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Tiefer - Im Sog der Lust

Die junge Studentin Bess erlebt ihre erotische Erweckung, als sie sich während eines Ferienjobs am Meer in den sexy Bad Boy Nick verliebt. Doch ihre Affäre ist ebenso heiß wie kurz. So schnell wie der Sommer ist alles wieder vorbei. Erst zwanzig Jahre später, Bess ist gerade frisch geschieden, fragt sie sich plötzlich: Was ist aus dem Mann geworden, mit dem sie den besten Sex ihres Lebens hatte? Sie kehrt zurück ins Strandhaus. Dort, wo sie ihm einst begegnete. Und Nick ist ebenfalls wieder da ... Was ist aus Nick geworden?, fragt Bess sich. In den Armen des sexy Bad Boy erlebte sie einst ihre erotische Erweckung ...


  • Erscheinungstag: 01.02.2011
  • Seitenanzahl: 428
  • ISBN/Artikelnummer: 9783862780303
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Jetzt

Das Meer war das gleiche geblieben. Sein Klang und Geruch hatten sich nicht verändert, genauso wenig wie die heranbrandenden und wieder ablaufenden Wellen. Vor zwanzig Jahren hatte Bess Walsh an diesem Strand gestanden und sich auf den Rest ihres Lebens gefreut, und jetzt …

Jetzt war sie nicht sicher, ob sie bereit war für das, was vor ihr lag.

Jetzt stand sie hier, der kalte Sand rieb an ihren nackten Zehen, und die salzige Luft spielte in ihrem Haar. Sie atmete tief ein. Dann sperrte sie die Nacht mit der Dunkelheit hinter ihren Lidern aus und verlor sich in der Vergangenheit, damit sie nicht über die Zukunft nachdenken musste.

Die Nachtluft im späten Mai war immer noch kühl, vor allem, wenn man so nah am Wasser stand und nur mit einem dünnen T-Shirt und einem Jeansrock bekleidet war. Ihre Brustwarzen drückten gegen den Stoff, und sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, um sich ein wenig zu wärmen. Es schien angemessen zu zittern, während sie sich an diesen so lange zurückliegenden Sommer erinnerte. Sich an ihn erinnerte. Zwanzig Jahre lang hatte sie versucht zu vergessen, doch nun war sie wieder hier, und das Vergessen fiel ihr schwerer als jemals zuvor.

Bess wandte ihren Kopf in den Wind, der ihr das Haar aus dem Gesicht blies. Sie öffnete den Mund, um ihn zu trinken, zu essen, als wäre er ein süßes Bonbon. Der Geruch füllte ihre Nase und bedeckte ihre Zunge. Er zog sie effektiver in die Vergangenheit zurück, als es eine einfache Erinnerung gekonnt hätte.

Wie albern. Sie war zu alt, um an Märchen zu glauben. Es gab keine Zeitreisen. Keine Möglichkeit zurückzukehren. Nicht einmal eine Möglichkeit zu bleiben, wo sie war. Ihre einzige Option, jedermanns einzige Option war es, immer weiterzugehen.

Mit diesem Gedanken ging sie vorwärts. Einen Schritt, dann noch einen. Ihre Füße versanken im Sand, und über die Schulter warf sie einen Blick zurück auf die Sicherheit ihrer Terrasse und der einzelnen Kerze, die dort brannte. Der Wind brachte die Flamme zum Flackern, und sie wartete darauf, dass sie ausging, aber in der Geborgenheit ihres Glasgefäßes blieb sie brennen.

Damals hatte das Haus hier ganz alleine gestanden. Nun wurde es von Nachbarn flankiert, die nah genug dran waren, um sie zu treffen, wenn man in die richtige Richtung spuckte, wie ihre Großmutter gesagt hätte. Vier Stockwerke Millionen Dollar teurer Architektur reckten sich drohend hinter ihrem Häuschen auf. Mit Seegras bewachsene Dünen, die vor zwanzig Jahren noch nicht da gewesen waren, erhoben sich zwischen Haus und Strand. Und auch wenn in einigen entfernten Fenstern Lichter leuchteten, lagen die meisten Häuser so früh in der Saison noch im Winterschlaf.

Das Wasser würde zu kalt zum Schwimmen sein. Weiße Haie könnten in ihm lauern. Die Unterströmung wäre stark. Bess ging trotzdem nah heran, gezogen von Erinnerungen und ihrer Sehnsucht.

Am Meer war sie sich ihres Körpers und seiner Zyklen immer bewusster gewesen. Mit seiner engen Verbindung zum Mond, schien der Wandel der Gezeiten so weiblich zu sein. Niemals schwamm sie im Meer, aber in seiner Nähe fühlte sie sich sinnlich und lebendig, wie eine Katze, die sich an einer wohlmeinenden Hand reiben wollte. Das warme Wasser auf den Bahamas, die kalten Wellen des Atlantiks bei Maine, der sich sanft kräuselnde Golf von Mexiko, das göttliche Blau des Pazifiks hatten sie gerufen, aber zu keinem von ihnen fühlte sie sich so stark hingezogen wie zu diesem kleinen Flecken Wasser und Sand.

Zwanzig Jahre später war die Anziehung stärker denn je.

Ihre Füße fanden den hart gepressten Sand, den die letzte Welle zurückgelassen hatte. Sie grub ihre Zehen in seine Kälte. Hier und da glitzerte eine weiße Schaumkrone auf, aber bisher erreichten sie Bess noch nicht. Sie machte einen schleppenden Schritt, ließ ihre Füße ihr den Weg zeigen, damit sie nicht unerwartet auf einen scharfen Stein oder eine Muschel treten würde. Ein weiterer Schritt nach vorne brachte sie auf noch feuchteren Sand. Beinahe matschig. Die rauschenden Wellen sprühten einen feinen Nebel in die Luft, und sie öffnete ihren Mund für ihn, wie sie es vorhin für den Geruch getan hatte.

Als das Wasser endlich ihre Füße berührte, war es nicht kalt. Die Wärme war schockierender, als die Kälte es gewesen wäre, und Bess schnappte nach Luft. Bevor sie einen weiteren Schritt machte, kam eine neue Welle. Wärme wirbelte um ihre Fußgelenke und spritzte an ihren nackten Waden hinauf. Das Wasser zog sich wieder zurück und ließ ihre Füße mit Sand bedeckt zurück. Sie ging weiter, ohne nachzudenken. Schritt für Schritt, bis das Wasser, so warm wie in der Badewanne, so warm wie ein Kuss, ihr bis zu den Oberschenkeln reichte. Es durchnässte den Saum ihres Rocks und spritzte auf ihr T-Shirt.

Lachend beugte Bess sich vor, um das Wasser über ihre Hände laufen zu lassen. Über ihre Handgelenke, ihre Ellenbogen. Es rollte sich unter ihrer Bewegung, entzog sich ihrem Griff. Sie kniete sich hin und ließ sich von den Wellen umspülen.

Sie berührten sie wie tausend Küsse auf einmal. Wie leckende Zungen. Sie spritzten höher, durchnässten ihre Unterwäsche. Bis zur Taille reichte ihr das Wasser, als sie sich hinsetzte. Und es berührte ihren Hals, als sie sich zurücklegte. Dann bedeckte es ihr Gesicht, und sie hielt den Atem an, wartete darauf, dass es sich zurückziehen würde.

Ihre Haare lösten sich aus dem Zopf, aber Bess machte sich keine Gedanken über den Verlust der Spange, die sie zusammengehalten hatte. Wie Algen wirbelte ihr Haar im Wasser herum, kitzelte ihre nackten Arme und bedeckte ihr Gesicht, nur um von der nächsten Welle wieder fortgespült zu werden. Salz und Sand bemalten ihre Lippen. Sie leckte darüber und öffnete sie, wie um den Kuss eines Liebhabers zu empfangen. Bess streckte die Arme aus, aber das Wasser wollte sich nicht aufhalten lassen. Salz brannte in ihren Augen, doch nicht vom Meer. Sondern von den Tränen, die ihr ungehemmt über die Wangen liefen. Sie schmeckten bitter und gar nicht wie die sandige Süße des Ozeans.

Bess öffnete sich dem Wasser und den Wellen. Öffnete sich der Vergangenheit. Jedes Mal, wenn eine neue Welle kam, hielt sie den Atem an und fragte sich, ob die nächste sie wohl überraschen und ihre Lungen mit Wasser füllen würde. Oder sie weiter unter Wasser zöge. Und sie fragte sich, was sie wohl tun würde, wenn das passierte. Ob es ihr etwas ausmachen würde. Ob sie kämpfen oder sich vom Meer davontragen lassen würde, ob sie aufgäbe und sich im Wasser verlieren würde, wie sie sich einst in ihm verloren hatte.

An genau diesem Strand hatten sie sich geliebt, und das Rauschen des Meeres hatte ihre Schreie übertönt. Er hatte seinen Mund und seine Hände eingesetzt, um sie zum Zittern zu bringen. Sie hatte seinen Schwanz in sich geschoben, um ihre Körper miteinander zu verankern, aber egal, wie oft sie miteinander schliefen, es hatte nicht funktioniert. Das Vergnügen hielt nicht ewig. Alles musste irgendwann enden.

Ihre eigenen Hände waren ein schwacher Ersatz, aber Bess benutzte sie trotzdem. Sand rieb an ihren Fingerspitzen, als sie mit ihren Händen unter ihr T-Shirt fuhr, um ihre Brüste zu umfassen. Sie erinnerte sich daran, wie sich sein Mund angefühlt hatte. Tiefer. Wie seine Finger zwischen ihren Schenkeln spielten. Sie öffnete die Beine und ließ sich vom Meer streicheln, wie er einst sie gestreichelt hatte. Ihre Hüften hoben sich, pressten gegen etwas, das den Druck nicht erwiderte. Das Wasser zog sich wirbelnd zurück und entblößte sie in der kühlen Nachtluft.

Mehr Wellen brandeten heran, um sie zu umarmen, während sie sich streichelte. Es war schon lange her, dass sie sich dieses Vergnügen das letzte Mal gegönnt hatte. Sie hatte sich so lange nicht mehr selber geliebt, dass ihre Hände sich wie die eines Fremden anfühlten.

