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Sei einfach du! – Zum Jungsein bist du nie zu alt

Als Buch hier erhältlich:

»Je älter ich werde, desto mehr traue ich mich, jung zu sein.«

Mit siebzig über Nacht berühmt: Günther Anton Krabbenhöft steht gewohnt elegant auf einem Berliner U-Bahnhof, als ein Tourist ein Foto von ihm macht und es später ins Netz stellt.

Was Günther Krabbenhöft nicht ahnt: Innerhalb kürzester Zeit wird das Bild millionenfach geteilt und er als vermeintlich 104-jähriger »Hipster-Opa« weltweit zur Sensation.

Wie fühlt es sich an, ein Leben lang anders zu sein?
Wie lernt man Stil? Wie geht gute Laune?
Und wie schafft man es, so cool und lebenshungrig zu bleiben?

»Sei einfach du!« erzählt von der Lust und dem Mut, die eigene Einzigartigkeit zu entdecken und zu zelebrieren.

»Tanzen richtet mich auf, wenn sich die Liebe verabschiedet und der Weltschmerz überhandnimmt.
Tanzen tut mir gut, wenn mein Kopf zu platzen droht, weil er angefüllt ist mit Nachrichten, die mich erschüttern. Tanzen hilft mir, wieder den Moment zu lieben und Hoffnung zu schöpfen. Dann spüre ich die Hitze der Leidenschaft, dann gebe ich mich meiner Begeisterung für das Hier und Jetzt hin.
Was tust du, um glücklich zu sein? Wo sind deine Kraftquellen? Lass es uns gemeinsam herausfinden. Ich nehme dich mit auf die spannendste Reise überhaupt, die Reise zu dir selbst. Ein großes Abenteuer erwartet dich: das Leben in all seinen Facetten, voller Überraschungen, voller Glücksimpulse.
Entdecke, wer du wirklich bist und was dein Herz zum Tanzen bringt. Was hält dich davon ab?«


»Kurzweilig, aber auch ein Erfahrungsschatz, der zum Nachdenken anregt.«
ekz.bibliotheksservice, 45/2020

»Es kann uns, den Leserinnen und Lesern im Winter 2020, Mut und Zuversicht zusprechen.«
taz, 28.11.2020

»Drittens und vor allem anderen aber ist Krabbenhöfts Buch ein Brevier des positiven Denkens. Und damit endgültig das Weihnachtsgeschenk des Jahres.«
taz, 28.11.2020


  • Erscheinungstag: 22.09.2020
  • Seitenanzahl: 176
  • ISBN/Artikelnummer: 9783749900169

Leseprobe

Für meine Familie und meine Freunde – und für alle, die auf der Suche nach dem Glück sind.

1
Ich lebe, was sonst?

Ganz ehrlich – nie hätte ich gedacht, dass ich eines Tages ein Buch schreiben würde. Früher hätte ich nicht für möglich gehalten, dass sich jemand dafür interessiert, was mich antreibt und bewegt. Genau das passiert mir mittlerweile täglich. Auf Schritt und Tritt werde ich angesprochen: von jungen Männern und älteren Damen, von kichernden Backfischen, malerischen Punkern, seriösen Businesstypen. Alle wollen sie ein Foto mit mir, danach löchern sie mich mit Fragen. Warum ich so glücklich bin, möchten sie wissen. Warum ich mich sogar elegant kleide, wenn ich den Müll rausbringe. Woher ich die Energie nehme, nächtelang durch die Clubs zu tanzen. Ob es da vielleicht ein Geheimnis gebe?

Ja, es gibt ein Geheimnis, sage ich dann. Ich bin einfach ich – die anderen gibt es doch schon! Ich stehe zu dem, was mich unverwechselbar macht, und bin voller Lebenslust!

Na, wenn das mal so einfach wäre, denkst du jetzt bestimmt. Dein Leben ist kompliziert, der Alltag strengt dich an, noch dazu willst du es allen recht machen. Da bleibt die Lebenslust wie von selbst auf der Strecke? Glaubst du das? Dann vergiss alles Negative, was du über dein Leben denkst. Hör nicht hin, wenn man dir einredet, dass du auf der großen Party des Lebens immer nur ein Mauerblümchen sein wirst. Glaub an deine ganz persönlichen Wünsche und Träume. Lass dich bloß nicht ausbremsen!

