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Private Scandals - Unerhörte Sehnsucht

VOM SCHREIBTISCH INS HIMMELBETT

Bryna würde alles geben, um den Familienbetrieb zu retten. Alles? Der Geschäftsmann Caleb Payne will mehr als ihr Geld: Er will ihren Körper! Bryna ist schockiert. Und fasziniert - denn Caleb hat nicht nur unternehmerische, sondern auch überwältigende erotische Qualitäten ...

ZURÜCK IN DEINEM BETT

Palmers heiße Hände auf ihrer nackten Haut: Penelope vergeht fast vor Verlangen. Alle Vorsicht wirft sie über Bord, als er sie im Auto an sich zieht und das macht, was er am allerbesten kann … Bis sie der Sheriff der Stadt überrascht. Der Skandal ist perfekt!

VON SEX STAND NICHTS IM VERTRAG

Kendall weiß, dass Troy sie begehrt! Sie kann es in seinen Augen sehen. Warum kämpft er dagegen an? Nur weil er Berufliches nicht mit Privatem vermischen will? Zum Glück weiß Kendall auch, wie sie ihn trotzdem dahin bringt, wo sie ihn haben will - in ihrem Schlafzimmer ...


  • Erscheinungstag: 26.10.2020
  • Aus der Serie: E Bundle
  • Seitenanzahl: 432
  • ISBN/Artikelnummer: 9783745752717
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Tori Carrington

Private Scandals - Unerhörte Sehnsucht

PROLOG

„Großartiger Sex reicht mir nicht, Caleb. Nicht mehr.“

Verdammt. Da war es wieder …

Caleb Payne stand vor der Fensterfront seines Penthouse. Seine Aufmerksamkeit galt nicht dem Spiegelbild der schönen Frau, die diese Worte ausgesprochen hatte, sondern der Aussicht hinter dem Glas. Seattles Skyline funkelte vor dem tintenschwarzen Nachthimmel. Calebs Finger schlossen sich fester um den Tumbler, der zwei Fingerbreit des besten Whiskeys enthielt, den die zivilisierte Welt zu bieten hatte. Er trank die milde Flüssigkeit mit einem Schluck aus, wischte sich mit dem Handrücken langsam über den Mund und betrachtete endlich Cissys Bild in der Fensterscheibe.

Wie war es möglich, dass eine so attraktive Frau plötzlich so reizlos wurde? Trotz ihres tief ausgeschnittenen, hautengen, langen roten Kleids und der schulterlangen hellblonden Haare wollte er sie nicht ansehen. Zumindest wollte er ihr nicht ins Gesicht sehen. Stattdessen richtete er den Blick auf ihre vollen Brüste.

Sie verschränkte instinktiv die Arme vorm Oberkörper.

„Sex ist aber alles, was ich dir geben kann.“ Caleb drehte sich langsam um und versuchte, ihre Reaktion einzuschätzen. „Das habe ich dir von Anfang an gesagt.“

Er hatte diese Szene kommen sehen, als er Cissy mit der Limousine von ihrer Innenstadtwohnung abgeholt hatte, um mit ihr zu diesem Wohltätigkeitsball zu fahren.

Aber eigentlich hatte er das schon vom ersten Tag an kommen gesehen.

Es verschaffte ihm keinerlei Genugtuung, den Zeitpunkt richtig vorhergesagt zu haben, als er diese hübsche junge Lady der High Society vor sechs Monaten kennengelernt hatte. Schon nach wenigen Wochen hatte sie angefangen, über eine feste Beziehung zu reden. Was kein Problem war, da es seiner vorsichtigen Natur entsprach, zurzeit immer nur mit einer Frau Sex zu haben. Nach vier Monaten war der Vorschlag gekommen, zusammenzuziehen. Dieser Diskussion war er geschickt ausgewichen.

Und heute Abend, nach gut sechs Monaten, präsentierte sie ihm ihre Pläne für mehr.

„Ich habe dir nie etwas vorgemacht, Cissy“, sagte er. „Du wusstest von Anfang an, woran du bist.“

„Aber die Dinge ändern sich. Menschen ändern sich.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich nicht. Niemals.“

Sie verzog vor Enttäuschung das Gesicht, was ihn völlig unbeeindruckt ließ.

Er fragte sich, ob sie ihn wie unzählige Frauen vor ihr einen herzlosen Bastard nennen würde.

Täte sie es, müsste er ihr recht geben. Er war bei seiner alleinerziehenden Mutter aufgewachsen und hatte seinen Vater nie kennengelernt, obwohl der stets in der Nähe gewesen war. Eine Therapeutin, mit der er eine Affäre gehabt hatte, war der Meinung gewesen, er sei „durch seine Erziehung emotional unterentwickelt“. In materieller Hinsicht hingegegen hatte er keinerlei Mangel gelitten.

Aber er war ein uneheliches Kind in einer sozialen Schicht gewesen, in der man über so etwas die Nase rümpfte. Und sein Umfeld hatte ihn das nie vergessen lassen.

Daher die Herzlosigkeit, die seine Partnerinnen ihm alle ab einem bestimmten Punkt der Beziehung vorwarfen.

Oh, jetzt wollte Cissy vielleicht wirklich mehr, aber in einer oder zwei Wochen würde sie froh sein, keinen Erfolg gehabt zu haben. Irgendwo gab es für sie einen Mann, mit dem sie ihren gesellschaftlichen Stand verbessern konnte, statt ihn zu verschlechtern.

Er ging zur Bar und goss einen weiteren Fingerbreit Whiskey ins Glas, während er darauf wartete, was als Nächstes kam.

„Liegt eine Heirat für uns im Bereich des Möglichen?“, fragte Cissy leise.

Einmal, nur ein einziges Mal wollte er sich irren. Er würde gern eine Frau kennenlernen, die nicht vorhersehbar war. Jemanden, der ihn überraschen würde. Eine Frau, mit der er den Augenblick genießen konnte und die nicht irgendetwas plante oder im Schilde führte.

Eine von denen, die nichts von ihm erwartete, was er ihr nicht geben konnte.

„Nein“, antwortete er.

Er hörte, wie sie sich umdrehte und stellte sich vor, wie sie ihren Mantel nahm. In ihre Handtasche schaute. Vielleicht ein Taschentuch herausholte, um sich die Nase zu putzen. Schließlich zur Tür ging.

„Nun, dann ist dies wohl der Abschied.“ Ihre Stimme klang sowohl vorwurfs- als auch hoffnungsvoll.

Er sah sie immer noch nicht an. „Leb wohl, Cissy.“

Schweigen. Einige Atemzüge später schloss sie die Tür hinter sich. Caleb kippte den Whiskey hinunter und tippte mit den Fingerspitzen gegen das edle Kristall. Schade. Er mochte Cissy. Es war nett gewesen, mit ihr zusammen zu sein. Und es war nett gewesen, mit ihr ins Bett zu gehen.

Er seufzte und ging in sein Arbeitszimmer. Dort erwartete ihn das Einzige, was nie mehr von ihm erbat, sich nie beklagte oder Forderungen stellte, und das für ihn nie seine Faszination verlor: Arbeit.

1. KAPITEL

Je mehr sich änderte, desto mehr blieb alles gleich.

Bryna Metaxas dachte über dieses alte Gesetz nach. Sie war verzweifelt wegen ihres Jobs, ihres in letzter Zeit stagnierenden Liebeslebens – oder dem völligen Fehlen desselben – und ganz allgemein von allem frustriert.

Sie saß in ihrem kleinen Büro im alten Sägewerk, in dem Metaxas Limited in Earnest, Washington, untergebracht war. Von der Aussicht auf die bewaldeten Hügel, die das Fenster hinter ihr bot, nahm sie nichts wahr. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, nicht an das dienstägliche Meeting zu denken, an dem sie heute Morgen teilgenommen hatte. Und bei dem sie wieder einmal nur eine Randfigur gewesen war. Inzwischen fragte sie sich, warum ihr älterer Cousin Troy sie dazuholte, wenn sie doch bloß Notizen machen oder sich mit unwichtigen Details beschäftigen durfte. Es war schon fast erstaunlich, dass er sie dem halben Dutzend Teilnehmern nicht Kaffee servieren ließ, während diese sich den Kopf darüber zerbrachen, wie es nach dem gescheiterten Deal mit dem griechischen Milliardär Manolis Philippidis weitergehen sollte.

Gescheiterter Deal – das war eine nette Umschreibung für das, was passiert war. Das Wort „Katastrophe“ wurde der Situation eher gerecht.

Bryna atmete tief durch. Wie lange arbeitete sie schon in der Firma? Seit fast zwei Jahren. Und obwohl sie alle sechs Monate positive Beurteilungen bekam und ihr Einkommen ständig stieg, machte sie nach wie vor die gleiche langweilige Arbeit.

Bei jeder anderen Firme hätte sie längst gekündigt. Aber hier handelte es sich um ein Familienunternehmen … und sie war Teil dieser Familie.

Außerdem hatte sie als Einwohnerin von Earnest ein persönliches Interesse daran, dass der Plan zum Wohl der Gemeinde Erfolg hatte. Immerhin hatte sie im Nebenfach erneuerbare Energien studiert und wusste schon deshalb mehr über diese boomende Technologie als jeder ihrer Cousins.

Bryna seufzte und strich sich die glatten schwarzen Haare aus dem Gesicht. Auf ihrem Schreibtisch lagen drei Versionen eines Business-Plans – Variationen des ursprünglichen Plans, den sie vor Monaten erstellt und der nie im Eingangsfach ihres Cousins gelandet war. Ein Plan, dem sie nach dem Philippidis-Debakel gute Chancen eingeräumt hatte. Aber nein. Im Gegenteil, Troy schien noch weniger daran interessiert zu sein, sich ihre Ideen anzuhören. Ganz gleich, gegen wie viele Wände er anrannte.

Letzten Endes war sie zu dem Schluss gekommen, dass sie es auf eigene Faust versuchen musste.

Es war kurz nach elf, doch sie dass schon seit fünf Stunden an ihrem Schreibtisch im alten Sägewerk. Sie verspürte ein flaues Gefühl im Magen bei der Vorstellung, das allein durchzuziehen. Dass diese Nervosität auch mit dem sehr attraktiven Mann zu tun hatte, an den sie sich zuerst wenden wollte, wies sie von sich. Na ja, es war allerdings schon eine Weile her, seit sie die Aufmerksamkeit eines Mannes genossen hatte. Und dieser bestimmte, aufregende, ungebundene Mann schien auf dem betreffenden Gebiet nicht nur bewandert zu sein, er war auch noch bekannt dafür.

Wenn ihr Plan wie erhofft funktionierte, würde sie in diesem Geschäft eine große Nummer werden und bräuchte sich nicht mehr an den Rand drängen zu lassen.

Sollten ihre Cousins Troy und sein jüngerer Bruder Ari herausfinden, was sie vorhatte, würden sie sie wahrscheinlich auf der Stelle feuern – Familienbande hin oder her.

