Liebling, wir haben geheiratet
Sprachlos schaut Harley den Adonis an, der nackt vor ihr steht und erklärt, sie hätten letzte Nacht geheiratet. Harley kann sich an nichts erinnern - und macht sich aus dem Staub. Doch Sam reist ihr nach...
Sprachlos schaut Harley den Adonis an, der nackt vor ihr steht und erklärt, sie hätten letzte Nacht geheiratet. Harley kann sich an nichts erinnern - und macht sich aus dem Staub. Doch Sam reist ihr nach...
Wenn die Braut sich traut
Liebling, wir haben geheiratet
MIRA® TASCHENBUCH
MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg
Geschäftsführer: Thomas Beckmann
Copyright © 2013 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH
Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:
It Happened One Night
Copyright © 2002 by Sharon Sala
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Aus dem Amerikanischen von Susanne Albrecht
Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln
Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln
Redaktion: Mareike Müller
Titelabbildung: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz
Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz
Satz: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN eBook (EPUB) 978-3-86278-761-6
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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
Harley June Beaumont war schon seit mindestens fünf Minuten wach, hatte aber noch immer nicht die Kraft, sich zu bewegen. Sie konnte nicht einmal die Augen öffnen. Ihr Kopf dröhnte, ihr war übel, und sie hatte einen fürchterlichen Geschmack im Mund.
Sie erinnerte sich nur noch an Las Vegas und dass sie einen Toast auf ihre beste Freundin Susan und deren frischgebackenen Ehemann Mike ausgebracht hatte, als die beiden ihre Hochzeitstorte anschnitten. Es gab einige verschwommene Bilder von einem Sektglas, das sich niemals zu leeren schien, davon, dass sie Konfetti und Reis geworfen hatte, dann davon, dass sie auf einem Tisch getanzt und von oben auf die Glatze eines Kellners geschaut hatte. Danach war alles nur noch undeutlich.
Harley verspürte ein dringendes Bedürfnis, die Toilette aufzusuchen. Allerdings bedeutete das Aufstehen, was wiederum bedeutete, dass sie sich doch bewegen musste.
Zögernd und mit größter Mühe öffnete sie die Augen und atmete vorsichtig durch. So weit, so gut. Das Zimmer wirkte irgendwie vertraut. Ach ja, das Motel in Las Vegas!
Aus ihrer liegenden Position heraus konnte sie ein glattes fliederfarbenes Kleid sehen, das achtlos über eine Stuhllehne geworfen worden war. Ein passender Schuh lag auf dem Tisch daneben, der andere war nirgendwo zu sehen.
Das Brautjungfernkleid …
Stöhnend begann sie, sich langsam Richtung Bettkante zu bewegen. Sie zuckte zusammen, als die Bewegung das Hämmern in ihren Schläfen noch verstärkte. Sobald sie den leeren Raum bemerkte, hielt sie inne, überzeugt, dass sie den Bettrand erreicht hatte. Jetzt hieß es, sich aufsetzen oder sterben. Doch ihre gefüllte Blase behielt die Oberhand. Harley stand auf, wobei sie sich damit tröstete, dass sie später immer noch sterben könnte.
Am Fußende des Bettes lag ein großer Haufen Bettwäsche. Stirnrunzelnd betrachtete sie diesen, während sie daran vorbeiging. Deshalb also war ihr beim Aufwachen so kalt gewesen. Sie war bereits auf halbem Weg zum Bad, als ihr aufging, dass sie nackt war. Sie schaute sich im Zimmer um und fragte sich, wo denn ihr Nachthemd geblieben sei. Dann sah sie ihren BH, der über einem Lampenschirm hing, und ihren Slip am Türknopf. Wieder zuckte sie zusammen. Wenigstens konnte sie dafür dankbar sein, dass ihre Mutter nicht da war, um ihr die Hölle heiß zu machen.
Harley Junes Mutter Marcie Lee Beaumont stammte in direkter Linie von General Robert E. Lee ab, und Marcie zufolge schliefen Damen, die etwas auf sich hielten, nicht im Evaskostüm. Aber im Augenblick war Harley June schrecklich übel, und das fehlende Nachthemd war ihre geringste Sorge.
Die Badezimmerfliesen fühlten sich kalt unter ihren Füßen an, und sie fröstelte, als sie zur Toilette eilte. Als sie den Deckel anhob, schnappte sie nach Luft. Im Toilettenbecken wuchsen Blumen!
