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Morgen küsst der Weihnachtsmann

hier erhältlich:

Stephanie Bond
Höhenflug der Leidenschaft

Der Brief war privat und streng vertraulich - aber wo ist er nur? Ihre geheimsten Fantasien hat Violet darin aufgeschrieben! Doch er ist spurlos verschwunden. Dafür taucht plötzlich der attraktive Dominick auf, der ihr Nächte bereitet, als kenne er jeden ihrer intimsten Weihnachtswünsche …

Lori Wilde
Verführung unterm Mistelzweig

Noah Briscoe leidet unter dem Feiertagsblues - und hat ein Mittel dagegen: Er denkt an das Date mit seiner sexy Traumfrau Alana … Und plötzlich steht sie vor ihm: Die Rechtsanwältin soll jemanden verteidigen, den er als Polizist festgenommen hat: Santa Clause persönlich!

Julie Kenner
Starstruck - Sinnliches Weihnachtsfest

Tausendmal berührt und plötzlich ist alles anders: Chris ist charmant, attraktiv, unwiderstehlich - und Alyssas bester Freund. Zumindest bis zu der verrückten Weihnachtsparty, bei der die beiden von ihrer Leidenschaft übermannt werden …

"Julie Kenner ist DIE Autorin für leidenschaftliche Begegnungen, die ihre Figuren überwältigen, verändern und erlösen."
Romantic Times


  • Erscheinungstag: 13.11.2017
  • Seitenanzahl: 416
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955767464
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. Kapitel

Wann immer das trabende Pferd schnaubte oder wieherte, seufzten die sechs Fahrgäste in der offenen Kutsche selig auf.

Ganz hinten, in der letzten Sitzreihe, zog Alyssa Chambers sich die Decke etwas höher und umklammerte mit beiden Händen ihren Becher Glühwein. Aus den Lautsprechern in den Seitenwänden der Kutsche erklang leise Bing Crosbys „Winter Wonderland“, und die neblige Abendluft schimmerte in allen Farben durch die bunten Lichterketten.

Es war die perfekte Dezemberstimmung.

Die Kutsche bewegte sich langsam die Straße entlang. Alyssa und den anderen Fahrgästen bot sich der idyllische Anblick der weihnachtlich geschmückten Häuser in Dallas’ wohlhabendem Stadtviertel Highland Park.

„Oh, Mann.“ Claire Daniels seufzte. „Ist das nicht ein wunderbar romantischer Abend?“

Alyssa, die neben ihr saß, drehte sich fragend zu ihr. „Wie bitte? Wir haben beide kein Date! Schon vergessen?“

Sie sah zu den beiden Sitzreihen vor ihnen. Vier Personen je Sitzreihe, jeweils zwei Pärchen, eng umschlungen unter Decken gekuschelt. Von den bunten Lichtern und der Musik bekamen diese Menschen nichts mit, sie hatten nur Augen füreinander.

Alyssa schluckte vor Neid. Sie wurde sich der Tatsache nur allzu bewusst, dass sie hier mit ihrer besten Freundin saß statt mit einem festen Partner. „Versuchst du’s neuerdings mit positivem Denken, Claire? Klappt das bei dir?“ Trotz der Atmosphäre rings umher empfand sie nichts von der weihnachtlichen Stimmung.

„Nein, es funktioniert nicht“, gab Claire zu. Ein paar Monate zuvor hatte ihr Freund Joe sich von ihr getrennt, und ihr Stolz war durch den Verlust immer noch verletzt.

Missmutig lehnte Alyssa sich in ihrem Sitz zurück und schmiedete Rachepläne gegen denjenigen, der einst entschieden hatte, dass Weihnachtsaktivitäten nur etwas für Pärchen waren.

Auf jeder Party wurde zu dieser Jahreszeit erwartet, dass man mit Partner erschien. Im Theater gab es Pärchen-Tickets für Show und Dinner, und selbst für die Kutschfahrten durchs weihnachtlich beleuchtete Highland Park wurden die Tickets nur im Zweierpack verkauft, so als sei man als Single ein Niemand.

Kein Wunder, dass zu dieser Jahreszeit die Selbstmordrate anstieg, oder?