Sie hörte Troys Stimme im Flur vor ihrer Tür. Rasch legte Bryna eine andere Akte auf ihre Pläne und nahm einen Kugelschreiber in die Hand, um Interesse an der Buchführungsaufgabe zu heucheln, die sie gestern übertragen bekommen hatte.

„Hallo, Bry“, sagte Troy und lehnte sich an den Türrahmen, wie er es stets tat.

Alles, was es an Klatsch über ihre Cousins gab, stimmte. Sie waren mächtig und unverschämt attraktiv, eine echte Gefahr für jede alleinstehende Frau, die in ihre Nähe kam.

Ari war allerdings nicht mehr zu haben. Und Troy …

„Du siehst schlecht aus“, stellte sie fest.

Das stimmte. Draußen war Hochsommer, doch er wirkte bleich wie ein Gespenst und außerdem schrecklich müde.

Der Grund dafür war eng mit seiner Europa-Reise vor einem Monat verknüpft. Da waren die beiden Brüder nach Griechenland geflogen. Nicht in erster Linie wegen der Philippidis-Hochzeit, sondern um das Geschäft mit dem reichen Bräutigam unter Dach und Fach zu bringen. Der Abschluss wäre ein enormer Erfolg für die Firma gewesen und hätte überdies Earnest gerettet, den alten Ort rund ums Sägewerk. Ihr Zuhause verzeichnete momentan eine Arbeitslosenquote von fünfundzwanzig Prozent, die höchste in seiner hundertjährigen Geschichte.

Unnötig zu erwähnen, dass das Geschäft nicht zustande gekommen war. Was nicht an Troy gelegen hatte, sondern daran, dass sich Ari ausgerechnet in die Braut vergucken musste. Dadurch war nicht nur der Deal geplatzt, sondern der Skandal hatte auch die finanzielle Abwärtsspirale beschleunigt.

Das brach Bryna das Herz. Metaxas Limited war ein reines Familienunternehmen. Was würde Troy ohne die Firma machen, die sein Großvater und sein Vater aufgebaut hatten? ML war alles für ihn, und sein Blutdruck war direkt an die Umsätze gekoppelt.

Sowohl Troy als auch Ari waren für Bryna viel mehr als nur Cousins – sie waren ihre Brüder. Bis zu ihrem zwölften Lebensjahr war sie Einzelkind gewesen. Dann war die Cessna abgestürzt, die ihr Vater geflogen hatte. Er und Brynas Mutter waren dabei ums Leben gekommen. Sie waren auf dem Rückweg von einem Wochenendtrip nach San Francisco gewesen. Der Bruder ihres Vaters, der sich seit dem Tod seiner Frau als alleinerziehender Vater durchs Leben schlug, hatte Bryna bei sich aufgenommen.

Es war nicht leicht für sie gewesen, sich in einem reinen Männerhaushalt zu behaupten. Doch sie hatte es auch aufregend gefunden. Sie erinnerte sich daran, wie sie zum ersten Mal einen Jungen „zum Lernen“ mit nach Hause gebracht hatte. Da war sie fünfzehn gewesen. Troy und Ari hatten Dale Whitman zu einem Gespräch nach draußen gebeten, nachdem sie ihn und Bryna bei einem ersten Kuss über ihren Chemiebüchern erwischt hatten. Als Dale nach zehn Minuten immer noch nicht ins Esszimmer zurückgekehrt war, hatte sie sich auf die Suche nach ihm gemacht. Sie hatte ihn mit gefesselten Knöcheln an einem Ast der alten Eiche im Garten baumelnd entdeckt.

Ihre Cousins hatten ihm eine solche Angst eingejagt, dass er nicht nur nie wiederkam, sondern dass auch kein anderer Junge jemals bei den Metaxas auftauchte. Die Geschichte von Dale, den Troy und Ari kopfüber am Baum aufgehängt hatten, wurde legendär.

Brynas Cousin nahm ihre Bemerkung über sein Aussehen mit Humor. „Na, vielen Dank“, sagte er und rieb sich das frisch rasierte Kinn. „Genau das brauche ich heute Morgen.“

„Ich sage nur, wie es ist“, konterte sie.

„Tja, möglicherweise ist das einer der Gründe, warum du die Beförderung noch nicht bekommen hast, die du anstrebst.“

„Das ist unfair! Ich spreche mit dir von Cousine zu Cousin, nicht von Angestellter zu Arbeitgeber.“

„Und wo liegt da deiner Meinung nach der Unterschied?“

Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Ich wäre viel netter zu dir, wenn wir nicht miteinander verwandt wären.“

Es gelang ihr zu verbergen, wie sie wirklich über das Ausbleiben der Beförderung dachte. Sie wollte endlich gleichberechtigt dazugehören. War das etwa zu viel verlangt? Na schön, sie war erst vierundzwanzig. Aber sie hatte ihr Betriebswirtschaftsstudium mit Auszeichnung abgeschlossen. Und sie war der Aufgabe gewachsen.

Bryna hatte ihren Cousins sogar erklärt, sie brauche keine Gehaltserhöhung. Nicht mehr nur Juniorpartner zu sein – im Grunde eine bessere Sekretärin – würde ihr genügen.

Troy hatte abgelehnt. Wieder einmal. Mit der Begründung, es gäbe momentan einen Beförderungsstopp in der Firma.

Beinahe hatte sie damit gerechnet, dass er ihr nach diesen Worten die Haare zerzauste und ihr sagte, sie solle ein braves Mädchen sein und zum Spielen nach draußen gehen.

Sie musste ihn unbedingt davon überzeugen, dass sie nicht mehr die süße kleine Cousine war. Zumindest nicht nur, denn sie hatte nicht die Absicht, ihre Sonderstellung in der Familie aufzugeben.

Troy sagte: „Wenn das wahr wäre, würde ich dich sofort befördern.“

Sie verzog das Gesicht. „Der Bainwright-Zwischenfall wird mir ewig anhängen, was?“

„Der Bainwright-Vorfall? Oh, warte. Ja, jetzt erinnere ich mich daran.“ Er hob tadelnd den Zeigefinger. „Vielleicht sehe ja nur ich das so, aber ich finde, es zeugt nicht gerade von gutem Benehmen, einem Lieferanten während eines Meetings eine Karaffe voll Wasser in den Schoß zu schütten.“

„Mich anzugrapschen, während ich ihm Wasser einschenkte, aber auch nicht.“

„Er behauptete, es sei ein Versehen gewesen.“

„Ein Versehen wäre es dann gewesen, wenn er die Hand sofort nach der Berührung zurückgezogen hätte. Das hat er aber nun einmal nicht.“

Bei der Erinnerung an die Finger dieses schleimigen Kerls an ihrer Brust schüttelte sie sich.

Troy seufzte resigniert. „Wenn du einsiehst, dass du diese Situation diplomatischer hättest lösen können, unterhalten wir uns vielleicht noch mal über die Beförderung.“

Bryna lehnte sich zurück und war versucht, etwas zu erwidern wie: „Ah, du meinst, es wäre besser gewesen, ihm auch noch die andere Brust anzubieten.“

Stattdessen fiel ihr Blick auf die Akten auf ihrem Schreibtisch. Um genau zu sein, auf die Pläne, die sie niemand anderem zu unterbreiten gedachte, als dem Chefberater von Manolis Philippidis …

„Ach, du Schande, ist es wirklich schon so spät?“ Bryna erhob sich aus ihrem Bürosessel.

Troy stutzte. „Wie? Hast du einen Termin?“

„Ja“, bestätigte sie, zog ihren Blazer an und knöpfte ihn zu. „Allerdings.“

„Darf ich fragen, mit wem?“

Sie warf sich in Positur. „Mit dem Friseur in Seattle. Möchtest du mitkommen und mir zur Seite stehen?“

Er lachte in sich hinein. „Danke, aber ich verzichte.“

„Überleg es dir. Du könntest ein bisschen Selbstbräuner vertragen.“

Diskret schob sie die Pläne in ihren Aktenkoffer und ging an Troy vorbei.

„Sehr witzig.“

„Na dann, bis später.“

„Da wir heute Dienstag haben – warum bleibst du nicht dort und kommst am Sonntag zurück?“

Üblicherweise fuhr sie jeden Mittwochabend in ihre kleine Wohnung in Seattle und arbeitete zwei Tage lang von dort aus. Dann kam sie am Sonntagmorgen zum Brunch in das Haus der Metaxas’, ihrem eigentlichen Zuhause.

„Nein, ich komme heute Nachmittag zurück“, erklärte sie.

Als Bryna auf die alte Stahltreppe zuging, die sie zum Parkplatz vor der Sägemühle führte, war sie sich nicht sicher, was ihr mehr zu schaffen machte – ihre Nervosität oder dass Troy sie schon am Vormittag bedenkenlos gehen ließ.

Das zeigte, wie viel ihr Cousin von ihrer Arbeitsmoral hielt.

Sie lächelte. Wenn alles wie geplant lief, würde sich das schon sehr bald ändern …

2. KAPITEL

Dem Sieger gebührt die Beute …

Caleb wusste, wer Bryna Metaxas war. Sie war verwandt mit dem Mann, dem er das jüngste gescheiterte Geschäft zu verdanken hatte. Angesichts der Tatsache, dass jedoch weder seine Position noch sein persönliches Vermögen angetastet worden waren, konnte er sich durchaus als Sieger betrachten.

Wohingegen sie ganz eindeutig die Beute war. Denn er hatte keineswegs die Absicht, ihr in geschäftlicher Hinsicht näherzukommen …

Sie waren sich erst einmal begegnet, bei einem Meeting der Metaxas Limited. Während Manolis Philippidis mit eintöniger Stimme von einem Haken im Vertrag erzählte, bewunderte Caleb ganz in Ruhe Brynas bemerkenswerte Schönheit. Sie gehörte zu diesen gut aussehenden Frauen, die auf das Deck einer Philippidis-Jacht passten, mit einem knappen weißen Bikini bekleidet, der ihre Kurven richtig in Szene setzte. Dazu eine große Sonnenbrille auf der zierlichen Nase, und die langen dunklen Haare zurückgekämmt, während ein Kellner in Livree ihr einen Dirty Martini servierte. Er erinnerte sich daran, wie er damals gedacht hatte, dass sie leicht jede der griechischen Göttinnen aus dem Land ihrer Vorfahren auf dem Sexy-Meter schlagen konnte. Warum sie unbedingt die Geschäftspartnerin ihrer beiden Loser-Cousins sein wollte, war ihm ein Rätsel. Besonders da jede ihrer Ideen sofort von ihrem Cousin Troy verworfen wurde. Ihre leicht verärgerte, nachdenkliche Miene dabei machte sie noch anziehender.

Und jetzt, als sie ihn mit einem breiten Lächeln ansah, war sie sogar noch attraktiver.