Sie beugte sich noch ein wenig tiefer, schnaubte dann und fischte Susans Brautstrauß aus der Toilette, bevor sie ihn im Mülleimer entsorgte. Harley wollte sich nur frisch machen, ihre Sachen packen und nach Hause nach Savannah fliegen. Später würde sie vielleicht versuchen, ihrem Erinnerungsvermögen auf die Spur zu kommen, doch im Moment hing ihr Überleben davon ab, ihr Gehirn möglichst wenig anzustrengen und sich so wenig wie möglich zu bewegen.
Ein paar Minuten später stellte sie sich unter die Dusche und genoss die warmen Wasserstrahlen, die über ihr Gesicht und ihren Körper strömten. Als sie sich abtrocknete, schaute sie zu dem bodenlangen Spiegel an der Tür und zog die Brauen zusammen. Das bisschen, was sie von sich darin erkennen konnte, war genauso, wie sie sich fühlte – nass und vernebelt. Aus einem Impuls heraus wischte sie mit dem Handtuch den Spiegel etwas frei, und als sie sich umdrehte, erhaschte sie einen Blick auf etwas Rotes an ihrer linken Seite. Mit noch tieferem Stirnrunzeln wischte sie eine größere Stelle trocken, ehe sie sich zur Seite drehte, um einen besseren Blick auf ihren Po zu bekommen.
Ihr entfuhr ein spitzer Schrei, als sie zu ihrem Entsetzen etwas Rotes, Herzförmiges auf ihrer linken Pohälfte entdeckte.
Harley trat näher an den Spiegel heran und schaute angestrengt hinein, nur um festzustellen, dass in dem Herzen auch noch Worte standen. Sie traute ihren Augen nicht und fing an, heftig an der Stelle zu reiben. Unwillkürlich zuckte sie jedoch zusammen und hörte schnell damit auf. Das tat weh! Sie ließ das Handtuch fallen und betastete das Herz mit ihren Fingerspitzen.
„Oh, du meine Güte! Ein Tattoo. Ich habe ein Tattoo!“
Sie ging noch dichter heran und kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Die Worte waren im Spiegel nur rückwärts zu lesen, deshalb dauerte es ein paar Sekunden, bis sie die Buchstaben erkannt und dann in die richtige Reihenfolge gebracht hatte.
„Junie liebt Sam.“
„Sam? Wer in aller Welt ist Sam?“
Doch die Tatsache, dass sie keinen Sam kannte, war weniger schwerwiegend als die Tatsache, dass der Name dort stand.
„Grundgütiger … Ich habe den Namen eines Mannes auf meinem Po eintätowiert.“
Stöhnend begann sie erneut, an dem Tattoo herumzureiben, wobei sie inständig hoffte, wenn sie nur stark genug schrubbte, dass es dann wieder abgehen würde, – was natürlich nicht der Fall war.
„Das kann doch nicht wahr sein“, stöhnte sie.
In diesem Moment hörte Harley deutlich ein Geräusch, als ob jemand in ihrem Zimmer nebenan herumgehe, und erschrak.
Hastig packte sie das Handtuch, das sie hatte fallen lassen, hielt es vor sich und wollte gerade die Badezimmertür verriegeln, als diese sich öffnete.
Mit klopfendem Herzen und bereit zu schreien, schnappte sie nach Luft. Zu verblüfft, um den Schrei auch wirklich auszustoßen, fand sie sich dem größten Mann gegenüber, den sie je gesehen hatte. Seine Schultern nahmen die gesamte Türbreite ein, seine langen, muskulösen Beine waren eindrucksvoll. Er fuhr sich mit einer Hand durch sein kurzes, abstehendes Haar. Seine Augen waren blau und noch etwas verschlafen, er lächelte ein wenig entschuldigend, und sein Haar war schwarz wie Kohle. Seine Gesichtszüge waren ebenmäßig und ausgeprägt, obwohl seine Nase aussah, als sei sie mindestens einmal gebrochen gewesen. Doch nichts davon war der Grund dafür, dass der Schrei, der Harley zunächst im Hals stecken geblieben war, sich schließlich doch noch löste. Sondern es lag vielmehr daran, dass dieser Mann ebenfalls nackt war …
Die Situation schien außer Kontrolle zu geraten, und Harley fing an zu flehen:
„Oh nein … oh bitte … tun Sie mir nichts! Bitte tun Sie mir nicht weh! Meine Handtasche ist da drin … irgendwo. Nehmen Sie sie! Nehmen Sie alles, was ich habe, aber bitte tun Sie mir nicht weh!“
Der Mann lächelte und blickte über die Schulter zurück zu dem Bett, von dem sie vor Kurzem aufgestanden war.
