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Stille Nacht, sündige Nacht

Der britische Akzent, die breiten Schultern, der stählerne Blick - Alana kann nicht leugnen, dass Michael Paul eine gewisse Wirkung auf sie hat. Doch er soll ihren Erotikclub Di Terrestres managen, und als seine Chefin muss Alana die Finger von Michael lassen! Zwischen ihnen knistert es gefährlich, und als die Versuchung schließlich zu groß wird, ist eine leidenschaftliche Affäre unausweichlich. Nur ihr Herz will Alana ihm nicht schenken. Auch nicht bei einem romantischen Trip nach Cancún über die Weihnachtsfeiertage …?


  • Erscheinungstag: 24.12.2020
  • Aus der Serie: Club
  • Bandnummer: 51
  • Seitenanzahl: 208
  • ISBN/Artikelnummer: 9783745752465
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Alana Carter funkelte ihre Freunde wütend an, die sich im Konferenzraum versammelt hatten. Sie hätte wissen müssen, dass diese Scheißkerle, die sie wie Brüder liebte, etwas im Schilde führten, als sie unerwartet in ihr Büro gekommen waren. „Ihr habt was getan?“, fragte sie mit zusammengebissenen Zähnen.

„Lana“, fing Gabe vorsichtig – fast behutsam – an. „Wir sind uns alle einig, dass du unsere Betriebe sehr gut geleitet hast.“

Am liebsten hätte sie ihm eine Ohrfeige verpasst. Sie durchschaute seinen Versuch, sie zu beschwichtigen oder zu besänftigen. „Das weiß ich. Sprich weiter.“ Sie drehte sich Rafael zu, der sich räusperte.

„Wir haben mitbekommen, dass du in letzter Zeit sehr viel arbeitest und dich nicht gut fühlst. Du solltest nicht alles allein schultern müssen. Du brauchst Hilfe und willst dir von uns nicht unter die Arme greifen lassen.“

„Mir geht es gut“, beharrte sie. Um sich nicht vorwerfen lassen zu müssen, sie wäre hysterisch, ließ sie sich nicht anmerken, wie aufgebracht sie war. Das Blut pulsierte in ihren Ohren. Doch sie versuchte, möglichst gelassen zu wirken. Während ihrer beruflichen Laufbahn hatte sie sich ein Pokerface zugelegt, das selbst sehr gewiefte Akteure in die Irre führen konnte.

„Ich will mir von euch nicht unter die Arme greifen lassen?“, wiederholte sie. „Wann könnte einer von euch die Zeit aufbringen, einige meiner Aufgaben zu übernehmen oder so viel zu arbeiten wie ich? Ihr habt eure Jobs, seid mit euren Hochzeitsplänen, euren Freizeitaktivitäten und Familien beschäftigt …“ Sie verstummte und schüttelte den Kopf. „Das gibt euch nicht das Recht, einen Mann anzuheuern, der mich ersetzen soll. Einen Mann, den ich noch nicht einmal kenne.“

Brett schaltete sich ein. „Michael ersetzt dich nicht. Wir waren uns einig, dass es eine gute Idee wäre, wenn dich hier jemand unterstützt. Besonders da Scott nicht mehr da ist und wir alle so mit unserem Privatleben beschäftigt sind.“

Sie hatte bohrende Kopfschmerzen und Ohrensausen. Scott, den früheren Manager von Di Terrestres, sollte der Teufel holen! Erneut schäumte sie vor Wut.

„Ihr müsst nicht mit mir reden, als wenn ich ein verdammtes Kind wäre. Es ist nicht mein Problem, dass ihr euch alle vom Geschäft zurückgezogen habt, um euch eurem Privatleben und euren Beziehungen zu widmen“, fauchte sie. Die Männer, die um sie herum saßen, seufzten wahrnehmbar. Offenbar waren sie verärgert. Das ließ sie zufrieden ein halbes Lächeln zeigen.

