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Versuchung inklusive

Sex? Liebt sie. Aber Liebe? Gegen die ist Lucinda Graves immun. Kein Problem also, wenn die Versuchung in Person, Hotelbesitzer Jason Kaoki, ihr zeigt, dass sich die schwüle Hitze einer pazifischen Insel besser ohne ihren Hosenanzug aushalten lässt … Eigentlich ist Lucinda hier, um geschickt zu verhandeln und Jason sein Hotel abzukaufen! Doch mit der formellen Kleidung legt Lucinda die Maske der kühlen Geschäftsfrau ab. Und bald verliert sie sich so tief in lustvollen Nächten mit Jason, dass ihr erstmals das Wörtchen "Liebe" in den Sinn kommt!


  • Erscheinungstag: 13.11.2020
  • Aus der Serie: Club
  • Bandnummer: 48
  • Seitenanzahl: 208
  • ISBN/Artikelnummer: 9783745752410
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Fünf konkurrierende Hotelkonzerne hatten schon ihre Vertreter auf diese praktisch unberührte Privatinsel mitten im Pazifik gesandt. Alle mit demselben Ziel: den berühmt-berüchtigten Besitzer Jason Kaoki davon zu überzeugen, auf seinem Grund und Boden bauen zu dürfen. Kaoki hatte die Insel von seinem Vater Daniel St. George geerbt – einem international bekannten Playboy und Immobilien-Tycoon.

Ebenso schnell wie gnadenlos hatte Kaoki alle Hotelvertreter abblitzen lassen.

Lucinda Graves wollte sich auf keinen Fall als Sechste einreihen. Nicht nachdem sie in einem brutal kräftezehrenden Langstreckenflug um den halben Erdball geflogen war. Vierzig anstrengende Stunden hatte es gedauert, aus der Großstadthektik mit ihrem gräulichen Nieselwetter, das sich in London Frühling nannte, hierherzukommen: auf diese winzige, erschreckend sonnige Insel mitten im Pazifischen Ozean. Hier war sie Tausende von Kilometern von jeder Zivilisation entfernt. Bis zum Horizont erstreckte sich in alle Richtungen das Meer. Und hätte sie die Ruhe gehabt, genauer darüber nachzudenken, hätte ihr das direkt Angst gemacht.

Im Moment war sie allerdings unendlich müde. Schon während des Flugs über Nordamerika war sie von einer so heftigen Erschöpfung erfasst worden wie niemals zuvor in den bisherigen achtundzwanzig Jahren ihres Lebens. Trotzdem wollte sie sich davon nicht ausbremsen lassen.

Im Gegenteil: Sie wollte diesen Deal an Land ziehen und war sich sicher, dass sie es auch schaffen würde. Alles andere kam für sie nicht infrage, das würde sie nicht akzeptieren. Also konnte sie logischerweise nur erfolgreich sein. Das sagte sie sich jedenfalls immer wieder.

Das winzige Inselhopper-Flugzeug, das sie hergebracht hatte, war kaum groß genug für den Piloten gewesen … ganz zu schweigen von der einzigen Passagierin. Lucinda war ziemlich nervös gewesen; viel lieber saß sie mit mehreren Hundert anderen Reisenden in riesigen Jets, die einen vergessen ließen, dass man sich überhaupt in der Luft befand. Und dann war der kleine Flieger auch noch ziemlich unsanft gelandet – direkt an einer Lagune, deren Wasser türkisblau in der Sonne schimmerte.

Aber im Grunde interessierte Lucinda das alles gerade nicht, dafür hatte der Jetlag sie viel zu fest im Griff.

Sie war aus dem Flugzeug gestiegen und hatte einen kleinen Steg betreten, der sich über das Wasser zog: ja, ausgerechnet einen Steg! Nicht etwa eine Landebahn oder einen vernünftigen klimatisierten Flughafen. Entsprechend hatte die Luftfeuchtigkeit sie überwältigt, als hätte ihr jemand ein heißes, klatschnasses Handtuch übergeworfen. Und fast wäre sie hier unter den rauschenden Palmen und der gleißenden Sonne in die Knie gegangen.

