsten von Josh aussagte, hätten sie vielleicht gegen den Staatsanwalt, der darauf erpicht war, den Angeklagten nach dem Jugendrecht verurteilt zu sehen, einen Trumpf in der Hand. Marissa war zwar von der Idee, Dylan wiederzusehen und ihn um Hilfe zu bitten, nicht gerade begeistert gewesen, aber es stand zu viel auf dem Spiel, als dass sie sich hätte Bedenken erlauben können. Also hatte sie beschlossen zu kommen – einfach so.

Normalerweise tat Marissa nichts „einfach so“. Ihr geradliniges Wesen sprach gegen schnelle, übereilte Entscheidungen. Ein einziges Mal nur hatte sie schnell und übereilt gehandelt – vor sechzehn Jahren, um genau zu sein –, und ihr Leben war seitdem nie mehr wie zuvor gewesen. Von jenem Zeitpunkt an hatte sie großen Wert darauf gelegt, mit Bedacht zu handeln. Doch wenn es um Josh ging, fiel es ihr schwer, sich an diesen Vorsatz zu halten.

Marissa ließ sich von Dylan den schmalen Gang entlangführen, an dessen Ende sich mehrere Türen befanden. Seine Hand, die ihren Ellbogen umfasst hielt, machte sie nervös. Marissa fühlte sich unbehaglich, aber sie wollte Dylan nicht merken lassen, dass sie zitterte.

„Hier entlang“, sagte er und öffnete eine der schweren Holztüren.

Er ließ ihren Ellbogen los und trat höflich zur Seite. Aber Marissa war kaum ein paar Schritte gegangen, als sie plötzlich umknickte und ein scharfer Schmerz in ihre Wade schoss. Sie verlor das Gleichgewicht und prallte gegen Dylans Brust.

„Hast du dir weh getan?“, fragte er hastig, während er sie automatisch stützte.

„Nein“, stöhnte sie, vor Scham wie vor Schmerz. „Es ist nur mein Knöchel.“

„Was ist damit?“ Er wartete keine Antwort ab. „Am besten, ich bringe dich hinein, und du legst das Bein hoch.“ Er legte ihr den Arm um die Taille und führte sie zu einem Stuhl. „Vielleicht sollten wir jemanden kommen lassen, der sich das ansieht“, sagte er, während er sich vor sie hinkniete und mit einer Hand sanft ihren Knöchel umfasste.

„Nein, wirklich, es ist schon gut“, beharrte Marissa. Ihre Wangen glühten, und Dylans Hand um ihren Knöchel brachte sie völlig aus der Fassung. Nur der dünne Stoff ihrer Strümpfe trennte seine Haut von ihrer. Sie schob seine Hand sacht beiseite. „Es ist nichts, wirklich. Ich habe mir vor einiger Zeit den Knöchel gebrochen. Der Gipsverband ist erst seit ein paar Tagen ab – das Gelenk wird noch ein bisschen schwach sein, das ist alles.“

Dylan sah zu Marissa hoch. Als er sie berührte, hatte er ein Zittern gespürt, einen flüchtigen Schauder auf der Haut. „Du solltest den Fuß eine Weile schonen“, empfahl er, stand langsam auf und ging um den Schreibtisch herum. „Bei einem weiteren Sturz könnte sonst die alte Verletzung wieder aufbrechen.“

„Ich weiß“, seufzte sie. Nun, da Dylan sie nicht mehr berührte, begann sie sich wieder zu entspannen. „Ich mache schon aufbauende Übungen, aber es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis alles wiederhergestellt ist.“

„Das muss ein ziemlich schwerer Unfall gewesen sein, den du hattest.“

Marissa verdrehte die Augen. „Jedenfalls war er schlimm genug, dass ich nicht traurig wäre, eine Weile mal keine Krücken mehr zu sehen.“

Als sie sich im Büro umschaute, entdeckte sie ein kleines gerahmtes Foto von Dylan, der eine abgewetzte Uniform der High School von Jackson anhatte und einen schmutzigen Ball triumphierend über dem Kopf hochhielt. Zweitbesetzung. Sie konnte immer noch hören, wie er sie so nannte. Sie hatte ihm all ihre Liebe geschenkt, aber er hatte in Wirklichkeit nur das beliebteste Mädchen der Schule haben wollen.