Er war nicht ihr erster Liebhaber gewesen oder der erste Junge, der sie zum Orgasmus gebracht hatte. Er war nicht mal ihre erste große Liebe gewesen. Er war nur der Erste, der alleine mit einem einfachen Lächeln ihr Innerstes nach außen kehren konnte. Der Erste, der sie an sich zweifeln ließ. Er hatte sie tiefer gezogen als jeder zuvor, und doch war sie nicht ertrunken.

Die Affäre war kurz gewesen. Eine Seite im Buch ihres Lebens, nicht einmal ein ganzes Kapitel. Nur die Strophe eines Liedes. Sie hatte mehr Jahre ohne ihn als mit ihm verbracht. Doch auch das war egal.

Als Bess sich selbst berührte, war es sein Lächeln, das sie sich vorstellte. Seine Stimme, die ihren Namen murmelte. Seine Finger, die mit ihren verschlungen waren. Sein Körper. Seine Berührung. Sein Name.

„Nick.“ Das einzelne Wort glitt das erste Mal seit zwanzig Jahren von ihrer Zunge, freigesetzt vom Meer. Diesem Meer. Diesem Sand. Diesem Strand. Diesem Ort.

Nick.

Die Hand, die sich um ihren Knöchel schloss, war so warm wie das Wasser, und für einen Moment dachte Bess, dass sich ein Büschel Seegras um ihren Fuß geschlungen hätte. Einen Augenblick später berührte eine weitere Hand ihren anderen Fuß. Beide glitten an ihren Beinen entlang zu ihren Oberschenkeln. Das Gewicht und die Wärme eines Körpers, fest und nicht wie Wasser, bedeckte sie. Sie öffnete den Mund dem Meer, wie um einen Liebhaber zu empfangen, und wurde von einem echten Kuss begrüßt. Echte Lippen, echte Hände, eine echte Zunge suchte sich einen Weg in ihren Mund und umspielte ihre.

Sie hätte ob dieses Übergriffs schreien sollen. Ob dieses Angriffs eines völlig Fremden. Doch es war kein Fremder. Sie kannte die Berührungen besser als ihre eigenen. Das Gewicht seiner Hände. Die Form seines Schwanzes. Seinen Geschmack.

Es war eine Fantasie, eine Erinnerung. Wunschdenken. Bess war es egal. Sie öffnete sich ihm, wie sie sich dem Wasser geöffnet hatte. Morgen, wenn die Sonne aufginge und sie sich um ihre vom Sand wundgescheuerte Haut kümmern würde, könnte sie sich einen Dummkopf schimpfen, aber hier und jetzt war ihr Verlangen zu stark, um ignoriert zu werden. Und sie wollte es auch gar nicht ignorieren. Sie hatte damals alle Vorsicht in den Wind geschlagen, und genau so tat sie es jetzt auch wieder.

Seine Hand wanderte unter ihren Kopf, um ihn zu umfangen. Seine Lippen bedeckten ihre, er knabberte ein wenig an ihrer Unterlippe, bevor er seine Zunge wieder in ihren Mund gleiten ließ. Sein Stöhnen ließ ihre Lippen erzittern. Seine Finger fuhren durch ihr Haar.

„Bess“, sagte er. Er flüsterte das, was Liebende in der Hitze der Leidenschaft einander sagten, Worte, die einer näheren Betrachtung niemals standhalten würden.

Es machte ihr nichts aus. Sie ließ ihre Hände über Nicks Rücken zu der vertrauten Rundung seines Hinterns gleiten. Er trug eine Jeans, und sie schob sie so weit herunter, bis er nackt war und sie seine heiße Haut fühlen konnte. Wasser rollte heran und zog sich wieder zurück, reichte schon lange nicht mehr weit genug hinauf, um ihre Körper zu bedecken.

Seine Hand glitt zwischen ihre Beine und zog an ihrem Slip. Das dünne Material gab sofort nach. Er schob ihren Rock zu ihren Hüften hoch. Ihr T-Shirt war so dünn und nass, als wenn sie gar nichts trüge. Als sein Mund sich um einen geschwollenen Nippel schloss, schrie Bess laut auf und bog den Rücken durch. Seine Finger fanden die Hitze zwischen ihren Schenkeln. Er fing an, sie zu stimulieren, und ihr Körper zuckte. Sie war bereit.

„Bess“, flüsterte Nick an ihrem Ohr. „Was ist das hier?“

„Frag nicht“, erwiderte sie und zog seinen Mund wieder zu ihrem. Der feuchte Sand unter ihr umarmte sie. Sie stemmte ihre Füße hinein und öffnete die Schenkel. Dann umfasste sie seinen Schwanz, dessen pralle Hitze ihr so vertraut war wie alles andere an ihm. „Frag nicht, Nick, sonst könnte es sich in Luft auflösen.“

Mit sanften Bewegungen fing sie an, ihn zu streicheln. Sie war sich des Salzes und Sandes zu bewusst, und so drängte sie ihn nicht, sie zu nehmen. Nicht einmal in ihrer Fantasie konnte sie die Qualen vergessen, die Sand an Stellen verursachte, wo er nicht hingehörte. Die Erinnerung daran, wie sie beide o-beinig nach Hause gegangen waren, ließ sie laut auflachen.

Bess lachte auch noch, als Nicks Mund sich auf ihren Hals legte. Seine Hände glitten fiebrig über ihren Körper. Sie rieben sich aneinander, rollten durch den nassen Sand. Er nahm ihr Lachen auf, warf den Kopf zurück. Im matten Licht der Sterne sah er noch genauso aus wie damals.

Seine Hände berührten sie wieder sanft zwischen den Beinen, aber das reichte schon. Bess spannte sich an, ihre Finger gruben sich in die glatten Muskeln seines Rückens. Sie hielt den Schrei zurück, während der Höhepunkt durch ihren Körper brandete. Nick stöhnte kehlig auf, stieß mit seinen Hüften gegen ihre. Hitze breitete sich auf ihrem Bauch aus, und kurz wurde der Geruch nach Meer intensiver.

Dann legte Nick sein Gesicht an ihre Schulter und hielt sie fest umschlungen. Das Wasser kitzelte an ihren Füßen, stieg aber nicht mehr höher. Sein nackter, warmer Körper bedeckte sie.

Das Meer hatte ihn zu ihr gebracht. Eine Tatsache, die Bess ohne Fragen akzeptierte. Ohne Zögern. Nichts hiervon würde im Tageslicht noch real sein. Es wäre schon in dem Moment nicht mehr wirklich, in dem sie aus dem Wasser steigen und in ihr Bett taumeln würde. Nichts hiervon war Wirklichkeit, aber alles geschah, und sie stellte es nicht infrage aus Angst, dass es dann verschwinden würde.

2. KAPITEL

Damals

„Bist du sicher, dass du keinen Zug willst?“ Missy wedelte mit dem Joint in Bess’ Richtung, sodass eine Wolke wohlriechenden Rauchs ihre Nase kitzelte. „Komm schon, Bessie. Es ist eine Party.“

„Bessie ist ein Name für eine Kuh.“ Bess zeigte dem anderen Mädchen den Mittelfinger und öffnete eine Dose Cola. „Und nein, ich brauche dein Gras nicht, danke.“

„Wie du willst.“ Missy nahm einen tiefen Zug und hustete, womit sie die so mühsam erarbeitete Illusion der erfahrenen Drogenkönigin auf einen Schlag zerstörte. „Das ist verdammt gutes Shit!“

Bess verdrehte die Augen und schielte zu der Schüssel mit Kartoffelchips, die auf Missys Wohnzimmertisch stand. „Wie lange stehen die schon da?“

Sie hustete noch einmal. „Ich habe die Tüte gerade erst geöffnet. Kurz bevor du gekommen bist.“

Bess zog die Schüssel zu sich heran und inspizierte sie sorgfältig. Missys Trailer war immer schmuddelig. Als sie weder Käfer noch Müll in der Schüssel entdeckte, riskierte es Bess und nahm sich eine Handvoll Chips. Sie war kurz vorm Verhungern.

„Oh Gott, was würde ich jetzt für eine Pizza geben.“ Missy ließ sich in ihren ramponierten Sessel fallen und baumelte mit den Beinen über der Lehne. Ihre Fußsohlen waren schwarz vor Schmutz. Ihr Rock hatte sich nach oben geschoben und gab den Blick auf ein Stück pinkfarbene Spitze frei. „Lass uns eine Pizza holen.“

„Ich habe noch genau zwei Dollar bis zum nächsten Zahltag.“ Bess kaute auf den Chips und schluckte sie mit der Billigcola hinunter, die bereits abgestanden schmeckte.

Missy winkte träge ab. „Dann ruf ich einfach ein paar Jungs an und bring sie dazu, uns Pizza zu holen.“

Bevor Bess protestieren konnte, hatte Missy sich grinsend aufgesetzt und warf sich das blond gefärbte Haar über die Schulter. Die Bewegung führte dazu, dass eine ihrer Brüste aus dem Tanktop hüpfte. Missy war gebaut wie ein Scheißhaus, wie sie gerne von sich sagte, und schämte sich nicht, das auch zu zeigen.

„Komm schon“, sagte sie, als ob Bess ihr widersprochen hätte, obwohl die ihren Mund immer noch fest geschlossen hielt. „Es wird eine Party. Jeder hat Lust auf eine Party, oder? Na ja, außer dir.“

„Ich mag Partys.“ Bess lehnte sich gegen die Lehne der Couch zurück, die Missy von der Heilsarmee geklaut hatte. „Aber ich muss morgen arbeiten.“

„Das muss ich auch. Na und? Lass uns eine verdammte Party feiern, okay?“ Missy sprang aus dem Sessel und legte ihren Joint in dem überquellenden Aschenbecher ab. „Das wird lustig. Du brauchst ein wenig Spaß in deinem Leben, Bess.“

„Ich habe Spaß!“

Missy verdrehte die Augen. „Ich weiß, was für eine Art Spaß du hast. Ich rede aber von echtem Spaß, der ein wenig Farbe in die Backen bringt. Und damit meine ich nicht die in deinem Gesicht.“

„Wie charmant.“ Bess lachte, auch wenn Missys Einschätzung nicht sonderlich schmeichelhaft war. Wie könnte sie ihr auch böse sein? Missy hatte eine Art an sich, dass Bess sie nie zu ernst nehmen konnte. „Also rufst du ein paar Jungs an und sagst ihnen, sie sollen Pizza vorbeibringen, und die tun das dann?“

Missy lüftete den Saum ihres superkurzen Röckchens und ließ ihren pinkfarbenen Slip aufblitzen. „Natürlich tun sie das.“

„Ich werde nicht für eine Pizza mit irgendeinem Typen vögeln, egal, wie viel Hunger ich habe.“ Bess legte ihre Füße auf den Wohnzimmertisch, ohne ihre Flip-Flops auszuziehen. Zu Hause hätte sie das niemals getan, nicht einmal mit bloßen Füßen. Aber Missy schien es nichts auszumachen.