Dabei hatte sie gedacht, sie wäre auf alles gefasst. Selbstverständlich war ihr klar gewesen, dass sie auf eine tropische Insel fliegen würde. Außerdem war sie nicht zum ersten Mal in ihrem Leben an einem Sandstrand im Süden: Bei ihrem letzten mehrtägigen Betriebsausflug hatte sich ihr Unternehmen an der spanischen Küste einquartiert. Dort hatte sie ihre Geschäfte am Pool abwickeln sollen, während sie in einem albernen, bunt bedruckten Tuch an ebenso bunten Drinks nippte, die jemand ausgiebig mit Grünzeug ausstaffiert hatte. Eigentlich war sie davon ausgegangen, dass sich ihr jetziger Aufenthalt ähnlich gestalten würde, auch wenn der Pazifik ein ganzes Stück weiter von London entfernt lag als Spanien. Trotzdem war für sie ein Strand immer noch ein Strand – das hatte sie sich jedenfalls gesagt, als sie vor einer gefühlten Ewigkeit aufgebrochen war.

Nun stellte sich jedoch heraus, dass sie für diesen Ort doch nicht gewappnet war. Die Insel war so klein und abgelegen, dass sie auf den meisten Landkarten gar nicht verzeichnet war; sie hatte nicht mal einen amtlichen Namen. Vielleicht war es aber auch grundsätzlich unmöglich, sich für diese Art von Tropenhitze zu wappnen, die einem so schwer und heftig entgegenschlug.

Automatisch berührte Lucinda ihr Haar. Sie hatte sich schon oft für ihre knallrote Mähne geschämt – besonders wenn sie sich bei dem geringsten Anlass wild kräuselte. Normalerweise verbrachte sie viel Zeit damit, ihr Haar ordentlich zu glätten und zu einem strengen Knoten im Nacken zusammenzustecken. So hatte sie es immerhin unter Kontrolle, selbst wenn das nichts an der schrecklichen Farbe änderte. Immer wieder hatte sie darüber nachgedacht, es zu einem unauffälligen Braun umzufärben … Allerdings hätte sie es dann immer wieder aufwändig nachfärben müssen, was sie letztendlich davon abgehalten hatte. Stattdessen hatte sie sich darauf konzentriert, sich ihren schottischen Akzent abzutrainieren: Zu den Kreisen, in denen sie sich jetzt bewegte, passte es nicht so gut, wenn man ihr anhörte, dass sie ursprünglich aus einem Arbeiterviertel in Glasgow stammte.

Bisher hatte Lucinda noch alles geschafft, was sie sich vorgenommen hatte – weil Scheitern für sie eben nicht infrage kam. Das war von Anfang an keine Option gewesen. Dadurch, dass sie in einem berüchtigten Problemviertel in Glasgow aufgewachsen war, hatte sie keinen leichten Start gehabt. Inzwischen war sie stellvertretende Geschäftsführerin der Londoner Niederlassung ihres Unternehmens, und das kam schließlich nicht von ungefähr. Da ließ sie sich doch von so ein bisschen Tropenhitze nicht aus dem Gleichgewicht bringen!

Wenngleich die Hitze alles durchaus schwieriger machte. Es fühlte sich an, als würde sie ihr erst unter die Kleidung kriechen und dann direkt in sie hinein … um schließlich langsam von ihr Besitz zu ergreifen. Lucinda versuchte, nicht daran zu denken, während sie sich umsah und den Blick über den unberührten weißen Sandstrand und den wilden Dschungel dahinter schweifen ließ, der sich über die grünen, steil ansteigenden Hügel erstreckte.

„Sind Sie ganz sicher, dass ich hier richtig bin?“, erkundigte sie sich bei dem Piloten, der inzwischen aus dem Cockpit geklettert war und vor ihr auf dem Steg stand – und sie dabei breit angrinste, als würde sie in einer Tour Witze machen.

Dabei war Lucinda alles andere als eine Komikerin – im Gegenteil: Sie war kompetent und perfekt organisiert. Außerdem war sie es gewohnt, dass man sie entsprechend wahrnahm: als ernste, gewissenhafte Person, die keine faulen Kompromisse einging. Einer ihrer ersten Arbeitgeber hatte sie einmal „so geradlinig wie ein Lineal“ genannt und sie damit beleidigen wollen. Aber Lucinda hatte das als tolles Kompliment aufgefasst und sich seitdem immer bemüht, dieser Bezeichnung gerecht zu werden.