Trotzdem hätte er sie lieber in dem knappen weißen Bikini gesehen, statt in dem strengen dunkelblauen Kostüm, das sie trug.

Er genoss unverblümt den Anblick der hübschen jungen Frau, die in sein Büro stürmte, nachdem er sie eine halbe Stunde lang hatte warten lassen. Sie wirkte noch sehr jung; vermutlich war er gut zehn Jahre älter. Doch wenn er eines aus seinen jüngsten Erfahrungen gelernt hatte, dann, dass Frauen in seinem Alter ihm früher oder später nur Ärger machten. In deren Designerhandtaschen waren vermutlich biologische Uhren und Bandmaße versteckt, stets griffbereit. Beides bestimmte ihr Handeln.

Bryna war jung und hörte das leise Ticken noch nicht. Und statt einer Handtasche führte sie einen Aktenkoffer mit sich.

Die Tatsache, dass sie zur Metaxas-Familie gehörte, verstärkte ihre Anziehungskraft auf eine gewisse verbotene Weise zusätzlich. Es war ihr Cousin Ari gewesen, der einen von Calebs ganz besonderen Deals platzen lassen hatte. Oh, nicht den Deal, der zusammen mit Philippidis Hochzeitsplänen geplatzt war, sondern den Vertrag, an dem Caleb gemeinsam mit einem Unternehmen aus Dubai zwei Jahre lang gearbeitet hatte. Daraus hatte einer der größten Mischkonzerne hervorgehen sollen.

Jener Vertrag, der Philippidis dazu brachte, den Metaxas und seiner treulosen Braut Rache zu schwören.

„Danke, dass Sie mich empfangen“, sagte Bryna und nahm ihren Aktenkoffer in die linke Hand, um die rechte ausstrecken zu können.

„Gern geschehen.“ Fühlte sich ihre Haut wirklich so weich an? Caleb hielt die zarten Finger einfach fest und rieb mit dem Daumen sacht über ihren Handrücken.

Er beobachtete, wie Brynas Pupillen in der dunkelgrünen Iris sich angesichts seiner Unverfrorenheit weiteten. Doch statt ihm ihre Hand zu entziehen, erwiderte sie seinen Blick und ließ das unvermittelte erotische Knistern zwischen ihnen zu.

Die daraus resultierende Hitze wanderte prompt abwärts in seine Lenden. Er gönnte sich den kurzen Moment, in dem er ihr in seiner Fantasie den knappen weißen Bikini auszog, sodass sie vollständig nackt war …

Bryna räusperte sich und zog langsam ihre Hand zurück. Die Fantasie verschwand.

„Ich habe drei Geschäftsentwürfe mitgebracht, die ich Ihnen gern präsentieren würde“, verkündete sie und setzte sich in einen der Besuchersessel mit den hohen Lehnen. Den Aktenkoffer stellte sie neben ihre übereinandergeschlagenen Knöchel. Ihre schmalen, anmutigen Fesseln weckten sein Interesse.

Sie nahm einige Unterlagen aus dem Aktenkoffer und hielt sie ihm hin.

Er machte keine Anstalten, sie von ihr entgegenzunehmen. Stattdessen ließ er seinen Blick genüsslich von ihren Waden aufwärts wandern, bis zum Rocksaum, der knapp oberhalb ihrer hübschen Knie endete.

Bryna legte die Geschäftspläne auf seinen Schreibtisch, neben dem er stand.

„Ich bin sicher, dass Sie nach Durchsicht dieser Unterlagen zu dem Schluss kommen, dass eine Partnerschaft mit Metaxas Limited im Interesse aller liegt.“

Das Einzige, was ihn momentan interessierte, war die Möglichkeit, ihre Knie ein wenig zu spreizen. Ob sie wohl einen schlichten weißen Slip trägt? fragte er sich. Oder einen schwarzen? Vielleicht rot? Oder würde sie ihn überraschen, indem sie nichts unter dem Rock trug?

Bei dieser Vorstellung stieg prompt seine Körpertemperatur an.

Er richtete seinen verräterischen Blick wieder auf ihr Gesicht. „Weiß Troy eigentlich, dass Sie hier sind?“

Er hatte ihre Cousins bei mehreren Gelegenheiten getroffen und dabei den Eindruck gewonnen, dass der ältere der beiden für die Geschäftsverhandlungen zuständig war. Außerdem war Troy Metaxas ein Kontrollfreak. Genau wie er selbst.

Es war faszinierend zu beobachten, wie Bryna seinem Blick auswich.

Er tippte darauf, dass niemand von ihrem Besuch in seinem Büro wusste.

Caleb kannte sich selbst gut genug, um die Anziehungskraft, die diese junge Frau im Besuchersessel auf ihn ausübte, richtig einschätzen zu können. Und ihrer Reaktion auf die Berührung nach zu urteilen, würde es nicht schwer sein, sie in eine heiße Affäre hineinzuziehen. Ein paar sorgsam gewählte Liebkosungen und geflüsterte Worte, und sie würde dahinschmelzen.

Die Gegensprechanlage summte.

Seine Sekretärin. Er hatte sie angewiesen, das Treffen nach fünf Minuten zu unterbrechen.

Das Problem war nur, dass er sich gar nicht sicher war, ob er seine Zeit mit Bryna beenden wollte.

„Entschuldigen Sie“, sagte er.

„Nur zu.“

Er nahm den Hörer ab und lauschte einen Moment lang. Dabei betrachtete er von neuem Brynas sanfte Kurven, bevor er wieder auflegte.

„Tut mir leid, aber es scheint sich um ein Gespräch aus Übersee zu handeln, das ich entgegennehmen muss.“ Zu seinem Erstaunen musste er das Bedauern nicht spielen.

Auf ihren vollen sinnlichen Lippen erschien ein Lächeln. Sie schienen zum Küssen geschaffen worden zu sein. „Selbstverständlich.“ Sie stand auf. „Ich bin dankbar, dass Sie mir Ihre Zeit geopfert haben. Rufen Sie mein Büro an, sobald Sie die Gelegenheit hatten, einen Blick auf meine Angebote zu werfen. Dann können wir ein neues Treffen vereinbaren.“ Sie wandte sich zum Gehen, drehte sich jedoch mit erhobenem Zeigefinger noch einmal um. Ihre Lippen waren geteilt, als wollte sie etwas sagen. Sein Gesichtsausdruck, der mit Sicherheit sein Interesse an ihr verriet, ließ sie offenbar innehalten.

Ihre rosafarbene Zungenspitze lugte hervor, als sie sich provozierend die Lippen befeuchtete.

„Vielleicht sollte ich lieber Sie anrufen“, sagte sie leise.

Caleb durchquerte den Raum, um näher bei ihr zu sein. Der Duft ihres Parfüms betörte seine Sinne. Er riss sich vom Anblick ihres Mundes los, um ihr in die Augen zu sehen. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust, um auf Distanz zu bleiben und sie nicht anzufassen. „Warum haben Sie mich ausgesucht, Miss Metaxas?“

Es war deutlich, dass sie sich seiner Gegenwart auf die gleiche Weise bewusst war wie er sich ihrer. Und dass seine Nähe sie ein wenig aus dem Konzept brachte. Sein Blick fiel auf ihren anmutigen Hals, als sie schluckte. „Ich verstehe nicht ganz.“

„Warum haben Sie sich nicht direkt an Philippidis gewandt?“

Ihr Lächeln war eine Spur ironisch. „In Anbetracht der Umstände hielt ich meine Chancen für besser, mit Ihnen zu einer Einigung zu kommen.“ Sie musterte seine breiten Schultern und seine Größe. „Schließlich sind Sie unabhängiger Berater, nicht wahr? Sie arbeiten zwar für Philippidis, aber Sie sind nicht sein Angestellter.“ Sie zuckte mit den Schultern, aber es wirkte keineswegs so lässig, wie es sollte. „Philippidis können wir die Idee nicht mehr anbieten. Aber möglicherweise können Sie und ich daran arbeiten, sie an jemand anderen zu verkaufen.“

Ihre Selbstsicherheit, ihr weibliches Selbstbewusstsein gefielen ihm. Er bewunderte ihre Haltung. Offenbar hatte sie ihren Auftritt gründlich vorbereitet, wohl wissend, dass die Erfolgschancen sehr gering waren.

Er nahm die Aktenmappen, warf einen kurzen Blick auf die oberste und hielt sie ihr hin.

„Es schmeichelt mir zwar, Miss Metaxas, aber ich fürchte, ich bin nicht interessiert.“

Das war glatt gelogen. Das Problem bestand vielmehr darin, dass er viel zu sehr interessiert war … und zwar ganz persönlich an ihr.

Zögernd nahm sie die Unterlagen von ihm entgegen. Doch der Ausdruck in ihren Augen verriet, dass sie ihn durchschaute.

Caleb blickte sie skeptisch an.

„Sind Sie sicher, dass ich nichts tun kann, damit Sie Ihre Meinung noch ändern?“, fragte sie vieldeutig.

Er spielte dieses Mann-gegen-Frau-Spiel lange genug, um zu wissen, dass sie einen Killerinstinkt besaß. Manche Frauen hatten ein natürliches Gespür für menschliche Bedürfnisse und wie man diese zum eigenen Vorteil nutzte.

Sexy Miss Bryna Metaxas war es angeboren. Vielleicht verstand sie es noch nicht optimal einzusetzen, doch sie wusste genug, um äußerst verführerisch aufzutreten.

Lächelnd antwortete er: „Ja, da bin ich mir sicher.“

Er kam noch näher und schätzte, dass er nicht nur gute zehn Zentimeter größer war als sie, sondern ihr auch einige Jahre an Erfahrung voraushatte. Zwar besaß sie offenbar ausgezeichnete Instinkte, trotzdem war sie ihm nicht gewachsen.

Warum wollte er dann unbedingt wissen, was für eine Herausforderung sie darstellte?

Er war jetzt nur noch einen Atemzug von ihr entfernt. Sie wich weder zurück, noch zeigte sie sonst irgendwelche Anzeichen dafür, dass sie eingeschüchtert war. Im Gegenteil, sie schien von der Anziehung zwischen ihnen ebenso gefesselt zu sein wie er.

„Fairerweise muss ich Ihnen sagen, dass Sie nicht das letzte Mal von mir gehört haben“, meinte sie so leise, dass es fast ein Flüstern war.

Caleb bemerkte die sanfte Röte auf ihren Wangen und richtete den Blick noch einmal auf ihren sündigen Mund, ehe er ihr wieder in die Augen sah.

„Das hoffe ich doch sehr, Miss Metaxas.“

Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln, dann ging sie. Er stand noch eine ganze Weile so da, nachdem die Tür hinter ihr zugefallen war.

Faszinierend.