„Nett hast du’s hier.“ Sie versuchte die Erinnerungen zu verbannen. „Sieht so aus, als hätten sich die Dinge für dich gut entwickelt.“

„Ja, es ist ganz gut gelaufen.“ Dylan stopfte ein paar herumliegende Blätter in eine Aktenmappe. Plötzlich fielen ihm die Bilder auf, die an den Wänden hingen, und die vielen Erinnerungsstücke, die sich im Laufe der Zeit in seinem Büro angesammelt hatten. Es war, als ob man diesem Raum sein ganzes Leben ablesen konnte, und er war nicht sicher, ob er Marissa so viel von sich zeigen wollte. „Ist Mallory auch mit zurückgekommen?“, fragte er beklommen. Marissas Zwillingsschwester war ein Gesprächsthema, das er nur ungern anschnitt.

„Nein, ich bin gestern allein hierhergeflogen.“ Marissa lächelte eine Spur zu strahlend. „Mallory ist derzeit auf Hochzeitsreise. Sie hat vor Kurzem geheiratet.“

„Tatsächlich? Das wusste ich nicht“, sagte er und lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Bitte richte ihr meine herzlichsten Glückwünsche aus. Jemand, den sie in Washington kennengelernt hat?“

„Nein“, antwortete sie. „Jemand, den sie in Arizona kennenlernte, während sie mich dort besuchte. Benjamin Graywolf. Er ist Anwalt – setzt sich für die Rechte der Navajos ein. Sie leben jetzt im Reservat.“

Dylan zog die Augenbrauen hoch. „Klingt interessant. Ich hoffe, dass sie immer glücklich bleiben.“

„Das werden sie“, sagte Marissa versonnen. Sie dachte daran, wie wunderschön ihre Schwester am Tag ihrer Hochzeit ausgesehen hatte. „Graywolf ist ein wundervoller Mann, und er liebt Mallory wirklich sehr.“

„Und was ist mit dir?“

Überrascht sah sie auf. „Wie meinst du das?“

„Gibt es einen Ehemann?“ Dylan war froh, dass der neutrale Ton seiner Stimme nichts von seinen Gefühlen verriet. All die Jahre hatte er sich immer wieder dabei ertappt, wie er sich Marissa vorstellte – auf ewig ein Teenager, jung und schön … und auf ewig die Seine. Aber nun stand hier eine richtige Frau, die die Zeit mit ihm hinter sich gelassen und ihr Leben weitergelebt hatte. Doch noch immer weigerte sich ein Teil von ihm, die Vorstellung zu akzeptieren, dass sie einem anderen Mann gehören könnte.

„Ich bin nicht verheiratet“, antwortete sie kopfschüttelnd.

„Kinder?“

Marissas Magen krampfte sich zusammen. Wenn er wüsste. Aber sie hatte alle Vorkehrungen getroffen, damit er nie davon erfuhr.

2. Kapitel

„Nein, keine Kinder“, sagte sie leise und fürchtete, ihr Gesichtsausdruck könnte ihre Worte Lügen strafen. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Aber ich meine gehört zu haben, dass du geheiratet hast. Stephanie Jacobs, richtig?“ Sie konnte sich erinnern, dass sie zwei Tage lang geweint hatte, nachdem Mallory ihr am Telefon die Nachricht erzählt hatte.