„Sie wollten doch zu Jason Kaoki, oder?“, erwiderte der Pilot, immer noch grinsend. „Und der wohnt genau hier. Ob das bedeutet, dass Sie hier richtig sind, kann ich Ihnen allerdings nicht sagen.“

Lucinda zwang sich zu einem Lächeln, brachte umständlich ihren kleinen Handgepäck-Rollkoffer in Position und ging über den Steg … der direkt auf den blendend weißen, unberührten Sandstrand führte. Hier fühlte sie sich sogar noch unwohler als in Gegenwart des grinsenden Piloten, den sie auf den Fidschi-Inseln angeheuert hatte. Etwas anderes war ihr nicht übrig geblieben, schließlich gab es keine regulären Flüge auf diese winzige Insel, die sich mitten im Pazifik versteckte, irgendwo zwischen Hawaii und Fidschi.

Der Sand war selbst dann noch heiß, wenn man Schuhe trug. Außerdem gab er unter ihren Füßen nach, und das brachte sie aus dem Konzept. Lucinda fühlte sich auf hartem Asphalt zu Hause: Wenn sie den betrat, blieb er immer, wo er war, egal bei welchem Wetter. Der Sandstrand wiederum hatte seine eigenen Gesetze, und zusammen mit der hohen Luftfeuchtigkeit machte ihr das ganz schön zu schaffen.

Natürlich hatte sie sich vernünftigerweise flache Schuhe angezogen, doch davon abgesehen war sie für einen Strandspaziergang nicht passend gekleidet: Sie trug ihr gewohntes Business-Outfit. Und das, obwohl sie eine insgesamt vierzigstündige Reise hinter sich hatte, die sich aus mehreren Langstreckenflügen zusammensetzte und Zwischenstopps an viel zu hellen, viel zu lauten Flughäfen beinhaltete. Allerdings fühlte sie sich in dieser Kleidung als besonders toughe Geschäftsfrau. Und wenn sie die Sache professionell und mit kühlem Kopf anging, konnte sie den Deal auch abschließen, davon war sie überzeugt.

Jetzt, da sie dagegen ankämpfte, nicht bis zu den Knien in dem heißen, blendend weißen Sand zu versinken, wünschte sie sich allerdings doch, sie hätte sich vorgestern in London nicht gerade ein strenges Bürokostüm angezogen, sondern etwas Bequemeres. Etwas, das besser auf diese warme, sonnige Insel passte.

Normalerweise gab Lucinda nicht so einfach auf … eigentlich fast nie. Aber diesmal musste sie sich schon nach etwa zehn Schritten eingestehen, dass sie so nicht weiterkam. Dafür war es viel zu heiß. Außerdem lief sie ernsthaft Gefahr, sich unter der gleißenden Tropensonne die schottisch-blasse Haut zu verbrennen. Dabei fühlte sie sich so unwohl, dass sie inzwischen weniger über ihre Ziele nachdachte als über ihr eigenes Befinden. Und das war für sie untragbar. Also blieb sie stehen, versank dabei noch ein Stück tiefer im Sand und streifte sich den schwarzen Blazer und die passenden flachen schwarzen Schuhe ab. Jetzt trug sie nur noch ihre knitterfreie Bluse und einen schmalen Rock. Schnell lief sie weiter, bis sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte.

Neben einer der vielen malerischen Palmen blieb sie erst einmal stehen, um sich den halben Strand aus den Schuhen zu kippen und sie wieder anzuziehen. Und um erst einmal durchzuatmen und sich damit abzufinden, dass sich wahrscheinlich gerade Hitzepickel an ihrem ganzen Körper ausbreiteten.

Wenn sie der Landkarte auf ihrem Smartphone trauen konnte – und ihren bisherigen Erkundigungen zufolge sah das ganz danach aus –, gab es auf dieser Insel so gut wie nichts. Abgesehen von dem weitläufigen Anwesen, das Daniel St. George hier hatte erbauen lassen, und einem heruntergekommenen Hotel aus den 1950er-Jahren. Letzteres ging auf einen australischen Ölmagnaten zurück, der damals in seinem Größenwahn die Weltherrschaft angestrebt hatte.

