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Pine Hollow – Vier Pfoten und ein Date

Als Buch hier erhältlich:

Ein sanfter Riese, der zwei Herzen erobert

Connor Wyeth hat immer einen Plan. Aber als er den eigensinnigen Irischen Wolfshund Mischling Max bei sich aufnimmt, gerät sein Leben völlig in Unordnung. Die einzige Person, der Max zu gehorchen scheint, ist Deenie. Connor kann sich nicht vorstellen, dass ausgerechnet diese zierliche, unerträglich gut gelaunte junge Frau den grauen Riesen bändigen soll. Allerdings ist er inzwischen verzweifelt genug, um ihr wenigstens eine Chance zu geben. Als Deenie ihm dann auch noch bei einem beruflichen Termin zur Seite springt, sieht er sie plötzlich mit ganz anderen Augen ...


  • Erscheinungstag: 21.07.2022
  • Aus der Serie: Pine Hollow
  • Bandnummer: 2
  • Seitenanzahl: 304
  • ISBN/Artikelnummer: 9783749903719
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Zum Buch

Deenie liebt das Leben und ihre Freiheit. Sie bleibt nie lang an einem Ort, macht keine Pläne und handelt immer spontan. Doch ihre geliebte Großtante braucht sie jetzt, deshalb wird sie für einige Zeit in Pine Hollow bleiben, Prinzessinnenpartys für Kinder organisieren und nebenbei im örtlichen Tierheim aushelfen. Wenn nur dieser nervtötend spießige und immer gut organisierte Connor Wyeth nicht wäre. Als er zugibt, dass er mit dem Irischen Wolfshundmischling Max überfordert ist, sagt sie dennoch zu, ihm bei dessen Erziehung zu helfen. Diese Schwäche zuzugeben, scheint ihm schwerzufallen. Plötzlich beginnt Deenie, hinter seine perfekte Fassade zu sehen, und stellt fest, dass viel mehr in ihm steckt, als sie dachte, und dass sie ihre nächste Reise gar nicht so sehr herbeisehnt.

Zur Autorin

Lizzie Shane ist Filmjunkie und Buchnerd, seit sie denken kann. Nach einem kurzen erfolglosen Abstecher ins Showbusiness kam sie zurück in ihre Heimatstadt im kalten Alaska und widmete sich ihrer zweiten großen Leidenschaft: dem Schreiben von Liebesromanen. Seither gewann sie zahlreiche Auszeichnungen für ihre Geschichten.
Lizzie Shane reist gern und ist häufig bei Facebook anzutreffen, wo sie über ihre aktuellen Lieblingsbücher und die neuesten Folgen der wichtigsten ­TV-Shows tratscht.

1. Kapitel

Rückblickend war der spontane Kauf eines 60-Kilo-Wolfshundmischlings vielleicht nicht die beste Idee gewesen. Als er aus seinem Arbeitszimmer trat und die ruinierte 6000-Dollar-Couch sah, musste Connor Wyeth dies umstandslos einräumen.

Nicht dass er viele Spontankäufe tätigte. Genau genommen gar keine.

Connor war ein Planer. Selbst Maximus – der vierbeinige Übeltäter, der die massive Couch quer durchs Wohnzimmer gezerrt und die Kissen zerfetzt hatte, sodass der gesamte Raum mit weißem Flaum bedeckt war – hatte zu einem Plan gehört.

Nur eben zu keinem gut durchdachten.

Max’ donnerndes Bellen hallte von der hohen Decke wider, während der riesige Kerl zwischen der Eingangstür und dem Tatort Wohnzimmer fröhlich hin- und herstolzierte. Als er Connor entdeckte, kam er schlitternd auf dem blanken Parkett zum Stehen und rannte dann zur Haustür. Er bellte erneut, diesmal irgendjemanden an, den er durch die Glasscheibe neben der dunklen Holztür sah. Dann blickte er über seine zottelige Schulter zu Connor hin und hechelte, die Zunge seitlich aus dem Maul heraushängend. Es war, als wollte er sagen: Komm endlich, du verpasst ja hier den ganzen Spaß!

Und Connor begriff wieder einmal, wie überfordert er als Hundebesitzer war.

Da er Maximus ursprünglich als Wachhund und Frühwarnsystem angeschafft hatte, um seine Freunde daran zu hindern, einfach in sein Haus zu marschieren, wann immer ihnen danach war, hatte sein Hundetrainer ihm geraten, Max für das Anbellen von Eindringlingen zu loben. Andererseits sollte er Max tadeln, wenn er etwas anstellte, wie zum Beispiel die Möbel zerlegte. Doch ihn jetzt zu tadeln, würde nichts nützen – nicht dass es bisher je etwas genützt hätte –, daher fand Connor sich mit dem Verlust der Couch ab und ging zur Tür.

Er hielt Max am Halsband fest, um ihn daran zu erinnern, dass er nicht an Gästen hochspringen und ihnen das Gesicht ablecken durfte, und machte auf.

»Betteln und Hausieren verboten«, knurrte Connor einen seiner drei besten Freunde an, der eine prall gefüllte Tasche sowie einige Aufstellschilder in den Armen hielt. Obwohl er die Schilder quer hielt, war die Aufschrift gut lesbar: Benjamin West als Bürgermeister. Die richtige Wahl für Pine Hollow.

Die Schilder waren ein guter Vorwand, aber sie wussten beide, dass Ben nicht wegen der bevorstehenden Wahl hier war. Zumindest nicht heute.

Connors Miene verdüsterte sich, doch Ben schob sich unbeirrt an ihm vorbei. »Ich hab was zu essen mitgebracht.«

»Und Aufstellschilder.«

Connor schloss die Tür und ließ Max los. Prompt stürzte sich der Hund auf Ben und schnüffelte an der Tüte. Da diese langsam seinem gierigen Maul entgegenrutschte, brachte Connor das Essen schnell in Sicherheit, sodass Ben sich die Schuhe ausziehen und die Schilder ans Fenster lehnen konnte.

»Die werde ich nicht aufstellen«, warnte Connor ihn. »Ich habe mich noch gar nicht entschieden, für wen ich stimme.«

Ben ignorierte diese Lüge und ging mit dem Essen in die Küche. »Tandy Watts hat ein Banner an ihrer Veranda angebracht, das man sogar aus dem Weltall sehen kann.«

Normalerweise hätte Connor ihn jetzt damit aufgezogen – wozu sonst waren Freunde da? –, aber die Unsicherheit in Bens Stimme veranlasste ihn stattdessen zu ermutigenden Worten. »Niemand stimmt für Tandy Watts. Sie kandidiert nur, um den Flächennutzungsplan zu ändern, den ihr letztes Jahr zu ihrem Nachteil beschlossen habt, und alle im Ort wissen es. Du hast Erfahrung im Stadtrat, und du bist Delias Wahl. Entspann dich also.«

»Ich habe keine Ahnung, warum ich für das Bürgermeisteramt kandidieren wollte«, murrte Ben und stutzte, als er jenseits der Kücheninsel das Ergebnis der Flaumexplosion sah. »Dekorierst du um?«

Connor stellte sich Ben in den Weg, um ihm die Sicht zu versperren. Nicht zum ersten Mal, seit er das weitläufige, offen gestaltete Haus gekauft hatte, wünschte er sich, es wäre ein bisschen weniger weitläufig und offen. »Max hat auf der Couch gespielt, während ich gearbeitet habe. Ich hatte noch keine Zeit aufzuräumen.«

Der Hund nutzte den Moment, um an ihnen vorbeizurennen und mit Anlauf auf die Couch zu springen, wodurch diese über das glatte Parkett auf den – sehr zerbrechlichen – gläsernen Couchtisch zuschlidderte. Zum Glück schlidderte auch der Tisch nur, statt umzukippen und zu zerbersten. Maximus schleuderte begeistert ein Kissen durch die Luft.

»Max!« Connor versuchte den Ton anzuschlagen, den der Hundetrainer benutzte und bei dem alle Hunde im Training noch ein bisschen besser aufzupassen schienen. Maximus spitzte die Ohren und sah mit einem hechelnden Hundegrinsen in Connors Richtung.

»Aus!«, befahl Connor.