Er ging wieder hinter seinen Schreibtisch, nahm den Hörer ab und bat seine Sekretärin ihn jetzt zu verbinden für ihn herzustellen. Dabei sah er, dass das schlaue Vögelchen die Unterlagen auf seinem Schreibtisch liegen gelassen hatte, obwohl er sie ihr zurückgegeben hatte.

Er grinste und bewunderte Brynas Entschlossenheit.

3. KAPITEL

Bryna saß in ihrem Wagen, der auf dem Parkplatz von Metaxas Limited stand. Trotz der eintönigen fünfundvierzigminütigen Fahrt von der Stadt zurück nach Earnest fühlte sie sich noch seltsam aufgewühlt. Als wäre sie beinahe von einem zu schnellen Auto überfahren worden … und sie verspürte den Wunsch, sich diesem Auto erneut in den Weg zu stellen.

Sie hatte schon gehört, dass man Caleb Payne nicht so leicht zum Narren halten konnte. Bei ihren früheren Begegnungen hatte sie sich selbst ein Bild von ihm machen können. Aber bei ihrem Treffen heute Morgen … wow. Mit dieser heftigen Anziehung hatte sie nicht gerechnet. Sie stand förmlich in Flammen. Ihre Haut kribbelte jetzt noch, und ihr Slip war feucht von dem kurzen Moment, in dem sie sich gegenübergestanden hatten. Einerseits hatte er sie in geschäftlicher Hinsicht abgewiesen. Andererseits hatte sie das Verlangen in seinen dunklen Augen gesehen und den Wunsch verspürt, sich darauf einzulassen – auch wenn eine innere Stimme sie davor warnte.

Na schön, vielleicht war es keine gute Idee, sich erotischen Fantasien über den Mann hinzugeben, der Metaxas Limited vor dem Abgrund retten sollte. Genau genommen war es eine sehr schlechte Idee. Bisher hatte sie Beruf und Privates strikt getrennt. Und da so viel auf dem Spiel stand, sollte sie nicht einmal daran denken.

Was dann auch wahrscheinlich der Grund dafür war, dass sie es doch tat.

Ihr jüngerer Cousin Ari hatte ihr einmal gesagt, sie habe einen gewissen Hang zur Gefahr. Zum Beispiel ziehe sie die bösen Jungs den guten vor. Oder gehe beruflich unkluge Risiken ein, weshalb sie ständig um Akzeptanz und ihr Vorwärtskommen kämpfen musste.

Sie schloss fest die Augen, umklammerte mit beiden Händen das Lenkrad und atmete tief durch.

Verschwinde, befahl sie dem Bild von Caleb Payne, das sie immer wieder vor sich sah.

Jemand klopfte an die Seitenscheibe ihres Mustang GT. Bryna sah erschrocken auf und entdeckte Ari, der neben ihrem Wagen stand.

Sie zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und stieß die Tür so schnell auf, dass sie seine Beine traf.

„Autsch!“, rief er und wich lachend zurück. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.“

Bryna verriegelte das Auto und aktivierte gleichzeitig die Alarmanlage. „Klar, deshalb hast du ja auch an mein Wagenfenster geklopft.“

Er ließ sein typisches charmantes Lächeln aufblitzen, das einfach ansteckend war. Leider war sein unwiderstehlicher Charme auch dafür verantwortlich, dass das Familienunternehmen derzeit in solchen Schwierigkeiten steckte.

„Woher kommst du?“, wollte er auf dem Weg ins Büro wissen.

„Das sollte ich dich fragen.“

„Aber ich habe zuerst gefragt.“

„Stimmt.“ Sie brauchte einen Augenblick, bis ihr die Ausrede für das Verlassen ihres Arbeitsplatzes wieder einfiel. „Ich war beim Friseur. Und du?“

„Beim Lunch mit meiner Verlobten.“

Bryna versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Doch Ari merkte es anscheinend trotzdem, denn sein Lächeln erstarb.

„Fällt es dir immer noch schwer, zu akzeptieren, dass Elena und ich zusammen sind?“

Bryna hielt ihm die Tür auf. „Habe ich etwas gesagt?“

„Das war gar nicht nötig. Es steht dir ins Gesicht geschrieben.“

Na schön, sie würde ihrem Cousin sein unmögliches Benehmen verzeihen müssen. Aber wer sagte denn, dass sie nicht gegen die Frau, die für die Geschehnisse in Griechenland vor einem Monat verantwortlich war, für den Rest ihres Lebens einen Groll hegen konnte?

„Sie trägt mein Kind unter dem Herzen, deine Nichte oder deinen Neffen.“

Bryna war sofort voller Zuneigung für ihn. Er hatte nicht „Cousin oder Cousine zweiten Grades“ gesagt, sondern „Nichte oder Neffe“. Sie war gerührt.

Genau deshalb war es leicht, Ari stets aufs Neue zu verzeihen.

„Wie lief es beim Arzt?“, erkundigte sie sich.

Ari strahlte. „Ich habe den Herzschlag des Babys gehört. Es war so ziemlich das Zweitbeste, was ich jemals in meinem Leben gehört habe.“

„Das Zweitbeste?“

„Elenas leise Seufzer stehen an erster Stelle.“

Bryna hob die Hand. „So genau wollte ich es gar nicht wissen.“

„Du und deine schmutzigen Gedanken.“

Sie gingen die Treppe in den ersten Stock hinauf, wo die Büros des ehemaligen Sägewerks lagen, und dort den schmalen Gang entlang. „Wer sagt denn, dass ich schmutzige Gedanken habe?“

Doch er hatte recht – sie hatte schmutzige Gedanken, und zwar seit sie Caleb begegnet war.

Sie betrat ihr Büro, dessen Tür offen stand. „Hast du eigentlich nichts zu tun?“, wandte sie sich an Ari.

Er schob die Hände in die Taschen seiner Khakihose. In seinem adretten dunkelblauen Blazer sah er aus wie aus einer Calvin-Klein-Werbung.

Ehe er etwas erwidern konnte, schlug sie ihm die Tür vor der Nase zu und sah ihn durch die Glasscheibe an.

Er lachte und ging kopfschüttelnd zu seinem Büro.

Bryna legte ihren Aktenkoffer auf den Schreibtisch. Dann machte sie die Tür wieder auf und sah nach links und rechts den Gang hinunter. Keiner von dem Dutzend Beschäftigter war zu sehen.

Gut. Sie brauchte ein paar Minuten für sich, um sich zu sammeln.

Und um sich zu überlegen, wie sie ein weiteres Treffen mit Caleb Payne arrangieren konnte … eines, bei dem sie ihre lebhaften Fantasien ausleben würde, die sich alle um die knisternde Anziehung zwischen ihnen drehten …

So sehr Caleb ein Einzelgänger war, so ungern aß er allein.

Nach Feierabend saß er noch immer in seinem Büro, blickte auf seine Uhr und überlegte, wen er um diese Uhrzeit zum Essen einladen konnte. Es musste jemand sein, der nicht mehr als eine gute Mahlzeit erwartete. Nach mehr stand ihm nämlich nicht der Sinn.

Es gab zwei männliche Kollegen, die er anrufen könnte, aber die waren beide verheiratet. Ihm gefiel die Vorstellung, allein zu essen, zwar nicht. Aber das war immer noch besser, als solo im Haus eines Paares zu essen. Besonders eines jungen Paares, das an die Liebe glaubte.

„Mr Payne?“

Seine Sekretärin hatte angeklopft und die Tür geöffnet.

„Ich habe den New Yorker Anwalt für Sie am Telefon.“

Caleb sah erneut auf die Uhr. An der Ostküste musste es also kurz nach acht sein, eine Zeit, zu der sie meistens ihre Gespräche führten. Er engagierte niemanden, der seinem Beruf nicht zweihundertprozentig verpflichtet war.

„Danke, Nancy. Haben Sie etwas von Manolis gehört?“

Philippidis hatte ihn den ganzen Tag lang nicht zurückgerufen.

„Nein, Sir. Ich versuche nach wie vor, ihn zu erreichen.“

„Danke.“

Sie schloss die Tür wieder hinter sich, und Caleb widmete sich seinem Anwalt, der am anderen Ende der Leitung wartete.

Wie lange zog sich dieser Fall schon hin? Zwei Jahre? Und einer Lösung waren sie immer noch nicht viel näher gekommen.

Schuld daran war natürlich sein ungewöhnlicher Antrag. Die meisten Gerichte waren überfordert mit dem Wunsch eines zweiunddreißigjährigen Mannes, einen DNS-Test zu erzwingen. Zumal der mutmaßliche Vater bereits verstorben war.

„Harry“, begrüßte Caleb seinen Anwalt.

„Caleb.“

Er lehnte sich in seinem Bürosessel zurück und schloss die Augen. Der Stimme seines Anwalts entnahm er, dass dies kein angenehmes Gespräch werden würde.

„Ich habe ein Angebot erhalten.“

Er hörte sich die Summe im mittleren siebenstelligen Bereich an.

„Bist du noch dran?“, fragte Harry.

„Nein.“

Es folgte kurzes Schweigen. „Nein, du bist nicht mehr dran? Oder nein, kein Geschäft?“

Caleb setzte sich wieder aufrecht. „Ums Geld ist es nie gegangen.“

Geld hatte er genug. Er hatte dreimal so viel verdient wie sein Vater mit dreißig. Und die Paynes waren ein so alter und wohlhabender New-England-Clan wie die Winsteads.

Bei diesem Gedanken sah er das Gesicht seiner Mutter vor sich. Da er ihr einziges Kind gewesen war, hatten sie eine ganz besondere Bindung zueinander gehabt. Er nahm an, dass die Umstände seiner Geburt sie noch fester zusammengeschweißt hatten.

Er hatte ihr noch immer nichts von seinen juristischen Bemühungen gesagt. Aber wahrscheinlich wusste sie längst, was los war. Unter den oberen zehntausend sprachen sich solche Dinge herum wie Klatsch in der Kleinstadt. Dennoch hatte sie ihm gegenüber nichts erwähnt. Vermutlich wartete sie darauf, dass er sie um Erlaubnis für sein Vorhaben bat.

Allerdings war er der Ansicht, dass er es ebenso für sie tat. Sie hatte seinetwegen so viele Opfer gebracht, da war er es ihr wenigstens schuldig, ihr ihren guten Namen zurückzugeben.

„Sie wollen, dass du die Sache vergisst.“

Natürlich wollten sie das. Das Ansehen des verstorbenen Theodore Winstead durfte nicht durch ein uneheliches Kind besudelt werden.

Caleb merkte, dass er mit den Zähnen knirschte. Er zwang sich, damit aufzuhören.

„Du musst die Entscheidung nicht sofort treffen. Schlaf eine Nacht darüber. Ich rufe Montag wieder an.“

„Nicht nötig“, sagte Caleb. „Lehne ab und mach weiter.“

„Geht klar“, erwiderte der Anwalt ohne zu zögern.

Zufrieden legte Caleb auf und lehnte sich zurück. Jeder Muskel seines Körpers schien angespannt zu sein.