Lucinda schob ihre völlig unzureichende Sonnenbrille ein Stück höher und blickte den Strand hinunter, bis sie besagtes Hotel erblickte. Am Ende einer elegant geschwungenen, palmenbewachsenen Bucht hob es sich gegen den strahlend blauen Himmel ab. Mit seiner flachen, schnörkellosen Kastenform erinnerte es Lucinda auf unangenehme Weise an die hässlichen Mietshäuser, in denen sie aufgewachsen war. Und die ihrer Meinung nach spätestens zur Jahrtausendwende hätten abgerissen werden sollen.

Wenn es nach ihr ginge, würde das trübe alte Hotel diesen Sommer nicht überleben.

Zu dem Gebäude führte ein von Unkraut überwucherter Weg aus rotem Schotter den Strand entlang – dort, wo der Sand langsam in den Dschungel überging. Lucinda folgte dem Pfad und betrachtete dabei weiter das Hotel, das nicht gerade ansehnlicher wurde, je näher man ihm kam … Aber jeder Schritt über den viel zu heißen Schotter beflügelte ihre Fantasie, was sich daraus eventuell machen ließ.

Vielleicht ein exklusives privates Resort, das nur den wohlhabendsten Klienten zur Verfügung stand? Ein Inselparadies, von dem die meisten Menschen nur träumen konnten? Das könnte sie hier Wirklichkeit werden lassen! Und während in ihrem Kopf die ersten Pläne entstanden, vergaß sie die brennende Sonne und die überwältigende Luftfeuchtigkeit. Ebenso wie die Gewissheit, dass sich ihr Make-up, das sie zuletzt am Flughafen von Los Angeles aufgefrischt hatte, inzwischen völlig aufgelöst haben musste.

Der Weg vom Steg zum Hotel schien nicht weit, aber statt der erwarteten fünf Minuten war Lucinda letztlich doppelt so lange unterwegs. Vor dem Gebäude angekommen, stellte sie fest, dass das Hotel sogar noch schlimmer aussah als befürchtet. Gut, in Los Angeles tat man gerade so, als wäre alles, was in den 1950er-Jahren entstanden war, hip und aufregend. Sie selbst fand diese bemüht moderne Geradlinigkeit eher überholt und deprimierend. Für sie war der sehr funktionale Stil an diesem wunderschönen Ort fehl am Platz. Wer auf diese Privatinsel reiste, wollte verzaubert werden, wollte Geheimnisse und ungeahnte Schönheit entdecken … und die hatte der schlichte Hotelklotz nun wirklich nicht zu bieten. Im Gegenteil, er erinnerte eher an ein osteuropäisches Gefängnis.

Dabei sah es hier doch aus wie im Märchen! Wenn man also diesen hässlichen Klotz abreißen würde, um stattdessen einige Bungalows mit privatem Meerzugang zu bauen …

Lucinda ging die ehemalige, inzwischen völlig überwucherte Auffahrt hoch und betrat die Hotellobby. Im Gebäudeinneren war es dunkel und sehr still. Sie blinzelte und wartete, bis sich ihre Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten und sie erkennen konnte, wie schlimm es hier wirklich aussah.

Hier und da standen Pflanzen herum, die in ihren Augen künstlich wirkten – eine Schande, wo doch draußen die schönsten und exotischsten Gewächse in den prächtigsten Farben blühten. Eingerichtet war der Empfangsraum mit schweren dunklen Möbeln, die sich kaum von den ebenso dunklen Hotelwänden abhoben. Unwillkürlich musste sie an Männer mit dicken Goldketten und üppiger Brustbehaarung denken, die hässliche Hawaii-Hemden über ihren Bierbäuchen trugen. Und dabei hatte dieser Ort das Potenzial, ein echtes Luxus-Reiseziel in den Tropen zu werden.

Gerade hatten sich ihre Augen einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt, da zuckte Lucinda zusammen.

Sie war nicht allein.

Auf einem der alten Sofas saß ein Mann. Die nackten Füße hatte er auf den heruntergekommenen Korbtisch vor sich gelegt, sein Rücken war der Fensterfront zugewandt, die zum Strand hinausging.

In diesem Moment wurden Lucinda gleich zwei Dinge bewusst: Erstens war er die einzige Person, die sie auf dieser Insel bisher wahrgenommen hatte, seit sie aus dem Flieger gestiegen war und sich von dem grinsenden Piloten verabschiedet hatte. Bisher hatte nichts darauf hingewiesen, dass sich hier irgendwo Menschen aufhielten. Offenbar war sie wirklich auf einer einsamen Insel gelandet.