Auch ich war früher weit entfernt davon, meine Träume und Wünsche zu leben. Fünfzig Jahre lang habe ich als Koch gearbeitet. Lange, viel zu lange gehörte ich zu den Menschen, die sich selbst vergessen hatten. Letztlich kam ich in meinem eigenen Leben gar nicht vor. Oder, wenn überhaupt, dann nur als Statist. Damit war es erst vorbei, als ich den Mut aufbrachte, mir eine Hauptrolle in meinem Leben einzuräumen, mit allem, was ich bin. Und als ich das Tanzen entdeckte, meinen ganz persönlichen Energie-Booster.

Tanzen richtet mich auf, wenn sich die Liebe verabschiedet und der Weltschmerz überhandnimmt. Tanzen tut mir gut, wenn mein Kopf zu platzen droht, weil er angefüllt ist mit Nachrichten, die mich erschüttern. Tanzen hilft mir, wieder den Moment zu lieben und Hoffnung zu schöpfen. Dann spüre ich die Hitze der Leidenschaft, dann gebe ich mich meiner Begeisterung für das Hier und Jetzt hin. Zu viel hineininterpretiert? Nein, für mich ist es so. Wenn ich tanze, bin ich dem Leben ganz dicht auf den Fersen und verdammt glücklich.

Was tust du, um glücklich zu sein? Wo sind deine Kraftquellen? Lass es uns gemeinsam herausfinden. Ich nehme dich mit auf die spannendste Reise überhaupt, die Reise zu dir selbst. Ein großes Abenteuer erwartet dich: das Leben in all seinen Facetten, voller Überraschungen, voller Glücksimpulse. Entdecke, wer du wirklich bist und was dein Herz zum Tanzen bringt. Was hält dich davon ab?

Entdecke, wer du wirklich bist und was dein Herz zum Tanzen bringt.

Du musst nur die Augen offen halten für die Chancen, die dir täglich begegnen. So erlebe ich es: dass dann viele wunderbare Dinge zusammenkommen und etwas Unvorhergesehenes, Magisches ergeben. So wie neulich bei diesem Straßenfest. Es sollte eine wilde Rave-Session werden – eigentlich. Doch die jungen Leute, die sich dort versammelt hatten, filmten sich nur gegenseitig mit ihren Handys. Keiner traute sich zu tanzen. Dann ravte eine Handvoll Begeisterter mit mir, dem alten Hipster, und plötzlich war die Energie da. Die ganze Straße in Bewegung! Alles pulsierte im Rhythmus der unglaublichen Kraft der Musik. Einen Moment lang dachte ich, die Freude würde mich in tausend Stücke reißen.

Stunden später, als ich wieder zu Hause war, dachte ich darüber nach, warum diese überschäumende Lebensfreude so selten entsteht. Warum wirken viele Menschen lustlos und gelangweilt? Warum vermitteln sie den Eindruck, als seien sie mit angezogener Handbremse unterwegs?

So entstand die Idee zu diesem Buch. Vielleicht kann ich ja etwas von meiner Lebensfreude weitergeben, überlegte ich. Was mich zusätzlich ermutigte, waren die vielen freundlichen, liebevollen, persönlichen Reaktionen auf meine Posts bei Facebook und Instagram. »Ich mag deine Energie und Lebensfreude, Günther. Da wird mir richtig warm ums Herz«, kommentierte neulich ein Follower. Eine Frau schrieb: »Ich bin immer sehr erfreut, von Ihnen zu lesen. Habe letzte Woche in einem Wartezimmer Facebook geöffnet, in dem Augenblick begrüßten Sie gerade in einem Video alle Zuschauer. Das ganze Wartezimmer hat gelacht. Alle fühlten sich angesprochen, alle amüsierten sich. Das passiert ja in Wartezimmern von Ärzten eigentlich nie.« Stimmt. Und dann gibt es noch Kommentare wie diesen: »Man wünscht sich manchmal, ein bisschen Günther zu sein. So eine authentische Frohnatur.«

Ich freue mich riesig über solche Reaktionen, denn sie zeigen mir, dass meine Botschaften verstanden werden. Also begann ich, kleinere und größere Begebenheiten aus meinem Leben aufzuschreiben – warum ich der wurde, der ich heute bin. Wenn ich erzähle, wie ich ein glücklicher, lebensfroher Mensch wurde, so dachte ich, hilft das vielleicht auch anderen, die Handbremse zu lösen und ins Leben zu starten.