Er hatte keine Ahnung, wie lange er so dasaß, bis es erneut klopfte und Nancy im Türrahmen erschien.

„Hatten Sie Glück mit Philippidis?“, fragte er.

„Nein, aber diese Nachrichten kamen herein, während Sie telefonierten.“

Er rieb sich das Gesicht und fühlte die frischen Bartstoppeln. Er würde das an sein Büro angrenzende Badezimmer benutzen und sich rasieren, ehe er ging.

Caleb nahm fünf Zettel von seiner Sekretärin entgegen, überflog sie und hielt eine der Nachrichten hoch. „Ist das ihre Büronummer?“

„Ihre Handynummer.“

Noch besser.

„Danke, Nancy. Das ist alles. Wir sehen uns Montag wieder.“

„Sehr wohl, Sir. Gute Nacht.“

Caleb wartete, bis sie gegangen war, ehe er die Nummer auf dem Zettel wählte.

Sie meldete sich beim zweiten Klingeln.

„Unser Treffen neulich wurde unterbrochen. Ich würde es gern fortsetzen.“

Er wartete auf Bryna Metaxas’ Antwort. „Ich auch“, sagte sie mit sinnlicher Stimme. „Nächste Woche?“

„In einer halben Stunde. Bei Georgio’s.“

Eine halbe Stunde war nicht annähernd genug Zeit für eine Frau, sich in Schale zu werfen. Aber wenn man eine Einladung annahm, verlangte die Business-Etikette, dass man erschien.

Doch als das Taxi vierzig Minuten später vor Georgio’s hielt, wusste Bryna, dass sie die Einladung in dieses vornehme Restaurant keineswegs aus geschäftlichen Gründen angenommen hatte.

Sie schob den Fersenriemen ihrer goldfarbenen griechischen Riemchenpumps gerade, die Ari ihr aus Santorini mitgebracht hatte. Dann bezahlte sie den Fahrer und stieg aus. Zu ihrer freudigen Überraschung stand Caleb vor dem Eingang. Sie hatte damit gerechnet, ihn in einer der eleganten Sitznischen vorzufinden, bei einem Drink.

Stattdessen wartete er draußen.

Jede Empfindung, die sie bei ihrem ersten Treffen verspürt hatte, verzehnfachte sich in ihrer Intensität. Er raubte ihr regelrecht den Atem … als würde er sie schon überall dort berühren, wo sie sich nach seiner Berührung sehnte. Und sie reagierte völlig hemmungslos, ja geradezu begierig darauf …

In den vergangenen zwei Tagen hatte sie sich einzureden versucht, sie habe auf das überreagiert, was wirklich geschehen war. Vielleicht hatte sie sich nur eingebildet, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte. Vielleicht war das nur sein übliches harmloses Flirten gewesen.

Doch in diesem Augenblick wusste sie, dass das alles keine Einbildung gewesen war.

Sie ging auf ihn zu und beobachtete, wie er sie betrachtete. Trotz ihrer geschäftlichen Uneinigkeit war sie eindeutig gekleidet, um sich zu vergnügen. Die Wahl ihres knappen schwarzen Kleids hatte nichts Unschuldiges. Es umschmeichelte ihre Kurven viel zu aufreizend. Außerdem glänzten ihre nackten Schultern von der Bodylotion und waren parfümiert. Die Haare trug sie diesmal offen, mit kleinen Locken zu beiden Seiten ihres Gesichts.

Bryna zögerte kurz, als sie nahe genug war, um ihn anzusprechen. Im schwindenden Abendlicht sah er aus wie eine gefährliche dunkle Gestalt. Aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, in die Falle zu gehen … aber sie wollte es.

Sie blieb vor ihm stehen und hielt ihre winzige Handtasche umklammert. Ihr Hals war so trocken, dass sie kein Wort herausbekam. Caleb nutzte die Gelegenheit, um den Blick von ihren Beinen langsam aufwärts gleiten zu lassen, bis er ihr schließlich in die Augen sah. Bryna hob leicht das Kinn und lächelte vielsagend, während sie darauf wartete, dass er sie an seinen Gedanken teilhaben ließ.

„Faszinierend.“

Bryna erschauerte. Noch nie hatte jemand sie faszinierend genannt. Doch es gefiel ihr. Mehr noch, sie war entschlossen, dieser Einschätzung gerecht zu werden.

In einer Stimme, die sie selbst kaum erkannte, fragte sie: „Wollen wir?“

Ein verwegenes Lächeln erschien auf seinem attraktiven Gesicht. „Und ob wir wollen …“

Caleb hatte schon etliche Frauen kennengelernt und bildete sich ein, sie innerhalb von fünf Minuten durchschauen zu können. Wer sie waren. Was sie wollten. Wie lange die Liaison dauern würde.

Doch Bryna Metaxa entpuppte sich als charmantes Rätsel.

Während des Essens flirtete sie mal offen, dann wieder gab sie sich klug und sachlich, je nach der Richtung, in die er das Gespräch lenkte.

Ihr wissendes Lächeln signalisierte ihm, dass sie ihn ihrerseits ziemlich gut durchschaute und er keineswegs immer bekommen würde, was er wollte.

Aber da irrt sie sich, dachte er und trank einen Schluck Kaffee. Das Essen war köstlich gewesen – doch längst nicht so köstlich wie die Aussicht auf Bryna.

„Da Sie mich offensichtlich nicht hierher eingeladen haben, um geschäftliche Dinge mit mir zu besprechen, warum dann? Denn ich bin mir sicher, dass sie noch keinen Blick in meine Vorschläge geworfen haben, die ich Ihnen im Büro gelassen habe.“

Erfrischend direkt, dachte er. „Ist es etwa eine Sünde, sich die Gesellschaft einer wunderschönen Frau zu wünschen?“

Sie leckte die Gabel, mit der sie sich gerade ein Stück Mousse-au-Chocolat-Torte in den Mund geschoben hatte, provozierend sexy ab.

„Man sollte meinen, dass Sie mindestens ein Dutzend schöner Frauen kennen, die Sie anrufen können.“

Caleb lehnte sich zurück. Seine Hose spannte plötzlich im Schritt beim Anblick ihrer Zungenspitze, die zwischen den roten Lippen erschien und über das Silber fuhr. Sofort fiel ihm eine Stelle ein, an der er sie genau das tun sehen wollte. Die Wirkung dieser Vorstellung war stärker als der Cognac, den er sich zum Kaffee bestellt hatte.

„Ich könnte ebenso fragen, warum Sie an einem Freitagabend frei sind.“ Er hob eine Braue. „Oder haben Sie eine Verabredung abgesagt?“

„Sie lenken die Unterhaltung in eine andere Richtung. Schon wieder.“

Caleb lachte leise und musterte sie mit zusammengekniffenen Augen.

„Na schön.“ Er beugte sich nach vorn und legte die Hände flach auf den Tisch. „Vor Kurzem ging eine sechsmonatige Beziehung zu Ende. Und da habe ich nicht bedacht, dass ich an diesem Wochenende keine Gesellschaft haben würde. Die Wahrheit ist nämlich, ich esse nicht gern allein.“

Sie schien von seiner Offenherzigkeit erstaunt zu sein und lehnte sich ebenfalls nach vorn, sodass ihre Hände sich auf dem Tisch fast berührten. „Ich weiß Ihre Aufrichtigkeit zu schätzen. Aber das erklärt nicht, warum Sie mich angerufen haben.“

„Ich habe Sie angerufen“, begann er, wobei er die Hände umdrehte. Er sehnte sich danach, Bryna zu berühren, ihre Wange, ihren Hals, ihre Brüste … „weil ich mir ziemlich sicher war, dass Sie nicht gleich heute Abend mit mir schlafen würden.“

Verblüfft lehnte sie sich wieder zurück. Doch sie fand ihre Fassung schnell wieder.

Allerdings hatte sie es mit der Antwort offenbar nicht eilig. Das gefiel ihm. Er genoss es, ihr Gesicht zu betrachten, während sie sich seine Erklärung durch den Kopf gehen ließ. Ihre Augen verdunkelten sich, ein Lächeln umspielte ihren Mund, wieder provozierend sexy.

Caleb hätte darauf wetten können, dass sie unter dem Tisch langsam den Fuß an der Wade des anderen Beins rieb.

„Ach ja?“, sagte sie schließlich.

„Ja.“

„Und warum?“

„Weil Sie nicht wollen, dass ich einen falschen Eindruck von Ihnen bekomme.“

„Ah, wegen unserer Geschäftsverbindung.“

„Es gibt keine Geschäftsverbindung“, erinnerte er sie.

„Noch nicht.“

Er grinste. „Noch nicht.“

„Dann trauen Sie mir also nicht zu, dass ich aus geschäftlichem Interesse mit jemandem schlafe?“ Sie schob sich eine weitere Gabel voll Kuchen in den Mund. Und dieser Mund brachte ihn völlig aus dem Konzept.

„Nein, das traue ich Ihnen nicht zu.“

„Und wenn ich Sie nun zu mir nach Hause einlade?“

„Würde ich darauf bestehen, dass wir stattdessen zu mir gehen …“

Na schön, er hatte sie auf die Probe gestellt.

Und Bryna erbebte praktisch von Kopf bis Fuß bei der Vorstellung, sich darauf einzulassen.

Es war eine süße Qual gewesen, Caleb gegenüberzusitzen und ihn zu begehren, ohne die richtigen Worte zu finden, um es ihm zu sagen.

Oh, sie hatten geredet. Aber sie war zu sehr abgelenkt gewesen von seinem markanten Gesicht … seinen starken Händen … dem selbstbewussten Ausdruck in seinen dunklen Augen.

Als sie das Restaurant verließen, lag seine Hand für einen Moment auf ihrem nackten Arm, und diese Berührung ging ihr durch und durch.

Draußen hielt eine Limousine am Kantstein, deren Fahrer ausstieg, um ihnen die Tür aufzuhalten.

Bryna wusste, dass sie verloren war, wenn sie in diesen Wagen stieg. Sie würde Caleb nicht aufhalten können. Einerseits sehnte sie sich danach. Andererseits schrie die Stimme der Vernunft in ihr, dass es viel zu schnell ging. Wenn sie mit ihm schlief, würde er anschließend deutlich im Vorteil sein.

Statt einzusteigen, drehte sie sich zu ihm um und stellte ein wenig erschrocken fest, wie nah er bei ihr stand. So nah, dass sie bei der halben Drehung eine gewisse harte Stelle seines Körpers an ihrem Oberschenkel spürte. Ein sinnlicher Schauer überlief sie. Sie sah ihm in die Augen und legte ihm die Hand auf die Brust.

„Die Einladung ist verlockend“, flüsterte sie. „Aber ich fürchte, Sie haben recht. Ich werde auf keinen Fall heute Nacht mit Ihnen schlafen.“

„Wie schade.“ Er legte ihr die Hände auf die Hüften und zog Bryna an sich. Nun spürte sie seine Erektion noch deutlicher.