Und so gründlich sie bisher über ihre Reise nachgedacht hatte – sie hatte dabei außer Acht gelassen, was es bedeuten würde, hier mit einer fremden Person allein zu sein. Noch dazu mit einem Mann.

Und nicht nur mit irgendeinem Mann, sondern mit diesem hier.

Damit war sie bei ihrer zweiten Erkenntnis angelangt: nämlich, dass besagter Mann in natura alles übertraf, was sie bisher von ihm gesehen hatte. Und weil sie ein durch und durch gründlicher Mensch war, hatte sie bestimmt alle seine Fotos im Internet gefunden.

Und trotzdem war sie für diesen Anblick nicht gewappnet.

Der Mann, der sich da gerade vor ihr auf dem Sofa ausstreckte und sie gleichzeitig intensiv fixierte, war einfach … zu viel für sie.

Bei seinem Anblick stieß sie unwillkürlich die Luft aus, als hätte ihr jemand in den Magen geboxt.

Da räkelte sich Jason Kaoki direkt vor ihren Augen auf der Sitzgarnitur der unscheinbaren Hotellobby, als würde er genauso hierhergehören wie die Plastikpflanzen um ihn herum. Dabei war er selbst alles andere als unscheinbar.

Lucinda führte ihre heftige Reaktion auf den Mann darauf zurück, dass sie ihm nun endlich gegenüberstand – nachdem sie ihm monatelang hinterhertelefoniert und ihm eine E-Mail nach der anderen geschrieben hatte, ohne je eine Antwort zu erhalten. Woran sollte es sonst liegen, dass sie erschauerte, als ihre Blicke sich trafen?

Unfassbar, wie trocken ihr Mund plötzlich war. Und wie sehr sie auf einmal zitterte: Jason Kaoki, der unter den St.-George-Erben als besonders öffentlichkeitsscheu galt, war ein großer Mann.

Ein ausgesprochen großer Mann sogar. Besonders beunruhigend fand sie, dass er gerade seinen beeindruckenden Körper vollständig zur Schau stellte.

Das hieß … nicht ganz vollständig. Aber so weit, dass sie erkennen konnte, wie durchtrainiert er war und dass er weder Bierbauch noch eine üppige Brustbehaarung hatte oder dicke Goldketten trug. Unter seinem Bauchnabel verjüngte sich eine schmale Haarspur und verschwand unter dem Bund seiner Shorts. Ansonsten war sein Oberkörper erstaunlich … glatt. Das brachte die ausgeprägte Brustmuskulatur und den beeindruckenden Waschbrettbauch umso stärker zur Geltung. Natürlich gab es keinen Grund, warum Lucindas Blick dort verharren sollte … oder sogar noch tiefer gleiten sollte – über die tiefsitzenden Shorts und die kräftigen Oberschenkel. Es gab wirklich absolut keinen Grund, warum sie diesen beeindruckenden Mann so intensiv anschauen sollte, der ausgestreckt vor ihr lag und dessen kräftiger Körper hier und da mit geschmackvollen Tätowierungen verziert war. Er kam ihr vor wie die Hauptfigur aus einem dieser Superheldenfilme, für die Lucinda natürlich keine Zeit hatte, weil sie immer viel zu stark ausgelastet war.

Der Mann ist gefährlich, warnte eine innere Stimme sie leise. Es ist dumm von dir, ihm so nah zu kommen.

Kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gedacht, überzog eine Gänsehaut ihre Arme und ihren Nacken.

Trotzdem betrachtete Lucinda ihn weiter und hoffte dabei, ihm würde ihre heftige Reaktion auf ihn nicht auffallen. Und eigentlich kannte sie seine Eckdaten ja bereits: Sie wusste, dass er einen Meter dreiundneunzig groß und athletisch gebaut war. Ob er an öffentlichen Sportveranstaltungen teilnahm oder aber privat surfte, auf Berge kletterte oder aus Flugzeugen sprang und damit seine Fans in den sozialen Medien begeisterte: Dass sie hier einem attraktiven Mann begegnen würde, der auf eine typisch amerikanische Weise auch extrem sportlich war, damit hatte sie schon gerechnet.