Die Trennung von Bob im Sommer war besonders unschön gewesen, weil sie ursprünglich einfach nur gute Freunde gewesen waren. Irgendwann hatten sie abends ein richtiges Date gehabt, und bevor Alyssa sich versah, waren sie miteinander im Bett gelandet und hatten auf einmal einer Zukunft mit Ehe, Kindern und Hund entgegengesehen.

Zuerst war ihr alles perfekt vorgekommen, doch dann hatte sie sich an immer neuen Kleinigkeiten gestört, und es hatte nicht lange gedauert, bis weder Alyssa noch Bob hätten sagen können, wieso sie einmal so gut befreundet gewesen waren.

Sie hatten einfach nicht zusammengepasst.

Weil sie sich nicht nur vom Liebhaber, sondern gleich auch vom Freund getrennt hatte, war Alyssa dieser Schlussstrich sehr schwergefallen. Und seitdem hatte sie kein Date mehr gehabt.

„Nimm doch Chris mit, wenn du das nächste Mal auf eine Party gehst“, schlug Claire vor.

Alyssa nickte. Sie würde denselben Fehler kein zweites Mal begehen. Chris, ihr Nachbar, war zwar ausgesprochen sexy. Aber er trug von Anfang an den Stempel „Guter Freund“ auf der Stirn, und obwohl er so süß, klug und sexy war, würde sie diese Freundschaft niemals wegen Sex aufs Spiel setzen. Auf gar keinen Fall. Diese Lektion hatte sie, Bob sei Dank, gründlich gelernt.

Allerdings stand Sex bei Chris und ihr auch gar nicht zur Debatte. Als sie ihn zum ersten Mal getroffen hatte, hatte sie sich zu ihm hingezogen gefühlt, doch diese warme Empfindung hatte sie schnell unterdrückt, nicht zuletzt, weil Chris dieses Prickeln offenbar nicht gefühlt hatte.

In den zwei Jahren, die sie sich jetzt kannten, hatte er nie auch nur den kleinsten Annäherungsversuch unternommen.

Das hatte Alyssa anfangs ein bisschen gekränkt, zumal das gewisse Knistern sich bei ihr manchmal eher wie eine Feuersbrunst angefühlt hatte.

Andererseits machte Chris’ mangelndes Interesse vieles leichter, denn mit seiner lässigen Lebenseinstellung als freier Autor kam er als möglicher Partner für sie ohnehin nicht infrage.

Auch wenn Alyssa zugeben musste, dass es schon Situationen gegeben hatte – etwa wenn sie abends zusammen fernsahen und ein paar Margaritas getrunken hatten –, in denen sie sich wünschte, Chris möge irgendetwas unternehmen, um nicht mehr als Mann tabu für sie zu sein.

Ihr Vater war genauso gewesen wie Chris: als freier Journalist immer auf der Jagd nach der nächsten Story, um wieder etwas Geld nach Haus zu bringen.

Als Kind hatte Alyssa sich oft nach ihrem Vater gesehnt, wenn er wieder wochenlang fort gewesen war. Sie hatte ihn angefleht, er möge sie mitnehmen, und wenn er zurückgekehrt war, hatte sie sich seine Fotoreportagen angesehen und sich ausgemalt, wie sie das alles mit ihm gemeinsam erlebte.

Aber sie war zur Schule gegangen, und er war wieder auf seine nächste Reise verschwunden.

Er hatte Alyssa und ihrer Mutter gesagt, er müsse reisen, um die Rechnungen bezahlen zu können, doch Alyssa hatte die ständigen Streitereien ihrer Eltern ums Geld mitbekommen. Ihre Mutter hatte sich beklagt, dass ihr Mann das Angebot einer festen Anstellung bei einer Lokalzeitung ausgeschlagen hatte.

Für eine Festanstellung war McCarthy Chambers zu reiselustig, doch obwohl er immer wieder hoffte, mit seiner nächsten Story einen Volltreffer zu landen, gelang ihm nie der ganz große Erfolg.

Als Alyssas Mom dann noch ihre Anstellung als Lehrerin verlor, musste die Familie aus ihrem hübschen kleinen Haus in der idyllischen Allee ausziehen. Mit elf Jahren musste Alyssa Abschied von ihren Freundinnen aus der Nachbarschaft nehmen und mit ihren Eltern in ein ärmliches Ein-Zimmer-Apartment mit papierdünnen Wänden ziehen.