„Ja“, hauchte sie, ihr Herz pochte.

Sie beugte sich vor, als wollte sie ihn küssen. Aber dann wich sie doch zurück und winkte nach einem Taxi.

„Danke für das Abendessen“, sagte sie.

„Danke für die Gesellschaft.“

„Jederzeit.“

Seine Augen funkelten. „Darauf komme ich vielleicht zurück.“

Sie hoffte es.

So weich … und so warm.

Brynas Körper pulsierte vor Begierde, feucht und verlangend. Sie bog den Rücken durch und streckte die Arme nach Caleb aus, der sich über sie beugte. Doch er blieb irgendwie außer Reichweite. Dieses wissende, dreiste Lächeln lag auf seinem Gesicht …

Sie erwachte von ihrem eigenen Stöhnen.

Bryna stützte sich auf die Ellbogen, strich sich die Haare aus dem Gesicht und schaute sich in ihrem alten Kinderzimmer im Haus der Metaxas um. Weißer Baldachin. Weiß-rosafarbene Tapete. Ein weißer Marmorkamin. Stofftiere in einer Ecke.

Es war zwei Tage her, seit sie sich vor dem Restaurant von Caleb verabschiedet hatte. Und seitdem verfolgte er sie in ihren Träumen. Dort war er ihr stets nah und blieb doch unerreichbar für sie.

Bryna schlug die Decke zurück und achtete nicht darauf, dass ihr schlichtes Baumwollnachthemd bis zu ihren Oberschenkeln hochgerutscht war. Sie nahm ihr Handy vom Nachtschrank und klappte es auf. Keine Anrufe. Keine Textnachrichten. Sie legte es zurück. Dann ging sie barfuß durch das große Zimmer ins angrenzende Bad.

Am Freitag Abend hatte sie all ihre Willenskraft aufbringen müssen, um den Fahrer des Taxis nicht umdrehen und der Limousine folgen zu lassen. Noch nie war ihr ein Mann begegnet, der ihr so unter die Haut ging. Sie wollte seine Hände auf ihrem Körper spüren. Wollte mit ihren Lippen seinen Körper erforschen. Sie wollte die Nacht damit verbringen, die Saat der Sinnlichkeit aufgehen zu lassen, die sie bei ihrem gemeinsamen Abendessen gesät hatten. Die Sehnsucht nach Caleb war so stark gewesen, dass sie am nächsten Morgen zurück nach Earnest gefahren war, um nicht einfach bei ihm aufzutauchen. Normalerweise fuhr sie erst am Sonntagmorgen zum Brunch nach Hause.

Innerhalb von zwanzig Minuten war sie geduscht und angezogen. Sie hatte sich für eine weiße Hose und eine violette kurzärmelige Bluse entschieden. Die Unruhe war die gleiche wie beim Aufwachen, aber sie war entschlossen, sich davon nicht beeinträchtigen zu lassen.

Bryna schlüpfte in ihre Sandaletten und ging nach unten. Es war neun, Brunch würde es nicht vor halb elf geben. Trotzdem war sie nicht überrascht, dass ihr Onkel Percy und Troy bereits wach waren und auf der hinteren Veranda Kaffee tranken.

„Guten Morgen.“ Sie gab ihrem Onkel einen Kuss auf die Wange und drückte ihrem Cousin die Schulter, ehe sie sich auf den freien Sessel neben ihn setzte.

„Dir auch einen guten Morgen“, sagte Percy, faltete den Wirtschaftsteil der Zeitung zusammen und legte ihn auf den Tisch. „Schön, dich so früh hier zu sehen.“

„Ich bin schon gestern Abend gekommen“, erwiderte sie und schenkte sich einen Becher Kaffee ein.

„Tatsächlich? Aus einem bestimmten Grund?“

Ja, weil sie einen gewissen Mann nicht mehr aus dem Kopf bekam. „Nein, ich wollte heute Morgen nur gern zu Hause aufwachen, das ist alles.“

Und das große Anwesen war ihr Zuhause, oder? Die ganzen vierhundert Hektar Land und knapp tausend Quadratmeter Wohnfläche. Viel Platz für alle, sodass jeder seine Privatsphäre hatte.

Zu Hause. Manchmal war es schon komisch, wenn sie daran dachte, dass sie einst in einem viel schlichteren Haus außerhalb von Seattle gelebt hatte. In den vergangenen zwölf Jahren, seit dem Tod ihrer Eltern, war dies der Ort gewesen, an dem ihre alten Grundschulzeugnisse, Schulfotos und Schwimmmedaillen aufbewahrt wurden. Diese prachtvolle Villa auf dem Hügel, der einen Blick über die kleine Stadt Earnest bot. So sehr Bryna auch auf ihrer Unabhängigkeit bestand – dies blieb der Ort, den sie aufsuchte, wenn sie Ruhe und Besinnung brauchte.

Abgesehen davon waren Percy, Troy und Ari immer für sie da. Die drei waren ihre Familie.

„Hast du nicht langsam genug Zucker hineingetan?“, fragte Troy.

Überrascht stellte Bryna fest, dass sie noch einen Löffel voll genommen hatte. Sie probierte einen Schluck und verzog das Gesicht.

„O-oh. Das sieht mir sehr nach Ärger mit Männern aus.“

Sie drehten sich alle um, als Ari, der nie ein Blatt vor den Mund nahm, die Veranda betrat.

„Korrigiere mich, falls ich mich irre“, sagte Bryna. „Aber braucht man nicht erst einen Mann, um mit ihm Ärger zu haben?“

„Nicht unbedingt.“ Ari pflückte sich eine Weintraube von einem Bund auf dem Tablett. „Der Ärger geht schon los, wenn eine Frau einen Mann will, den sie nicht haben kann.“

Troy raschelte mit seinem Teil der Seattle Times. „Hört, hört, wer sich plötzlich zum Experten aufschwingt.“

Bryna versuchte, an Ari vorbeizublicken. War er zu diesem Brunch etwa allein aufgetaucht? Sie begann zu hoffen.

Aber dann kam Elena heraus und entschuldigte sich für ihre Verspätung. „Man kann noch nicht mal etwas sehen, aber meine Blase scheint schon die Größe einer Erbse zu haben.“

Bryna beobachtete kritisch, wie die andere Frau ihren Onkel auf die gleiche Weise wie sie begrüßte. Dann wünschte sie Troy einen guten Morgen, der sie tatsächlich anlächelte.

Wo war die Feindseligkeit geblieben? Die Wut?

Oh, Mann. Anscheinend war sie jetzt allein dafür zuständig. Als Elena sich neben sie setzte, beachtete Bryna sie nicht, sondern starrte nur in ihren Kaffee.

Ein bisschen war sie von sich selbst überrascht, dass sie auf die Zukünftige ihres Cousins so reagierte. Zumal Elena mit dem ersten Mitglied der nächsten Metaxas-Generation schwanger war. Aber das Geschäft mit Philippidis hatte nun einmal eine ungeheure Bedeutung gehabt. Wie man das alles für eine Frau wegwerfen konnte, verstand Bryna nicht.

Ihre Miene verdüsterte sich. Wenn Elena bloß die Beine zusammengehalten hätte und bei ihrem Exverlobten geblieben wäre. Dann würde das erste Fließband jetzt schon laufen, und mindestens zweihundert Einwohner der Stadt hätten Arbeit.

Unwillkürlich musste sie wieder an Caleb denken und an ihre widersprüchlichen Gefühle für ihn.

Der Unterschied bestand nur darin, dass sie mit niemandem verlobt war. Also würde auch niemand verletzt sein, wenn die Gefühle außer Kontrolle geraten sollten.

Sie schluckte.

Das hieß, niemand außer ihr selbst …

4. KAPITEL

War es schon an der Zeit?

Caleb sah auf seine Uhr, während sich die Präsentation weiter hinzog. In dem Raum für das wöchentliche Mittwochsmeeting befanden sich zehn Männer. Ursprünglich war der Termin für den Vormittag festgelegt worden. Aber er musste auf den Nachmittag verschoben werden, weil Manolis Philippidis’ Flug sich verspätete.

Caleb blickte zu dem modernen griechischen Tycoon am Ende des Tisches hinüber. Manolis hielt eine kleine Kaffeetasse in den fleischigen Fingern. Seine dunklen Augen waren auf den Abteilungsleiter für Firmenübernahmen gerichtet, der Pro und Kontra eines geplanten Kaufs eines kleinen Unternehmens in Minnesota erläuterte, das mit Gas betriebene Busse herstellte.

Er sah erneut auf seine Uhr.

„Halten wir Sie von irgendetwas ab, Caleb?“, erkundigte Manolis sich, indem er den Sprecher einfach unterbrach.

„Nein, keineswegs“, versicherte Caleb ihm.

„Dann langweilen wir Sie vielleicht?“

Caleb zwang sich zu einem Lächeln.

Es war allgemein bekannt, dass Manolis und ihn keine Freundschaft miteinander verband, weshalb Caleb auch nie unmittelbar für diesen Mann gearbeitet hatte. Er würde sich keinem Boss ausliefern, der seine Mitarbeiter nach Belieben feuerte.

Caleb gefiel es weitaus besser, ein gut bezahlter Berater zu sein. Auch wenn das bedeutete, dass er manchmal in Meetings herumsitzen musste, die ihn nicht betrafen.

„Im Gegenteil, ich dachte an drei andere, rentablere Hersteller von gasbetriebenen Bussen. Die suchen Investoren und wollen sich nicht gleich aufkaufen lassen.“ Er hielt kurz inne. „Soll ich fortfahren? Oder wollen wir mit der Tagesordnung weitermachen?“

Wie erwartet, sah Manolis ihn finster an. Er leerte seine Kaffeetasse und blickte nun selbst auf seine Armbanduhr. „Ich glaube, dieses Meeting ist beendet.“

Wenn es jemanden gab, der Zeitverschwendung genauso hasste wie Caleb, dann war das Philippidis.

Der Grieche stand auf, und alle anderen am Tisch taten es ihm hastig gleich. Bis auf Caleb, der sich gemächlich erhob.

Er schüttelte Manolis die Hand. „Haben Sie Informationen über diese anderen Unternehmen?“, wollte der Grieche wissen.

„Ich habe den Geschäftsführern vor einem Monat das Angebot geschickt.“

Manolis nickte. „Richten Sie denen aus, dass ich beim nächsten Meeting mehr über sie wissen will.“

„Sehr gern.“

Manolis zog sein maßgeschneidertes Jackett straff, als habe er gerade eine wichtige Entscheidung getroffen. Er murmelte ein paar Abschiedsworte vor sich hin und verließ den Raum.

Caleb folgte ihm und machte sich auf den Weg zu seinem Büro.

„Hat …“, begann er, als er sich Nancys Schreibtisch näherte.