„Ja, Steph. “ Dylan nickte und dachte daran, wie leicht er die vier Jahre mit Stephanie hinter sich gelassen hatte. „Aber das ist lange vorbei.“

„Tut mir leid“, murmelte Marissa. Auch das hatte sie gewusst.

Er zuckte die Achseln. „Es ist für uns beide besser so, und zum Glück waren keine Kinder davon betroffen.“

Er dachte an die Zeit vor sechzehn Jahren. Damals war er hinter Mallory Wakefield her gewesen – wie alle Jungs im Football-Team der Jackson High. Sie war das beliebteste Mädchen der Schule, reich und hübsch. Er konnte es kaum glauben, als sie zusagte, mit ihm auszugehen. Aber die Wakefield-Zwillinge hatten ein falsches Spiel gespielt, hatten die Doppelgängerin ins Rennen geschickt, und am Schluss hatte er wie der dumme August dagestanden.

Natürlich hatten ihn seine Freunde ausgelacht, als sie davon erfuhren. Der clevere Mannschaftskapitän hatte es fertiggebracht, sich zum Trottel zu machen. Und natürlich hatte er das getan, was er immer tat, wenn ihn etwas sehr verletzte – er hatte gelacht, Witze gerissen und alles zu überspielen versucht. Aber in Wahrheit war er am Boden zerstört.

Dylan schloss die Augen. Das war Vergangenheit. Er hatte Wichtigeres zu tun, als zuzulassen, dass Dinge, die vor einer Ewigkeit geschehen waren, ihn jetzt noch quälten. „Ich habe gehört, was deinem Bruder zugestoßen ist – und Penny. Tut mir so leid. Muss ein schwerer Schlag für deine Familie gewesen sein.“

Marissa atmete tief ein. Calebs tödlicher Autounfall vor zwei Jahren war für sie alle ein Schock gewesen – vor allem für ihren Neffen Josh.

Er begann die Schule zu schwänzen und geriet in Schwierigkeiten. Auch Penny konnte den Verlust nie überwinden, und Joshs Probleme überforderten sie. Vor drei Monaten war sie mit dem Auto gegen eine Felswand geprallt. Aber in Wirklichkeit war sie an gebrochenem Herzen gestorben. Josh war allein zurückgeblieben – mit all seinen schlimmen Problemen. Knapp einen Monat nach der Beerdigung seiner Mutter war er wegen Verdachts auf Brandstiftung festgenommen worden.

„Ja, es war schwer“, sagte Marissa leise. „Besonders für Josh.“

„Und deswegen bist du hier – um über Josh zu sprechen.“

Marissa sah zu ihm hoch. Der Schwung seiner Augenbrauen, die Linie seiner Wangenknochen – alles an ihm war ihr so liebevoll vertraut. „Ich werde morgen vor Gericht das Sorgerecht für Josh beantragen.“ Dylans Augen weiteten sich. „Oh? Ich hatte angenommen, er würde hier bei deiner Familie leben – wenn all das vorbei ist, meine ich.“

„Meine Eltern sind der Aufgabe, einen Teenager großzuziehen, nicht gewachsen“, wiederholte sie den Satz, den sie gut einstudiert hatte, für den Fall, dass jemand sie nach ihren Beweggründen fragen würde. „Dad wird bald achtzig, und Mom ist auch schon dreiundsiebzig.“

„Aber wenn du in Arizona bist, wird es da keine Probleme mit dem Gericht geben?“

„Ich bin wieder nach Jackson gezogen“, sagte sie tonlos. „Für immer. Ich habe an der Sutter High School eine Stelle angenommen.“ Dylans Schläfen begannen zu pochen. Er kannte die Schule für schwer erziehbare Jugendliche nur zu gut – er hatte sich schon öfter den einen oder anderen Schüler vorknöpfen müssen. „Ich wusste gar nicht, dass du Lehrerin bist.“

„Ich wurde als Direktorin eingestellt. “ Sein prüfender Blick beunruhigte sie. Es war, als könnte er an ihrem Gesicht mehr ablesen, als ihr lieb war.