In jenem Monat hatte sie ihren Vater gehasst, obwohl sie ihn zugleich über alle Maßen liebte. Wenn er zu Hause war und alles gut lief, war das Leben mit ihm das reinste Paradies, aber wenn gerade wenig Geld da war und er keine guten Ideen hatte, wurde der Alltag mit ihm unerträglich.

Seit einiger Zeit konnte ihr Dad aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr reisen, und so kamen ihre Eltern finanziell kaum noch über die Runden. Sie lebten von Sozialhilfe, und das war ein Leben, das Alyssa sich für ihre Zukunft auf keinen Fall vorstellte.

Seit sie erwachsen war, konnte sie nachvollziehen, was ihren Dad antrieb. Er liebte seine Familie, aber er hatte auch sein unstetes Junggesellenleben geliebt. Eigentlich hätte er niemals eine Familie gründen dürfen.

Alyssa liebte und verstand ihn, mittlerweile hatte sie ihm sogar ihre ärmliche Kindheit verziehen, aber niemals wollte sie so wie ihre Mutter enden oder gar eigenen Kindern ein solches Leben zumuten.

An ihren zukünftigen Partner stellte Alyssa Chambers eine ganze Reihe von Ansprüchen. Ganz oben auf der Liste stand, dass er sich seiner finanziellen Verantwortung bewusst war und dass er regelmäßig zu Hause war.

Chris besaß nicht einmal ein Sparkonto, geschweige denn eine Krankenversicherung. Er reiste wochenlang durch die Welt und verfasste Reiseberichte.

Selbst als Freund raubte er Alyssa mit seiner Sorglosigkeit oft den letzten Nerv. Dabei war er ein außergewöhnlich guter Journalist und besaß erstklassige Verbindungen zu „Tourist and Travel“, einem der bekanntesten Reisemagazine der Welt. Soweit Alyssa wusste, konnte Chris mit Leichtigkeit genug Artikel verkaufen, um ein solides Jahreseinkommen zu erzielen. Doch stattdessen arbeitete er nur, wenn ihm das Geld ausging, und dann nahm er gleich drei bis fünf Aufträge an und verschwand für zwei Monate.

Die übrige Zeit zog er sich in sein Apartment zurück und arbeitete an einer Romanreihe, die er irgendwann zu veröffentlichen hoffte.

Einerseits bewunderte sie seine Kreativität, doch andererseits verstand sie nicht, wie er diesen Lebensstil ertragen konnte. Einmal hatte sie ihn dazu gedrängt, mit ihr über dieses Thema zu sprechen, und dabei hatte er zugegeben, dass er seine Gehaltsschecks auf ein Konto einzahlte und davon lebte, bis die Summe aufgebraucht war. Erst dann nahm er einen neuen Auftrag an, um wieder an neues Geld zu kommen. Ein paar Monate lang hatte er tatsächlich ausschließlich von Bohnen, Reis und Spaghetti gelebt, weil er, anstatt an einem neuen Auftrag zu arbeiten, lieber zu Hause an seinem Buch geschrieben hatte.

Es war nicht ihr Leben, und trotzdem machte Alyssa allein die Vorstellung jedes Mal nervös.

Das Fazit lautete: Ein Mann wie Chris würde niemals als Partner infrage kommen. Chris begleitete sie manchmal zu Partys, aber ein richtiges Date mit ihm war tabu.

Die beiden Pärchen vor Alyssa und Claire kuschelten sich noch enger aneinander und merkten gar nicht, dass die übrigen und weniger glücklichen Gäste in der Kutsche von diesen Zuneigungsbekundungen lieber nichts mitbekommen wollten.

Das Pferd bog nach links in eine Allee ab, in der der alte Geldadel von Dallas wohnte. Für diese Bürger war ein Ball noch immer ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis, und sie konnten ihre Vorfahren bis in eine Zeit zurückverfolgen, als Texas noch eine eigenständige Republik war.

Solche Leute blieben entweder zu Hause, oder sie nahmen die gesamte Familie mit, wenn sie verreisten.

Claire deutete auf ein großes Haus im Kolonialstil. „Das hier war immer mein Lieblingshaus in der Gegend. Sieh doch! Die kleinen Buchsbäume sind wie Elfen geschnitten!“

Alyssa betrachtete die kunstvoll gestutzten Büsche. Sie wusste, dass hier Russell Starr wohnte.