„Was interessiert es mich, mit wem du vögelst?“ Sie wählte bereits eine Nummer auf dem Telefon, während sie gleichzeitig im Kühlschrank nach einem Bier suchte. „Ich meine, hast du überhaupt schon mal … Baby! Hi!“

Bess hörte fasziniert zu, wie Missy sich ihren Weg zu einer kostenlosen Pizza erschlich. Nach ein paar Anrufen legte sie mit einem triumphierenden Lächeln den Hörer auf.

„Erledigt. Ryan und Nick werden in einer halben Stunde mit unserer Pizza hier sein. Und Seth und Brad hab ich gesagt, dass sie Bier mitbringen sollen. Heather und Kelly kommen auch. Du kennst die beiden doch, oder?“

Bess nickte. Sie kannte Ryan und hatte die anderen Mädchen ein paar Mal getroffen. Sie kellnerten zusammen mit Missy im Fishnet. Den anderen Jungs war sie noch nie begegnet, aber das war auch nicht schlimm. So wie sie Missy kannte, waren es entweder Verbindungsstudenten, die sich mal unter das gemeine Volk mischen wollten, oder Städter mit blondierten Haaren und einem rund ums Jahr gepflegten Teint. „Ja, kenn ich.“

„Kling nur nicht so begeistert. Nicht jeder kann in einem Haus am Strand leben, alte Zicke.“

Missys „Zicke“ war nicht als Beleidigung gedacht, und Bess fasste sie auch nicht als solche auf. „Ich hab doch gar nichts gesagt.“

„Oh, das musst du auch nicht. Dein Gesicht sagt mehr als tausend Worte.“ Missy demonstrierte es, indem sie die Nase kraus zog und ihre Lippen zu einem dünnen Strich zusammenpresste.

„So sehe ich nicht aus.“ Bess lachte, um zu verbergen, wie peinlich berührt sie davon war, dass Missy sie so gut getroffen hatte.

„Klar, wie du meinst.“ Missy winkte ab und nahm sich wieder ihren Joint, an dem sie gierig saugte, um dann noch ein wenig mehr zu husten. „Armes reiches Mädchen. Können deine Grandma und dein Grandpa dir nicht ein wenig Asche rüberschieben?“

Bess trank ihre Cola aus und ging hinüber zum Müll, um die Dose wegzuwerfen. Auch wenn es Missy wohl kaum aufgefallen wäre, wenn sie sie einfach auf den Boden im Wohnzimmer hätte fallen lassen. „Sie lassen mich den Sommer über mietfrei in dem Haus wohnen. Mehr kann ich wohl kaum von ihnen verlangen.“

„Doch, ein Taschengeld.“ Missy ging immer noch ihren Joint paffend an die Kommode im Flur vor ihrem Schlafzimmer und zog einen Make-up-Beutel aus der obersten Schublade. Sie schüttete mehr Tuben, Tiegel und Pinsel aus, als Bess jemals auf einem Haufen gesehen hatte. Missy hatte bereits ein komplettes Make-up aufgelegt, aber offensichtlich war ihr „Zuhause“-Gesicht nicht präsentabel genug für andere Gäste außer Bess.

„Ich bin zwanzig Jahre alt. Das Alter, in dem man Taschengeld bekommt, habe ich schon lange hinter mir.“ Bess wies nicht extra daraufhin, dass sie, obwohl ihr wöchentlicher Scheck weniger war als das, was Missy mit Trinkgeldern verdiente, davon jeden Monat etwas fürs College zur Seite legte, während Missy einfach … lebte.

Missy malte sich ein neues Paar Augenbrauen und drehte ihr Gesicht vor dem Spiegel hin und her, um sich von allen Seiten zu betrachten. „Ich werde mir die Haare schwarz färben.“

„Was?“ Bess war Missys Gedankensprünge inzwischen zwar gewohnt, aber der hier war selbst für ihre Verhältnisse weit aus der Spur. „Warum?“

Missy zuckte die Schultern, dann zupfte sie ihr Tanktop zurecht, um mehr Dekolleté zu zeigen. Sie legte etwas mehr Lidschatten auf und sprach durch gespitzte Lippen, als sie ihren Lippenstift nachzog. „Einfach so. Komm, Bess, hast du noch nie etwas verändern wollen?“

„Nicht wirklich.“

Missy drehte sich um und schaute Bess direkt ins Gesicht. „Niemals?“

Bess biss sich auf die Innenseite ihrer Wange, bevor sie sich daran erinnerte, dass das eine schlechte Angewohnheit war und sofort aufhörte. „Inwiefern verändern?“

Missy schlenderte nah genug an sie heran, um an Bess’ Blusenkragen zu zupfen. „Wenn du willst, könnte ich dir etwas zum Anziehen leihen, bevor die Jungs kommen.“

Bess schaute auf ihren khakifarbenen Rock, die nackten Beine und die Flip-Flops, bevor sie Missys Jeansminirock und das winzige Oberteil betrachtete. „Was stimmt denn nicht mit dem, was ich anhabe?“

Missy zuckte die Schultern und widmete sich wieder ihrem Make-up. „Oh, nein, damit ist alles okay … nehme ich an.“

Mädchen haben eine Sprache, in der die Wörter nichts mit ihrer Bedeutung zu tun haben. Bess errötete und schaute sich noch einmal ihre Klamotten an. Sie berührte ihr Haar, das am Hinterkopf von einer Spange zusammengehalten wurde. Sie hatte nach der Arbeit geduscht und etwas Puder und Gloss aufgelegt, aber mehr auch nicht. Sie hatte angenommen, dass sie zusammen fernsehen würden oder so, und keine Party feiern.

„Ich denke, ich sehe ganz okay aus.“ Sie klang verteidigend. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht plane, mich flachlegen zu lassen.“

„Natürlich nicht.“ Missy klang so gönnerhaft und mitleidig, dass Bess explodierte.

„Was soll das nun schon wieder heißen?“ Mit zwei langen Schritten war sie beim Spiegel und schob Missy beiseite, um ihr eigenes Spiegelbild zu betrachten. Dann wandte sie sich wieder an ihre Freundin. „Und überhaupt, wer mich nicht so mag, wie ich bin, kann sich gleich … gehackt legen.“

Missys nachgemalte Augenbrauen hoben sich bei Bess’ Ausbruch. „Beruhig dich mal wieder, Süße. Meine Güte. Dann lässt du dich halt nicht flachlegen. Spar dich ruhig für deinen langweiligen Freund zu Hause auf.“

„Ich spare mich für niemanden auf“, erwiderte Bess. „Nur weil du das Konzept der Treue nicht verstehst, heißt das doch nicht, dass es auch niemand anderes tut. Und außerdem ist er nicht langweilig.“

Und eventuell war er auch nicht mehr ihr Freund.

Missy verdrehte die Augen. „Wie auch immer. Interessiert es mich?“

„Ich weiß nicht. Tut es das? Zumindest bringst du das Thema immer wieder auf.“ Bess stemmte die Hände in die Hüften.

Missy funkelte sie an. Bess starrte zurück. Nach einer Sekunde zuckte es allerdings um Missys Lippen. Und noch eine Sekunde später brachen die beiden in lautes Lachen aus.

„Du bist so eine Drama Queen.“ Missy schob Bess zur Seite, um ihr Make-up wegzupacken.

„Leck mich, Missy.“

„Ich wusste nicht, dass du in diese Richtung tendierst, Süße.“ Sie flatterte mit ihren dick getuschten Wimpern.

Wie immer fiel Bess darauf kein schlagfertiger Kommentar ein, und so machte sie sich daran, Ordnung in das Chaos in Missys Wohnzimmer zu bringen. Sie hatte es gerade mal geschafft, ein paar Zeitungen und Zeitschriften von der Couch und den Stühlen wegzuräumen, als sich auch schon die Tür öffnete und Heather mit Kelly im Schlepptau hereinschneite. Beide sahen bereits ziemlich angetrunken aus.

„Hey, Girl!“

„Sieh dich an, blöde Kuh! Was zum Teufel … wer hat dir die Haare gemacht?“

„Wo ist die verdammte Pizza?“

Bess beobachtete den Wortwechsel und fragte sich, wie es wohl wäre, ein Haus zu haben, in das die Leute ohne anzuklopfen hineinspazierten und sich auf die Möbel schmissen, als wenn es ihre wären. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie es hassen würde. Sie nickte, als Kelly ihr zuwinkte. Von Heather wurde sie wie üblich ignoriert. Heather mochte Bess nicht. Ein Gefühl, das auf Gegenseitigkeit beruhte, denn Bess wusste, dass Heather sie für eine eingebildete Prinzessin hielt.

In der nächsten Stunde trudelten noch viel mehr Menschen ein, als Missy eingeladen hatte, aber die Nachricht von einer Party verbreitete sich immer schnell. Der kleine Trailer war schon bald mit einer Mischung aus Rauch, Körperwärme und Musik erfüllt. Mit knurrendem Magen hoffte Bess, dass endlich jemand mit der versprochenen Pizza kommen würde. Tüten mit Chips und Brezeln sowie eine Kiste Starkbier und Flaschen mit allem nur erdenklichen Alkohol tauchten wie aus dem Nichts auf. Zumindest brachten Missys Freunde genug mit, um es mit den anderen zu teilen.