Der Hund legte verwirrt den Kopf schief.

»Aus!«, wiederholte Connor und ging zur Couch, um Maximus herunterzuzerren – was leichter gesagt war als getan, weil der betreffende Hund fast so viel wog wie ein erwachsener Mensch und begeistert Connors Gesicht ableckte.

Es endete damit, dass Connor das Tier von der Couch hob und es mit einem letzten strengen »Aus!« auf den Boden stellte.

Während Max weiter sein Gesicht abschleckte.

»Hast du mal überlegt, ihn zu erziehen?«, fragte Ben, nachdem er das Essen in der Küche abgestellt hatte.

»Ich erziehe ihn«, fuhr Connor ihn an, immerhin scharf genug, dass Max beim Gesichtabschlecken innehielt und aufhorchte.

»Ach so?« Ben verschränkte die Arme. »Dir ist klar, dass du zu den Trainingsstunden, die du gebucht hast, auch hingehen musst, damit sie Wirkung zeigen, oder? Obwohl ich mir sicher bin, dass Ally dein Geld trotzdem gern nimmt.«

Bens Freundin Ally leitete das örtliche Tierheim, das für diejenigen, die einen Hund von Furry Friends adoptiert hatten, Hundetraining zu reduzierten Preisen anbot. Und zu ebendiesem Training hatte Connor jeden Montag erscheinen wollen. Bis die Arbeit dann doch wieder überhandgenommen hatte. Wie immer.

»Ich habe vergessen, sie in meinen Terminkalender einzutragen.«

Ben schnaubte verächtlich. »Du vergisst nie etwas.«

»Na schön.« Es war nervig, dass seine Freunde ihn so gut kannten. »Ich hatte viel um die Ohren.«

»Hast du immer. Mir ist in jüngster Zeit klar geworden, dass viel Arbeit ein Privatleben nicht ausschließen muss. Eine faszinierende Entdeckung. Solltest du mal in Betracht ziehen.«

»Eine Entdeckung zu machen?«, fragte Connor sarkastisch.

»Ein Privatleben zu haben.«

»Mit meinem Leben ist alles okay«, knurrte er, sah dabei jedoch Maximus an statt Ben, da sein Freund das andernfalls nicht unwidersprochen stehen gelassen hätte.

Connors Leben war alles andere als okay. Besonders heute. Nur wollte er nicht darüber reden.

Nicht mit Levi, der heute Morgen vorbeigeschaut hatte, weil er »gerade in der Gegend« war. Nicht mit seiner Mutter, die ihn heute bereits drei Mal angerufen hatte, mit vorgeschobenen Dingen, zu denen sie unbedingt seine Meinung hören wollte. Nicht mit Mac, der ganz sicher auftauchen würde, sobald der Betrieb in The Cup am Nachmittag nachließ.

Und schon gar nicht mit Ben.

Der war nämlich momentan in diesem unausstehlich selbstzufriedenen Liebeszustand, wo nur noch all die wundervollen Aspekte einer Beziehung zählen und man eine strategische Amnesie für den Mist entwickelt, der einem den Boden unter den Füßen wegzieht, wenn das Ganze in die Brüche geht.

Wenn man zum Beispiel beim Nachhausekommen statt der Verlobten einen Post-it-Zettel vorfindet.

Maximus schnappte nach einer durch die Luft segelnden Daune, und Connor konzentrierte sich auf den Hund, der eine willkommene Ablenkung von derlei Gedanken war. »Das ist deine Schuld«, warf er Ben vor und richtete sich auf, um für den versprochenen Lunch in die Küche zu gehen. »Du warst ja der Meinung, dass ich unbedingt einen Hund brauche.«

»Du brauchst wirklich einen.«

Ärgerlicherweise hatte Ben natürlich recht. Connor hatte sich zu sehr eingeigelt, angefangen vor genau einem Jahr, indem er sich nur noch der Arbeit widmete – möglicherweise ein wenig obsessiv.

Maximus sollte das Gegenmittel sein.

Connor konnte sich nicht mehr täglich bis ein Uhr nachts in die Arbeit vergraben, wenn er einen Hund besaß, der gefüttert und ausgeführt werden musste. Auch wenn das Gassigehen eher darin bestand, von Maximus durch die Nachbarschaft geschleift zu werden. Der Wolfshundmischling war als Welpe nicht erzogen worden, weshalb er jetzt einer ausgewachsenen Abrissbirne gleichkam, die aus nichts als Liebe bestand.

Connor hätte ihn um nichts in der Welt mehr eintauschen wollen.

Ben packte die Lunchboxen aus The Cup aus, und Connor versuchte, nicht daran zu denken, ob er mal wieder das Hauptthema gewesen war, während Mac die Bestellung eintütete. Das Café war der Ort für Klatsch und Tratsch in Pine Hollow. Wahrscheinlich durfte er nicht darauf hoffen, dass die ganze Stadt vergessen hatte, welcher Tag heute war. Der erste Februar.

Es wäre schön gewesen, wenn Connor den Jahrestag seiner öffentlichen Demütigung ohne Kommentare hätte begehen können, aber so war das Leben in einer Kleinstadt nun mal nicht.

Er wusste, dass die Leute ihn unterstützten, aber ihr Mitleid fühlte sich an wie Säure auf der Haut.

»Du solltest wirklich zum Hundetraining kommen«, meinte Ben, als er Connors übliche Bestellung über die Kücheninsel schob und sie beide zu essen begannen. »Selbst Partridge macht Fortschritte, und der besitzt nun wirklich keine allzu große Auffassungsgabe.«

Ben und seine Nichte, die bei ihm lebte, hatten eine sabbernde Bulldogge aufgenommen, etwa zur gleichen Zeit, als Maximus bei Connor eingezogen war.

»Partridge hat Astrid«, machte Connor ihn auf den unfairen Vergleich aufmerksam. »Die würde jede wache Sekunde auf sein Training verwenden, wenn sie könnte.«

»Stimmt auch wieder. Und ich stehe voll und ganz hinter ihrer Besessenheit. Wenn sie mit Partridge arbeitet, verzichtet sie wenigstens auf ihre nicht sehr feinfühligen Anspielungen, dass ich Ally endlich einen Heiratsantrag machen soll.«

Connor schrak bei diesen Worten zusammen. »Schon?«

Die beiden waren erst knapp zwei Monate zusammen. Jetzt bereits über eine Hochzeit zu sprechen, war verrückt. Andererseits – Connor war mit Monica drei Jahre zusammen gewesen und zwei weitere mit ihr verlobt, und trotzdem hatte sie dreizehn Tage vor der Hochzeit beschlossen, dass sie doch nicht ihr Leben mit ihm verbringen wollte.

Vielleicht war die schnelle Methode die bessere. Sich darauf einlassen, bevor einem Zweifel kommen konnten.

Ben fluchte leise vor sich hin, als er Connors Gesicht sah. »Tut mir leid. Ausgerechnet heute hätte ich nicht davon anfangen sollen. Ich habe nicht nachgedacht.«

Und da waren sie dann also beim heutigen Datum. Dem Jahrestag. Für gewöhnlich war Ben nicht derart direkt. Das ganze letzte Jahr über hatten sie es vermieden, über die, deren Name nicht genannt werden durfte, zu reden.

Connor wechselte entschlossen das Thema. »Willst du diese Schilder überall in der Stadt verteilen, oder erwartest du von mir, dass ich alle drei in meinem Vorgarten aufstelle?«

Ben musterte ihn für einen Moment, bevor er den Themenwechsel akzeptierte. »Na ja, dein Vorgarten ist groß.«

»Stimmt, aber drei Schilder scheinen mir trotzdem ein wenig übertrieben zu sein, findest du nicht? Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich dermaßen unterstütze. Auch nach dreißig Jahren hat Freundschaft noch ihre Grenzen.«

»Ein Schild für jedes Jahrzehnt. Das ist doch nur fair.« Bens Handy gab einen Signalton von sich, und er schaltete es stumm, während er sich von seinem Barhocker erhob. »Ich muss zurück an die Arbeit. Sehe ich dich heute Abend wirklich bei Furry Friends?«

»Ja, selbstverständlich. Ich habe die Trainingsstunden nicht absichtlich ausfallen lassen.« Zumindest nicht nur. »Ich habe einfach zu viel um die Ohren.«

Ben ging zur Tür, und Connor begleitete ihn, während Maximus’ Schnarchen durchs Wohnzimmer hallte.