Russell würde mit Sicherheit einen hervorragenden Kandidaten für ihre Partnerliste abgeben.

Die Starrs gehörten zu den wichtigsten Familien in Texas, seit sie vor über einem Jahrhundert die Starr Resorts gegründet hatten. Die heute weltweit vertretene Luxushotelkette war vor sieben Jahren nach dem Tod von Thomas Starr ins Straucheln geraten, als die Leitung dem damals 23-jährigen Russell übertragen worden war.

Alyssa war mit Russell zur Schule gegangen, daher hatte sie mitverfolgt, welchen Aufruhr es in der Geschäftswelt gegeben hatte, als einem so jungen Mann eine so große Verantwortung übertragen wurde. Alle hatten einen Niedergang der Hotelkette vorausgesagt, doch Alyssa hatte fest an Russells Erfolg geglaubt.

Und sie hatte sich nicht getäuscht. Seit Russell vor sieben Jahren die Führung übernommen hatte, waren die Starr Resorts gewachsen wie nie zuvor. Die Fünf-Sterne-Hotels gab es jetzt auf vier Kontinenten, und zahllose Prominente gehörten zu den Stammgästen.

„Ich hoffe, ich kann ihn bekommen“, murmelte sie. „Ich meine, Starr Industries.“

„Wirklich?“

„So lautet der Plan.“ Leider wusste Alyssa noch nicht, wie sie diesen Plan in die Tat umsetzen sollte. Allerdings musste ihr bald etwas einfallen, denn obwohl sie im ausklingenden Jahr hervorragenden Umsatz gemacht hatte, hatte sie für „Prescott and Bayne“ im letzten Quartal keine neuen Klienten gewinnen können. Damit lag sie deutlich im Schatten von Roland Devries, ihrem Konkurrenten um den Platz des Teilhabers der Anwaltskanzlei.

Direkt nach den Weihnachtsferien würden die Partner der Kanzlei sich treffen und beraten, wen sie zum Juniorpartner ernennen würden.

Alyssa musste unbedingt noch einen neuen Klienten auftreiben, damit nicht letztlich Roland das Ziel erreichte, auf das sie so hart hingearbeitet hatte. Schon während des Jurastudiums hatte sie sich geschworen, mit dreißig Teilhaberin in einer Kanzlei zu sein, und nach dem Studium hatte sie bei Prescott angefangen, weil die Kanzlei einen ausgezeichneten Ruf hatte und weil es hieß, dass man dort schnell Karriere machen könne. Teilhaber einer Anwaltskanzlei, das bedeutete finanzielle Absicherung, und schon deshalb war es Alyssas Traum.

„Glaubst du, du hast eine Chance? Die Anwälte umschwirren Russell doch bestimmt wie Bienen den Honig.“

„Sein Unternehmen hat sogar eine eigene Rechtsabteilung.“

„Und wieso sollte er dann eure Kanzlei beauftragen?“

„Erinnerst du dich noch an die Wohltätigkeitsveranstaltung Anfang des Jahres? Da wurde Geld für Waisenhäuser in China gesammelt. Russell saß mit mir im Komitee und sagte, er spiele mit dem Gedanken, sich eine Kanzlei zu suchen, damit seine Rechtsabteilung sich mehr auf ihre Aufsichtsfunktion konzentrieren könne.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Was spricht da gegen Prescott and Bayne?“

„Nichts, nehme ich an.“ Prüfend sah Claire sie an. „Ein Mann wie Russell Starr wird sicher von vielen Kanzleien angesprochen. Was spricht für euch?“

„Wir haben einen ausgezeichneten Ruf. Außerdem hatte ich wirklich den Eindruck, dass er sich gern mit mir zusammensetzen würde, um eine mögliche Kooperation mit Prescott zu besprechen.“ Sie wurde rot. „Eigentlich wollte ich direkt nach der Wohltätigkeitsgala einen Termin mit ihm ausmachen, aber … da kam es mir etwas unpassend vor.“

Claire runzelte die Stirn. „Wieso?“

Alyssa holte tief Luft. „Weil er mich geküsst hat. Am Abend der Gala.“

„Nicht zu glauben. Was Ernstes?“

„Kommt drauf an. Ist ein siedend heißer Kuss etwas Ernstes?“

Jetzt sah Claire sie mit offenem Mund an. „Wieso weiß ich davon nichts?“

Wieder zuckte Alyssa mit den Schultern. „Damals war ich noch mit Bob zusammen. Es ist einfach so passiert, und ich habe mich danach entsetzlich gefühlt.“

„Ich will jedes Detail hören, und zwar sofort.“

„Da gibt es nicht viel zu erzählen.“ Alyssa bereute bereits, das Thema überhaupt angeschnitten zu haben.