„Alana“, fing Gabe wieder an, „Michael und ich haben in London dieselbe Schule besucht. Er hat einen der heißesten Erotikclubs in London gegründet, den er seit mehreren Jahren erfolgreich führt. Er ist für uns ein Gewinn und kann uns hier wirklich helfen. Besonders da du auch noch viel Zeit in das Hotel, die Restaurants und alles andere steckst, was du tust. Er kann das Di Terrestres managen und dich entlasten. Er weiß, was er tut.“

Sie zwang sich, den Blick von ihren Freunden und Geschäftspartnern, der Brotherhood, abzuwenden, und schloss die Augen angesichts des Sonnenlichtes, das durch die Panoramafenster in den Raum fiel. Jetzt könnte ich eine Pille brauchen. Das Medikamentenfläschchen befand sich in ihrer Schreibtischschublade. Seitdem ihr Arzt das Rezept ausgestellt hatte, tat sie sich schwer damit, daran zu denken, die Pillen zu schlucken. „Seit wann habt ihr das geplant?“

„Wir haben Michael anlässlich meiner Junggesellenabschiedsfeier in Dublin getroffen“, erklärte Alex. „Er wollte sich verändern, und wir fanden alle, dass er gut hierher passt. Außerdem musst du dich um nichts kümmern. Wir haben alles mit der Personalabteilung geregelt und den mit dem Visum verbundenen Papierkram erledigt.“

„Wie aufmerksam von euch.“ Sie lachte humorlos. „Komisch. Gewöhnlich haben wir Entscheidungen gemeinsam getroffen. Gilt das nicht mehr?“ Keiner ihrer Freunde sah sie an. Sie gaben aber auch nicht nach.

Alana ärgerte sich grün und blau. Aber sie hatte hämmernde Kopfschmerzen und war müde. Sie fühlte sich zu schlecht, um mit ihnen zu streiten. „Gut“, lenkte sie ein. „Ich rede mit dem Mann. Doch das bedeutet nichts. Ich werde herauszufinden versuchen, ob es hier etwas für ihn zu tun gibt.“

Beim Aufstehen stützte sie sich mit den Händen auf den Tisch. Sie war wackelig auf den Beinen. Der Raum schien sich zu drehen, als sie nach ihrer Tasche griff. Als sie sich wieder fing, hoffte sie, dass ihre Freunde den leichten Schwindelanfall nicht bemerkt hatten. Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Konferenzraum.

„Arschlöcher“, murmelte sie vor sich hin, als sie den Flur betrat. Wie konnten sie es wagen, einen anderen Mann zu holen, der für sie arbeitete? Sie hatten über ihren Kopf hinweg eine bedeutende geschäftliche Entscheidung getroffen.

Bei allen Aufgaben, die sie für die Brotherhood übernahm, bevorzugte sie die Leitung von Di Terrestres, der von allen Betrieben den größten Profit abwarf. Der Erotikclub war ihr Baby. Die Idee und das Konzept stammten von ihr, und sie wollte die Kontrolle darüber auf keinen Fall einem Fremden übertragen.

Im Empfangsbereich ihres Büros lächelte sie ihren Assistenten Cameron an. „Irgendwelche Nachrichten?“

Er reichte ihr einen kleinen Stapel Papiere. „Nur ein paar.“

Schnell ging sie die Nachrichten durch. Lieferant, Aufsichtsamt, Leiter der Lohnbuchhaltung, städtische Beamte … die üblichen Verdächtigen hatten geschrieben. „Danke.“ Nachdem sie ein San Pellegrino aus dem Kühlschrank der Bar genommen hatte, ging sie zu ihrem Schreibtisch.

Sie holte das Pillenfläschchen aus der Schreibtischschublade und nahm mit einem Schluck Wasser eine der Pillen ein. Ihr Arzt hatte darauf bestanden, wenn sie den hohen Blutdruck nicht mit den üblichen Methoden senken oder die Angst- oder Panikattacken nicht reduzieren konnte.

Dabei waren Medikamente ihrer Ansicht nach überhaupt nicht nötig. Es handelte sich wirklich nur um eine Vorsorgemaßnahme und eine Überreaktion des Arztes. Weder die Angst noch der Blutdruck war das Problem. Sie ernährte sich gesund und trieb regelmäßig Sport. Die Beschwerden waren nur auf den enormen Arbeitsstress zurückzuführen. Das ist alles, sagte sie sich.

Mit dem Stuhl drehte sie sich zum Fenster um, schloss die Augen und meditierte, um den Herzschlag und die Atemfrequenz zu verlangsamen, während sie darauf wartete, dass ihr Büro aufhörte, sich zu drehen.

Cameron, der sich via Gegensprechanlage meldete, unterbrach ihre Entspannungsübung. Sie seufzte. Denn sie war nicht in der Stimmung, jemanden zu sehen oder mit jemandem zu reden. Zumindest bis sie sich wieder besser fühlte. „Ja?“, fragte sie und versuchte, sich ihre Erschöpfung nicht anhören zu lassen.