Früher traute ich mich oft nicht zu zeigen, wer und was ich bin, weil ich Angst vor Ablehnung hatte. Wir leben in einem seltsamen Land: Die berühmte German Angst gehört zu unserem emotionalen Gepäck wie der Senf zur Bulette. Viele meinen, sie müssten sich anpassen, weil sie befürchten, sonst nicht gemocht zu werden. Viele haben auch Angst, andere zu enttäuschen oder ausgelacht zu werden, wenn sie ihr Anderssein zeigen. Deshalb verstecken sie sich lieber in der Komfortzone der Anonymität. Komfortabel ist es da allerdings überhaupt nicht. Wenn man in der Gleichförmigkeit verharrt, ist das auf die Dauer ziemlich deprimierend.

Manchmal ist man sich eben selbst der ärgste Feind, niemand weiß das besser als ich. Womöglich wäre auch ich irgendwann in der Komfortzone gestrandet. Aber dann machte ich die wunderbare Erfahrung, dass mein Anderssein akzeptiert wurde. Mit allen Ecken und Kanten, mit allen Stärken und Schwächen. Irgendwann merkte ich: Authentisch sein macht einfach glücklicher. Übrigens finden es auch andere großartig, wenn du aus dir herausgehst. Der Grund ist ganz simpel: Du musst gut zu dir sein, dann kannst du auch gut für andere sein. Wer seine eigene Persönlichkeit auslebt, ist ein Glücksmagnet.

Heute bekomme ich täglich ein Lächeln oder ein Kompliment von mir völlig unbekannten Menschen. Ja, es ist tatsächlich so, an jedem einzelnen Tag! Das ist ein Geschenk!

Doch wer verbietet uns eigentlich, authentisch zu sein? Diese Frage schwirrte mir durch den Kopf, als ich neulich frühmorgens aus einem Club kam. Es war eine lange Nacht gewesen, und mein Blutdruck hatte wohl beschlossen, vor mir ins Bett zu gehen. Wo war meine Energie geblieben? Kraftlos trottete ich die leere Straße entlang, als ich auf einmal einen Spielplatz entdeckte. Nun gab es kein Halten mehr. Ohne lange zu zögern, schwang ich mich auf eine Schaukel. Und da war sie wieder, meine Energie! Jauchzend flog ich in die Höhe, voller Freude, voller Lebenslust. Peinlich? Wieso denn? Wer schreibt uns eigentlich vor, was wir zu tun und zu lassen haben oder was sich schickt?

Ja, ich weiß, es gibt jede Menge Leute, die dir erzählen wollen, wie du zu leben hast. Erst sind es Eltern und Lehrer, später Kollegen und sogar angebliche Freunde. Pass dich gefälligst an, schärfen sie dir ein, fall bloß nicht auf. Und das sagen sie nicht nur Menschen wie mir, die die siebzig überschritten haben. Auch den Jüngeren liegen sie damit in den Ohren: Sei am besten wie alle! Mach dich unsichtbar, dann hast du deine Ruhe! Oder sie reden von Selbstoptimierung, was mindestens genauso nervig ist. Du sollst die beste Version von dir selbst werden. Letztlich bedeutet das aber nur, dass du die schlechteste Version deines Ichs sein sollst: angepasst und verwechselbar.

Das Resultat kennen wir. Egal, wohin man geht, bis auf wenige Ausnahmen begegnet uns Uniformität. Viele Gesichter sind grau, das beobachte ich täglich, und dann ahne ich die Resignation, die sich dahinter verbirgt. Ich kenne ja die Ängste, die Selbstzweifel, die inneren Blockaden. Sie lauern auch in mir. Aber inzwischen habe ich gelernt, damit umzugehen. Spätestens im Alter sollte man so weit sein, sich selbst zu lieben und anzunehmen, mit allen Unzulänglichkeiten, mit allen Wünschen und Träumen. Deshalb lasse ich mir nichts mehr verbieten. Ich lasse mir auch nicht vorschreiben, wie ich zu leben habe.