Damit, dass er so unfassbar anziehend auf sie wirken würde, allerdings nicht. Mit seiner Ausstrahlung füllte er die heruntergewirtschaftete Hotellobby komplett aus – so intensiv, dass Lucinda noch heißer wurde. Als wäre er der männlichste Mann, dem sie je begegnet war. Als würde seine Aura sie durchdringen und sie dabei fast ersticken. Und das Verrückteste daran war, dass sie sich nicht einmal daran störte.

Dieser Mann war viel mehr als nur „attraktiv“. Es gab einfach kein Wort, das ihn ausreichend hätte beschreiben können. Seine Haut glänzte bronzefarben, als wäre er gerade erst der Brandung entstiegen und hätte noch keine Zeit gefunden, sich abzutrocknen. Sein schwarzes Haar war leicht zerzaust, so als hätte er es sich mit seinen großen Händen achtlos aus dem Gesicht gestrichen. Und er hatte die ebenmäßigen Züge und die dunklen Augen eines gefallenen Engels.

Genau so stellten sich andere Frauen wahrscheinlich den Liebhaber ihrer Träume vor. In deren Fantasie würde er aus dem Meer steigen und auf sie zukommen – auf einer Insel wie dieser, mit erloschenen Vulkanen und tropischen Regenwäldern. Und dann würde er sie ein Leben lang verwöhnen.

Lucinda erschrak über diese Vorstellung. Unfassbar, was sie sich da für einen Schund zusammengereimt hatte! Auch wenn niemand etwas davon mitbekommen hatte …

Oder doch? Der Mann grinste sie an, als wüsste er genau, was gerade in ihr vorging.

„Lassen Sie mich raten“, sagte er gedehnt und klang amüsiert und gleichzeitig ein bisschen schläfrig, als würde er sich auf einem Bett räkeln …

Jetzt ist es aber gut! ermahnte Lucinda sich erneut.

„Sie sind extra um die halbe Welt gereist, um mir irgendetwas zu verkaufen“, fuhr er fort. „Tut mir leid, Süße, aber ich habe kein Interesse.“

„Woher wollen Sie wissen, wo ich herkomme?“, erwiderte sie automatisch. Als wollte sie sich damit beweisen, dass sie überhaupt noch sprechen konnte. „Wer sagt, dass ich nicht von einer Nachbarinsel stamme?“

„Die nächste Insel liegt mehrere Flugstunden entfernt“, gab er zurück. „Und niemand, der dort lebt, ist so blass wie Sie.“

Natürlich wäre es schön gewesen, wenn Lucinda mehr Zeit gehabt hätte, sich auf dieses Zusammentreffen vorzubereiten. Dann hätte sie sich zuallererst um ihre Haare gekümmert. Die waren wegen der feuchten Hitze wahrscheinlich inzwischen klitschnass und kräuselten sich wild. Nur zu gern hätte sie sich ordentlich zurechtgemacht, so wie vor allen besonders wichtigen Geschäftsbesprechungen.

Allerdings hatte sie schon damit gerechnet, dass der Mann ihr Schwierigkeiten machen würde. Diese Information hatte die Konkurrenz ihr längst zukommen lassen. Alle, die bereits vergeblich mit Jason Kaoki gesprochen hatten, hatten ihr nur zu gern bei einem Drink erzählt, dass sie bei ihm keine Chance haben würde, nachdem sie selbst schon kläglich gescheitert waren. „Der Mann findet sofort deine Schwachstelle“, hatte einer ihrer fünf gescheiterten Vorgänger erklärt, während er an einem Martini genippt hatte. „Und dann beißt er zu. Wie ein Hai.“

Entsprechend versuchte sie es jetzt gar nicht erst mit Smalltalk oder gestammelten Entschuldigungen. Stattdessen erwiderte sie einfach so kühl und unbewegt wie möglich Jason Kaokis Lächeln – als hätte er sie nicht weiter beeindruckt. Als hätte sie nicht etwa vierzig Stunden für die Reise hierher gebraucht, sondern vierzig Sekunden. Und als wäre sie ausgeruht und entspannt. Schnell rief sie sich noch einmal alles ins Gedächtnis, was sie über diesen nervenaufreibenden und außergewöhnlich menschenscheuen Erben vom berühmten Daniel St. George herausgefunden hatte. Drei Söhne und eine Tochter hatte der alte Playboy hinterlassen, das hatte sein Testament offenbart – in dem er jedem von ihnen eines seiner Luxusanwesen vermacht hatte.