„Hier ist ein gewisser Michael Paul. Er sagt, er ist gekommen, um mit Ihnen über seine neue Position zu reden.“

Er ist hier? Sie hatte angenommen, frühestens nächste Woche mit ihm reden zu müssen. Hastig räumte sie das Pillenfläschchen zurück in die Schreibtischschublade und knallte die Schublade zu. Sie trank den Rest des Mineralwassers und strich die Haare zurück über die Schultern. Es war der Versuch, schnell die Fassung wiederzugewinnen. „Schicken Sie ihn herein.“

Als ein paar Sekunden später die Tür geöffnet wurde, bereitete sie sich darauf vor, durch ihn hindurchzusehen, als wenn er Luft wäre. Dieser Blick brachte manch einen Mann zum Verstummen, der sich herausnahm, sie zu ärgern – im Sitzungsraum, auf der Straße und überall sonst. Aber der Mann hereinkam, riss sie bei dem Anblick die Augen auf.

Aber hallo. Sie war nicht sicher, was sie erwartet hatte. Aber bestimmt nicht diesen sündhaft sexy und ungeheuer attraktiven Mann, der genau nach ihrem Geschmack war: ein großer, dunkler Typ mit schwarzen, kurzen, krausen Haaren, einem markanten Kinn und den sinnlichsten, samtweichsten Männerlippen, die sie jemals gesehen hatte.

Er trug einen königsblauen Anzug. Das weiße Hemd, das am Hals offen stand, bildete einen aufregenden Kontrast zu seiner dunkelbraunen Haut. Interessiert hob sie eine Augenbraue – bevor sie sich plötzlich daran erinnerte, dass sie an ihrem Arbeitsplatz und Michael Paul ihr neuester Angestellter war … Ob es ihr passte oder nicht.

„Ms. Carter?“ Er ging zu ihrem Schreibtisch.

Ihr fiel sein britischer Akzent auf. „Ja, die bin ich.“

„Ich bin Michael Paul.“ Er streckte ihr die Hand hin.

Sie blinzelte. Aber sie bekam sich schnell wieder in den Griff. Erst vor ein paar Minuten hatte sie erfahren, dass dieser Mann überhaupt existierte – und jetzt stand er vor ihr und stellte sich vor. „Ja, ich habe Sie erwartet“, log sie und blieb sitzen, damit er sich über ihren Schreibtisch beugen musste.

Als sie sich begrüßten, bemerkte Alana, dass er große, kräftige, zupackende Hände hatte – und rauere, als sie erwartet hatte. Die Hände eines Arbeiters. Sie sahen sich in die Augen, und in dem Moment sprühten die Funken.

Hände törnten Alana immer an. Wie ein Mann die Hände bewegte, einsetzte und anderen Menschen die Hand schüttelte, ließ Rückschlüsse auf sein Selbstvertrauen und seine Kraft zu. Darauf welchen Job er ausübte, und welche Haltung er hatte. Michaels Händedruck verriet ihr ziemlich viel.

Zum zweiten Mal innerhalb von nur ein paar Minuten stockte ihr der Atem. Erneut geriet sie aus dem Gleichgewicht. Diese starke, unmittelbare Reaktion auf einen Mann schockierte sie. Denn normalerweise hatte sie ihre Gefühle immer total unter Kontrolle. Deshalb war sie dankbar, als Michael ihre Hand wieder losließ.

„Bitte setzen Sie sich.“ Sie deutete auf das schicke Sofa, das auf der anderen Seite ihres Schreibtischs stand.

Als Michael sein Jackett auszog und es über die Rückenlehne des Sofas legte, seufzte sie fast bei dem Anblick, der sich ihr bot. Er hatte breite Schultern, und unter dem dünnen Stoff des weißen Hemds zeichneten sich seine definierten Arm-, Rücken- und Brustmuskeln ab.

Als er auch noch die Manschettenknöpfe öffnete, war Alana vollkommen hingerissen. Doch sie versuchte, so zu tun, als würde sie überhaupt nicht wahrnehmen, dass er die Hemdärmel aufschlug und dabei seine Unterarme mit den sehnigen Muskeln, mehr dunkle Haut, die feinen Härchen auf dem Handgelenk und eine teure goldene Uhr entblößte.

Zumindest er machte es sich bequem, während ihr nichts anderes übrig blieb, als vor lauter Verlangen auf dem Stuhl herumzurutschen. Er lächelte sie an und zeigte seine strahlend weißen Zähne.

„Ich habe gehofft, dass wir ein bisschen über meinen neuen Job reden können, bevor ich mich an die Arbeit mache.“ Er setzte sich auf das niedrige Sofa.