Man ist nie zu alt, um jung zu sein! Kaffeefahrten, Hackenporsche, Seniorentanz? Alles ganz schön, aber nicht für mich. Rentnerbeige ist weder meine Lieblingsfarbe noch mental eine Option. Das Alter ist kein Abschied auf Raten, sondern der Anfang einer spannenden Lebensphase und eine Riesenchance!

Meine kindliche Lust auf das Leben hängt jedenfalls überhaupt nicht mit meinem tatsächlichen Alter zusammen. Eher läuft es umgekehrt: Je älter ich werde, desto mehr traue ich mich, jung zu sein. Ich habe noch jede Menge pubertärer Gedanken, Ideen, Flausen im Kopf, und die lebe ich auch aus. Sollen die Leute doch denken, ich hätte nicht alle Latten am Zaun. Na und? Auch der Mut zur Lücke gehört dazu. Lohnt es sich etwa, Menschen zu gefallen, die andere in Schubladen einsortieren? Ist es nicht viel wichtiger, mit sich selbst im Reinen zu sein und zu tun, was einem Spaß macht?

Bis zum Schluss will ich neugierig bleiben, den Moment spüren und vor allem eins: bloß nicht artig sein. Am Ende meines Lebens möchte ich schwungvoll in die Kiste klettern und sagen können: Wow, das war eine geile Fahrt durchs Leben!

Festhalten kann und will ich nichts. Warum sollte ich früheren Zeiten hinterhertrauern? Die Jugend ist nur eine Momentaufnahme – und mal ehrlich: Wer hatte schon die perfekte, rundum glückliche Jugend? Meine war ziemlich durchwachsen, weil ich mich komplett unverstanden fühlte. Es war eine Zeit der Verzweiflung und der Krisen, die mich an bedrohliche Abgründe führte. Erst im höheren Alter traute ich mich, aus der Reihe zu tanzen. Seither kann ich mein Leben in vollen Zügen genießen. Wie ich das geschafft habe? Davon erzähle ich auf den nächsten Seiten.

Bevor du weiterliest, halte doch mal Ausschau nach der nächsten Schaukel. Oder tu etwas anderes Verrücktes, was du immer schon mal ausprobieren wolltest. Niemand kann es dir verbieten – außer du selbst. Und das wäre doch jammerschade, oder?

2
Sei ein Glückspilz

Du hast es selbst in der Hand

Es ist schon so eine Sache mit dem Glück. Viele denken, es sei einfach Schicksal, ob man glücklich ist oder nicht. Manche finden auch, dass das Glück ziemlich ungerecht verteilt wird. So nach der Devise: Das Leben ist eine Lotterie, bei der die meisten Menschen nur die Trostpreise bekommen und ganz wenige den Hauptgewinn. Entweder finden sie sich dann damit ab – oder sie warten darauf, dass es vielleicht doch noch klappt mit dem Glück. Irgendwie. Irgendwann. Aber kann das alles sein? Die Zeit im Stand-by-Modus verbringen, bis das Schicksal doch die Play-Taste drückt?

Neulich nachts stand ich an der Bar meines Lieblingsclubs. Gerade hatte ich mein Mineralwasser ausgetrunken, als mich zwei sympathische junge Männer ansprachen. Auf ihren nackten Oberkörpern schlängelten sich fantasievolle Tattoos, ihre Gesichter glühten vom Tanzen. Wieso ich immer so gut drauf bin, wollte einer der beiden wissen.

»Weil ich glücklich bin«, antwortete ich. »Glücklich sein ist nämlich eine Entscheidung. Du hast es selbst in der Hand.«

»Okay …« So richtig glaubte er mir nicht, das sah ich ihm deutlich an.

»Man muss natürlich auch was dafür tun«, spann ich den Gedanken weiter. »Dauernd wird einem ja gesagt: Du lebst nur einmal. Aber das stimmt nicht, denn man lebt jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde, und das sollte man auskosten.«

»Wie denn?«, mischte sich der andere junge Typ ein. »Ich meine, dir geht’s gut, du hast es leicht, glücklich zu sein.«

»Genau, du hast eben Glück gehabt«, legte der Erste nach.