»Wie läuft die Partnersache?«, fragte Ben und bückte sich nach seinen Schuhen.

»Ist noch zu früh, um etwas sagen zu können.«

»Viel Glück.« Ben zögerte, nachdem er seine Schuhe angezogen hatte, und Connor widerstand dem Impuls, ihn zur Tür hinauszuschieben, bevor er wieder vom Jahrestag anfangen konnte.

Glücklicherweise verschwand Ben ohne weitere besorgte Blicke, und Connor schloss die Tür hinter ihm. Er fragte sich, ob er Macs unausweichlichen Besuch irgendwie verhindern konnte. Bei Mac war es am wahrscheinlichsten, dass er fragen würde, wie Connor sich fühlte.

Seine Freunde und seine Familie machten sich Sorgen um ihn, aber es ging ihm gut. Zumindest war er auf dem besten Weg dorthin.

Er hatte jetzt einen Plan.

Der Plan war der Grund, warum er Max hatte. Der Grund, warum er definitiv Partner werden würde. Außerdem würde dieser Plan ihn wieder dem Leben näher bringen, das er längst führen sollte. Mit dem perfekten Job, dem perfekten Haus, der perfekten Familie.

Das Haus hatte er schon. Der Job war ihm so gut wie sicher, nachdem er in den vergangenen zwölf Monaten mehr Stunden als jeder der anderen Teilhaber seiner Anwaltskanzlei gearbeitet hatte. Und die Familie würde folgen, sobald er Zeit für die Suche nach der Richtigen erübrigen konnte. Eine Frau, die alles zu schätzen wusste, was er zu bieten hatte – Stabilität, Loyalität, Verlässlichkeit. Eine Frau, die nicht bloß sagte, dass sie all das wollte, um dann zwei Wochen vor dem Ehegelöbnis nach Indien zu verschwinden. Eine Frau, die bleiben würde.

Es war nicht Connors Absicht gewesen, so lange keine Beziehung mehr zu haben. Es hatte eine ganze Reihe fester Freundinnen in seinem Leben gegeben. Seine Highschool-Freundin, von der er sich in Freundschaft getrennt hatte, um in Yale zu studieren. Seine College-Freundin, die sich in Freundschaft von ihm getrennt hatte, als sie beide an entgegengesetzten Enden des Landes Jura studierten. Seine Freundin während des Studiums, von der er sich in Freundschaft getrennt hatte, da sie in D. C. bleiben und für ein Berufungsgericht arbeiten wollte, während er zurück nach Vermont ziehen wollte, um sich auf Gesellschaftsrecht zu spezialisieren und eine Familie zu gründen.

Und dann war da noch Monica.

Da seine Verlobte ihn per Post-it zwei Wochen vor der Hochzeit abserviert hatte, konnte diese Trennung beim besten Willen nicht als freundschaftlich bezeichnet werden.

Also ja, vielleicht war er ein wenig verbittert und wütend gewesen. Vielleicht hatte er sich auch ein wenig zu sehr in die Arbeit gestürzt und dabei die weibliche Hälfte der Menschheit etwas inbrünstiger verflucht, als sie es verdient hatte. Und ja, möglicherweise war er Frauen auch aus dem Weg gegangen – mit Ausnahme eines gelegentlichen, stets unverbindlichen Tinder-Dates, wenn er geschäftlich in New York zu tun hatte. Doch das lag alles hinter ihm. Dieses Jahr würde er neu starten. Dank des Plans.

Connor hatte es eilig, sich wieder an die Arbeit zu machen, aber er wusste, dass er keine Ruhe finden würde, solange er die Bescherung im Wohnzimmer nicht beseitigt hatte. Er hatte gerade die Couch zurück an ihren Platz geschoben, als Maximus schnaufend erwachte. Der Hund trottete heran, um zu »helfen«, indem er die Vorderpfoten auf die Couch legte und mit offenem Maul sein Hundegrinsen zeigte.

»Bist du zufrieden mit dir?« Connor nahm den riesigen Kopf des Hundes zwischen die Hände und zauste ihm die Ohren. Der Hund seufzte und sah Connor mit seinen treuen schwarzen Augen voller Liebe an, während Connor das Gleiche sagte wie schon fünfhundert Mal in den fünf Wochen, seit er Hundebesitzer geworden war. »Du darfst nicht aufs Sofa.«

Oder auf die Küchenarbeitsplatte. Oder auf das Dach meines Autos.

Aber wie sollte er Maximus das beibringen, wenn er ihn körperlich nicht bezwingen konnte?

»Heute Abend gehen wir mal wieder zum Training«, informierte er Max. »Auch wenn alle mich mitleidig ansehen werden.«

Er schubste Maximus weg und fegte die Kissenfüllung von der Couch. Bei näherer Betrachtung sah es so aus, als hätte die Couch Maximus’ Übermut weitgehend heil überstanden. Nur eines der Kissen war geplatzt und hatte seinen Inhalt auf das Parkett schneien lassen.

Da das Kissen eine von Monicas Anschaffungen war, hatte Max ihm vielleicht sogar einen Gefallen getan.

Connors Handy klingelte, während er Max’ Kopf tätschelte. »Guter Hund. Tu das nie wieder.«

Er führte Max am Halsband ins Arbeitszimmer und machte die Tür zu, um ihn im Auge behalten zu können, während er arbeitete. Auf diese Weise begann er jeden Tag, nur neigte er dazu, sich so in seine Tätigkeit zu vertiefen, dass er den Hund einfach hinausließ, sobald dieser an der Tür kratzte. Ihm wurde dann erst klar, was er getan hatte, wenn es in der Küche krachte. Oder im Wohnzimmer. Oder im Badezimmer.

Connor las den Namen seines Mentors auf dem Display und nahm den Anruf rasch per Bluetooth entgegen, ehe der Anrufbeantworter anspringen konnte. »Davis, wie geht es dir?«

Der Kanzleipartner, der Connor bei Sterling, Tavish & Karlson unter seine Fittiche genommen hatte, räusperte sich hörbar, ein Tick, der, wie Connor mittlerweile wusste, mit schlechten Neuigkeiten einherging. Er stützte sich mit einer Hand auf den Schreibtisch, und Max beobachtete ihn besorgt von seinem Hundekorb aus.

»Connor. Ich hatte gerade die Gelegenheit, mir den Johnson-Vertrag anzusehen, und ich wollte dir sagen, wie zufrieden die ganze Firma mit deiner Arbeit ist.«

Connor runzelte die Stirn. Davis Aquino rief nie an, um ihn zu loben. Niemand hatte Zeit für so etwas. »Du rufst mich nicht an, um mir zu sagen, ich hätte einen guten Job gemacht.«

Erneut folgte das Räuspern, diesmal begleitet von einem dramatischen Seufzer. »Sieh mal, Connor. Du bist unser Arbeitstier. Jeder weiß, wie viel du für diese Firma tust, und ich weiß, du hast gehofft, dieses Jahr Partner zu werden …«

Verdammter Mist. »Aber?«

»Wir wollen dich nicht verlieren. Du bist ein Mitarbeiter von unschätzbarem Wert, aber im Augenblick neigen die Seniorpartner in eine andere Richtung.«

»Soll das ein Witz sein?« Diese ungefilterte Reaktion erlaubte er sich nur, weil er mit Davis sprach, nicht mit einem der anderen Kanzleipartner. »Was glauben die denn, wer mehr für die Firma tut als ich?«

»Keiner arbeitet so hart wie du, aber genau das bereitet einigen der Teilhaber Sorge. Sie befürchten, du könntest dich zu sehr verausgaben. Dass du keine Work-Life-Balance hast oder sonst ein Ventil zum Stressabbau und deshalb mit fünfunddreißig ausgebrannt sein könntest.«

»Ich brauche kein Ventil zum Stressabbau«, erwiderte Connor und versuchte dabei seinem Ton die Schärfe zu nehmen. »Ich komme klar.«

»Gut«, sagte Davis. »Das ist gut. Aber da gibt es noch weitere Bedenken.«

Connor rang um Geduld. Er hatte diese Kanzlei sorgfältig ausgewählt, um sich dort entwickeln zu können. Seit Jahren war er der perfekte Mitarbeiter, und sie hatten Bedenken? »Als da wären?«

»Bei einer Partnerschaft geht es nicht nur darum, ein Workaholic zu sein, sondern auch darum, uns zu repräsentieren. Ein Vorbild für die Firma und die Gesellschaft zu sein. Da ist der soziale Aspekt, und da du hauptsächlich von zu Hause arbeitest …«

»Wir waren uns doch einig, dass das am sinnvollsten ist. Weniger mit Pendeln vergeudete Zeit.« Die Kanzlei hatte ihren Sitz in Burlington, doch da viele Mandanten außerdem in New York arbeiteten, besaß Connor eine Zulassung für beide Bundesstaaten. Er traf seine Mandanten so selten in der Kanzlei, dass Davis ihn geradezu ermutigt hatte, von zu Hause aus zu arbeiten.