Seine Sekretärin ließ ihn nicht ausreden. „Miss Metaxas wartet in Ihrem Büro, genau wie Sie wünschten.“

Die Sonne lugte gerade zwischen grauen Wolken hervor.

Bryna las die Titel auf den Buchrücken, die im Regal in Calebs Büro aufgereiht standen. Dicke Wälzer über die Wirtschaft wechselten sich ab mit in Leder gebundenen Romanklassikern und philosophischen Titeln. Sie fragte sich, ob er die alle gelesen hatte, oder ob ein Inneneinrichter sie besorgt hatte. Immerhin war er Berater für das Philippidis-Unternehmen und dies deshalb nicht sein dauerhaftes Büro, sondern ein vorübergehendes.

Aber für wie lange? Wie viele Jahre arbeitete er schon für Philippidis?

Sie ging am Bücherregal entlang und studierte mit zusammengekniffenen Augen den Text auf einer Ehrentafel, die gegen die Bücher gelehnt war.

Sie sah sich um. Es gab keine Fotografien, weder private noch berufliche. Man gewann den Eindruck, dass der Benutzer dieses Büros nichts über sich preisgeben wollte – außer über seinen Machtstatus und seinen Erfolg.

Inzwischen war sie das Regal so weit entlanggegangen, dass sie hinter seinen Schreibtisch sehen konnte. Sie warf einen Blick auf die Schubladen.

Die Tür ging auf, und sie erschrak.

Caleb schien die Situation sofort zu erfassen. Langsam schloss er die Tür, während Bryna auf die Besucherseite des Schreibtisches zurückkehrte.

„Schön, Sie wiederzusehen, Miss Metaxas“, begrüßte er sie mit seiner tiefen, männlichen Stimme.

Sie räusperte sich. „Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, Mr Payne.“

Er musterte sie. Nicht lange, doch lange genug, um das Verlangen in ihr von Neuem zu wecken.

„Wir werden sehen“, erklärte er, und es war nicht genau herauszuhören, ob es sich um eine Drohung oder ein Versprechen handelte.

Er ging zu seinem Bürosessel.

Wusste er, welche Wirkung er auf sie hatte? Sie würde die Frage eindeutig mit ja beantworten. Er machte den Eindruck eines Mannes, der alles und jeden um sich herum genauestens wahrnahm. Wahrscheinlich zog er die Blicke sämtlicher Frauen im Umkreis einer halben Meile auf sich. Die der meisten Männer auch, und zwar aus Neid.

„Ich habe mich gefreut, als Sie mir dieses Treffen anboten“, sagte sie. „Wollen wir uns über meine Vorschläge unterhalten?“

Er öffnete eine Schreibtischschublade, ließ Bryna dabei jedoch nicht aus den Augen. „Nur einer bietet überhaupt eine Perspektive.“

„Ja? Welcher?“

„Der zweite.“

Sie lächelte.

„Das ist der, für den ich mich entscheiden sollte“, vermutete er.

„Ich hatte es gehofft.“

Von den drei Angeboten war Nummer zwei das solideste. Es hielt sich eng an die Grundsätze des ursprünglichen Plans, nur war es gestrafft. Statt gleich auf Hochtouren zu produzieren, würden sie mit einer kleineren Menge beginnen. Troy hatte gigantische Pläne gehabt, ehrgeizige, die ganz seinem Charakter entsprachen. Aber, wie sie ihm erfolglos zu erklären versucht hatte, manchmal konnte es besser sein, klein anzufangen. Es war besser, klein zu beginnen und zu wachsen, statt zu große Sprünge zu machen und dann zu scheitern.

Caleb ging zu einem polierten Tisch nahe dem Fenster, an dem vier Stühle standen. Er legte den betreffenden Teil der Mappe auf den Tisch. „Es gibt ein paar Punkte, die wir ändern müssen.“

Bryna folgte ihm und setzte sich auf den Stuhl neben dem, hinter dem Caleb stand. Er machte keine Anstalten, sich hinzusetzen. Stattdessen zog er sein Jackett aus, hängte es an eine Tür, hinter der vermutlich ein Badezimmer lag, und öffnete seine Manschettenknöpfe. Er steckte sie in die Tasche, bevor er sich die Ärmel hochkrempelte.

Bryna bekam einen trockenen Mund. Obwohl er es sich bequem machte, sah er immer noch eleganter aus als jeder andere Mann, den sie je gesehen hatte. Und das wollte etwas heißen, denn ihre Cousins waren nicht gerade nachlässig, was ihre Kleidung betraf.

Inzwischen saß er und hatte zu reden begonnen, wahrscheinlich über ihren Vorschlag. Doch Bryna nahm keines seiner Worte auf. Ihr Gehör weigerte sich einfach. Stattdessen beschleunigte sich ihr Herzschlag, während sie beobachtete, wie er seine Krawatte abnahm und die obersten drei Hemdknöpfe öffnete. Dort, wo der edle Baumwollstoff im Bund seiner Hose verschwand, wurden seine schmale Taille und der Kontrast zu seinen breiten Schultern durch den Gürtel zusätzlich betont.

„Ist etwas, Miss Metaxas?“, erkundigte er sich und stützte sich mit einer Hand neben ihr auf dem Tisch ab.

Seine plötzliche Nähe machte sie nervös. Sie befeuchtete sich die Lippen.

„Nennen Sie mich Bryna“, forderte sie ihn auf und klang dabei weitaus beherrschter, als sie tatsächlich war.

Wow, dachte sie. Wie sollte eine Frau mit einem solchen Mann über geschäftliche Dinge reden?

Sie nahm sich zusammen und sagte lächelnd: „Ich dachte, die Formalitäten hätten wir neulich abends hinter uns gelassen.“

Ein kurzes Grinsen huschte über sein Gesicht, auf dessen Wangen frische Bartstoppeln sprossen.

Er war vielleicht zwanzig Zentimeter von ihr entfernt. Es wäre ganz leicht, sich ein wenig zu ihm hinüberzubeugen und mit der Zungenspitze über seine Wange zu fahren …

Plötzlich stand er auf. „Sie haben recht. Es ist schon spät. Vielleicht sollten wir dieses Treffen verschieben.“

Bryna sah ihn verblüfft an. „Nein.“ Sie zwang sich, sich auf den Notizblock vor ihr auf dem Tisch zu konzentrieren. „Es ist alles in Ordnung. Tut mir leid. Es war ein langer Tag. Ich komme gerade aus Earnest, wo ich schon einen ganzen Arbeitstag …“

Er umfasste ihre Stuhllehne.

Bryna verfluchte sich im Stillen. Hatte sie gerade ein Geschäft vermasselt, weil ihre Hormone verrückt spielten?

Was machte es schon, dass sie sich in den vergangenen sechs Tagen die vielen verschiedenen Arten ausgemalt hatte, auf die Caleb eine Frau verwöhnen konnte? Und dass sie einige dieser Methoden mit ihren eigenen Händen ausprobiert hatte? Sie schaffte es trotzdem, Privates und Berufliches zu trennen.

„Na schön. Ich werde meine Sekretärin bitten, einen neuen Termin anzuberaumen“, sagte sie.

Er schob ihren Stuhl wieder an den Tisch, nachdem sie aufgestanden war.

„Ich fürchte, Sie haben mich missverstanden, Miss … Bryna. Ich beende dieses Treffen nicht. Ich schlage nur vor, dass wir es an einen anderen Ort verlegen.“

In dein Bett? dachte sie unwillkürlich. „Ach ja?“, brachte sie heiser krächzend heraus.

„Ja, und zwar in ein Restaurant. Vorzugsweise in eines, das einen guten Pinot noir anbietet.“

Erleichterung durchflutete sie. „Ah. Wie weit hat das damit zu tun, dass Sie nicht gern allein essen?“

„Überhaupt nicht. Ich sah nur die Möglichkeit, zwei Fliegen mit der sprichwörtlichen einen Klappe zu schlagen.“

Bildete sie es sich nur ein oder kam er noch näher?

Sie atmete seinen Duft ein.

Limone.

Ja, er war definitiv näher gekommen.

Ihr lief das Wasser im Mund zusammen.

„Da wüsste ich genau das Richtige“, sagte sie.

Sie hatten sich darauf geeinigt, sich zu trennen. Bryna würde nach Hause fahren, um sich frisch zu machen. Und Caleb würde sie dort in einer Stunde abholen.

Bryna musste sich draußen auf dem Gang vor seinem Büro zwingen, nicht zu rennen. Sie konnte es kaum erwarten, bis sie sich wiedersahen.

Himmel, wann hatte sie zuletzt diese prickelnde Vorfreude erlebt? Es war so lange her, dass sie sich kaum noch daran erinnern konnte. Für ihr unprofessionelles Verhalten konnte sie sich später tadeln. Jetzt aber genoss sie das aufregende Gefühl intensiver Wahrnehmung, die hungrige Sehnsucht zwischen ihren Beinen und wie sich ihre Brustwarzen beim Gehen am BH rieben.

„Oh!“

Sie war auf dem Weg zum Fahrstuhl mit jemandem zusammengestoßen, der um die Ecke kam.

„Verzeihen Sie, ich habe nicht aufgepasst, wohin ich gehe“, sagte sie automatisch.

Dann erkannte sie, mit wem sie es zu tun hatte, und ihre Freundlichkeit verschwand.

Manolis Philippidis.

Verdammt!

Dies war seine Firma. Sie hätte die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, ihm hier über den Weg zu laufen.

Trotzdem war sie absolut nicht darauf vorbereitet. Und nun stand sie dem Mann gegenüber, der verantwortlich war für den Schlamassel, in dem die Firma ihrer Familie steckte.

Zuerst verriet seine Miene nichts, aber plötzlich schien ihm zu dämmern, wen er vor sich hatte. Sie waren einander mehrmals bei Meetings in den Büroräumen des alten Sägewerks begegnet. Mindestens einmal hatte er versucht, sich an sie heranzumachen.

Bryna fand den Kerl widerlich, obwohl sein griechisches Aussehen ihm eine gewisse Attraktivität verlieh.

„Miss Metaxas, nicht wahr?“, fragte er und sah an ihr vorbei, als hielte er Ausschau nach ihrem Begleiter.

„Hallo, Mr Philippidis.“

„Freut mich, Sie zu sehen.“

Seine Augen sagten das Gegenteil.

Bryna merkte, dass seine Hand noch auf ihrem Ärmel lag. Er hatte sie festgehalten, damit sie nicht stürzte. Jetzt streichelte er sie mit dieser Hand.

Sie schüttelte sich.

„Sind Sie allein hier?“

„Ja. Ja, das bin ich.“

„Nun, kommen Sie doch mit in mein Büro, dann können wir uns ein wenig … unterhalten.“

Das war das Letzte, wozu sie Lust verspürte. Ihr Plan sah vor, das Geschäft zustande zu bringen, ohne etwas mit ihm zu tun zu haben. Im Wesentlichen ging es darum, Caleb als Berater zu gewinnen, damit er ihr bei der Suche nach Investoren half.