Bess war nicht die einzige Minderjährige, aber sie war vermutlich die Einzige, die nicht trank. Aber niemand kümmerte sich darum, dachten doch alle, solange sie ein Glas in der Hand hielt würde sie sich genauso betrinken wie alle anderen hier. Missy hätte es gewusst, aber sie war so damit beschäftigt, von Schoß zu Schoß zu wandern, dass sie Bess nicht weiter beachtete.

Ein Jubelruf erhob sich, als endlich die Pizza kam. Bess hatte Ryan schon vorher kennengelernt. Er poppte ab und zu mit Missy, wenn sie beide betrunken oder stoned waren oder sich langweilten. Hoch über seinem Kopf hielt er die Pizzakartons und rief jedem, an dem er vorbeikam, zu: „Zwei Dollar, zwei Dollar.“

Zwei Dollar. Das war alles, was sie in ihrer Tasche hatte. Zwei Dollar, für die sie sich ihr eigenes Stück Pizza und ein Getränk hätte kaufen können. Aber auf der Party würde sie so viel essen können, wie sie wollte oder sich schnappen konnte, bevor alles aufgegessen war. Ryan wusste offensichtlich, was er tat, denn er hatte vier Pizzen gekauft. Der Junge hinter ihm, dessen Gesicht im Schatten des Schirms seiner Baseballkappe lag, trug weitere drei.

„Bess.“ Ryan zwinkerte ihr zu, als sie die leeren Dosen und fettigen Pappteller von vorangegangenen Pizzaschlachten zur Seite räumte, um Platz für die Kartons zu schaffen. „Wie geht’s dir, Baby?“

„Gut.“ Sie wischte sich die Hände ab. Der Tisch war klebrig, aber es lohnte sich nicht, ihn sauber zu machen. Sie drehte sich in Missys winziger Küche um und nahm sich ein paar Pappteller, die sie auf den Tisch stellte. Gierige Hände griffen bereits nach den Pizzastücken. Ebenso wie sie.

„Das ist mein Freund Nick.“ Ryan zeigte mit dem Daumen über seine Schulter zu seinem Freund, der gerade seine Pizzakartons abstellte.

Ganz konzentriert darauf, die dampfenden Stücke auf ihren Teller zu schieben, warf Bess nur einen kurzen Blick in seine Richtung. Ihr Blutzucker war vor Hunger so weit gefallen, dass ihr Magen sich anfühlte wie mit Brennnesseln gefüllt. Auch wenn vor Ende der Nacht sicherlich einige hier ins Koma fallen würden, wollte sie nicht die Erste sein. Als sie aufschaute, war Nick weg, verschluckt von der Masse zuckender, tanzender Körper.

Ryan lehnte sich über sie und nahm sich eine Serviette von der Arbeitsplatte hinter ihr. Sein Atem strich über ihre Wange und ihren Hals. Eingeklemmt zwischen Tisch und Arbeitsfläche errötete Bess unter dieser Intimität, vor allem als Ryan grinste und ihr zuzwinkerte. Er ließ seinen Blick auf das Vorderteil ihrer Bluse fallen, bevor er ihr wieder ins Gesicht schaute.

„Nette Party“, sagte er. Dann drehte er sich um und füllte seinen Teller mit Pizza.

Es war nicht das erste Mal, dass Ryan mit ihr flirtete, und es machte Bess auch nichts aus. Was für ein Arrangement Missy und er auch immer hatten, es schien für keinen von beiden exklusiv zu sein. Ryan war süß und wusste es auch. Er ließ sie sich nicht wie etwas Besonderes fühlen. Er brachte sie nur ein wenig aus dem Gleichgewicht. Es war so lange her, dass sie auf männliches Interesse geachtet hatte. Sie wusste gar nicht mehr, wie man darauf reagierte.

„Was trinkst du da?“ Die Stimme gehörte einem Jungen, den Bess schon öfter gesehen hatte, dessen Namen sie aber nicht kannte. Er hielt eine Flasche Tequila hoch. „Margarita?“

Bess schaute sich nach einem Mixer um, sah aber keinen. „Äh, … nein, danke.“

„Okay.“ Der Typ zuckte mit den Schultern und wandte sich an das neben ihm stehende Mädchen, die ihn schon mit geöffnetem Mund erwartete. Er nahm eine Flasche Tequila und eine Flasche Margarita Mix und schüttete beides gleichzeitig in ihren Mund. Als die Flüssigkeit anfing überzulaufen, hörte er auf. Das Mädchen schluckte und keuchte, hustete, wedelte mit den Händen, und beide lachten.

Bess versuchte krampfhaft, nicht das Gesicht zu ziehen, das Missy vorhin nachgemacht hatte, aber … igitt. Das war eklig. Ganz zu schweigen davon, dass es ein guter Weg war, um im Krankenhaus zu enden. Sie schirmte ihre Pizza mit ihrem Körper ab und schlängelte sich durch die Menge, doch im Wohnzimmer gab es keinen Sitzplatz mehr. Also lehnte sie sich in einer Ecke gegen die Wand. Einige hatten bereits angefangen, Quarter zu spielen. Ein Spiel, bei dem man versuchen musste, eine Vierteldollarmünze in ein Glas zu schnippen. Wem es gelang, der konnte einen der Mitspieler bestimmen, ein volles Glas Alkohol in einem Zug zu leeren. In einer anderen Ecke hatte jemand einen Bierbong aufgebaut. Bess konzentrierte sich auf ihr Essen.

Das Problem war, nachdem sie aufgegessen hatte, war sie wieder durstig, was bedeutete, dass sie sich durch die Menge zurück in die Küche drängen musste. Auf dem Weg dahin musste sie kurz anhalten und mit Brian tanzen, der mit ihr im Sugarland arbeitete. Er hatte ihr Handgelenk gepackt und wollte sie, ohne ein wenig die Hüften aneinander gerieben zu haben, nicht vorbeilassen. Brian stand auf Jungs, aber er erinnerte Bess gerne daran, dass es für ein wenig Reibung keines bestimmten Geschlechts bedurfte.

„Du siehst hübsch aus heute Nacht“, brüllte er über den lauten Bass von „Rump Shaker“. „Zooma zoom, Baby.“

Bess verdrehte die Augen, als er ihren Hintern umfasste und sich an ihr rieb. „Danke, Brian. Du stehst auf Jungs, erinnerst du dich?“

„Honey“, flüsterte er und leckte einmal über ihr Ohr, sodass sie sich kichernd in seinem Griff wand. „Das macht das Kompliment nur umso wertvoller.“

Dem konnte sie schwerlich widersprechen, also ließ sie es zu, dass er sie ein wenig betatschte, während sie miteinander tanzten.

„Also, auf wen hast du ein Auge geworfen“, rief sie ihm ins Ohr.

„Oh, Jungs, Jungs, Jungs“, sagte Brian mit einem leichten Schütteln seiner gesträhnten Stirnlocke. „Überall Jungs, aber traurigerweise sind die meisten von ihnen hetero. Wie steht’s mit dir? Immer noch deinem Prince Charming treu?“

Bess verkniff es sich, über Brians Beurteilung ihres Liebeslebens eine Grimasse zu ziehen. Er musste von ihren Problemen mit Andy nichts erfahren, denn entweder würde er sie dann bedauern, was sie nicht wollte, oder ihr Ratschläge geben, was sie nicht brauchte.

„Raus damit!“, orderte Brian an und wirbelte sie herum. „Ist Mr. Right mit einem Mal Mr. Wrong?“

Wenn sie es geschafft hätte, in den letzten Wochen mehr als nur ein Mal Kontakt mit Andy aufzunehmen, wüsste sie es vielleicht. Aber so schüttelte Bess ihren Kopf und wand sich langsam aus Brians Griff. „Das habe ich nicht gesagt.“

„Das musstest du auch nicht“, brüllte er ihr ins Ohr, sodass sie zusammenzuckte. „Was hat der Bastard angestellt?“

„Nichts!“ Bess entzog ihm ihre Hand.

Doch Brian gab nicht so leicht auf. „Ich glaube dir nicht!“

„Ich geh mir was zu trinken holen.“

„Du musst morgen arbeiten!“ Er tat, als ob er schockiert wäre, aber sein Grinsen verriet ihn.

Bess lachte und schüttelte den Kopf. „Du auch. Bis später, Brian.“

Bevor er protestieren konnte, gab sie ihm einen schnellen Kuss auf die Wange und befreite sich aus seinen krakenartigen Fängen, damit sie ihre Suche nach etwas zu trinken wieder aufnehmen konnte. Sie schob sich durch die Menge in Richtung Küche. Sie wollte mit Brian nicht über Andy reden. Oder mit Missy. Sie wollte überhaupt nicht über Andy sprechen oder nachdenken, denn wenn sie das täte, müsste sie sehr wahrscheinlich zugeben, dass die Dinge nicht mehr so rosig aussahen, wie sie vorgab.

Die Coladosen aus dem Kühlschrank waren alle verschwunden, und sie hatte nicht vor, den geöffneten Zweiliterflaschen zu trauen, die überall auf der Theke und dem Tisch standen. Die Pizzen waren komplett aufgegessen worden, und nur ein paar einsame Käsefäden und Tomatenflecke auf den Pappkartons zeugten davon, dass es sie überhaupt gegeben hatte. Bess sammelte die leeren Kartons ein und schob sie unter den Tisch. Dann suchte sie nach einem Plastikbecher, der nicht aussah, als wäre er schon benutzt worden. Sie goss ihn mit Leitungswasser voll und warf die letzten verbliebenen Eiswürfeln hinein, dann füllte sie die Eiswürfelbehälter auf und stellte sie zurück ins Gefrierfach.

„Ohne dich wäre es einfach keine richtige Party, Mommy.“ Missy warf sich von hinten über Bess’ Schulter und küsste sie lautstark auf die Wange. „So. Jetzt kannst du wenigstens sagen, dass du heute Nacht auch ein wenig Action hattest.“

„Zu spät. Brian war schon vor dir dran.“ Bess wischte sich Missys Kuss ab und schaute hinüber ins Wohnzimmer. Es würde sie nicht wundern, wenn die Meute es schaffte, den Trailer von seinen Standblöcken zu holen. Oder ihn durch spontane Selbstentzündung in Schutt und Asche zu legen.