»Das stimmt, aber es hat auch etwas für sich, präsent zu sein.«

»Dann komme ich eben öfter in die Kanzlei.« Er würde jemanden finden müssen, der sich um Maximus kümmerte. Vielleicht kannte Ally jemanden.

»Es geht nicht darum, öfter in der Kanzlei zu sein. Es betrifft auch unsere Veranstaltungen. Du weißt, dass wir in der Kanzlei Wert auf unser Engagement in der Gemeinde und unsere Wohltätigkeitsarbeit legen. Und seit mindestens einem Jahr hast du dich nirgends blicken lassen.«

Seit er nicht mehr das leuchtende Vorbild war, mit der perfekten Frau an seiner Seite, sondern einer, bei dem man sich mitfühlend erkundigte, wie es ihm ging. Seitdem hatten sich diese Veranstaltungen für ihn von geselligen zu quälenden Ereignissen gewandelt. »Mir ist klar, dass ich nicht mehr so aktiv war, aber ich schlage ein neues Kapitel auf.«

»Hör mal, Connor, ich mag dich sehr. Du wärst sofort meine erste Wahl, aber es ist nicht meine Entscheidung, und Brent und vor allem Lila suchen nach jemand anderem. Ich wollte es dir nur sagen, damit du nicht aus allen Wolken fällst. Du bist für STK nach wie vor von unschätzbarem Wert.«

Säure brannte ihm in der Kehle. »Das war’s dann? Es ist beschlossene Sache?«

»Noch nicht«, versicherte Davis ihm. »Sie haben die endgültige Entscheidung noch nicht gefällt, aber es ist ein ziemlich aussichtsloser Kampf für dich, und vielleicht wäre es nicht das Schlechteste, wenn du einen anderen Weg einschlägst. Wir wollen, dass du glücklich bist. Als Mitarbeiter wärst du weiterhin sehr gut angesehen. Nicht jeder muss Partner werden.«

Aber genau das war Connors Plan gewesen. Darauf hatte er das ganze letzte Jahr hingearbeitet. Eigentlich schon sein Leben lang, nur war es, seit Monica ihn verlassen hatte – offenbar mitsamt seiner Chance, Partner zu werden –, eine alles verschlingende Obsession geworden.

Wäre sie geblieben, würde er immer noch Wohltätigkeitsveranstaltungen besuchen, aber in Begleitung einer Ehefrau. Mittlerweile wäre sie vermutlich schwanger mit ihrem ersten Kind – dem konkreten Beweis einer Work-Life-Balance. Connor würde sich mit seinen Kollegen über das Eheleben und die bevorstehende Vaterschaft austauschen. Er hätte seine Kollegen besser kennengelernt und seine Führungsqualitäten demonstriert. Sein Leben wäre in Ordnung, so wie es sein sollte, statt …

Er schaute sich in seinem Arbeitszimmer um. Arbeit allein macht nicht glücklich. Max erhob sich von seinem Hundelager, kam zu ihm und legte seinen massigen Kopf neben Connors Hand auf den Schreibtisch. Connor streichelte gedankenverloren den zotteligen Hundekopf und kraulte ihn mit dem Daumen am Ohr.

»Connor?«, meldete sich Davis’ Stimme knisternd im Ohrstöpsel.

»Ja, danke für die Warnung. Ich muss über alles nachdenken.«

»Deine Arbeit wird wirklich geschätzt«, versicherte Davis ihm noch einmal – und Connor hörte beinah seine Führungskräftetrainings aus den Worten heraus.

Gib den Mitarbeitern das Gefühl, ihre Talente und Leistungen seien wertvoll und würden geschätzt.

Er empfand es auch tatsächlich so. Aber er wollte mehr. Er wollte eine Beteiligung. Das Wissen, nicht nur ein Angestellter zu sein, sondern einen Teil der Kanzlei zu besitzen. Das wollte er schon seit seinem neunten Lebensjahr.

Und er würde jetzt nicht aufgeben.

Nachdem er noch einige Minuten lang mit Davis über seine Tätigkeit für einen Mandanten gesprochen hatte, verabschiedete er sich. Kurz darauf konnte er sich schon nicht mehr an das Gespräch selbst erinnern, weil seine Gedanken ausschließlich um diese Schreckensnachricht bezüglich der Partnerschaft kreisten.

Natürlich war ihm klar gewesen, dass es nicht sicher war. Immer gab es mehr Mitarbeiter, die Teilhaber werden wollten, als verfügbare Plätze vorhanden waren. Nur hatte er mehr Stunden als alle anderen investiert. Er hatte sich die Partnerschaft verdient. Und er würde sie sich jetzt nicht nehmen lassen, nur weil sein Privatleben letztes Jahr ein wenig aus der Spur geraten war.

Die Partnerschaft war Teil seines großen Plans. Einen Hund anschaffen. Teilhaber werden. Die Richtige finden. Heiraten. Kinder bekommen. Fünf simple Schritte. Aber vielleicht war es an der Zeit, die Reihenfolge zu ändern. Vielleicht sollte er sofort anfangen, wieder Dates zu haben. Eine nette Freundin finden, die er zu den Charity-Events der Kanzlei mitbringen konnte, um den Senior-Partnern zu zeigen, dass er durchaus ein Privatleben hatte und ein echter Teamplayer war.

Als er seinen Plan geschmiedet hatte, hatte er auch gleich mit einer Freundin loslegen wollen – aber dann hatte er zu viel zu tun gehabt und es einfach vergessen. Jetzt aber wurde es zur Pflicht, sich eine Freundin zu suchen, und Connor Wyeth drückte sich nie vor seinen Pflichten.

Max setzte sich hin und lehnte seinen massigen Körper gegen Connors Bürosessel, sodass Connor sich mit dem Fuß dagegenstemmen musste, damit der Sessel nicht wegrollte.

Er rief den App Store auf seinem Handy auf, scrollte durch die Liste und lud mehrere Dating Apps herunter. Vor ihm lag einiges an Arbeit.

Außerdem musste er mit Max heute Abend zum Hundetraining, um herauszufinden, wie er den Hund daran hindern konnte, sein Haus zu zerstören.

Es fühlte sich gut an, einen Plan zu haben.

2. Kapitel

Deenie Mitchell war am besten, wenn sie improvisierte.

Das war ein Teil ihres Erfolges als Veranstalterin von Prinzessinnenpartys für Kinder – sie klebte nicht an einem Plan, sondern war stets bereit, sich der jeweiligen Situation anzupassen.

Als sie fünfundvierzig Minuten vor dem eigentlichen Beginn des montäglichen Hundetrainings bei Furry Friends das Farmhaus betrat und Ally in Panik vorfand, weil der Trainer aus Burlington eine Lebensmittelvergiftung hatte und nicht kommen konnte, tat Deenie exakt das, was sie immer tat: Sie nahm die Dinge, wie sie kamen.

»Ich muss das Training absagen«, jammerte Ally, schnappte sich ihr Handy und starrte auf den Unheil verkündenden Lebensmittelvergiftungstext.