„Schätzchen, du hast mir doch schon alles gegeben, was du hattest … letzte Nacht.“
Harley zog das Handtuch noch höher unters Kinn und sah ihn zornig an.
„Wovon reden Sie?“
Er sah sie wieder an und grinste jungenhaft.
Mit geweiteten Pupillen packte sie ihre Haarbürste und zielte damit auf ihn wie mit einer Pistole.
„Sie lügen. Bleiben Sie mir bloß vom Leibe!“
Stattdessen zog er sie in die Arme und drückte ihr einen langen, sinnlichen Kuss mitten auf den Mund. In dem Augenblick, als ihre Lippen sich trafen, wurde Harley klar, dass dies schon einmal geschehen sein musste. Ihre Lippen schienen zu verschmelzen, als wären sie füreinander geschaffen, und selbst als ihr gesunder Menschenverstand ihr riet aufzuhören, spürte sie deutlich, dass sie ihn nie wieder loslassen wollte. Zu ihrem Leidwesen löste sich dann aber der Mann von ihr. Er stellte sie wieder auf die Füße, nahm ein frisches Handtuch und begann, ihr den Rücken abzutrocknen, als habe er es schon tausendmal getan.
Harley entzog sich ihm, wobei sie das Handtuch mitnahm.
„Wer sind Sie eigentlich?“, fragte sie.
Das Lächeln schwand für einen Augenblick aus seinem Gesicht, war jedoch gleich wieder da, während er ihr liebevoll eine Haarsträhne hinters Ohr steckte.
„Ich bin kein Schurke, Schätzchen. Ich bin dein Ehemann …, und du bist meine Ehefrau.“
„Ehefrau? Ich bin nicht Ihre Frau! Ich bin niemandes Ehefrau!“, rief sie und zuckte beim Klang ihrer eigenen Stimme zusammen. Ihre Kopfschmerzen wurden immer schlimmer.
Er streckte die Hand aus und berührte den Goldreif an ihrem Ringfinger.
„Wie schnell du doch vergisst!“, meinte er sanft. Dann hob er ihre Hand an die Lippen und küsste den Ring, ehe er ihre Handfläche nach oben drehte und auch diese küsste.
Ein elektrisierendes Prickeln breitete sich in ihrem Bauch aus, bis sie es zwischen ihren Beinen spürte. Langsam holte Harley Luft, verblüfft über die plötzliche Schwere ihrer Gliedmaßen. Aber trotz der sexuellen Spannung zwischen ihr und dem Unbekannten ließ sich nicht verleugnen, dass wirklich ein Ring an ihrem Finger vorhanden war, der gestern Abend noch nicht dort gewesen war.
„Wer sind Sie?“, wiederholte sie mit stockender Stimme.
Kopfschüttelnd sah er sie an.
„Junie, Darling … sag bitte nicht, dass du auch meinen Namen schon vergessen hast!“
Junie? Blitzartig fiel ihr das Tattoo auf ihrem Po wieder ein. Junie liebt Sam.
„Sam?“
„Braves Mädchen“, sagte er langsam, nahm ihr das Handtuch aus den Händen und ließ es auf den Fußboden fallen.
Harley erkannte das Verlangen in seinen Augen, und ein Schauer durchlief sie. In diesem Augenblick hätte sie sich keinen Millimeter bewegen können, und wenn es sie das Leben gekostet hätte.
„Niemand nennt mich Junie.“
Seine blauen Augen verdunkelten sich. „Ich schon“, erklärte er und hob sie empor.
„Was haben Sie … hast du vor?“
„Mit meiner Frau Liebe machen.“
„Ich bin nicht … ich kann nicht …“
Indem er ihren Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss bedeckte, brachte er sie zum Schweigen, dann legte er sie mitten aufs Bett und kam zu ihr, wobei er sich über ihrem noch feuchten Körper abstützte.