„Verstehe“, sagte er unverbindlich.

„Wir … ich meine, die Familie … wir haben alles besprochen, als ich zu Pennys Beerdigung hier war“, fuhr Marissa fort. „Ich hätte die Papiere damals schon ausgefüllt, aber es gab keinen Grund zur Eile, und unser Rechtsanwalt meinte, es würde sich vor Gericht besser machen, wenn ich schon mit klaren Plänen aufwarten könnte – bezüglich des Umzugs, des Jobs, solche Dinge. Leider kam dann diese dumme Knöchelgeschichte dazwischen und verzögerte alles.“ Sie schüttelte den Kopf. „Und dann wurde Josh festgenommen.“

„Und wie sehen deine Pläne jetzt aus?“

„Ich möchte, dass Josh zu mir kommt. Ich will alles tun, um ihn wieder in die richtigen Bahnen zu lenken.“

„Und was will Josh?“

Marissa schlug die Handflächen zusammen. „Dasselbe wie ich – zumindest wollte er es. Seit er verhaftet wurde, hatte ich noch keine Möglichkeit, mit ihm zu sprechen. Ferngespräche sind von Seiten der Gefängnisleitung nicht erlaubt, und seit meiner Ankunft gestern Abend gab es noch keine Besuchszeit. Ich werde nachher von hier aus direkt dorthin gehen.“

„Und ich soll für dich mit der Gefängnisleitung wegen einer Besuchsregelung verhandeln?“, fragte er enttäuscht. War das alles, wofür sie hergekommen war?

„Nein“, antwortete sie. „Eigentlich hatte ich gehofft, mit dir über die morgige Verhandlung sprechen zu können.“

„Ich weiß nicht, ob ich dir da helfen kann. Vielleicht solltest du besser mit dem Staatsanwalt reden.“

„Aber das ist ja gerade das Problem. Der Staatsanwalt will Josh in die Erziehungsanstalt schicken – für sechs Monate oder sogar ein Jahr. Dylan, das ist das Letzte, was Josh jetzt brauchen kann. Er muss zu mir kommen. Ich übernehme die Verantwortung. Ich werde dafür sorgen, dass er keinen Ärger mehr macht.“ Sie hielt einen Augenblick inne. „Ich hatte gehofft, du würdest mir helfen, den Richter davon zu überzeugen.“

„Du vergisst, dass er ein schweres Verbrechen begangen hat.“

„Ich bestreite ja nicht, dass das, was er getan hat, falsch war. Josh ist ein Kind mit Problemen – großen Problemen.“ Sie holte tief Luft. „Er braucht Liebe und Verständnis, nicht eine Justiz, die ihn in eine Zelle sperrt und ihn dann dort vergisst.“

Dylan musste unwillkürlich lächeln. „Prescott sieht zwar wie ein Straflager aus, ist aber eher so etwas wie eine Militärschule. Und es ist nicht weit von hier. Du könntest Josh jederzeit besuchen.“

Marissa konnte es nicht ertragen, sich Josh hinter Gittern vorzustellen. „Es wäre ein Fehler, ihn dorthin zu schicken.“

Etwas in ihrem scharfen Ton brachte Dylan auf die Palme. Als Sheriff hatte er Josh wie jeden anderen Jungen behandelt, der ihm gebracht wurde, und er war dessen Tante keine Rechenschaft schuldig. Also wie kam es, dass Marissas blaue Augen in ihm das Bedürfnis weckten, sich zu rechtfertigen?