»Nein, musst du nicht.« Deenie nahm Ally das Handy aus der Hand und klappte die Schachtel aus Magda’s Bakery auf, die sie von einem Besuch bei ihrer Tante mitgebracht hatte. Sie hielt Ally ein Stück sündhaft köstlichen Himbeer-Käsekuchen entgegen. »Iss das. Magdas Backwaren lösen alle Probleme.«

»Ich sehe nicht, wie das gehen soll«, antwortete Ally. »In weniger als einer Stunde habe ich sechs zahlende Kunden hier und kann ihnen keinen erfahrenen Trainer präsentieren. Wir haben ihnen aber eine professionelle Trainingseinheit für ihre Hunde einmal pro Woche zugesichert.« Sie biss von dem Kuchenstück ab und stöhnte, wobei unklar war, ob vor Begeisterung für Magdas Backkünste oder vor Angst, eines der Hundetrainings absagen zu müssen. Die Trainings waren dazu gedacht, dem Tierheim neues Leben einzuhauchen und es in ein Haustier-Mekka mit Rundumservice zu verwandeln.

Deenie führte Ally zu einem Hocker und positionierte sie bewusst mit dem Rücken zu den Fenstern, von denen aus man einen Blick auf die gekieste Auffahrt vor der Scheune hatte, in der Furry Friends untergebracht war. Allys Großeltern hatten in dem Farmhaus gewohnt und jahrzehntelang das Tierheim geleitet, bis sie sich zur Ruhe gesetzt und es an Ally übergeben hatten. Jahrelang hatte das Tierheim finanziell am seidenen Faden gehangen und war von Spenden abhängig gewesen. Doch Ally hatte eine Idee gehabt, wie Furry Friends unabhängig werden konnte, und knapp eine Woche später war Deenie eingezogen, um zu helfen.

Sie waren immer noch dabei, sich als regionale Anlaufstelle für alle Hundefragen zu etablieren, deshalb war das Timing für den Ausfall des Trainers denkbar ungünstig. Aber keine Katastrophe.

»Konzentriere dich auf das Positive – einer der zahlenden Kunden ist Ben, der dich so sehr liebt, dass er wahrscheinlich das Fehlen eines Trainers gar nicht bemerkt«, erklärte Deenie. »Eine weitere Kundin ist Elinor, die bestimmt genauso gern Skinny Girl Margaritas im Lagerraum trinken wird. Und der Dritte ist Connor, der sich nicht mal dazu aufrafft, mit Maximus zum Training zu erscheinen.«

Nicht dass es Deenie etwas ausgemacht hätte, dass Connor Wyeth nicht zum Training auftauchte. Seit ihrer allerersten Begegnung ging dieser Mann ihr auf die Nerven.

Er war einfach so spießig. Er strahlte die Verspanntheit all jener aus, die über sie wegen ihrer pinkfarbenen Haare und ihres unkonventionellen Lebensstils die Nase rümpften. Das aktivierte sämtliche Abwehrmechanismen in Deenie. Und wenn es hieß, kämpfen oder fliehen, schien es bei ihnen beiden definitiv auf kämpfen hinauszulaufen. Es war gar nicht ihre Absicht gewesen, ihn zur Adoption von Maximus zu bewegen, indem sie ihm erklärte, er sei dem Wolfshundmischling nicht gewachsen. Aber sie hatte ihn bei dieser verbalen Auseinandersetzung einfach nicht gewinnen lassen können.

Seitdem gab sie jedes Mal spitze Bemerkungen von sich, sobald sie gezwungen waren, sich in der Nähe des anderen aufzuhalten – was leider häufig passierte, seit Ben und Ally zusammen waren.

»Es ist ein Zeichen.«

Deenie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Ally und verbannte Connor Wyeth aus ihren Gedanken. »Das ist kein Zeichen. Wir kriegen das hin. Wir machen einfach eine Bonuswoche daraus. Eine Übungssession. Ich kann den Kurs geben.«

In Allys Augen flackerte Hoffnung auf. »Wirklich?«

»Natürlich. Deshalb bin ich doch hier, oder? Um dir im Tierheim zu helfen. Wie schwer kann es schon sein?«

Deenie hatte ohnehin mit einer kleinen Spanielhündin namens Dolce am Training teilgenommen, damit sie adoptiert werden konnte, sobald ihre Welpen abgestillt waren und die Hündin kastriert war. Aber so, wie Allys Großmutter in letzter Zeit um das Tier herumscharwenzelte, wäre es schon ein kleines Wunder, wenn Rita Gilmore den süßen Hund nicht für sich haben wollte.

»Ich bin zwar keine ausgebildete Trainerin«, fuhr sie fort, »aber wenn wir das mit der Lebensmittelvergiftung erklären und den Leuten die offizielle Trainingsstunde gutschreiben, kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendwer sich beklagen wird.«

»Sie werden begeistert sein. Wir wissen doch alle, dass du eine Hundeflüsterin bist. Wenn du das Training übernimmst, ist das sogar noch besser, als einen anderen Trainer zu engagieren.«

Deenie hob die Hand. »Freu dich nicht zu früh. Ich bin bloß eine Vertretung für derartige Notfälle.«

»Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Ich habe keine Ahnung, wie ich das ohne dich hinbekommen würde.«

Allys Dankbarkeit war ihr ein wenig unangenehm. Deenie war äußerst hilfsbereit und sprang gern angesichts eines akuten Problems ein. Aber wenn eine Sache plötzlich von ihr abhing, erzeugte das einen gewissen Druck in ihr, den sie nicht unbedingt mochte.

Wie verdreht war das nun wieder? Wer wollte einerseits gebraucht und wertgeschätzt werden und sich dann, sobald es so weit war, schnellstens wieder verdrücken?

Wie üblich kaschierte sie ihr Unbehagen mit einem strahlenden Lächeln. »Du würdest kläglich scheitern, also bin ich unersetzlich.«

Das war natürlich völliger Unsinn, doch Ally legte ihren Kuchen hin und sah sie an, als sei es die reine Wahrheit. »Ich weiß. Ohne dich hätte ich das Darlehen nie bekommen.«

»Sei nicht albern. Sicher hättest du es bekommen.«

Ally schüttelte den Kopf. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass du dich mit all diesen Dingen über Kleinunternehmertum auskennst.«

»Nicht weitersagen, du schadest sonst meinem Image.« Deenie nahm Allys Staunen als größtes Kompliment. Ihr Image als zarte, glitzernde Märchenprinzessin hatte sie nämlich sorgfältig etabliert. Da war es nicht sehr nützlich, wenn die Leute wussten, dass sie eine betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Aufstellung im Schlaf anfertigen konnte.

Eine Strähne fiel ihr ins Gesicht, und sie strich sie zurück. Sie musste dringend zum Friseur, zum Schneiden und Nachfärben der Strähnchen. Der blonde Haaransatz zeigte sich, und die neonpinkfarbenen Strähnen waren zu einem Pastellton verblasst, was die Schockwirkung milderte.

»Ich bin wirklich froh, dass du hier bist«, sagte Ally mit dieser entwaffnenden Aufrichtigkeit.

»Muss ich. Bin pleite.« Das sollte wie ein Scherz klingen, stimmte aber.

Deenie brauchte Geld nach ihrer letzten Reise. Als sie im vergangenen Herbst als Rucksacktouristin in Neuseeland unterwegs gewesen war, hatte sie ein bisschen mehr ausgegeben, als ihr Budget zuließ. Aber wie oft bekam man die Chance, in einer Felsschlucht Bungee-Jumping zu probieren oder auf den Spuren eines Hobbits zu wandern? Manchmal musste man die Gelegenheiten, die sich einem boten, einfach beim Schopf packen – selbst wenn es bedeutete, dass nach der Heimkehr das Konto praktisch leer war.

Auch dass sie es mit den Weihnachtsgeschenken für die Kinder ihres Bruders ein klein wenig übertrieben hatte, weil sie ihrer Familie stets etwas beweisen wollte, war nicht gerade hilfreich gewesen. Daher hatte sie eine günstige Unterkunft gebraucht, deren Miete mit ihren Stunden im Tierheim verrechnet wurde.