Missy nuschelte irgendetwas vor sich hin, aber Bess hörte ihr nicht zu. Auf der anderen Seite des Zimmers, an der Wand direkt neben dem Flur, stand ein Junge. Sie erkannte das zerschlissene T-Shirt sofort. Ryans Freund. Er hatte seine Baseballkappe abgenommen.

Er tat nichts Besonderes, hob nur eine Flasche Bier an seine Lippen, aber er wandte seinen Kopf genau in dem Moment in ihre Richtung, als sie ihn anschaute. Ihre Blicke trafen sich – zumindest hatte Bess das Gefühl, auch wenn es unmöglich zu sagen war, ob er wirklich sie anschaute.

Dieser Augenblick prägte sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis ein. Der Geruch von Gras und Bier, der Duft von Pizza in der Luft, die Wärme von Missys Hand auf ihrem Arm. Der kalte Guss an ihrer Wade, als jemand in diesem Moment seinen Drink verschüttete.

Der erste Augenblick, in dem sie ihn wirklich sah.

„Missy. Wer ist das?“

Missy, die gerade damit beschäftigt war, sich über den Jungen lustig zu machen, dem sein Becher aus der Hand gerutscht war, schaute erst gar nicht auf. In der halben Minute, die sie brauchte, um zu antworten, hatte Bess sich bereits quer durch den Raum gehen und ihm das Bier aus der Hand nehmen sehen, um die Flasche an ihre Lippen zu setzen. Um ihn an ihre Lippen zu setzen.

„Wer?“

Bess zeigte mit dem Finger auf ihn; ihr war es egal, ob er es sah.

„Oh, das ist Nick the Prick. Mann, du Idiot! Wisch den Kram gefälligst auf.“ Von den grabbelnden Fingern ihres Gastes nicht länger amüsiert, schlug Missy ihm auf den Arm. „Das hier ist keine verfickte Bar, verstanden?“

Bess ignorierte sie beide und trat nur einen Schritt zur Seite, damit der Junge Platz hatte, um den Boden zu wischen. Nick schaute nicht länger zu ihr herüber, worüber sie froh war, denn so konnte sie ihn so lange anstarren, wie sie wollte. Sie prägte sich sein Profil in allen Einzelheiten ein. Aus der Entfernung musste sie sich die Länge seiner Wimpern und die Tiefe seines Grübchens im Kinn vorstellen. Die Art, wie er roch …

„Bess!“ Missy schüttelte sie am Arm.

„Hat er eine Freundin?“

Missy starrte sie mit offenem Mund an. Dann schaute sie zu Nick und wieder zurück zu Bess. „Willst du mich verarschen. Nick?“

Bess nickte. Sie hatte ihr Eiswasser total vergessen und nahm nun den Becher in die Hand, um ihre plötzlich trocken gewordene Kehle zu befeuchten. Sie wird sagen, dass er eine Freundin hat, dachte sie. Sie wird mir sagen, dass er in ein Mädchen verliebt ist, die große Titten und längere Haare hat. Oder noch schlimmer, sie wird mir sagen, dass sie mit ihm gefickt hat. Missy hat ihn gevögelt …

Missy blies sich den Pony aus der Stirn und schüttelte den Kopf. „Warum willst du das wissen?“

Bess gab dem Gras und dem Alkohol die Schuld an dieser blöden Frage und warf Missy einen Blick zu, den diese kaum missverstehen konnte. Sie schnappte nach Luft und lachte dann. „Nick? Du hast einen Freund, falls du dich daran erinnern möchtest, Süße.“

Bess hatte es nicht vergessen. Wobei im Moment ja nicht ganz klar war, ob sie noch einen Freund hatte oder nicht. Sie schaute Missy an. „Wenn ich keinen Freund hätte, würde ich mich an ihn ranschmeißen wie Butter an einen Maiskolben.“

Missy lachte schallend auf und schlug sich auf den Oberschenkel. „Ist das dein Ernst?“

Noch nie in ihrem Leben war es Bess mit einer Sache ernster gewesen. „Hat er?“

„Eine Freundin?“ In Missys dick ummalte Augen schlich sich ein berechnender Ausdruck. Sie schaute über Bess’ Schulter, vermutlich, um das Objekt ihres Gesprächs noch einmal in Augenschein zu nehmen. „Nein. Er steht auf Jungs.“

„Was? Nein!“ Bess ballte die Hände zu Fäusten und wandte sich um. Nicks Kopf wippte im Takt der Musik, dann setzte er das Bier wieder an die Lippen.

„Er ist schwul?“

„Sorry“, sagte Missy.

Bess biss die Zähne zusammen, verschränkte die Arme und steckte die Fäuste unter die Achseln. „Verdammt.“

Missys Augenbrauen rutschten bis zum Haaransatz. „Dummkopf.“

„Ich bin kein Dummkopf“, gab Bess zurück. Sie war so enttäuscht, dass sie nicht mehr gerade denken konnte.

Missy tätschelte ihren Arm. „Nimm dir einen Drink. Dann ist es gleich schon nicht mehr so schlimm.“

„Es ist nicht schlimm.“ Bess schüttelte den Kopf und nahm einen großen Schluck Wasser. „Vergiss einfach, dass ich überhaupt was gesagt habe.“

Missy zuckte die Achseln. „Nimm dir trotzdem ’nen Drink.“

Bess trank ihren letzten Schluck Wasser und warf den leeren Becher dann in die Spüle. „Ich muss jetzt nach Hause.“

Ihr Kopf hatte plötzlich angefangen zu schmerzen, und ihr Magen auch. Alles wegen eines dummen Typen, mit dem sie noch nicht ein einziges Wort gewechselt hatte. Sie war dumm. Bess schob ihre Enttäuschung beiseite; sie war wütend auf sich. Wütend auf Missy.

„Och, geh noch nicht.“ Missy schnappte sich Bess’ Hand. „Die Party fängt doch gerade erst richtig an.“

„Wirklich, Missy, ich muss los. Es ist schon spät.“

Das stimmte zwar nicht, und außerdem war sie morgen für die Spätschicht eingeteilt, aber plötzlich wollte Bess nicht mehr zuschauen, wie alle anderen sich betranken und rauchten und miteinander rummachten. Sie wollte nicht zusehen, wie alle jemanden aufgabelten und Spaß hatten. Schlimmer noch, während sie mit Missy gesprochen hatte, war Nick verschwunden.

„Ruf mich morgen an!“, rief Missy ihr hinterher, aber Bess antwortete nicht.

Sie rannte förmlich aus dem Trailer in die willkommene Frische der kühlen Juninacht. Kaum jemand der Partygäste hatte sich nach draußen verirrt. Ein schemenhaft zu erkennendes Pärchen lehnte küssend an der Wand, suchende Hände strichen über Stoff, und ihr Atem ging laut genug, dass Bess ihn hören konnte. Ein stöhnendes Mädchen beugte sich über einen Busch, während ihre Freundin ihr die Haare zurückhielt und sie drängte, „alles rauszulassen“. Bess griff nach dem wackligen Metallgeländer, stolperte aber auf der letzten Stufe und verdrehte sich den Knöchel so sehr, dass sie fluchte.

„Alles okay?“

Sie schaute auf und sah eine glühende Zigarettenspitze. „Ja. Ich bin nur gestolpert. Ich bin aber nicht betrunken“, fügte sie hinzu, verärgert, dass sie überhaupt das Gefühl hatte, sich erklären zu müssen.

„Dann bist du eine der wenigen.“

Es war viel zu zufällig, viel zu sehr Schicksal, aber sogar bevor er aus dem Schatten in das Licht der Straßenlampe trat, wusste Bess, dass es Nick war. Er zog noch einmal an seiner Zigarette und schnippte die Kippe dann auf den Boden, wo er sie mit der Spitze seines Stiefels austrat. Sie beide drehten sich bei dem Geräusch von auf die Erde spritzendem Erbrochenen und tiefem Stöhnen um, und Nick zog eine Grimasse. Er nahm Bess beim Ellenbogen und führte sie so leicht um die Ecke des Trailers in Richtung Straße, dass sie keine Zeit hatte, dagegen zu protestieren.

Leider ließ er sie auch los, bevor sie wiederum dagegen protestieren konnte. „Einige Leute sollten einfach keinen Alkohol trinken.“

Bess zitterte ein wenig. Das Licht war hier heller, und es gab seinem Gesicht einen silbernen Schimmer mit rotblauen Highlights. Er sieht aus wie Robert Downey jr. in Unter Null, dachte sie ein wenig zusammenhanglos. Allerdings die nicht-nervöse Version von ihm.

Nick lächelte. „Hi. Du bist Bess.“

„Ja.“ Ihre Stimme klang rau. Ihre Gedanken schienen undeutlich. Hat mir doch jemand etwas in mein Wasser geschüttet?, fragte sie sich, als ein erneuter Schwindel sie überfiel. Oder ist es Nicks Lächeln? „Du bist Nick. Ryans Freund.“

„Ja.“

Schweigen.

„Ich bin auf dem Weg nach Hause“, sagte Bess. Schwul. Warum musste er schwul sein? Wie konnte er schwul sein? Warum war jeder süße Junge hier in der Gegend schwul? „Ich bin mit dem Bike hier.“

„Das ist heiß“, sagte Nick wieder grinsend. „Was für eins hast du? Eine Harley?“

Normalerweise war sie nicht so langsam, aber irgendwie hatten Lust und Enttäuschung Sirup aus ihrem Gehirn gemacht. „Was? Oh … nein. Zehngangschaltung.“

Er lachte. Bess bemerkte, wie sich sein Adamsapfel dabei bewegte. Sie wollte mit ihrer Zunge darüber lecken und war tatsächlich sogar einen klitzekleinen Schritt vorwärts gerutscht, bevor sie sich verlegen zusammenriss. Nick schien es nicht bemerkt zu haben.