Männer hatten schon bei zu vielen Meetings auf sie herabgesehen. Deshalb hatte Alana bei der Einrichtung ihres Büros darauf geachtet, dass sich ihr Schreibtisch etwas oberhalb des Sofas befand. Dadurch nahm sie immer eine höhere Position als ihr Gegenüber ein. Doch da Michael sehr groß war, befand er sich mehr oder weniger auf Augenhöhe mit ihr.

Sie richtete den Oberkörper auf und sagte sich, dass sie nicht auf den Mann scharf sein konnte – ganz egal, wie sexy er war. Er war ihr Angestellter. „Es ist noch nicht Ihr Job.“

„In Ordnung“, meinte er vorsichtig. Er lehnte sich zurück, legte den rechten Fußknöchel auf das linke Knie und die Arme ausgestreckt auf die Rückenlehne des Sofas. „Allerdings habe ich das bei der Besprechung mit Ihren Geschäftspartnern anders verstanden. Insbesondere da ich für meinen Job hier ein Arbeitsvisum bekommen konnte.“ Er hielt inne und grinste. „Aber sicher. Lassen Sie uns reden – jetzt, da ich hier bin und den Job habe. Je eher wir uns verständigen, desto besser.“

Alana betrachtete ihn einen Moment lang. Sie mochte ihn sehr attraktiv finden und wusste selbstbewusste Männer wirklich zu schätzen. Aber sie war skeptisch, ob ihr seine Form der Selbstsicherheit gefiel.

Anders als die meisten Leute, die auf der anderen Seite ihres Schreibtischs saßen, schien er sich durch sie überhaupt nicht eingeschüchtert zu fühlen. Um die Kontrolle über die Situation zu bekommen, versuchte sie ihr Bestes, völlig ungerührt zu erscheinen. Doch sein süffisantes Lächeln zeigte ihr, dass er sie durchschaute.

Sie räusperte sich. „Mr. Paul, ich bin nicht sicher, ob wir uns verständigen können. Ich würde mich schon damit zufriedengeben, wenigstens nicht aneinander vorbeizureden.“

Michael musterte die Frau eingehend, die ihm gegenübersaß. Gabe und seine Geschäftspartner hatten ihm von Alana erzählt – beziehungsweise ihn eher vor ihr gewarnt. Aber er war nicht richtig auf die Begegnung mit ihr vorbereitet gewesen. Sie war zweifellos schön. Doch das war nicht alles.

Schon jetzt wusste er, dass sie eine starke, toughe, kluge und beeindruckende Frau war. Doch aus irgendeinem Grund schien sie nicht erfreut darüber zu sein, ihn hier zu sehen. Im Gegensatz zu ihren Geschäftspartnern, die ihn begeistert an Bord willkommen geheißen hatten. Ihm war es ein Rätsel, warum sie jetzt so ablehnend auf ihn reagierte. „Was möchten Sie wissen?“

„Diese Situation ist völlig neu für mich, und ich habe keine Ahnung, wer Sie sind – auch wenn meine Geschäftspartner Sie angeheuert haben. Was mich angeht, handelt es sich also noch um ein Bewerbungsgespräch. Also erzählen Sie mir zunächst einmal etwas über sich.“

Alles in ihm sträubte sich gegen den Befehlston. Er war es gewohnt, die Kontrolle zu haben, und sie hatte ihm die untergeordnete Position zugewiesen. Doch da er sie beeindrucken musste, schluckte er seinen Ärger hinunter und sah sie an.

Durch seine Größe befand er sich fast auf Augenhöhe mit ihr, obwohl seine Sitzhöhe deutlich unter ihrer lag. Sie schien ihn trotzdem zu überragen. Es war eine Machtdemonstration, und er musste den Kunstgriff bewundern. Seiner Einschätzung nach war sie eine Frau, die gern alle Fäden in der Hand hatte. Aber er hatte auch gern alles im Griff.

Sie warf die langen, blonden Haare zurück über die Schulter und schenkte ihm kaum einen Blick. Er ballte die Hand, als er sich vorstellte, mit den Fingern durch ihre Haare zu fahren und ein wenig an ihnen zu ziehen. Dann bemerkte er, dass sie seine Hände betrachtete.

Seine unmittelbare Reaktion auf seine neue, sexy Chefin überraschte ihn. Besonders da er sich darauf konzentrieren sollte, einen guten ersten Eindruck zu machen. Er hatte angenommen, dass sein neuer Job unter Dach und Fach war.

Doch anscheinend hatte Alana ein gewichtiges Wort dabei mitzureden, ob er seine zweite Chance bekam, die er bitter benötigte. Auch wenn ihre männlichen Geschäftspartner ihm einen tollen Job gegeben hatten, würde er nicht weit kommen, wenn sie sich querstellte.