Es war eine gute Sache, ein paar Monate in Pine Hollow zu verbringen, ihre Tante zu besuchen, Ally zu helfen, mit den Hunden zu spielen, Prinzessinnenkleider für ihren Etsy-Shop zu nähen und – wenn das Geschäft nach der Flaute nach Weihnachten wieder anzog – Prinzessinnenpartys zu veranstalten. Alles, um ihre Finanzen wieder aufzubessern.

Sie liebte diesen Plan, den sie sich selbst ausgedacht hatte.

Warum also fühlte sich das alles komplett falsch an, seit sie eingezogen war?

Es musste damit zu tun haben, dass sie nicht wusste, wann sie wieder aufbrechen würde. Sonst hatte sie immer ein vages Ziel und ein Datum für den Aufbruch in ein neues Abenteuer im Kopf, auf das sie sich freuen konnte. Ihren ganz persönlichen Verantwortungs-Countdown.

Jetzt aber lag die Zukunft völlig unklar und endlos vor ihr. Und Deenie musste erkennen, dass selbst jemand, der sich gern über Regeln und Zeitpläne hinwegsetzte, eine planbare Fluchtoption brauchte.

Es schien ihr Fernweh nur schlimmer werden zu lassen. Diese ewige innere Unruhe verstärkte sich, wenn sie nicht wusste, wann sie ihr erneut nachgeben konnte.

Ihre Schwester würde sie für verrückt halten. Allerdings hatte die ohnehin nie verstanden, dass sie herumreisen und die Welt sehen musste. Niemand in der Familie hatte das je nachvollziehen können.

Na ja, niemand außer Bitty.

»War dein Besuch bei JoJo gut?«

»Äh, tja …«

Sie hatte nicht vorgehabt, Ally wegen ihrer Ausflüge in die Seniorensiedlung Summerland Estates anzulügen. Es war einfach passiert. Es war auch nicht komplett gelogen, denn sie besuchte JoJo ja wirklich. Sie hatte sich in den kleinen Papillon verliebt, bevor der Hund von Mr. Burke adoptiert worden war.

Aber sie wollte auch Bitty besuchen.

Sie hatte Ally immer noch nicht von ihrer Großtante erzählt, weil nicht noch jemand sich danach erkundigen sollte, wie es Bitty ging. Eine weitere Person, die sie anlügen und der sie vorspielen musste, alles sei in Ordnung.

Daher verschwieg sie es einfach.

Es gibt nichts zu sehen, Leute. Nur Deenie Mitchell, Meisterin der Täuschung.

Schuldgefühle meldeten sich, und sie wich Allys Blick aus, während sie so tat, als wäre sie mit Kuchennaschen beschäftigt. »Ja, es war toll. Sie ist ein solcher Schatz.«

»Du hättest sie adoptieren sollen«, sagte Ally. »Sie war perfekt für dich.«

»Mit einem Hund kann ich nicht reisen. Und Mr. Burke passt auch sehr gut zu ihr. Er liebt sie.« Deenie stieß sich vom Küchentresen ab. »Ich sollte mich vor dem Training umziehen.« Das war ein schwacher Vorwand, um der Unterhaltung zu entkommen, doch Ally schien es gar nicht zu bemerken.

Deenie ging zur Treppe und machte dabei einen Umweg über das Wohnzimmer, um die Welpen zu streicheln.

Das Farmhaus war nichts Besonderes – ein großes schachtelartiges Haus mit einer Veranda drum herum –, doch was ihm an architektonischem Schnickschnack fehlte, machte es durch viel Raum wett. Das Wohnzimmer wirkte nun noch größer, seit die Hälfte der Möbel zusammen mit Allys Großeltern in die Summerland Estates umgezogen war.

Nahe dem wärmenden Kamin war eine Sitzgruppe für Dolce und ihre Welpen aufgestellt worden. Die meisten schliefen gerade, doch der abenteuerlustige mit dem einen schwarzen Ohr kam auf sie zu.

Allys Bernhardiner Colby, der ausgestreckt auf seinem Hundebett lag, beobachtete die Szene mit verschlafenem Blick, um mit minimalem Aufwand trotzdem nichts zu verpassen. Nach einem letzten Tätscheln des Welpen ging Deenie zu ihm und streichelte seinen seidigen Kopf. »Hallo, Euer Trägheit«, begrüßte sie ihn.

Die Hunde waren eine ausgezeichnete Therapie nach einem Tag in den Estates – einfache, unkomplizierte Zuneigung nach den unausweichlichen Schwierigkeiten mit der Organisation von Bittys Pflege. Bittys Arzt hatte mit Deenie heute ein ernstes Gespräch über Fortschritte und Erwartungen geführt, das ihr noch immer im Kopf herumging.

Sie ließ Colby zurück und ging hüpfend die Treppe hinauf, dabei nahm sie zwei Stufen auf einmal, in der Hoffnung, dass der fröhliche Schritt ihren Trübsinn vertreiben würde.

Die schmale Treppe führte zu einem Flur mit Gästezimmern auf beiden Seiten. Ally hatte das mit dem besten Licht zu ihrem Fotostudio erkoren und sich bewusst gegen das alte Kunstatelier ihrer Großmutter unten entschieden, weil es keine Tür hatte, die ihre Hundemodels daran hinderte zu fliehen.

Außerdem war es immer noch halb voll mit Ritas Zeug.

Hal und Rita Gilmore hatten fast einen ganzen Monat gebraucht, um all die Sachen, die sie behalten wollten, in ihre neue Unterkunft zu schaffen. Und Rita schaute fast jeden Tag vorbei, weil sie glaubte, vielleicht doch noch etwas vergessen zu haben.

Deenie hatte absolut nichts gegen die regelmäßigen Besuche. Rita war ein bisschen schräg, und das liebte Deenie an ihr. Deshalb waren auch Rita und Bitty so gute Freundinnen gewesen. Und außerdem hatte Deenie genau aus diesem Grund seinerzeit angefangen, im Tierheim auszuhelfen.

Sie öffnete ihre Zimmertür.

Im krassen Gegensatz zu den Gilmores hatte sie nur knapp dreißig Minuten und genau eine Fahrt mit ihrem taubenblauen VW-Käfer – der nicht unbedingt für seinen Stauraum berühmt war – benötigt, um all ihre Habseligkeiten in eines der freien Zimmer des Farmhauses zu schaffen.

Der pralle Rucksack, der mit ihr um die Welt gereist war, lehnte am Fußende des Bettes. Er war offen, und die Kleidungsstücke, die sie noch nicht ausgepackt hatte, quollen in einem bunten Durcheinander heraus.

In der anderen Ecke des Raumes, unter einem der Fenster, hatte sie ihre mit Glitzerstoff bedeckte Nähmaschine aufgestellt. Ein knallrosa Beutel auf dem Boden neben dem Stuhl war voll bis oben hin mit dem seidigen Stoff und der Glitzerborte, aus denen sie die Prinzessinnenkleider, ihre Haupteinnahmequelle, nähte. Ein weiterer übergroßer Beutel versperrte teilweise den Kleiderschrank; dieser Beutel war violett und enthielt die Partysachen: Perücken und Diademe und weiteren Glitzer. Sehr viel Glitzer.

Alles, was sie besaß, passte in diese eine Ecke.

Besitz hatte ihr nie viel bedeutet. Zu viele Sachen waren nur Ballast und banden einen an Orte; sie nahmen einem das Gefühl, schnell packen und aufbrechen zu können.

Das Bett hatte schon im Zimmer gestanden, außerdem der kleine Schreibtisch, den sie zum Nähtisch umfunktioniert hatte. Sie achtete stets darauf, möblierte Zimmer zu mieten. Für gewöhnlich hieß das, dass sie in einem der Ferienapartments des Ski-Resorts wohnte, aber das war okay für sie. Ihr Leben ohne großes Gepäck war leicht und unbeschwert.

Nur momentan nicht.

Dieses Für-immer-Gefühl kribbelte wie Spinnen unter ihrer Haut. Sie hätte auspacken sollen, doch etwas in ihr sperrte sich gegen die Behaglichkeit dieses Hauses. Sie wollte es nicht zu bequem haben. Sie wollte nicht hängen bleiben.