„Wo wohnst du?“

Sie zögerte, bevor sie antwortete. Sie wollte nicht zugeben, dass sie in einem der Häuser in der ersten Reihe am Strand wohnte.

„Keine Angst, ich bin kein Serienmörder“, sagte Nick. „Du musst es mir aber auch nicht sagen.“

Jetzt fühlte sie sich wirklich dumm. „Oh, nein, das ist es nicht. Ich wohne im Haus meiner Großeltern in der Maplewood Street.“

Da war eine kaum wahrnehmbare Pause, bevor er sagte: „Aha.“

Er betrachtete sie eindringlich von Kopf bis Fuß, und Bess wünschte sich plötzlich, Missys Angebot, ihr ein paar Klamotten zu leihen, angenommen zu haben. Dazu ein wenig Make-up … Andererseits, was machte das schon für einen Unterschied, wenn er sowieso nicht auf Mädchen stand?

„Nett, dich kennenzulernen“, sagte sie. Das klang sogar in ihren Ohren lahm. So etwas sagte man auf Cocktailpartys, nicht auf einer spontanen Fete im Trailerpark.

„Du arbeitest im Sugarland, oder? Ich hab dich da mal gesehen.“ Nick steckte die Hände in die vorderen Taschen seiner verschlissenen Jeans.

„Ja.“ Bess schaute sich nach ihrem Fahrrad um, das immer noch an Missys Trailer angeschlossen war.

„Mit Brian, richtig?“

Bess seufzte innerlich. Natürlich kannte er Brian. „Ja.“

„Ich arbeite bei SurfPro.“ Nick begleitete sie zu ihrem Fahrrad und sah zu, wie sie das Schloss löste und um die Lenkerstange wickelte.

Das SurfPro war einer der wenigen Läden, in denen Bess noch nie gewesen war. Die Badeanzüge dort waren zu teuer, und außerdem surfte sie nicht. Und Segeln zählte auch nicht zu ihren Hobbys. Sie schob den Fahrradständer mit dem Fuß hoch, umfasste den Lenker und schwang ihr Bein über den Sattel.

„Bist du sicher, dass es dir gut geht?“, fragte Nick. „Dein Knöchel ist in Ordnung und alles? Du kannst … fahren?“

„Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich nicht betrunken bin“, antwortete sie ein bisschen schärfer, als sie beabsichtigt hatte. Aber nun war es zu spät. Sie war müde. Und sie versuchte mit aller Macht nicht darauf zu achten, wie hübsch sein Mund aussah, wenn er lächelte.

„Okay, na dann, vielleicht sieht man sich ja mal.“ Er nickte ihr zu und winkte, als sie das Fahrrad anschob und dann davon fuhr.

„Wir sehen uns“, rief Bess ihm über die Schulter zu, ohne dass sie vorhatte, jemals wieder einen Blick auf ihn zu werfen.

3. KAPITEL

Jetzt

„Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen.“

Beim Klang der Stimme an der Tür rutschte Bess der Kaffeebecher, den sie gerade abspülte, aus den seifigen Fingern und zerbarst auf dem Küchenboden. Heißes Wasser spritzte an ihren Beinen hoch, als sie sich umdrehte und sich haltsuchend an die Arbeitsplatte klammerte.

Er stand da, für einen kleinen Augenblick etwas zurückgelehnt, bevor er sich vorwärtsbewegte. Die gleichen dunklen Haare, die gleichen dunklen Augen. Das gleiche leicht schiefe Lächeln.

Alles das Gleiche.

Bess konnte sich nicht bewegen. Letzte Nacht hatte sie geträumt … Oh, aber es war kein Traum gewesen. Oder doch? Wenn nicht, dann träumte sie aber mit Sicherheit jetzt. Sie krallte die Finger um das Porzellan der Spüle, ohne festen Halt zu finden. Nichts, um sich dran festzuhalten.

„Nick?“

Jetzt sah er verunsichert aus. Sein Haar tropfte, genau wie die Säume seiner Jeans. Seine nackten Zehen waren ganz sandig und drückten sich gegen die Fliesen, während er einen Schritt auf sie zumachte, dann jedoch seine ausgestreckte Hand schnell zurückzog, als sie sich gegen die Arbeitsplatte presste. „Bess … ich bin’s.“

Ihr Magen drehte sich um die eigene Achse, und sie hatte Schwierigkeiten zu atmen. Sie sog die Luft in ungleichmäßigen, schluckaufähnlichen Zügen ein. „Ich dachte … Ich dachte …“

„Hey“, beruhigte er sie im Näherkommen.

Sie konnte ihn riechen. Salz und Wasser und Sand und Sonne. So wie er damals immer gerochen hatte. Jetzt bekam Bess etwas mehr Luft. Nahm einen tiefen Atemzug. Nick berührte sie nicht, während sie ihn anstarrte. Seine Hände schwebten einen Zentimeter über ihren Schultern.

„Ich bin es wirklich“, sagte er.

Ein tiefer Schluchzer entrang sich ihrer Kehle, und sie warf sich nach vorne. Sie schlang ihre Arme um seine Taille und drückte ihr Gesicht in den feuchten Stoff seines T-Shirts. Sie atmete ihn ein, tief und tiefer.

Er brauchte eine Sekunde, um seine Arme um sie zu legen, aber als er es tat, war seine Umarmung fest. Warm. Er rieb ihren Rücken, dann fuhr er mit einer Hand an ihrer Wirbelsäule hoch und umfasste ihren Hinterkopf.

Mit geschlossenen Augen erzitterte Bess. „Ich dachte, ich hätte letzte Nacht geträumt.“

Sie erinnerte sich daran, den Strand hochgestolpert zu sein, sich aus ihren Klamotten geschält zu haben und ins Bett gefallen zu sein, ohne sich darum zu kümmern, ihre Haare zu trocknen oder den Sand von der Haut zu waschen. Sie war aufgewacht und hatte einen Haufen salziger, feuchter Kleidung vorgefunden, die den Teppich durchnässte. Ihr Bett war ein einziges Chaos gewesen. Die Leidenschaft der letzten Nacht ersetzt von einem pochenden Kopf und einer leichten Übelkeit.

Nick massierte sie in einem kleinen, engen Kreis zwischen ihren Schulterblättern. „Wenn du geträumt hast, habe ich auch geträumt.“

Bess umklammerte ihn fester. „Vielleicht träumen wir beide, denn das hier kann nicht real sein, Nick. Es kann einfach nicht.“

Er umfasste ihre beiden Oberarme mit seinen Händen und schob sie ein wenig von sich, sodass er ihr ins Gesicht schauen konnte. Sie hatte vergessen, wie klein sie sich in seiner Gegenwart fühlen konnte. Wie unglaublich viel größer er immer gewesen war.

„Ich bin real.“

Seine Finger auf ihren Armen fühlten sich real an. Fest. Stark. Die Wange, die sie gegen sein Shirt gepresst hatte, war feucht. Hitze strahlte von ihm ab, als wenn sie vor einem Ofen stünde, und sein Geruch, der verlorene, so willkommene Duft, füllte ihren Kopf, bis für nichts anderes mehr Platz war. Tränen verschleierten ihren Blick, und sie blinzelte sie fort. Dann entzog sie sich seinen Armen.

Bess schaute ihn an. Das Salzwasser ließ seine Haare stachelig nach oben stehen, hatte aber aufgehört, über seine Wangen zu laufen. Auch seine Kleidung hatte angefangen zu trocknen. Er nahm so viel Platz ein wie immer. Seine Berührung war warm. Die Zeit hatte ihn nicht verändert, hatte keine Linien in seine Augen- oder Mundwinkel und keine silbernen Strähnen in sein Haar gemalt.

Bess berührte Nicks Wange. „Wie kann das sein? Sieh dich an. Sieh mich an.“

Er legte seine Hand über ihre, dann drehte er den Kopf, um einen Kuss in ihre Handfläche zu drücken. Er schloss ihre Finger darüber, aber sagte nichts.

Sein Lächeln zerriss sie.

„Oh nein“, sagte Bess. “Oh, nein. Nein.“

Sie zog ihre Hand aus seiner. Keiner von beiden rührte sich, aber trotzdem wuchs der Abstand zwischen ihnen mit großer Geschwindigkeit. Irgendetwas flackerte in Nicks Augen. Ein Gefühl, das sie nicht deuten konnte.

„Wie viele Menschen bekommen eine zweite Chance?“, fragte er. “Schieb mich nicht weg, Bess. Bitte.“

Er hatte sie nie um irgendetwas gebeten. Blinzelnd wandte Bess sich zur Spüle um. Sie hatte das Wasser laufen lassen und drehte nun den Hahn zu. Ohne das Geräusch des fließenden Wassers füllte nun das Rauschen des Meeres den Raum zwischen ihnen und brachte sie wieder zusammen.

„Wie?“, fragte sie.

„Ich weiß es nicht. Ist es nicht auch egal?“

„Das sollte es wohl.“

Er lächelte und entließ damit den vertrauten Schmetterlingsschwarm in ihrem Magen – und etwas weiter unten. „Aber ist es das auch? Ganz ehrlich?“

Als er sich zu ihr beugte, um sie zu küssen, vertrieb sein Geschmack jegliche Logik. Alle Argumente. Und auch das war so, wie es immer gewesen war.

„Nein“, sagte Bess und öffnete ihre Arme erneut für ihn.

Das Schlafzimmer, in das sie ihn führte, war nicht der ebenerdige Raum von der Größe eines Kleiderschranks, der direkt an den hauseigenen Parkplatz anschloss und den sie damals benutzt hatte. Dieses Mal hatte sie das große Schlafzimmer für sich beansprucht, mit seiner eigenen Terrasse und dem angrenzenden Badezimmer. Nicht, dass ihm der Unterschied hätte auffallen können. Sie hatte ihn noch nie zuvor mit nach Hause gebracht.

In der Tür schien Nick zu zögern, bis Bess ihn an der Hand nahm und zu dem breiten Doppelbett führte. Gleich als Erstes heute Morgen hatte Bess das Bett abgezogen, aber es nur geschafft, ein neues Laken aufzuziehen, bevor der Gedanke an einen Kaffee und ein ausgiebiges Frühstück sie abgelenkt hatte. Ohne den Berg an dekorativen Kissen und der mit bestickten Muscheln verzierten Tagesdecke sah das Bett noch größer aus. Das makellose weiße Laken bettelte geradezu darum, zerknittert zu werden.