Er hatte ein paar Tage vor Weihnachten seine Sachen gepackt, um in ein neues Land zu ziehen. Also würde er nicht gleich am ersten Tag alles vermasseln. Er musste sein bestes Benehmen an den Tag legen.

Denn sein neues Leben zu verpfuschen, bevor es angefangen hatte, kam nicht infrage. Egal, wie schön die Frau war. Oder wie sehr er wollte, dass sie ihn persönlich durch ihren Erotikclub im Erdgeschoss führen und er ihr dort dann selbst ein oder zwei Dinge zeigen würde …

Er bemerkte, dass sie ihn erwartungsvoll ansah. Offensichtlich wartete sie auf eine Antwort. Richtig, das Bewerbungsgespräch. Er räusperte sich. „Bis vor Kurzem habe ich in London gelebt, wo ich Swings Playground eröffnet und geleitet habe. Im ersten Jahr haben wir fünf Millionen Pfund Gewinn gemacht und in jedem darauf folgenden Jahr den Gewinn des Vorjahres verdoppelt.“

Sie nickte anerkennend. „Sehr beeindruckend. Ich kenne das Swings. Ich habe den Club ein paar Mal besucht, als ich in London war.“

„Oh, wirklich?“ Er war neugierig, welche sexuellen Vorlieben sie hatte.

„Ja, vor ein paar Jahren. Ich war wegen einer Konferenz in London.“

„Und wie fanden Sie Ihren Besuch im Swings?“

„Er hat mir ziemlichen Spaß gemacht. Sie haben einen schönen und angenehmen Club geschaffen.“

„Danke.“ Er hatte einen bitteren Geschmack auf der Zunge, als er an den Erotikclub dachte, aus dem er rigoros verdrängt worden war. „Ich freue mich darauf, mir endlich auch ein Bild vom Di Terrestres zu machen.“ Er hoffte, die Aufmerksamkeit von ihm auf ihren Club zu lenken. „Wenn unser Bewerbungsgespräch erst einmal vorbei ist, meine ich.“

„Ich rufe jemanden, der Sie herumführt, falls es nötig sein wird. Aber zurück zu Ihnen. Das Swings ist erfolgreich und in der internationalen Community bekannt. Ich bin neugierig: Warum genau haben Sie dem Club den Rücken zugekehrt?“

Michael wusste nicht, wie er den Grund dafür ausdrücken sollte, weil er die Worte noch nie laut ausgesprochen hatte. Den durch den Betrug hervorgerufenen Schmerz und die Demütigung hatte er verdrängt. Aber in den Augenblicken, in dem er die Gefühle zuließ, versetzten sie ihm noch immer einen schmerzhaften Stich.

Er hatte gehofft, beim ersten Treffen mit der Frau, mit der zusammenarbeiten würde, nicht darauf eingehen zu müssen. Also antwortete er: „Für meine Partner und mich war es Zeit, getrennte Wege zu gehen.“ Aber er sah ihr an, dass sie ihm die Antwort nicht wirklich abkaufte.

„Warum so vage?“ Sie lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte die Arme.

Unwillkürlich bemerkte er, dass dadurch ihre mehr als üppigen Brüste nach oben geschoben wurden. Er ließ den Blick über den Ausschnitt ihres Kleids zu ihrem Dekolleté wandern.

„Sofern Sie nicht zu beschäftigt damit sind, auf meine Brüste zu starren, um zu antworten.“

Erwischt. „Verzeihung.“ Es tat ihm überhaupt nicht leid. „Über die Trennung von meinen Partnern gibt es nicht viel mehr zu sagen.“

„Das glaube ich nicht.“

„Mit meiner Eignung, hier zu arbeiten, hat es absolut nichts zu tun“, versicherte er ihr.

„Rechtliche Probleme?“ Sie neigte den Kopf zur Seite.

Er betrachtete ihren Hals, die glatte Haut, all die empfindsamen Nervenenden und fragte sich, ob sie stöhnen oder kreischen würde, wenn er mit den Lippen darüber streichen würde.

„Eher persönliche“, antwortete er schroff und erkannte seine eigene Stimme kaum wieder, die rau klang. Nicht aus Groll – wie gewöhnlich, wenn er über die Untreue der beiden Menschen sprach, die ihm am nächsten gestanden hatten –, sondern aus Lust.