„Fang ganz von vorn an.“ Auffordernd wedelte Claire mit der Hand. „Schieß schon los!“

Seufzend gab Alyssa nach. „Ich war mit ihm auf der Highschool. Wir kennen uns also schon eine Ewigkeit.“

Ungläubig hob Claire die Augenbrauen. „Du warst mit Russell Starr auf der Highschool?“

„Ehrlich gesagt bin ich fast sicher, dass seine Familie mir mein Stipendium bezahlt hat.“ Sie blickte wieder zum Haus der Starrs und seufzte. So eine Familie brauchte sich keine Gedanken darüber zu machen, wann der nächste Gehaltsscheck eintraf.

„Wart ihr befreundet?“

„Damals nicht. Er war eine Klasse über mir, aber alle Mädchen haben von ihm geschwärmt. Du weißt schon, er war der Typ, den alle haben wollten.“

„Verstehe. Aber kommen wir zurück zu diesem Kuss. Was ist genau passiert? Hat er dich um ein Date gebeten?“

„In gewisser Weise. Mein Auto hatte einen Platten, und da hat er mich nach Hause gebracht. Auf dem Weg schlug er vor, wir könnten doch noch etwas trinken gehen.“

Der Abend war wunderbar gewesen. Sie hatten Wein getrunken, gelacht und sich zwischendurch tiefe Blicke zugeworfen. Als Russell sie anschließend heimgefahren hatte, hatte sie ihn noch hereingebeten, aber er hatte abgelehnt.

Stattdessen hatte er sich zu ihr gebeugt, sich für den wundervollen Abend bedankt und sie sehr zart, aber auch sehr vielversprechend geküsst. Sie hatte das Prickeln bis in die Zehenspitzen gefühlt, selbst als Russell sich bereits abgewandt hatte und zurück zum Wagen ging.

Wie ein Idiot hatte sie vor ihrer Apartmenttür gestanden.

Am nächsten Morgen war Bob zum Frühstück gekommen, und Alyssa hatte ihre Träumereien vom Märchenprinzen verdrängt. Sie war mit Bob zusammen, der Drink war nicht mehr gewesen als ein Drink, und der Kuss war nichts als eine süße Erinnerung.

Ab und zu hatte sie sich dann aber doch der Fantasie hingegeben, was hätte passieren können, wenn Russell mit in ihr Apartment gekommen wäre.

Sie seufzte, und ihr Atem kondensierte in der kalten Luft.

„Wow“, stellte Claire fest. „Mist, dass dir dieser Vogel entwischt ist.“

Entnervt verdrehte Alyssa die Augen. „Ich hatte diesen Vogel nie in der Hand.“

„Dafür ärgerst du dir sicher ein Loch in den Bauch. Er hat dir einen Abschiedskuss gegeben, und du hast dich nicht wieder bei ihm gemeldet? Ihm nie gezeigt, dass du auch interessiert bist?“

„Ich war mit Bob zusammen.“ Alyssa sprach es nur leise aus, weil sie genau wusste, dass Claire sich sofort auf diesen Punkt stürzen würde.

„Und das hast du ihm gesagt?“

„Claire, Bob und ich waren fest zusammen. Es war ihm ernst, zumindest dachte ich das. Ja, ich habe es Russell gegenüber erwähnt.“

Jetzt verdrehte Claire die Augen. „So was darfst du niemals tun. Die Kerle dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, bis du verheiratest bist.“ Obwohl Alyssa unwillig das Gesicht verzog, fuhr Claire fort: „Hast du dich denn nach der Trennung von Bob bei Russell gemeldet?“

„Nein, natürlich nicht!“

Verständnislos schüttelte Claire den Kopf. „Wenn Joe nicht so ein Idiot wäre und du nicht so gehemmt, dann könnten wir hier heute Abend als zwei Pärchen sitzen und nicht als zwei Freundinnen, die miteinander Kutsche fahren.“

Alyssa seufzte. Claire hatte absolut recht.