Am Fuß des Bettes beugte Nick sich zu ihr, um sie zu küssen, aber Bess hatte sich bereits auf die Zehenspitzen gestellt, um an seinen Mund zu kommen. Sie drückte sich gegen ihn, und gemeinsam fielen sie aufs Bett, sodass sie auf ihm zu liegen kam. Sie gaben sich ganz dem tiefen, heißen Spiel ihrer Zungen hin. Seine Hände umfingen ihren Hintern und drückten sie gegen seinen feuchten, jeansbedeckten Schritt.

Bess unterbrach den Kuss gerade lange genug, um zwischen sie beide zu greifen und Knopf und Reißverschluss zu öffnen. Sie ließ ihre Hand in seine Jeans hineingleiten, und Nick hob stöhnend seine Hüften. Sie traf auf mehr Hitze und umfasste ihn für einen Augenblick, bevor sie sich daran machte, ihm die nasse Jeans abzustreifen. Sie leistete heftigen Widerstand, aber Bess war nicht bereit, sich von einem Stück Stoff aufhalten zu lassen. Als sie die Jeans endlich bis zu den Knien geschoben hatte, ging der Rest ganz einfach. Sie zog die Hose aus und warf sie auf den Boden. Nick setzte sich und streifte sich das T-Shirt über den Kopf. Er trug nur ein Paar dünne Baumwollshorts, die sich vorne beeindruckend wölbten.

Bess hielt mit klopfendem Herzen inne. Sie streckte den Arm aus, um ihre Hand mit seiner Erektion zu füllen. Anfangs noch mit der Baumwollbarriere zwischen ihnen, dann Haut an Haut, als er ihr half, auch ihren Slip auszuziehen. Nackt, auf einen Ellenbogen gestützt, ein Bein angewinkelt, das andere ausgestreckt, lag Nick auf ihrem Bett. Bess kniete sich neben ihn. Der Saum ihres Nachthemdchens reichte ihr gerade bis zum halben Oberschenkel.

Sie schaute auf ihn herunter, dann an sich. Unterhalb des dünnen Hemdchens war sie nackt. Ihre Nippel stachen bereits hervor. Weiter unten rieben ihre Oberschenkel aneinander, vor Erregung schon ganz feucht. Sie schaute ihn wieder an und betrachtete die Vertrautheit seines Körpers. Die kleine Kuhle direkt neben seinem Hüftknochen. Das Muster der Haare, die über seinen Bauch zu dem dichten, dunklen Nest um seinen Schwanz führte. Sie berührte ihn noch einmal. Legte ihre Finger um seine Wurzel und strich mit einer festen Bewegung, die ihn aufstöhnen ließ, nach oben.

Er war Seide und Stahl in ihrer Hand. Sie strich noch einmal und drehte ihre Hand an der Spitze seines Penis’, bevor sie wieder herunterglitt. Nicks Schwanz zuckte unter ihrer Berührung, und ihr Körper pulsierte als Antwort.

Bess schaute ihn an. Seine Augen glänzten, und eine leichte Röte hatte sich auf seiner Brust und seinem Hals ausgebreitet. Seine Lippen teilten sich. Seine Zunge fuhr über seine Unterlippe. Sein Kopf war nach hinten gebeugt, und er ließ sich ganz auf den Rücken fallen, als sie mit der anderen Hand seine Eier umfasste und mit dem Daumen in sanften Kreisen massierte. Er stieß einen Laut aus, der klang wie ihr Name, und Bess lächelte.

Sie setzte sich auf ihn, sodass sein Glied zwischen ihren nackten Schenkeln gefangen war. Dann bewegte sie sich, neckte ihn mit einer Berührung ihrer lockigen Schamhaare. Nick legte seine Hände an ihre Hüften und zerknüllte den Stoff ihres Nachthemds zwischen seinen Fingern.

Bei dieser Bewegung rieb sein Schwanz sich an ihrer Klit, und Bess öffnete stöhnend ihren Mund. Sie leckte sich über die Lippen, wie er es nur Augenblicke zuvor getan hatte. Das Funkeln in seinen Augen beim Anblick ihrer Zunge jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken.

„Nick“, murmelte sie seinen Namen. Schmeckte ihn. Dachte, dass es sich seltsam anfühlen würde, ihn auszusprechen, aber wie der Anblick seines Körpers hatte auch der Klang seines Namens sich nicht verändert.

„Ich will dich“, sagte er mit einer Stimme, die so rau war wie der Sand, den sie letzte Nacht unter sich gespürt hatte. Seine Finger krallten sich in ihre Hüften, und er ließ seinen Schwanz durch ihre feuchte Spalte gleiten. “Ich möchte in dir sein.“

Bess nickte. Sie konnte nicht sprechen und hob mit seiner Hilfe ihre Hüfte ein wenig an. Dann beugte sie den Kopf, wartete darauf, dass ihr Haar nach vorne fallen und ihr Gesicht verdecken würde, während sie seinen Schwanz in sich einführte. Sie hatte vergessen, dass sie ihr Haar zusammengesteckt hatte, damit es beim Trocknen nicht verfilzte, und pflückte sich ungeduldig die Spange aus den Haaren. Die schweren Locken, länger und dicker als vor zwanzig Jahren, fielen auf ihre Schultern und über ihr Gesicht.

Nick stieß ihr seine Hüften aufstöhnend entgegen, und Bess wusste nicht, ob es eine Reaktion auf das Fallen ihrer Haare oder auf das Eintauchen in ihre feuchte Enge war. Es war auch egal. Sie stieß einen dumpfen Schrei aus, als sie sich ganz auf ihn niedergleiten ließ. Mit ihren Schenkel umklammerte sie seine Hüfte. Endlich waren sie wieder miteinander verbunden.

Erst einmal bewegte sie sich nicht. Sie schaute durch den dichten Vorhang ihrer Haare und schob sie dann aus den Augen, damit sie ihn wirklich sehen konnte. Nick lächelte. Er löste den Griff um ihre Hüften ein wenig und bewegte sich unter ihr. Bess legte ihre Hand auf seine Brust, um sich Halt zu geben, beugte sich dann vor und strich mit ihren Lippen über seinen Mund. „Wenn das hier ein Traum ist, möchte ich nicht, dass er endet, wenn wir fertig sind.“

„Es ist kein Traum.“ Seine Stimme war leise und rau, aber unverkennbar seine. “Das habe ich dir doch gesagt.“

Er hob den Saum ihres Nachthemds, um ihre Schenkel und ihren Bauch zu berühren. „Fühlt es sich an wie ein Traum? Ich berühre dich.“

Nick stieß zu. „Ich bin in dir.“

Bess lachte erstickt auf. „Du bist schon vorher in mir gewesen.“

„Aber nicht so.“ Er stieß härter zu, und sie schnappte nach Luft bei dem süßen Schmerz, den der Stoß in ihr verursachte.

Er war in den vergangenen zwanzig Jahren in ihr gewesen. Aber nicht so, obwohl sie oft genug daran gedacht hatte. Doch darüber wollte sie nicht nachdenken, denn jetzt passierte es ja. Bess neigte wieder den Kopf und drückte ihre Finger fester gegen Nicks Brust. Unter ihrer Handfläche hätte sie das dumpfe Pochen seines Herzens spüren müssen, wie es immer schneller wurde. Sie nahm ihre Hand fort, bevor sie feststellen konnte, ob es da war oder nicht. Stattdessen presste sie erneut ihre Schenkel an seine Seiten und ließ beide Hände zum Ende seines Rippenbogens gleiten.

Sie ritt ihn und erinnerte sich daran, wie ihr Rhythmus manchmal in sich zusammengefallen war. Doch mittlerweile kannte sie ihren Körper besser, und als Nicks Bewegungen ins Stocken gerieten, konnte Bess sich leicht darauf einstellen. Sie bewegte sich, wenn er es tat, und als er härter zustieß, sich mit einem Gesichtsausdruck auf die Lippen biss, den sie niemals vergessen würde, beruhigte sie ihn mit ein paar gemurmelten Worten und einer leichten Verlagerung ihres Körpers. Sie schob eine Hand zwischen sie und ließ den Finger genauso um ihre Klit kreisen, wie sie es brauchte. Bei der Berührung stöhnte sie auf und öffnete ihre Augen.

Nicks Augen flackerten, als sein Blick auf ihre sich bewegende Hand fiel. Er biss sich auf die Unterlippe. Sein Griff wurde fester, und er versenkte sich noch tiefer in ihr, noch härter, noch schneller.

Bess schloss die Augen. Ließ die Gefühle ihren Körper beherrschen. Seine Berührung. Den Klang ihres Atems und das Rutschen seiner Fingerspitzen auf ihrer schweißfeuchten Haut. Sie streichelte ihre Perle langsam, dann schneller, immer im Takt mit seinen Stößen. Lust baute sich in ihr auf, bis die harten, scharfkantigen Scherben in ihr zerbarsten, so wie der Kaffeebecher auf dem Fußboden zerborsten war. Sie warf ihren Kopf in den Nacken und kam mit einem tiefen Schrei. Ihre Klit pulsierte unter ihrem Finger, und sie drückte sie, zwang eine neue Welle, über sie hinwegzuspülen. Nick stöhnte und stieß noch einmal zu, dann entlud auch er sich mit einem Zucken seines Körpers.

Sie brach auf ihm zusammen und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Als wäre sie nie von ihm getrennt gewesen, fand sie den perfekten kleinen Platz in der Biegung seiner Schulter, wo sie ihr Gesicht vergraben konnte. Sie setzte kleine Küsse auf seinen Hals, während Nick mit seinen Händen an ihrer Wirbelsäule entlangstrich, bevor er die Arme um sie schlang und sie eng an sich zog.

„Ich habe dich vermisst“, flüsterte er. Der Druck seiner Arme verstärkte sich, und er strich mit seinen Lippen über ihr Ohr.