Sie brauchte ein Enddatum. Das hielt sie davon ab, auf der Stelle zu treten – und half ihr, den Augenblick bewusst zu erleben. Es war leichter, das Leben auszukosten, wenn man nichts als selbstverständlich betrachtete. Und wenn sie wusste, dass ihre Zeit ablief, nahm sie nichts als selbstverständlich.

Jetzt aber musste sie bleiben. Bittys wegen. Und Allys wegen.

Also verdrängte sie ihr Unbehagen. Verbarg es hinter ihrem gut gelaunten Lächeln, das sie vor langer Zeit schon perfektioniert hatte.

Der Trick bestand darin, in Bewegung zu bleiben. Sich emsig zu beschäftigen, auch wenn sie hier erst einmal festsaß. Und darin war Deenie Expertin. Nicht langsamer werden. Nicht in ein Loch fallen. Die Zweifel nicht zulassen.

Sie sah aus dem Fenster, vorbei an ihrem kleinen blauen VW-Käfer auf der gekiesten Auffahrt und dem alten grünen Pick-up mit dem Furry-Friends-Logo, hinüber zur großen Scheune, in der die Hunde untergebracht waren.

Heute Abend musste sie eine Trainingsstunde geben.

Mit etwas Glück würde dieser ärgerliche Connor Wyeth nicht auftauchen, und sie würde nur mit ihren Freunden, den Hunden, spielen müssen.

Das würde sie schaffen.

3. Kapitel

Der übliche Trainer war nicht da.

Deenie Mitchell stand mitten im Raum, umgeben von einem weit auseinandergezogenen Stuhlkreis. Die Hunde sollten ja etwas lernen und sich nicht gegenseitig ablenken, indem sie untereinander Kontakt aufnahmen. Deenie trug ihre üblichen Sachen, sprich, sie sah aus, als wäre ein Regenbogen über ihr explodiert. Die pinkfarbenen Haare, die rosa Leggings und ein gebatiktes Minikleid vervollkommneten den Aufzug. Der Blick, den sie Connor beim Eintreten zuwarf, war allerdings eher gewitterdüster als regenbogenfröhlich. Dieser Blick schien zu sagen, Connor sei eine solche Enttäuschung als Mann, dass es ihr ein Rätsel sei, wie er sich selbst ertragen konnte.

Aber vielleicht projizierte er hier auch seine eigenen Gedanken hinein.

Connor hasste es zu scheitern, und er hasste es, zu spät zu kommen. Heute Abend war er zehn Minuten zu spät, weil er mit seinen Bemühungen, Maximus in den Wagen zu bekommen, komplett gescheitert war. Max in den Wagen zu verfrachten, war stets ein Kampf, doch heute war es Waterloo und Connor Napoleon gewesen.

Als sie dann endlich bei Furry Friends eingetroffen waren, hatte Max ihn in die Scheune gezerrt und weiter in den Vorratsraum, wo das Training stattfinden sollte; mit so viel Schwung, dass der schon laufende Kurs ins Stocken geriet.

Deenie brach mitten im Satz ab und rief scharf: »He!«, und in diesem knappen Ausruf steckte sowohl: »Halt, stehen geblieben, junger Mann!«, als auch: »Was denkst du dir eigentlich!«, sowie: »Das kannst du aber besser!«

Max blieb sofort stehen und spitzte die Ohren – und Connor musste seinen Ärger darüber unterdrücken, wie leicht das bei ihr aussah.

Deenie hob den Zeigefinger. »Maximus, sitz!«

Der Hintern des Hundes sauste zu Boden, zum perfektesten »Sitz!«, das Connor je bei ihm gesehen hatte. Er verspürte einen bösen Stich der Eifersucht, als Deenie den Hund lobte und ihm ein Leckerli gab.

Dann sah sie mit ihren blauen Augen abschätzig von dem Wolfshundmischling zu ihm hin. »Connor. Was für ein unerwarteter Besuch.«

Okay, er hatte vielleicht das eine oder andere Training verpasst, aber war das nun wirklich nötig? Er kniff die Augen zusammen, aber sie machte weiter.

»Setzen Sie sich doch.« Sie deutete auf den noch freien Stuhl zwischen Elinor Rodriguez mit ihrem Australian Shepherd und Kaitlyn Murray mit ihrer kleinen Französischen Bulldogge, die so gut erzogen war, dass er sich fragte, warum sie überhaupt hier war.

»Komm, Max.« Connor verkürzte die Leine, trotzdem musste er seine ganze Kraft aufbringen, um den Hund zu dem unbesetzten Stuhl zu bewegen. Deenies skeptischer Blick folgte ihm den ganzen Weg.

Hätte Connor gewusst, dass dieser pinkfarbene Stachelkopf das Training leitete, hätte er sich seine Teilnahme vermutlich noch mal überlegt. Doch er musste sich eingestehen, dass Max dringend Erziehung brauchte. Und Deenie Mitchell konnte, bei all ihren sonstigen Fehlern, hervorragend mit dem Hund umgehen. Connor hingegen schien sie zu verachten.

Sie hatten sich Weihnachten kennengelernt, als er Maximus adoptierte, und er konnte sich an keine einzige Unterhaltung zwischen ihnen erinnern, die nicht in einem verbalen Scharmützel geendet war. Für alle anderen jedoch, Hunde wie deren Halter, war sie ganz Sonnenschein und Glitzer.

Es gelang ihm, Max wenigstens annähernd zum Sitzen zu bewegen, wobei er es demonstrativ vermied, die anderen Hunde anzusehen, die Statuen gleich neben ihren Besitzern saßen.

Ben warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. Er saß neben seiner Nichte Astrid, die aufmerksam das Verhalten der sabbernden Bulldogge an ihrer Seite beobachtete. Deenie hob die Hände, um die Aufmerksamkeit der Teilnehmer zu bekommen. »Wie ich eben ausführte, ist Konsequenz von entscheidender Bedeutung. Was für uns eine größere Herausforderung darstellt als für die Hunde. In neun von zehn Fällen, wenn der Hund schlechtes Benehmen an den Tag legt, ist das eine Reaktion auf etwas, was wir tun oder unterlassen.«

Natürlich sah sie dabei zu Connor hin, und ihre Worte fühlten sich für ihn an wie Dartpfeile, die in seine Richtung geschossen wurden.

»Wir werden die erlernten Techniken gleich üben, doch jetzt wollen wir die Gelegenheit nutzen und darüber sprechen, was für uns funktioniert und was nicht, und schauen, ob wir Lösungen finden. Mit welchen Hindernissen hattet ihr zu kämpfen, als ihr die in den letzten drei Unterrichtsstunden geübten Methoden angewandt habt?«

Ben drängte Astrid, die Hand zu heben, und Deenie lächelte das Mädchen ermutigend an. Sie hörte geduldig zu, wie Astrid Partridges Vorliebe schilderte, auf Bens Schuhe zu sabbern. Dann folgte Elinors Ärger über die Fähigkeit ihres Hundes, Türen zu öffnen. Als Nächstes das permanente Bellen des Schäferhundes. Der schwarze Labrador, der beim Spazierengehen ständig an der Leine zog. Und Kaitlyns kleiner Romeo wollte das rechte Pfötchen nicht geben, egal, wie oft sie es versuchte.

Deenie lauschte jedem Problem aufmerksam, erklärte ruhig, dass das Verhalten völlig normal sei, und bot Tipps und Tricks an, um es zu verändern.

Dann richtete sie ihren Blick auf ihn.

»Connor? Hast du irgendwelche Probleme bei deiner Arbeit mit Max?«

Eigentlich hatte er vorgehabt, dem Trainer alles zu erzählen und ihn um Hilfe zu bitten. Aber da hatte er auch noch nicht gewusst, dass dieser heute durch Deenie vertreten wurde. Connor ließ sich nichts anmerken und hielt ihrem Blick gelassen stand. »Nö. Alles bestens.«

Leider wurde der Eindruck zerstört, als Max sich ausgerechnet diesen Moment aussuchte, um zur Seite zu springen und den kleinen Romeo zu begrüßen.