Sie betrachtete die funkelnden Lichter an den Häusern. Die Kinder gingen von Tür zu Tür und sangen Weihnachtslieder, und Pärchen spazierten Arm in Arm und küssten sich.

Überall lag Romantik in der Luft, nur nicht hier auf der hintersten Kutschbank.

2. Kapitel

„Lass das Messer fallen.“

„Niemals.“ Max-Dalton umklammerte das kleine Taschenmesser und ließ den Lauf von Eli Whitackers Pistole keine Sekunde aus den Augen. Er war in dieses verlassene Lagerhaus eingebrochen, weil er gehofft hatte, hier einen Hinweis darauf zu finden, wohin Whitacker das Mädchen verschleppt hatte. Leider hatte er Whitacker selbst gefunden.

„Ich sagte, lass das Messer fallen“, wiederholte Eli.

Max überdachte seine Chancen. Das alles lief nicht wie geplant. Resigniert ließ er das Messer fallen.

„Gut so. Und jetzt sei so nett und knie dich hin.“

„Das werde ich nicht.“

Elis Grinsen wurde stärker. „Kein Problem, dann stirbst du eben im Stehen.“

Langsam krümmte Eli den Finger, und Max rechnete damit, jeden Moment eine Ladung Blei in den Bauch zu bekommen.

Das Einzige, was ihm in dieser Situation einfiel, war, sich nach links auf den Boden zu werfen.

Noch während er das tat, wurde er durch einen lauten Knall fast taub, und er zuckte zusammen, weil jetzt der Schmerz kommen würde.

Doch er spürte keinen Schmerz.

Dort stand Eli, und auf seiner Brust breitete sich ein roter Fleck aus. Er öffnete den Mund, und blutiger Schaum trat zwischen seinen Lippen hervor.

Dann sank Eli auf die Knie, und hinter ihm sah Max eine Frau stehen, die eine Waffe in ihren zitternden Händen hielt.

Sie war es.

Dunkles Haar fiel ihr in sanften Wellen bis auf die Schultern, ihre vollen Lippen waren fest aufeinandergepresst, und ihre grünen Augen schimmerten. Die langen schlanken Beine hatte sie leicht gespreizt, und sofort malte Max sich aus, diese Schenkel an seinen Hüften zu spüren.

Er sah sie, und in demselben Moment begehrte er sie. Sie war seine Fantasie und Inspiration.

„Alyssa“, flüsterte er. „Alyssa, du lebst.“

Christopher Hyde blickte auf seinen Monitor und runzelte die Stirn. Dann löschte er die letzte Zeile aus und ersetzte den Namen Alyssa durch Alicia.

Unzufrieden schüttelte er den Kopf. Nein, das war immer noch zu nah an der Wirklichkeit. Wieder löschte er die Zeile und nannte die Femme fatale in seinem zweiten Max-Dalton-Roman Natalia.

Schon besser.

Die Beschreibung ähnelte zwar immer noch sehr stark Alyssa, aber er brachte es nicht fertig, daran etwas zu ändern. Vielleicht würde er, wenn der Roman erst fertig war, die Haarfarbe von Schwarz in Rot ändern, doch im Moment sah er in Gedanken sowieso nur immer Alyssa vor sich, wenn er sich Natalia vorstellte.

Ja, sie war tatsächlich das Mädchen seiner Träume.

Schon bevor er Alyssa kennengelernt hatte, hatte er an seinem ersten Max-Dalton-Roman geschrieben. Seit Jahren ging ihm dieser Charakter durch den Kopf. Max Dalton war reich und unabhängig, reiste um die Welt und nahm die Aufträge an, die ihm das meiste Geld einbrachten. Max war genauso reiselustig wie Chris, und obwohl Chris noch nie ein Kind befreit hatte, das von Terroristen entführt worden war, und auch noch nie in Berghöhlen nach alten Artefakten gesucht hatte, schmückte er Max’ Charakter mit all seiner Fantasie aus.

Seine eigene Kindheit war langweilig und eintönig gewesen. Bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr war er nie aus dem kleinen Ort in Texas herausgekommen. Doch er hatte jede Ausgabe des „National Geographic“ gelesen und sich ausgemalt, wie er all die beschriebenen Orte selbst bereiste und dort Abenteuer erlebte.