Jason Kaoki war auf der Inselkette Hawaii aufgewachsen und mit seiner Mutter und deren Familie immer wieder zwischen der Hauptinsel und der Insel Oahu hin- und hergezogen. Dann hatte er auf dem US-Festland studiert und eine Footballkarriere begonnen, erst in der College-, dann in einer Profimannschaft. Es folgten mehrere gewinnbringende Werbeverträge, einige davon liefen bis heute. Den Großteil seiner Einkünfte gab er angeblich für verschiedene wohltätige Zwecke auf den Pazifischen Inseln aus, die ihm offenbar sehr ans Herz gewachsen waren. Er investierte das Geld in Schulen, aber auch in Einrichtungen für Kriegsveteranen, hielt aber die Höhe der jeweiligen Spenden streng geheim.

In den sozialen Medien gab sich Kaoki als guter Entertainer, dabei blieb er viel lieber für sich. Für die Öffentlichkeit war er schwer erreichbar, und es war so gut wie unmöglich, ein Treffen mit ihm zu vereinbaren. Dann wurde das Testament seines Vaters, Daniel St. George, verlesen, und die Insel, auf der sie sich gerade befanden, war zur Sprache gekommen. Darauf waren auch verschiedene Hotelkonzerne aufmerksam geworden, darunter der, in dem sich Lucinda einen gehobenen Posten erkämpft hatte. Die anderen Unternehmen hatten Jason alle davon überzeugen wollen, einen weiteren Standort ihrer Hotelkette auf seiner Insel errichten zu dürfen – ohne Erfolg.

Er hatte das Geld nicht nötig, und berühmt war er in gewisser Weise auch schon. Überhaupt war es so gut wie unmöglich, ein Geschäftsgespräch mit ihm zu führen, wie Lucindas Kontaktpersonen ihr erzählt hatten. Überzeugen konnte man ihn schon gar nicht.

Allerdings hatte Lucinda etwas zu bieten, womit ihre Vorgänger nicht hatten aufwarten können. Erstens war sie nicht im Namen einer langweiligen Hotelkette hier. Und zweitens war sie eine Frau. Noch besser: Sie hatte keinerlei Hemmungen, ihre weiblichen Reize einzusetzen, um zu bekommen, was sie wollte. Wozu hatte sie die schließlich? Sie hatte noch nie verstanden, warum so viele Menschen darauf so schockiert reagierten. Wahrscheinlich hatten sie alle so viele Möglichkeiten zur Verfügung, dass sie sich ihr Vorgehen frei aussuchen konnten. Dieser Luxus war ihr jedoch fremd.

Und sie hatte nicht erst groß recherchieren müssen, um zu erfahren, dass Jason Kaoki weiblichen Reizen durchaus zugetan war. Ihre Internetrecherchen hatten das nur noch bestätigt: Tausende von Bildern aus drei Kontinenten zeigten ihn mit schmollmündigen Models am Arm. Ganz zu schweigen davon, dass er den neugierigen Klatschreportern gegenüber immer wieder Kommentare zu seinen Liebschaften fallen ließ.

Und jetzt spürte sie sein Interesse am eigenen Leib. Wie Feuer brannte es auf ihrer Haut, durchdrang sie bis ins Innerste. Sie sah, dass etwas in seinen dunklen Augen aufloderte, dass er die schwarzen Brauen hob. Und dass er seine verboten sinnlichen Lippen zu einem Lächeln hochzog, als er zu ihr hochschaute.

Das konnte sie sich zunutze machen.

Also setzte sie selbst ihr verführerischstes Lächeln auf, strich sich über den Rock, um ihre Hüften zu betonen, und fand es dabei sehr günstig, dass ihre Bluse immerhin ein kleines bisschen durchscheinend war und ihre Brüste erahnen ließ. Ja, sie wollte alle Waffen einsetzen, die ihr zur Verfügung standen, sogar ihren ganzen Körper, wenn nötig.

Lucinda hatte sich fest vorgenommen, erfolgreich von ihrer Reise zurückzukehren. Koste es, was es wolle.