Es war eine Weile her, dass eine Frau eine solche Reaktion in ihm ausgelöst hatte – ganz gleich, wie wenig entgegenkommend sie sich verhielt. Vielleicht machte diese Ablehnung einen Teil des Reizes aus, den sie auf ihn ausübte.

Sie wollte ihm nicht alles geben, wonach er verlangte. Das war für ihn eine neue Erfahrung, und irgendwie gefiel es ihm, dass er sich anstrengen musste, um sie zu beeindrucken. Je härter die Arbeit, desto süßer die Belohnung.

Alana hob fragend eine Augenbraue.

Er wusste, dass er es nicht bei dieser Andeutung belassen konnte. Sonst würde sie nicht locker lassen. Er wandte den Blick ab, betrachtete die moderne und dennoch bequeme Einrichtung ihres schicken Büros und atmete tief aus.

„Also gut. Meine Ehefrau, die …“, er bemerkte, dass sie überrascht blinzelte, „… sehr bald meine Ex-Frau sein wird …“, stellte er klar und entschied sich spontan für die ernüchternde Kurzversion der Geschichte: „Wir beide und einer unserer Freunde waren die Besitzer des Clubs. Die Ehe ist zu Ende, die Freundschaft ebenfalls und damit auch unsere Geschäftspartnerschaft.“

„Es gibt etwas, das Sie dabei verschweigen. Das weiß ich“, erwiderte sie. Aber als er keine weiteren Informationen über sein Privatleben preisgab, stellte sie eine weitere Frage: „Warum wollten Sie hierherkommen?“

„Ich stehe in meinem Leben an einem Scheideweg. Gabe hat sich mit mir in Verbindung gesetzt, und wir haben uns in Dublin getroffen.“

Erneut neigte Alana den Kopf zur Seite und spitzte den Mund.

„Ich dachte, es wäre ein guter Zeitpunkt für eine neue Umgebung, und Las Vegas ist nun wirklich ein völlig neues Pflaster für mich“, fügte er hinzu. „Außerdem habe ich sehr viel Gutes über das Di Terrestres gehört. Der Club ist in der internationalen Szene bekannt. Wissen Sie übrigens, dass ich Gabe seit der Schulzeit kenne? Er hat mir alles über Sie erzählt.“

Er warf ihr von der Seite einen Blick zu. Allerdings hatte Gabe ihm nicht erzählt, wie umwerfend Alana Carter war. Vielleicht war er noch nie einer Frau begegnet, die so sexy war. Sie war glühend heiß, hart wie Stahl und brachte ihn dazu, es mit ihr treiben zu wollen – auf sehr viele verschiedene Spielarten. „Gabe hat viel Gutes über Sie und Ihre Arbeit gesagt.“

Sie würde es ihm nicht leicht machen. Das war ihm klar. Er hoffte, dass Schmeicheleien und sein Sexappeal das Eis zum Schmelzen bringen würden. „Ich kann es kaum erwarten, an die Arbeit zu gehen und zu sehen, was ich für Sie tun kann.“ Er verzog den Mund zu einem vielsagenden Grinsen.

Damit hatte er das Gespräch von seinem Privatleben auf das Thema Sex und damit auf das Terrain gebracht, auf dem er sich zu Hause fühlte. Seine Anspielung hatte den gewünschten Effekt. Er registrierte, wie sie ihn ansah. Offensichtlich beruhte die sexuelle Anziehung auf Gegenseitigkeit. Sie räusperte sich, stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und musterte ihn mit diesen hellgrauen Augen, während er wieder auf ihr Dekolleté sah.

„Und was glauben Sie, für mich tun zu können?“, fragte sie heiser.

Er lehnte sich ebenfalls nach vorn und stützte die Ellbogen auf die Knie. „Sie müssen ziemlich gestresst sein und sehr unter Druck stehen. Da kann ich Erleichterung schaffen. Eine mächtige Frau in einer Männerwelt zu sein, ist bestimmt nicht leicht. Ich bin hier, um Ihnen im Di Terrestres einen Großteil der Last abzunehmen, ganz gleich, worum es sich vielleicht handelt.“

Alana stand auf. „Ich glaube, ich weiß, wie Sie einen Teil meines Stresses abbauen und mir den Tag ein wenig leichter machen können …“

Interessiert beobachtete er, dass sie mit den Fingerspitzen über die Schreibtischplatte fuhr. Jede ihrer Bewegungen hatte eine Wirkung auf ihn. Er war sich sicher, dass sie ihre Verführungskunst auch sonst gezielt einsetzte, um zu bekommen, was sie wollte. Wie gut dieses Vorgehen beim ihm funktionierte, war ihm fast peinlich.