„Doch, das bist du, und das kannst du“, sagte Sam. „Und sogar sehr schön, wenn ich das so sagen darf.“
Auch wenn Harley irgendwelche Einwände hätte erheben wollen, die Küsse des geheimnisvollen Sam schafften sofort eine gewisse Vertrautheit zwischen ihnen. Und als sie das Gewicht seines Körpers auf ihrem spürte, wurde ihr wieder klar, dass sie auch dies schon einmal erlebt hatte. Gleichgültig, wie falsch alles gewesen war, was sie getan hatten, – mit Sam zu schlafen fühlte sich trotzdem absolut richtig an.
Es war zehn nach elf, als Harley wieder erwachte. Nur wusste sie diesmal genau, wo sie sich befand. Ihr Kopf schmerzte noch immer, und der Mann, in dessen Armen sie lag, wirkte geradezu einschüchternd.
Sam. Er hatte sich Sam genannt.
Um ihre beginnende Panik zu beherrschen, schloss sie die Augen und weigerte sich entschlossen, darüber nachzudenken, wie sehr es ihr gefiel, das Gewicht seines Armes zu spüren, der über ihrem Bauch lag. Oder auch darüber, dass sie sich zum ersten Mal seit langer Zeit sicher und geborgen fühlte.
Und dann der Sex.
Du lieber Himmel, gemeinsam waren sie ein wahrhaft explosives Gemisch. Zweimal, nachdem Sam sie ins Bett zurückgeholt hatte, war ihr zumute gewesen, als würde sie gleich in Flammen aufgehen. Aber das musste reine Wollust gewesen sein, und nach Ansicht von Harleys Mutter gingen anständige Mädchen aus dem Süden eine Ehe nur dann ein, wenn sie auf guter Abstammung und Vermögen beruhte, und nicht etwa aus wilder Begierde.
Harley atmete tief durch, um ihre Nerven zu beruhigen, und begann sich dann langsam unter Sams Arm hervorzuschieben. Sie musste dringend Abstand zwischen sich und diesen Mann bringen, und wenn er noch so umwerfend war. Sie wusste zwar nicht recht, wie sie das anstellen sollte, aber diese wahnwitzige Ehe musste so schnell wie möglich ein Ende haben. Immerhin war dies Las Vegas. Bestimmt ließ sich eine Ehe hier genauso einfach beenden, wie sie angefangen hatte.
Vorsichtig löste sich Harley aus Sams Umarmung und stieg mit angehaltenem Atem aus dem Bett. Sobald sie stand, betrachtete sie den schlafenden Mann. Ohne nachzudenken, berührte sie ihr Tattoo, zuckte jedoch peinlich berührt zurück, als sie merkte, wie empfindlich die Stelle noch war. Das Tattoo war auch noch ein Problem, und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es leichter sein würde, die Ehe zu annullieren, als das rote Herz wieder loszuwerden.
Wie gebannt hing ihr Blick an Sam, an seinem sinnlichen Mund und dem Schatten der dunklen Wimpern auf seinen Wangen. Der Mann sah wirklich fantastisch aus. Harley seufzte. Er war also attraktiv. Aber das bedeutete lediglich, dass der Alkohol ihren guten Geschmack nicht beeinträchtigt hatte, – sondern nur ihren Verstand.
Nun jedoch war sie hellwach und schmerzhaft nüchtern. So wie sie die ganze Sache einschätzte, blieb ihr nur ein Ausweg, nämlich zu verschwinden.
So leise es irgend ging, zog sie sich an und packte ihre Sachen. Sie stopfte die Kleider in ihre Reisetasche, ohne einen einzigen Reißverschluss zuzuziehen. Als sie zur Kommode ging, um ihre Armbanduhr zu holen, fiel ihr Blick auf ein Polaroid-Foto und auf ein Papier, das darunter lag.
Ach, du liebe Zeit!
Das Hochzeitsfoto und die Heiratsurkunde.
Harley nahm das Bild und hielt es näher ans Licht, um es besser betrachten zu können. Als sie den Ausdruck auf ihren Gesichtern sah, war ihr zum Weinen zumute. Sie sahen so glücklich aus.