„Tut mir leid“, sagte sie, „aber ich komme zu spät zu einer Verabredung. Vielleicht ein ander…“

Er drückte ihren Arm. „Ich bestehe darauf.“

Sie starrte ihn an. Er wollte doch wohl nicht andeuten, dass er sie in sein Büro zerren würde, oder? Er sollte lieber vorsichtig sein, sonst würde sie ihm mal ein paar ihrer Tae-Bo-Tricks zeigen.

„Miss Metaxas kam wegen einer Verabredung mit mir.“

Caleb.

Kaum stand er neben Bryna, entspannte sie sich. Er trug sein Jackett und hatte auch die Krawatte wieder umgebunden.

Während sich die beiden Männer feindselig anstarrten, schüttelte sie diskret Philippidis Hand ab.

„Ach ja? Und warum wurde ich davon nicht in Kenntnis gesetzt?“, verlangte Manolis zu erfahren.

Calebs Lächeln wirkte beinahe bedrohlich. „Weil es nichts gibt, worüber Sie in Kenntnis zu setzen wären.“

„Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden“, meldete Bryna sich zu Wort. „Ich muss wirklich los.“

Sie sah Caleb an.

„Ich möchte zu dieser Verabredung nicht zu spät erscheinen.“

Sie ging an ihm vorbei.

„Es hat mich gefreut, Sie wiederzusehen, Mr Philippidis.“

Nach diesen Worten stürzte sie förmlich zu den Fahrstühlen und war erleichtert, als die Türen sich schlossen, während die beiden Männer dastanden und ihr nachschauten.

Von jetzt an würden Bryna und er sich außerhalb von Philippidis’ Bürogebäude treffen.

Verdammt. Warum hatte er nicht bedacht, dass sie dem Griechen über den Weg laufen konnte?

Obwohl er einen Großteil seiner Karriere damit verbracht hatte, Manolis bei seinen Geschäften zur Seite zu stehen, war er stets unabhängig geblieben. Caleb hatte Manolis’ Deals möglich gemacht, die ohne das nötige Fingerspitzengefühl nicht zustande gekommen wären. Trotzdem hatte er lediglich einen Vertrag und war kein Angestellter. Das berufliche Verhältnis hatte ihm ein dickes Bankkonto beschert und ließ ihm noch Zeit für eigene Geschäfte. Caleb war niemandem gegenüber verpflichtet, außer dem Deal und sich selbst.

Genau aus diesem Grund hatte Bryna Metaxas sich vermutlich für ihn entschieden. Wenn sie der Ansicht gewesen wäre, er würde sie aus Loyalität gegenüber Philippidis übervorteilen, hätte sie sich niemals an ihn gewandt.

„Sir?“

Er sah zum Fahrer, der per Gegensprechanlage mit ihm sprach.

„Möchten Sie, dass ich bei der Lady klingele?“

Sie hatten Brynas Apartment schon erreicht.

Caleb rieb sich das Kinn. Eigentlich hatte er sich noch im Büro rasieren wollen. Aber dann war er doch zu beschäftigt gewesen und hatte dringende Telefonate erledigen müssen. Als er aus dem Fenster schaute, sah er Bryna auch schon durch die Türen zur Lobby auf ihn zukommen.

Seine Anspannung ließ ein wenig nach. Eine Frau ohne falschen Schein. Die pünktlich war und es nicht nötig hatte, ihn um des Effekts willen warten zu lassen.

Das war erfrischend neu.

Der Fahrer sprang aus dem Wagen und hielt ihr die Tür auf. Bryna stieg ein.

Obwohl es tagsüber sommerlich warm war, wurden die Nächte schon kühl. Aus diesem Grund trug sie über ihrem fuchsienroten Kleid einen dünnen weißen Wollschal.

„Tut mir leid, dass Sie warten mussten“, sagte sie.

Caleb lehnte sich noch ein wenig entspannter in die luxuriösen Lederpolster zurück und genoss ihren Anblick. Da war zum einen der tiefe V-Ausschnitt ihres ärmellosen Futteralkleids. Und natürlich ihre langen Beine. „Musste ich nicht“, versicherte er ihr.

Der Fahrer setzte sich wieder hinters Steuer. „Sir?“, fragte er über die Gegensprechanlage.

Caleb wandte den Blick nicht von Bryna ab. „Ich würde gern etwas anderes vorschlagen, falls Sie nichts dagegen haben.“

„Natürlich nicht. Was immer Sie möchten.“

Er grinste. „Das ist eine gefährliche Bemerkung.“

Sie hob leicht das Kinn, um ihm zu signalisieren, dass sie meinte, was sie sagte.

Was immer er wollte …

Das war wirklich eine verlockende Aussicht.

Er drückte den Knopf für die Gegensprechanlage. „Nach Hause, James.“

Das Letzte, woran Bryna dachte, waren ihre Unternehmenspläne. Oder Essen. Von dem Augenblick an, in dem sie in Calebs Limousine gestiegen war, fühlte sie sich wie in einem Kokon. Oder wie in eine weiche Baumwolldecke gehüllt, die sämtliche Geräusche dämpfte, Farben jedoch umso intensiver wirken ließ. Und ihre erotische Wahrnehmung des Mannes erhöhte, der in letzter Zeit in so vielen ihrer Träume die Hauptrolle gespielt hatte.

Sein Penthouse war ebenso unpersönlich eingerichtet wie sein Büro, aber nicht weniger luxuriös. Eine Fensterfront bot einen Blick auf die Skyline Seattles. Bryna war fasziniert von dem Ausblick, als die Sonne wie ein orange glühender Ball allmählich hinter der Space Needle, dem berühmten Aussichtsturm, versank. Der Hauptraum war eine Kombination aus Wohn- und Esszimmer. Eine Unterhaltungsecke mit TV und Stereoanlage war durch Glas abgetrennt. Caleb schob eine Jazz-CD ein, und sanfte Saxofonklänge aus unsichtbaren Lautsprechern erfüllten den großen Raum.

Caleb war offenbar ein Mann, der wusste, was ihm gefiel. Und dem gefiel, was er wusste.

Bryna fuhr mit der Hand über den glänzenden schwarzen Flügel und klimperte mit einigen Tasten.

„Spielen Sie?“

Er schenkte an einer antiken Bar zwei Gläser Wein ein. „Ja, ich spiele.“

Sie umrundete den Flügel. „Das würde ich gern sehen.“

Er reichte ihr eines der Gläser. „Normalerweise spiele ich nur für mich.“

„Warum überrascht mich das nicht?“

Er neigte fragend den Kopf.

„Ich nehme an, Sie geben selten etwas von sich preis.“ Sie berührte eine weitere Klaviertaste. „Und Musik erfordert Leidenschaft.“

Seine Augen glommen dunkel. „Meine Leidenschaft haben schon viele Menschen erlebt.“

„Das glaube ich gern.“ Sie blickte lächelnd auf ihr Weinglas. Die samtige, blutrote Flüssigkeit ging ihr glatt über die Zunge und schmeckte nach einem Hauch von Lavendel. „Ich spreche nicht von Sex, Caleb.“ Kaum hatte sie dieses Wort ausgesprochen, reagierte ihr Körper auf die Aussicht, mit ihm zu schlafen. Und zwar heute Nacht. „Ich bezweifle nicht, dass Sie sehr gut darin sind.“ Sie räusperte sich ein wenig verlegen. „Wahrscheinlich sind Sie in allem sehr gut.“

Die Vorstellung, wie seine Lippen sanft ihre berührten, löste ein sinnliches Kribbeln aus.

„Ich meinte damit, etwas zu tun, was Ihnen keinen Gewinn verspricht und womit sie sich einem anderen Menschen öffnen.“

Er schien über ihre Worte nachzudenken. „Doch, ich habe schon vor Publikum gespielt. Wenn auch nur vor einem sehr kleinen.“

„Ah, das ist ein Auftritt, aber dabei muss man nichts von sich preisgeben.“

Er folgte ihr um das Klavier herum und fuhr über die Tasten, so wie sie es zuvorgetan hatte. Die Klänge, die er erzeugte, waren jedoch viel angenehmer als die ihrer unbeholfenen Versuche. „Mag sein.“

Sie erschauerte. Seine Stimme glitt wie ein Seufzer über ihre Haut.

„Und vielleicht gibt es Dinge, die ich gern für mich ganz allein beanspruche.“

Er trat hinter sie und war ihr plötzlich so nah, dass sie bei seinen letzten Worten seinen warmen Atem an ihrer nackten Schulter spürte.

„Wie kurz es auch sein mag“, flüsterte sie.

„Das bedeutet?“

Sein Gesicht befand sich dicht über ihrer Schulter, sodass sie sich seiner Nähe nur allzu bewusst war – und seiner Absichten.

„Das bedeutet, dass Sie so lange Klavier spielen können, wie Sie möchten. Danach können Sie einfach aufstehen und aufhören, ohne sich weiter Gedanken darüber machen zu müssen. Und wenn Sie erneut Lust verspüren, spielen Sie wieder.“

Er schwieg einen Augenblick lang, dann gab er einen summenden Laut von sich. „Sie duften wundervoll.“

Sie neigte den Kopf zur Seite, um ihm ihren Hals darzubieten. „Danke.“

„Also, Miss Metaxas. Wollen sie andeuten, meine Einstellung zu Menschen sei die gleiche wie die zu meinem Klavier?“

Sie hob ihr Weinglas an die Lippen. Ihre Finger zitterten ganz leicht. „Nach allem, was ich bis jetzt erlebt habe, scheinen Sie ein Mann zu sein, dem strikte Selbstbeherrschung wichtig ist.“

Sie spürte seine Lippen an ihrer Schulter. Ein erneuter Schauer überlief sie, gefolgt von einem heißen Gefühl, das sie von Kopf bis Fuß durchströmte.

Beinahe abrupt drehte sie sich um und sah ihn lächelnd an. „Ich wette, beim Sex sind Sie genauso wie bei Ihren Geschäften – Sie gehen mit methodischer Gründlichkeit vor.“

Er hielt ihrem Blick stand. „Möchten Sie diese Theorie gern in der Praxis erproben?“

Sie kam näher, bis ihre Lippen sich beinahe berührten. „Ich würde gern erleben, wie Sie die Kontrolle verlieren.“

Seine Miene verriet Skepsis. Offenbar hatte sie ihn überrascht. Diese Erkenntnis erregte sie noch stärker. Bryna fuhr sich mit der Zungenspitze über die Unterlippe und gab ihm einen hauchzarten Kuss.

Caleb drückte einen Knopf in einem rechteckigen Bedienfeld in der Wand links von ihm.

„Sir?“, meldete sich prompt eine männliche Stimme.

„Lionel, stellen Sie das Abendessen bitte warm. Wir sehen uns morgen wieder.“

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