Er stand ebenfalls auf und spürte bereits, dass sein ganzes Blut in seinen Schwanz strömte. „Oh ja? Was haben Sie im Sinn?“

„Nun zuerst“, sagte sie lasziv, öffnete die Schreibtischschublade, ging um den Schreibtisch herum, blieb vor ihm stehen und gab ihm einen Stapel kleiner Zettel.

Michael atmete tief ein und nahm den Duft ihres Parfüms wahr. Ein Hauch Zitrone kombiniert mit Blumennoten, die auf eine verspielte Seite hinwiesen? Der Duft war genauso fesselnd und berauschend wie die Art, auf die sie die Lippen spitzte und mit dem Kinn auf die Zettel deutete, die sie ihm gegeben hatte. Er sah, um was für Zettel es sich handelte, und lachte humorlos.

„Sie können meine Sachen von der Reinigung abholen“, flüsterte sie in noch immer sinnlichem Ton. „Die Adresse steht auf der Rückseite.“ Sie setzte sich wieder hinter den Schreibtisch.

„Das kann nicht Ihr Ernst sein.“

„Mr. Paul, Sie werden feststellen, dass ich nur sehr selten etwas nicht ernst meine“, erwiderte sie kühl.

Kopfschüttelnd starrte er sie an. „Wissen Sie, wie viel ich hier verdiene? Ich bin nicht den weiten Weg von London hierhergekommen, um Besorgungen für Sie zu machen.“

„Sie werden genau das tun, was ich Ihnen sage“, flüsterte sie wütend. „Mir ist egal, wie viel Geld ich Ihnen bezahle – beweisen Sie einfach, dass Sie es wert sind.“

Er lächelte, weil er offensichtlich in der Lage war, Gefühle und Leidenschaft in ihr zu wecken. „Ich werde Ihnen zeigen, welchen Wert ich für Sie habe. Allerdings haben Ihre Geschäftspartner mir den Eindruck vermittelt, dass ich das Di Terrestres leiten werde. Das erklärt das hohe Gehalt.“ Auch er setzte sich wieder.

„Das ist ein Witz. Ich leite das Di Terrestres. Ich bin nicht verantwortlich dafür, dass meine Geschäftspartner Sie falsch informiert haben.“

„Warum bin ich dann hier?“

„Gute Frage.“

Sie starrten einander an wie in einem Duell, das seine neue Chefin anscheinend mit zunehmender Dauer frustrierte. Etwas tief in ihm fand großen Gefallen daran. Als sie seufzte, fragte er sich, ob sie schließlich die Waffen streckte.

„Bringen wir das Bewerbungsgespräch hinter uns. Dann sehen wir, wie Sie hier eingesetzt werden. Welchen Aufgabenbereich hatten Sie in Ihrem alten Club erfolgreich übernommen?“

Einen Moment lang vergaß er den Willenskampf und die sexuelle Anziehung zwischen ihnen. Auch wenn ihm dieses Spiel viel Spaß machte. Aber es gab nur wenige Dinge, die er so ernst genommen hatte wie seinen alten Club.

„Ursprünglich war das Swings meine Idee. Die Londoner BDSM- und Swingerszene beschränkte sich damals noch auf Privatpartys. Aber wie Sie sich vorstellen können, ist das für die Teilnehmer mit allen möglichen Risiken verbunden.“

Als sie nickte, fuhr er fort: „Wir hatten einen Ort geschaffen, an dem nicht nur die Superreichen ihre jeweiligen sexuellen Neigungen sicher ausleben konnten. Durch verschiedene Mitgliedschaften war die unterste Preiskategorie für jeden erschwinglich. Doch die Aufnahmebedingungen waren unverändert hoch. Aufgenommen wurde nur, wer sich auf ein Mitglied berufen konnte.“

„Hat diese Offenheit irgendwelche Herausforderungen mit sich gebracht?“

Er zuckte mit den Schultern. „Jeder verdient es, Spaß zu haben – solange er die Regeln befolgt und andere Menschen respektiert. Wir hatten einen Privatbereich für prominente Gäste. Aber ansonsten konnten alle Mitglieder die Angebote wahrnehmen. Vielleicht können wir auch hier einen Weg finden, der es allen Interessierten ermöglicht, in den Club zu kommen.“

„Ich würde noch nicht anfangen, große Pläne zu machen“, erwiderte sie.