Seufzend legte sie das Foto wieder hin, doch dann entdeckte sie noch ein weiteres, das unter der Heiratsurkunde lag. Sie sah sich auch dieses an und unterdrückte ein Stöhnen. Der Mann, der zwischen ihnen stand, konnte doch unmöglich der Prediger sein. Aber wer sollte es sonst sein? Hinter ihnen war der Altar zu sehen, und Harley hielt den Brautstrauß ihrer Freundin Susan in der Hand. Sie schaute noch genauer hin, um herauszufinden, weshalb eine Elvis-Kopie mit ihnen zusammen auf einem der Bilder war. Seine schwarze Tolle mit den Koteletten, die bis zum Kinn reichten, sah glatt und fettig aus, und der weiße, mit Strass-Steinen besetzte Overall, den er trug, hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem feierlichen schwarzen Talar des Pastors.
Harley warf einen Blick auf die Heiratsurkunde und verdrehte ungläubig die Augen. Sie hatte nicht in der südlichen Baptistenkirche ihrer Mutter geheiratet, wie sie es ihr ganzes Leben lang geplant hatte. Stattdessen hatte sie sich in der Love-me-Tender-Hochzeitskapelle von einem Kerl trauen lassen, der wie Elvis aussah.
Was in Dreiteufelsnamen habe ich mir bloß dabei gedacht? schoss es ihr durch den Kopf.
Sie ließ die Schultern hängen. Das war ja gerade das Problem. Sie hatte überhaupt nicht nachgedacht, und Sam anscheinend auch nicht. Sie blickte zum Bett hinüber, dankbar, dass er noch schlief. Dann schaute sie wieder zurück auf die Urkunde.
Samuel Francis Clay. Er hieß Samuel Francis Clay.
Meine Mutter war ein großer Sinatra-Fan.
Harley fröstelte, als ihr plötzlich wieder einfiel, wie er die Bedeutung seines zweiten Namens erklärte, während er sich über ihre Schulter gebeugt hatte, um zu unterschreiben.
Harleys Kinn zitterte ein wenig. Ich heiße jetzt Harley June Clay.
Sie wandte sich um, starrte den Mann, der noch immer in ihrem Bett lag, lange und eindringlich an, und streifte sich dann den Ring vom Finger. Mehrere Sekunden vergingen, in denen ihr das Herz schwer wurde. Irgendetwas in ihrem Innern sagte ihr, dass dies ein großer Fehler war. Doch sie sah keine andere Möglichkeit, sich aus der heiklen Situation zu befreien, in die sie sich hineinmanövriert hatte.
Langsam senkte sie den Blick, legte den Ring auf die Kommode neben die Fotos, nahm ihre Reisetasche und schlich sich aus dem Zimmer.
Erst als ihr Flugzeug nach Savannah abhob, gestattete sie es sich zu weinen. Doch selbst dann war ihr nicht klar, ob sie deshalb weinte, weil sie sich zu dieser verrückten Heirat hatte hinreißen lassen, oder weil sie vor etwas weggelaufen war, was das Beste war, was sie in ihrem ganzen Leben bisher getan hatte.
Savannah, Georgia – vier Tage später
Das Telefon auf Harley Junes Schreibtisch klingelte plötzlich und riss sie aus ihren Gedanken.
„Turner Versicherungsagentur, was kann ich für Sie tun? Oh … hallo, Mrs Peabody! Ja, ich habe Ihre Nachricht an Mr Turner weitergeleitet. Nein, es tut mir leid, aber er ist immer noch nicht von seiner Besprechung zurück. Ja, ich werde ihm ganz bestimmt sagen, dass Sie noch einmal angerufen haben. Nein, Ma’am, ich will Sie nicht hinhalten. Ja, Ma’am, ich weiß, dass Sie eine viel beschäftigte Frau sind. Nein, Ma’am, es ist nicht höflich zu lügen. Ja, Mrs Peabody, ich werde meiner Mutter Ihre Grüße ausrichten. Vielen Dank für Ihren Anruf!“
„Regt sich Mrs Peabody immer noch so auf?“
Harley schaute eine der anderen Versicherungsagentinnen an, wobei sie der Versuchung widerstand, einen tiefen Seufzer auszustoßen.
„Was glaubst du denn?“
Jennifer Brownlee lachte.
„Ach, das hätte ich fast vergessen! Deine Mutter hat angerufen, als du zur Mittagspause warst.“