»Alles bestens«, wiederholte Deenie skeptisch. »Keine Probleme?«

Max unternahm einen erneuten Versuch und zerrte Connor dabei fast vom Stuhl. Connor sah sie unbeirrt an. »Absolut nicht.«

Für einen kurzen Moment wirkte sie verärgert, dann wandte sie sich unvermittelt ab und der anderen Seite des Kreises zu. »Großartig. Lasst uns üben, was wir gelernt haben. Hat jeder seine Trainingsbelohnungen dabei?«

Connor wusste nicht, weshalb er sie gegen sich aufbringen musste. Sein unreifes Ich schrie sofort: Sie hat angefangen!

Vor zwei Monaten hatte er nicht einmal gewusst, wer Deenie Mitchell überhaupt war. Sie waren sich bis dahin nie über den Weg gelaufen. Obwohl Pine Hollow eine Kleinstadt war, kannte er nicht jeden. Außerdem kam Deenie erst seit einigen Jahren regelmäßig zu Besuch. Ben hatte sie vor einiger Zeit für eine Prinzessinnenparty für Astrid engagiert, aber Connor war ihr erst im Tierheim begegnet, als er Max hatte adoptieren wollen. Sie hatte ihn sofort zu Widerstand angestachelt, weil sie erklärte, dass er nicht das Zeug dazu habe, mit diesem Hund klarzukommen.

Es war, als habe sie im ersten Moment beschlossen, ihn zu hassen.

Er verstand das nicht. Elinor hatte einmal scherzhaft gemeint, er sei ein Einhorn – attraktiv, solvent, loyal, nicht verheiratet, keine Kinder, aber mit dem Wunsch, eine Familie zu gründen. Sie hatte ihn aufheitern wollen, nachdem Monica verschwunden war, indem sie ihm versicherte, dass es viele Frauen gebe, die so einiges tun würden, um ihn zu bekommen. Er war echt ein guter Fang.

Warum also war Deenie derartig entschlossen, ihn nicht zu mögen?

Prompt warf sie ihm einen weiteren düsteren Blick zu – da erst merkte er, dass er ihre Anweisung ignoriert hatte. Alle anderen waren aufgestanden, während die Hunde aufmerksam an ihrer Seite saßen, bereit für alles, was Deenie ihnen auftragen würde.

Connor fluchte leise und stand auf, wobei er Max dazu zu bringen versuchte, sich wie die anderen Hunde hinzusetzen. Es war überhaupt nicht nötig, dass Deenie ihn mochte. Max musste bloß lernen, sich zu benehmen.

»Deenie?«

Deenie bemerkte, dass sie Connor nun schon zum fünften Mal in der letzten halben Stunde anstarrte. Sie riss sich zusammen und konzentrierte sich auf die entzückende kleine Sabbermaschine vor sich. Und das ebenso entzückende Mädchen, das die Leine hielt. Astrid war lernbegierig und entschlossen, Partridge richtig zu erziehen und damit zu beweisen, dass sie eine gute Hundebesitzerin war.

Wenn Connor doch nur halb so viel Engagement besäße. Ach, ihr wäre schon der kleinste Hinweis recht, dass es ihm wirklich ernst war.

Wirklich schade, dass ein so attraktiver Mann so ein Kotzbrocken sein musste. Groß und muskulös unter seinen Ich-zieh-mich-elegant-an-obwohl-ich-zu-Hause-arbeite-Anzügen, mit diesen unfassbar markanten Wangenknochen, den aufregenden bernsteinfarbenen Augen und der goldbraunen Haut, mit der er sogar im tiefsten Winter noch leicht gebräunt wirkte. Natürlich sah sie ihn nicht an, weil er attraktiv war. Absolut nicht. Es war eher wie bei einem Zugunglück – sie konnte nicht wegsehen.

Offenbar hatte er kein einziges Mal mit Maximus trainiert. Dieses Maß an Ignoranz war ärgerlich. Diese Verantwortungslosigkeit. Ihre Eltern nannten ständig ihren Lebensstil verantwortungslos. Aber wenn sie Verantwortung übernahm, kam sie dieser auch verlässlich nach. Nie, nie ließ sie jemanden hängen.

Das bedeutete, manchmal auch Gelegenheiten verstreichen zu lassen. Liebend gern hätte sie zum Beispiel den kleinen JoJo adoptiert, als sämtliche Tierheimhunde vor Weihnachten vermittelt werden sollten. Der süße Papillon hatte den Weg direkt in Deenies Herz gefunden – aber Deenie kannte sich. Sie wusste, sie würde wieder aufbrechen müssen, sobald ihr Reisekonto einigermaßen gefüllt war und es sich mit Tante Bitty bis zu einem bestimmten Punkt entwickelt hatte.

Vielleicht diesmal nach Island. Oder auf die Fidschis. Das Fernweh verschwand nie ganz. Das war ihr unmittelbar nach dem College klar geworden, als sie beschlossen hatte, ein Jahr freizunehmen, um ausgiebig zu reisen, bevor sie in ihr Erwachsenenleben startete. Denn dann hatte sie nicht mehr aufhören wollen.

Allerdings hatte sie Geld gebraucht. Sie hatte Arbeit in ihrem Berufsfeld gesucht, aber Kindertheater war nicht gerade eine wachsende Branche, deshalb veranstaltete sie stattdessen Prinzessinnenpartys. Das hatte ihr viel Spaß gemacht, und schließlich war das Kostümschneidern auf Kundenwunsch daraus entstanden. Trotzdem hatte sie zusätzlich als Barista oder Bürohilfe arbeiten müssen, um sich über Wasser zu halten. Und als sie lange genug in Jobs gearbeitet hatte, die sie allmählich seelisch erstickten, hatte sie wieder angefangen, von einer Reise zu träumen. Sie hatte zweitausend Dollar gespart und war damit sieben Wochen als Rucksacktouristin durch Südostasien gereist.

Dann war sie in die USA zurückgekehrt, für einen weiteren bedeutungslosen Job, um abermals ihr Reisekonto zu füllen und die nächste Reise anzutreten. Und so weiter und so weiter.

Genau aus dem Grund hatte sie gewusst, dass sie JoJo nicht adoptieren konnte, ganz gleich, wie gern sie den Hund gehabt hätte. Und deshalb konnte sie Ally auch nicht dauerhaft im Tierheim helfen, sondern sie nur unterstützen, bis das neue Programm mit den Agility-Kursen und den sonstigen Dienstleistungen lief.

Danach würde Deenie nach Island, auf die Fidschis oder nach Norwegen gehen – wohin auch immer günstige Reiseangebote sie führten. Und dann würde sie Connor Wyeth vergessen.

Im Moment allerdings wurde es zunehmend schwierig, ihren Vorsatz beizubehalten, ihn zu ignorieren.

Ally hatte sich angeboten, heute Abend mit Dolce zu arbeiten, damit Deenie sich mehr darauf konzentrieren konnte, den anderen zu helfen. Aber es war nicht einfach, überhaupt irgendwem zu helfen, während Maximus Connor praktisch durch den Raum zerrte, sodass alle Hunde in Aufruhr gerieten und spielen wollten.

Connor gelang es schließlich, das Ende von Max’ Leine unter dem Stuhlbein zu befestigen und sich auf den Stuhl zu setzen, damit der blieb, wo er war. Max legte sich auf den Boden …

… und robbte weiter, wobei er den Stuhl samt Connor darauf mitzog, auf den Schäferhund zu, der nicht aufgehört hatte zu bellen, seit Max ihn überrannt hatte. Es hallte von den Wänden wider und verstärkte die chaotische Atmosphäre.

Deenie sah Max streng an und befahl mit fester Stimme: »Max. Bleib.«

Der Wolfshund hielt inne und spitzte die Ohren. Dann ging der Timer ihres Handys los.

Schuldbewusste Erleichterung überkam sie, weil die Trainingseinheit nun offiziell vorbei war.

Deenie bedankte sich rasch bei allen für ihr Erscheinen und versprach, dass der eigentliche Trainer wieder da sein werde, sobald er sich erholt habe.

Dann wird dieses Chaos nicht mehr meine Schuld sein.

»Vergesst nicht zu üben«, rief sie, den höflichen Applaus der Hundebesitzer übertönend, und registrierte, dass Connor nicht mitklatschte. »Es dreht sich alles um Konsequenz bei der Erziehung!«

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