„Haben Sie so viel Angst vor Veränderungen?“ Da sie nicht antwortete, betrachtete er sie. Je wütender sie wirkte, desto attraktiver wurde sie, und desto mehr Gefallen fand er daran. Er konnte das Feuer spüren, das unter der eisigen Fassade brannte. „Kontrolle.“

Sie blinzelte überrascht. „Wie bitte?“

Michael wusste, dass sie ihn genau verstanden hatte, und grinste. „Die Kontrolle zu haben, versetzt Ihnen einen Kick, nicht wahr?“ Statt zu antworten, hantierte sie mit den Unterlagen, die auf dem Schreibtisch lagen. Vielleicht könnte das der Weg sein, hinter die kühle Fassade vorzustoßen. „Habe ich recht? Sie mögen es, allen immer zu zeigen, dass Sie das Sagen haben. Egal, wo Sie sind.“

„Was soll das?“

„Ich versuche nur, meine neue Chefin besser kennenzulernen. Sagen Sie mir, worauf Sie stehen. Besuchen Sie den Folterkeller, wenn Sie nach unten gehen?“ Er dachte darüber nach und schüttelte den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht. Gehen Sie in die Räume, in denen die Orgien stattfinden? Nein, das auch nicht. Sie haben nur Spaß, wenn Sie die Kontrolle ausüben. Eine Domina?“ Er nickte zustimmend. „Nun, das ist faszinierend.“

Auch wenn er gern die Kontrolle hatte, würde er Alana vielleicht den dominanten Part spielen lassen, wenn sie das wollte. Einmal. Dann würde er ihr zeigen, wie gern er die Oberhand behielt.

„Wollen Sie, dass ich Sie wegen sexueller Belästigung anzeige?“, warnte sie ihn. „Ich weiß nicht, wie Sie Ihren Club in London geleitet haben. Aber wir führen hier ein professionelles Unternehmen, trennen Arbeit und Freizeit, und dasselbe erwarten wir auch von unseren Mitarbeitern. Wenn Sie also hier eine Zukunft haben wollen, sollten Sie das nicht vergessen.“

„Das werde ich, und ich respektiere Ihre Regeln.“ Das bedeutete allerdings nicht, dass er aufhören würde, sie anzustacheln. „Sie sind definitiv keine Frau, die sich gern sagen lässt, was zu tun ist, oder?“

„Sie sind unmöglich.“ Sie schüttelte den Kopf und schloss die Augen. „Dieses Bewerbungsgespräch verläuft nicht besonders gut.“

Michael liebte es, dass sie die Geduld mit ihm verlor. „Das hängt wohl davon ab, wen sie fragen.“ Er grinste. „Aber ich habe den Job ja bereits, erinnern Sie sich? Sagen Sie mir, auf welche Weise Sie gern das Heft in der Hand haben.“

„Ich sehe nicht, was das mit dem Bewerbungsgespräch zu tun hat, das wir führen.“

Er stand auf, trat vor den Schreibtisch, stützte sich mit den Händen auf die Schreibtischplatte, lehnte sich zu ihr und schaute sie an. Vor Überraschung hatte sie die Augen aufgerissen, die fast schwarz wirkten, als sie sich anschauten. Sie atmete schwer. Ihre Bewegungen und die gesamte Mimik zeigten, dass sie scharf auf ihn war. „Ich glaube, es hat ziemlich viel mit uns zu tun.“

Alana blinzelte. „Mit uns?“ Sie lachte.

Doch ihr Lachen verwandelte sich in ein Hüsteln, und sie wandte kurz den Blick ab. Schnell fing sie sich wieder und schaute ihn kalt an. Alana Carter war eine beeindruckende Gegnerin.

„Um das klarzustellen: Auch wenn ich einen Erotikclub leite und meine Geschäftspartner Sie angeheuert haben – meine sexuellen Vorlieben gehen Sie nichts an. Und was uns betrifft: Ich bin Ihre Chefin, und Sie sind mein Angestellter. Ich weiß nicht, was Sie mit diesem Gockelgehabe im Sinn haben oder zu beweisen versuchen.“ Sie verdrehte die Augen. „Aber es gibt kein uns.“

Nach einem Moment fuhr sie fort: „Und wenn Sie glauben, Sie können hier hereinspazieren und mich nervös machen, überrumpeln, dominieren, was immer Sie bezwecken – das wird nicht funktionieren. Ich habe es jeden Tag mit Männern zu tun, die glauben, sie könnten sich als große Macker aufspielen – in der Vorstandsetage, am Arbeitsplatz, im Schlafzimmer. Aber ich lasse sie jedes Mal wissen, wie falsch sie damit liegen, wie klein sie sind. Und dann versuchen sie es nie wieder.“

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