„In Prescott legt man Wert auf Disziplin, und das ist genau das, was Josh braucht“, sagte er knapp. „Sieh mal, es liegt nicht an mir, über seine Verurteilung zu entscheiden. Aber ich muss dir sagen, angesichts von Joshs krimineller Vergangenheit ist es ziemlich sicher, dass der Richter ihn für einige Zeit in Gewahrsam wissen will.“

Marissas Kopf schnellte hoch. „Ihr haltet ihn doch schon seit sechs Wochen in Untersuchungshaft.“

Dylan sah die Leidenschaft in ihren Augen lodern und spürte, wie ein altes Gefühl sich wieder in ihm regte. „Richter Kent hat eine Kaution abgelehnt.“

„Versteh doch“, sagte Marissa verzweifelt. „In den letzten zwei Jahren ist so vieles in Joshs Leben passiert. Um Himmels willen, verdient er denn kein Mitgefühl? Er hat beide Eltern verloren!“

Dylan schleuderte den Stift, den er in der Hand hielt, auf den Schreibtisch. „Das ist mir durchaus bewusst. Aber Tatsache bleibt, dass Josh nicht zum ersten Mal festgenommen wurde. In den letzten zwei Jahren hatte ich den Jungen öfter hier, als ich an den Fingern abzählen kann. Josh hat eine Chance nach der anderen bekommen, sein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen – und er hat jede einzelne davon vergeben. Jetzt wird er eines ernsthaften Verbrechens beschuldigt. Er und seine zwei Kumpels haben bewusst öffentliches Eigentum zerstört – und zwar auf dem Gelände eben jener Schule, an der du arbeiten wirst. Nur einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass es lediglich Sachschäden gab. Was passiert beim nächsten Mal? Sollen wir warten, bis wirklich jemand verletzt wird?“

Marissa wusste, dass er recht hatte. „Und wenn ich verspreche, dass es kein nächstes Mal geben wird? Für Josh ist es wichtig, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Er soll wissen, dass jemand auf seiner Seite ist, jemand, der ihn nie im Stich lassen wird.“

Dylan erkannte die Liebe in ihren Augen und war versucht, an ihre Worte zu glauben. Aber dann erinnerten ihn düstere Bilder an eine vergangene Zeit, als er jenen sanften Blick schon einmal gesehen hatte. Damals hatte sie ihn angelogen – log sie jetzt auch?

Er atmete tief ein. Es war nicht fair, Vermutungen anzustellen über die Beweggründe einer Frau, die jetzt fast eine Fremde für ihn war. „Nicht du musst Versprechungen machen …“, sagte er leise, „sondern Josh.“ Er rang nach den passenden Worten. „Ob du’s glaubst oder nicht – ich mag Josh wirklich, und ich denke, dass er im Grunde ein guter Junge ist. Aber er muss anfangen, für seine Taten geradezustehen.“

„Aber er ist … er ist doch noch ein Kind …“

„Er ist fünfzehn Jahre alt“, unterbrach Dylan sie. „Jedes Mal, wenn ich ihn hier hatte, gab es jemanden – Penny, deinen Vater, jemanden aus dem Stadtrat, der mit deiner Familie befreundet ist –, jemand griff immer ein und kehrte alles unter den Teppich für Josh. Jetzt verlangst du von mir, dass ich dasselbe tue.“

„Ich verlange nicht, dass du irgendwas unter den Teppich kehrst“, sagte Marissa. Sie war gekommen, um Dylan um Hilfe zu bitten, und nicht, um Beziehungen spielen zu lassen. „Alles, was ich will, ist eine Chance, das Leben dieses Jungen wieder in eine neue Richtung zu lenken.“

„Sechs Monate Erziehungsanstalt könnten das auch.“

Marissa schwieg einen Augenblick. „Sieht so aus, als gingen unsere Meinungen in diesem Punkt auseinander.“ Sie nahm ihre Handtasche. „Danke, dass du dir Zeit für mich genommen hast.“

Dylan musterte sie eindringlich. „Du hast dich sehr verändert in den letzten sechzehn Jahren.“

Sie sank wieder auf den Stuhl zurück. „Soll ich das als Kompliment oder als Beleidigung auffassen?“

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