Das Journalistikstudium war seine Chance gewesen, aus der Enge seines Heimatorts zu fliehen, und jetzt reiste er um die Welt und schrieb über seine Erlebnisse. Mit ein bisschen Glück würde er eines Tages zusätzlich zum Einkommen aus seinen Reiseberichten mit seinen Max-Dalton-Romanen noch viel mehr Geld verdienen.

Mit dem ersten Band war es ihm bereits gelungen, eine Agentin zu finden, die unermüdlich versuchte, seinen Roman bei einem Verlag unterzubringen.

Das alles dauerte Zeit, und um sich abzulenken, stürzte Chris sich in Max Daltons zweites Abenteuer. In dieser Geschichte trat eine Frau in Max’ Leben. Ob sie auf seiner Seite stand oder nicht, war nicht ganz klar, aber auf jeden Fall war sie seine Geliebte.

In Chris’ Fantasie trug sie Alyssas Züge.

Er konnte sich noch genau an den Tag erinnern, als sie ins Nachbarapartment gezogen war. Sie hatte versucht, einen alten hässlichen Sessel vom gemieteten Lieferwagen in ihr Apartment zu schleppen, und Chris hatte ihr seine Hilfe angeboten, entweder beim Schleppen oder beim Verbrennen, ganz wie sie wollte. Einen Moment lang hatte sie ihn fassungslos angesehen, und er hatte schon befürchtet, zu weit gegangen zu sein, doch dann hatte sie sich erschöpft in den Sessel fallen lassen und laut zu lachen angefangen.

Der Sessel sei ein Geschenk ihres Vaters, hatte sie erklärt und mit den Schultern gezuckt. „Also wird dieser Sessel in meinem Wohnzimmer einen Ehrenplatz bekommen.“

Sie war sexy und witzig. Das war eine Kombination, die Chris überwältigend fand.

Doch das hatte er Alyssa nie gesagt. Sie sah in ihm einen Freund, keinen leidenschaftlichen Liebhaber, und daran trug ganz allein er selbst die Schuld.

In der ersten Zeit war sie mit einem anderen Mann zusammen gewesen. Ob er Bob oder Bill hieß, wusste Chris nicht mehr, aber er war ganz offensichtlich nicht gut für sie gewesen. Doch Chris machte sich nun mal nicht an Frauen heran, die in festen Händen waren, auch wenn sie noch so sexy waren.

Aber selbst an jenem wunderbaren Tag, als sie Bob den Laufpass gegeben hatte, hatte Chris seine Chance nicht genutzt. Er hatte nicht einmal angedeutet, was er empfand.

Sie war zu ihm gekommen, hatte ihm von der Trennung erzählt und vorgeschlagen, sie könnten sich doch zusammen irgendeinen Actionfilm ansehen, bei dem man nicht nachdenken musste.

Während Alyssa gebannt die Ganovenjagden und Explosionen verfolgt hatte, hatte Chris die ganze Zeit überlegt, wie er ihr erklärte, dass er sich in sie verliebt hatte. Am Ende des Films hatte sie ihn bedrückt angelächelt und nach seinen Händen gegriffen.

In diesem Moment hätte er tun sollen, was Max Dalton getan hätte. Er hätte sich vorbeugen und sie küssen sollen, um ihr anschließend in klaren Worten zu sagen, dass er sich mehr von ihr wünschte als nur Freundschaft.

Doch wenn es um Frauen ging, schaffte Chris es einfach nicht, so draufgängerisch zu sein wie Max Dalton.

„Danke, dass ich bei dir sein durfte“, hatte sie gesagt. „Ich habe wirklich einen wahren Freund gebraucht.“

Er hatte geschluckt, weil ihre Worte sich wie Messerstiche angefühlt hatten. In dem Augenblick war ihm klar geworden, dass er bei dieser Frau keine Chance hatte, nicht mal als Mann zur Ablenkung vom Trennungsschmerz.

Aber irgendetwas musste er unternehmen. Alyssa war in seinen Gedanken, in seinen Träumen und jetzt auch noch in seinen Büchern. Max Dalton war ein Frauenheld, verdammt, und wechselte mit jedem Auftrag die Frau. Er verliebte sich nicht!

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