Ich holte tief Luft. »Nee, nee, ich hatte überhaupt kein Glück. Es ist nur so, dass ich mittlerweile weiß, wie ich mich selbst glücklich machen kann.«

Dieser Satz löste einiges Erstaunen aus. Wir unterhielten uns noch eine Weile, danach tauchten wir wieder in die flirrende, tanzende Menge ein. Meine Gedanken schweiften zurück in mein kleines niedersächsisches Dorf, in dem ich aufgewachsen bin – und wo ich eine Kindheit erlebte, in der ich mich vergeblich nach liebevoller Wertschätzung und Anerkennung sehnte.

Nein, glücklich war ich definitiv nicht. Meinen Eltern mache ich keinen Vorwurf daraus. Es war eine andere Zeit. Als Nachkriegskind, 1945 geboren, wurde ich mit den Spätfolgen des Kriegs konfrontiert. Meine Mutter war von den Entbehrungen der Kriegszeit erschöpft und ziemlich überfordert von den familiären Pflichten. Vier Kinder großziehen, nebenbei die Kohlenhandlung ihres Vaters führen und noch dazu landwirtschaftliche Arbeiten für die tägliche Versorgung leisten, das war keine Kleinigkeit. Von ihrem Mann konnte sie keine große Unterstützung erwarten. Mein Vater war Kriegsheimkehrer, ein wortkarger, von der Gefangenschaft gezeichneter Mann. Beide waren sie mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und damit, sich eine neue Existenz aufzubauen. Da blieben wenig Zeit und Kraft, auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Sicher hatten sie irgendwelche Gefühle für mich, zeigen konnten sie mir das wenig. Ein sensibler, verträumter Junge wie ich passte nicht in ihre Vorstellungen.

Früh wurde ich zum Einzelgänger. Andere Kinder durfte ich sowieso nicht nach Hause einladen, an die üblichen Geburtstagsfeiern mit Schulkameraden war nicht zu denken. Die typischen Jungsspiele interessierten mich auch nicht so sehr. Wenn meine Geschwister Fußball spielten, stand ich immer nur als Zuschauer am Spielfeldrand. Ob in der Familie oder in der Schule – überall fühlte ich mich fehl am Platz.

Doch ich hatte die Kraft und die Fantasie, mir meine eigene Welt zu erschaffen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit floh ich in die Einsamkeit. Wenn ich ganz allein in einer Margeritenwiese lag, war ich glücklich. Dort konnte ich durchatmen und meine schwierige Lebenssituation hinter mir lassen. Stundenlang betrachtete ich die Wolken über mir, die wie Schiffe über den Himmel segelten. Ihnen vertraute ich an, was mich bewegte. Dann stellte ich mir vor, dass meine Gedanken und Wünsche wie eine Flaschenpost von den Wolken fortgetragen wurden, bis sie vielleicht irgendjemand fand, der sich darüber freute und an mich dachte.

Ein anderer Lieblingsplatz war ein Sauerkirschbaum, dessen Zweige bis zum Boden reichten. Oft kroch ich durch die Zweige wie in eine Höhle, in der ich mich geborgen fühlte. Das Alleinsein machte mir keine Angst, ganz im Gegenteil. Ich war glücklich, denn ich wusste: Dies ist meine Welt. Eine Welt, die nur mir gehört und die mich umarmt.

An Umarmungen meiner Eltern kann ich mich so gut wie gar nicht erinnern. Der Krieg, der Hunger und der Überlebenskampf der Nachkriegszeit hatten sicherlich manche Emotion verschüttet. Stattdessen erzogen sie uns Kinder mit harter Hand. Wenn meine Mutter am Abend meinem Vater berichtete, was die Kinder wieder angestellt hatten, saß ich ängstlich unter dem Tisch. Mit klopfendem Herzen hörte ich zu, was sie erzählte. Danach musste mein Vater zur Bestrafung schreiten, er war der Vollstrecker. Falls ich nach dem Wortlaut meiner Mutter nicht »artig« gewesen war, wenn ich nicht »gehört« hatte, bekam ich den Hintern versohlt oder den Siebensträhner zu spüren, auch Klopppeitsche genannt.