Eine neue Welle von Tränen drängte sich in ihre Augen, und dieses Mal blinzelte Bess sie nicht fort. Sie vermischten sich mit den Schweißperlen auf ihrer Oberlippe und dem salzigen Geschmack von seiner Haut.

„Du musst mich nicht vermissen“, sagte sie leise. “Jetzt nicht mehr.“

4. KAPITEL

Damals

Ihr Job im Sugarland war nicht der schlimmste, den Bess jemals gehabt hatte. Diese Ehre ging eindeutig an die Stelle als Betreuerin im Sommercamp, die sie in der Highschool angenommen hatte. Das Trauma dieser Erfahrung war so tief, dass sie immer noch davon überzeugt war, niemals Kinder haben zu wollen.

Touristen zu bedienen war nicht so schwierig, wie zwanzig Drittklässler dazu zu bringen, sich für das Weben von Schlüsselbändern zu interessieren, sogar wenn die Touristen sich darüber beschwerten, dass sie zu lange auf ihr Essen warten mussten. Bess sagte sich wieder und wieder, dass nicht jeder in der Welt von Affen aufgezogen worden war. Es schien nur oft so.

„Wo ist mein verdammtes Waffelhörnchen?“ Der rotgesichtige Mann hieb hart genug mit der Faust auf den Tresen, um den Serviettenhalter hüpfen zu lassen.

Das Letzte, was dieser Mann Bess’ Meinung nach brauchte, war ein Waffelhörnchen, aber sie setzte trotzdem ein breites Lächeln auf und sagte mit fröhlicher Stimme: „Drei Minuten noch, Sir. Die Maschine ist ausgefallen und wir konnten keine Hörnchen vorproduzieren. Aber dafür wird Ihres dann auch ganz frisch sein.“

Die Frau, die mit ihm gekommen war und ihre Eistüte bereits in der Hand hielt, aber anscheinend nicht bereit war, sie mit ihm zu teilen, hielt mitten im Lecken inne. „Sie meinen, meins ist nicht frisch?“

Bess biss sich auf die Wange, bis sie Blut schmeckte, aber es war bereits zu spät. Lautstark forderte die Frau ihr Geld für ein Waffelhörnchen zurück, das sie schon beinahe gänzlich vertilgt hatte, und ihr Ehemann schlug auf den Tresen und verlangte zwei neue Hörnchen. Schnell herrschte reinstes Chaos, und Bess’ Kollege Eddie war keine große Hilfe. Er war noch im letzten Jahr der Highschool und litt unter einem ganz schlimmen Fall von Akne, die ihn so unsicher machte, dass er niemandem jemals in die Augen sah. Außerdem war er ziemlich offensichtlich in Bess verliebt, was ihn in ihrer Gegenwart regelmäßig sprachlos machte.

Brian hatte sich krank gemeldet, und die andere Tresenbedienung, Tammy, war noch schlimmer als Eddie. Ohne den Taschenrechner konnte sie kein Wechselgeld geben, und sie trug ihre Sugarland-T-Shirts so kurz abgeschnitten, dass sie ihren gebräunten straffen Bauch zeigten. Sie verbrachte mehr Zeit damit, ihre Fingernägel zu feilen und mit den Rettungsschwimmern zu flirten als mit allem anderen. Wenn Tammy nicht mit Ronnie, dem Sohn des Chefs, vögeln würde, hätte Bess sie schon längst gefeuert.

„Hören Sie mir überhaupt zu?“, brüllte der rotgesichtige Touristentroll, während er seine fleischige Faust erneut auf den Tresen sausen ließ.

Vielleicht war der Job als Kinderbetreuerin doch nicht so schlecht gewesen.

Sie war so beschäftigt damit, das gierige Touristenpärchen ruhig zu stellen, die sich schlussendlich mit zwei neuen, „frischen“ Waffeln und einem Becher Karamelleis aufs Haus zufrieden gaben, dass sie gar nicht bemerkte, wer noch in den Laden gekommen war. Aber Missy war keine, die sich lange ignorieren ließ. Sie schlängelte sich zum Tresen und warf Bess einen Fünfdollarschein hin, wobei sie mit dem Daumen auf die Slushy-Maschine zeigte.

Sie war nicht alleine.

Nick Hamilton war bei ihr. Anstatt einer Baseballkappe trug er heute Abend ein rotes Bandana, dessen zerschlissene Enden über seine glatten, dunklen Haare gefaltet und hinten am Kopf zusammengebunden waren. Zwischen all den süßen Gerüchen von Karamell und Buttertoffee roch er wie frische Luft, Sonnenschein und Sonnencreme. Seine Haut glänzte, und seine Wangen und der Nasenrücken hatten einen leichten rosafarbenen Hauch, Ergebnis eines Tages in der Sonne.

„Blau“, sagte Missy und meinte den Eisdrink. „Willst du auch was, Nicky?“

Er schüttelte den Kopf und lächelte Bess an. „Hey.“

„Hey.“ Sie nickte und ließ ihren Blick zwischen den beiden hin und her wandern, bevor er auf Missy zum Ruhen kam. „Na, was habt ihr heute noch vor?“

Missy zuckte mit den Schultern und lehnte sich an den Tresen. Der durchtriebene Blick über ihre Schulter zu Nick sagte Bess mehr, als sie wissen wollte. „Du weißt schon. Ein bisschen von diesem, ein bisschen von jenem.“

So wie es aussah, würde es eher eine ganze Menge von diesem und jenem werden. Bess zwang sich, ihr Stirnrunzeln zu unterdrücken, konnte aber nicht anders, als noch einmal zu Nick zu schauen. Missy betrachtete ihn, als wenn er eine große Schüssel Eiscreme wäre und sie nicht mal einen Löffel benutzen würde, um sie aufzuessen. Eifersucht, dumm und abstrakt, stach in Bess’ Magen und ließ ihr die Kehle eng werden. Nick gehörte ihr nicht. Und nach dem, was Missy über ihn erzählt hatte, würde er ihr auch nicht gehören. Außer natürlich sie hatte gelogen. Ja, das ergab Sinn. Es wäre nicht das erste Mal, dass Missy Bess irgendeine Geschichte auftischte, um zu bekommen, was sie wollte. Bess konnte nicht glauben, dass sie darauf reingefallen war.

Sie schnappte sich Missys Geld vom Zahlteller und füllte den Slushy-Becher drei viertel voll, bevor sie ihn energisch über den Tresen schob. Dann holte sie das Wechselgeld aus der Kasse und schmiss es Missy beinahe vor die Nase. Wut machte ihre Finger ganz steif und verkrümmte sie zu ungeschickten Krallen. Die Münzen klapperten auf der Theke, bevor einige von ihnen zu Boden fielen.

„Hey!“, protestierte Missy, als sie sich hinunterbeugte, um ihr Geld aufzusammeln. „Was ist dir denn über die Leber gelaufen?“

Bess schaute sich in dem kleinen Laden um, aber es waren keine weiteren Gäste anwesend. Tammy kaute Kaugummi und schaute demonstrativ aus dem Fenster, als Bess sie anfunkelte, und Eddie war bereits im Hinterzimmer verschwunden. Bess verschränkte die Arme vor der Brust.

„Tut mir leid.“

Missy schob das Geld in die Tasche ihrer winzigen Jeansshorts und schaute auf. „Ja, na ja, nicht alle von uns können mit Geld so um sich schmeißen, reiches Mädchen.“

So wie sie es sagte war es beleidigender, als wenn sie Bess wieder Zicke genannt hätte, aber Bess gab ihr Bestes, um keine Reaktion zu zeigen. „Ich sagte doch, dass es mir leid tut.“

Missy schien wieder milde gestimmt, aber sehr wahrscheinlich interessierte es sie einfach nur nicht weiter. Sie saugte aufreizend an dem Strohhalm, zog die Wangen ein und ließ ihre Lippen an dem Plastikhalm auf und ab gleiten. „Mmmm. Nick, bist du sicher, dass du nichts davon willst?“

Nick hatte ihrer Vorführung nicht zugeschaut, weil seine ganze Aufmerksamkeit auf Bess gerichtet war. „Nein, danke. Aber kann ich bitte eine Brezel mit extra Salz haben?“

Er kramte in seiner Tasche nach Kleingeld, während Bess in der Warmhaltevitrine nach einer extra salzigen Brezel suchte. Sie reicht sie ihm mit einer Serviette über den Tresen, nahm sein Geld entgegen und gab ihm das Wechselgeld zurück. Missy saugte immer noch an ihrem Slushy und verfolgte die gesamte Aktion mit gespannter Aufmerksamkeit. Bess hatte das Gefühl, unter diesem Blick immer kleiner zu werden. Entschlossen straffte sie die Schultern und schaute dem Mädchen, das ab und zu ihre Freundin war, direkt ins Gesicht.

Missy grinste und schien ganz überrascht, als Bess mit einem Lächeln darauf reagierte. Dann wandte Bess sich an Nick. „Nick, ich habe gehört, dass das Pink Porpoise schließt.“

Das Porpoise war die beliebteste Schwulenbar im Ort. Bess war ein oder zweimal da gewesen, weil es eine der wenigen Bars war, die auch Minderjährige hineinließen. Selbst wenn eine gute Band spielte, waren Heteros kaum im Porpoise anzutreffen.

„Ja?“ Mit strahlend weißen Zähnen biss er ein Stück von seiner Brezel ab.

„Du hast davon noch nichts gehört?“ Bess wischte die Theke ab und zwang Missy, zur Seite zu treten. „Das erstaunt mich.“

Missy zog an Nicks Ärmel. „Komm, Nick, lass uns gehen.“

Bess hob den Blick. Nick hatte zwar die Stirn gerunzelt, doch er folgte Missy. Die winkte mit ihrem Slushy-Becher in Richtung Bess.

„Wir sehen uns!“

Nick hob die Hand, in der er die Brezel hielt, und folgte Missy aus dem Laden. Die Glocke klingelte, als die Tür ins Schloss fiel. Bess schlug mit dem feuchten Lappen gegen den Tresen und stieß einen unterdrückten Fluch aus.

Tammy ließ eine Kaugummiblase platzen und lehnte sich neben Bess an den Tresen. „Er ist süß.“

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