Meist waren es Lappalien, für die ich bestraft wurde. Schon damals ahnte ich, dass es um etwas ganz anderes ging: Wir Kinder sollten gefügig gemacht werden, wir sollten spuren und durften keine »Widerworte« geben. Das Ziel war es, uns zu brechen, bis wir den Erwartungen unserer Eltern entsprachen: ohne eigenständige Gedanken, ohne jede Aufsässigkeit. Wie oft mühte ich mich ab, ihnen zu gefallen. Wie sehr sehnte ich mich danach, ein bisschen Lob oder auch nur einen Hauch von Anerkennung einzuheimsen. Doch sie nahmen mich nicht so an, wie ich war. Oft zerkratzte ich mir mit den Fingernägeln das Gesicht, bis ich blutete. Es war wohl ein Schrei nach Aufmerksamkeit und Zuwendung. Aber keiner fragte, was mit mir los war, niemand erkundigte sich nach dem Grund meiner Verzweiflung. Deshalb dachte ich: Ich gehöre gar nicht hierher. Ich bin ein Niemand. Besser, ich wäre tot.

Was mich schützte, war meine Fantasie. Sobald ich meine Aufgaben zu Hause erledigt hatte, lief ich zu meiner Margeritenwiese oder auf den nahen Friedhof. Er war das perfekte Versteck für mich, weil ich mich dort willkommen fühlte. Niemand machte mir Vorschriften, ich konnte denken, handeln und träumen, wie ich wollte. Die Inschriften der Grabsteine beflügelten meine Fantasie. Ich überlegte mir, wer die Menschen gewesen waren, die unter mir in der kühlen Erde lagen. Wie hatten sie gelebt? Waren sie glücklich gewesen? Der Friedhof wurde mein Fluchtort, mein Refugium. Ganze Nachmittage verbrachte ich in dem parkähnlichen Areal. An einen Grabstein gelehnt, aß ich mein Wurstbrot, schmökerte in Karl-May-Romanen, träumte ungestört vor mich hin.

In meinen Träumen gab es keine Grenzen. Da besaß ich all die Fähigkeiten, die man mir nicht zutraute – die ich mir ja selbst nicht mal zutraute. Aber fliegen konnte ich schon. Jedenfalls in meinen Träumen. Mitten durch Hecken und Sträucher, die meine nackten Beine streiften, rannte ich imaginären Verfolgern davon. Immer schneller, immer hektischer, bis sich ein tiefer Abgrund vor mir auftat. Was jetzt? Außer Atem blieb ich stehen und breitete die Arme aus. Klappt das? fragte ich mich bang. Aber dann erhob ich mich tatsächlich in die Lüfte. Kurz schaute ich nach unten und sah die ungläubigen Gesichter meiner Verfolger. Danach flog ich eine Kurve, flog immer höher, bis das Dorf unter mir in den Wolken verschwand. In meinen Tagträumen konnte ich alle verblüffen und in Erstaunen versetzen. Dann war ich kein Niemand, sondern genoss unbegrenzte Freiheiten. Ein berauschendes Gefühl. Wahnsinn.

Im Nachhinein erscheint es mir wie ein Wunder, dass ich nicht zerbrochen wurde. Mit allem, was ich vermisste, versorgte ich mich selbst: Liebe, Geborgenheit, Freiheit. Niemals hätte ich mir damals vorstellen können, eine reale Chance auf überbordende Lebenslust zu haben. Die gab es nur in meiner Fantasiewelt, wenn ich davonflog und der bedrückenden Wirklichkeit entfloh. Immerhin bewahrte ich mir auf diese Weise den Glauben an die Möglichkeit von Glück. Und den Glauben an meine eigenen Gedanken und Gefühle, für die ich oft belächelt wurde.

Während der Nachmittage auf meiner Margeritenwiese und auf dem Friedhof entdeckte ich etwas ungeheuer Wichtiges: Das Leben kann noch so schwierig sein, es gibt trotzdem immer Dinge, die mich glücklich machen können. Intuitiv wusste ich: Nicht ich bin falsch, sondern das, was man aus mir machen will. Das Glück existiert, und wenn man mich in Ruhe lässt, weiß ich schon, wie ich es mir verschaffe. Im Laufe der Zeit lernte ich diese Inseln des Glücks immer mehr zu schätzen. Was auch geschah, Gutes wie Schlechtes, eins konnte mir niemand nehmen: die kleinen Glücksmomente, die ich mir selber erschuf.

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