2. KAPITEL

Jason Kaoki starrte die Frau an, die da urplötzlich vor ihm aufgetaucht war. Sie war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet und sah damit aus wie Gevatterin Tod. Als hätte ihn hier, auf dieser Insel, der Geist aller Lebensentwürfe aufgesucht, die für ihn nicht infrage kamen.

Immer wieder hatte er sich gegen diese Lebensstile aufgelehnt.

„Wollen Sie mich jetzt den ganzen Tag anstarren?“, fragte er sie und setzte dabei ein träges Grinsen auf, das er bevorzugt Menschen in Business-Kleidung schenkte. „Interessante Verkaufstechnik, das muss ich zugeben. Aber nicht besonders zielführend.“

Normalerweise schlug sein Grinsen diese Leute sofort in die Flucht, erst recht, wenn er auch noch in diesem bissigen Ton mit ihnen sprach. Jason hatte sich noch nie große Mühe gegeben, seine unangenehmen Seiten vor anderen zu verbergen.

Davon ließ sich diese Frau allerdings nicht beirren. Sie wirkte weder erschrocken noch nervös, und sie machte auch keinerlei Anstalten, sich bei ihm zu entschuldigen, so wie die Besucher vor ihr. Stattdessen stellte sie ihren kleinen Rollkoffer neben der Eingangstür ab, um dann über den Fliesenboden zu ihm herüberzukommen und sich ihm gegenüber auf die tiefgelegte Couch zu setzen.

Da saß sie jetzt so selbstverständlich, als würde das ganze Anwesen ihr gehören und als wäre er ihr Angestellter. Ganz schön dreist! Als Nächstes schlug sie ein wohlgeformtes Bein über das andere, soweit ihr enger Rock das überhaupt zuließ. Diesen Aufzug konnte sie in ihrem sterilen Konzernbüro tragen, das wahrscheinlich einige Tausend Kilometer nördlich von hier lag. Dann faltete sie die blassen, schmalen Hände wie zum Gebet und blickte ihn betont geduldig an, als würde sie ihm gerade einen Gefallen tun.

Eigentlich hätten sich ihm bei ihrem Verhalten die Zehennägel aufrollen müssen, immerhin erinnerte sie ihn damit an die vielen Lehrer und Sozialarbeiter, die vergeblich versucht hatten, einen zivilisierten Menschen aus ihm zu machen. Andererseits wirkte sie so ganz anders als die arroganten Buchhaltertypen, die ihn hier schon aufgesucht und sich eingebildet hatten, sie könnten ihn von oben herab behandeln.

Einer Sache war er sich jedenfalls sicher: Wenn er sie nur von ihren vielen unpassenden schwarzen Stoffschichten befreien könnte, käme darunter bestimmt eine richtig heiße Frau zum Vorschein. Heiß und süß … ein netter, kleiner Leckerbissen für einen unersättlichen Mann. Außerdem hatte sie feuerrotes Haar, und Feuer war sein liebstes Element. Wie gern würde er ihr Haar jetzt aus der viel zu strengen Frisur lösen und mit den Händen hindurchfahren. Und dann wollte er den Duft einatmen, herausfinden, wie es roch, nachdem die Sonne darauf geschienen und der Meereswind es durcheinandergewirbelt hatte. Er wollte das Gesicht in den vollen Locken vergraben und spüren, wie hart er dabei wurde.

Oder so ähnlich …

Ob sie wohl wusste, wie heiß sie war? Das konnte er ihr so schnell nicht ansehen. Falls ja, hatte sie sich etwa absichtlich dieses Trauer-Outfit angezogen? Weil sie meinte, dass sie ihre Reize darunter verstecken konnte?

Weit gefehlt. Ihre prallen, runden Brüste zeichneten sich deutlich unter dem durchscheinenden Blusenstoff ab und würden seine großen Hände perfekt ausfüllen. Für eine Frau war sie ganz schön groß, wenn auch lange nicht so groß wie die Models, zu denen es ihn normalerweise hinzog: Frauen mit endlos langen Beinen, die sie ihm um die Schultern schlangen, während sie fickten. Und obwohl diese Frau ihn gerade ganz schön verkniffen ansah, war ihm die leichte Röte auf ihren hohen Wangenknochen nicht entgangen. Gut, wahrscheinlich hatte die eher mit der Tropensonne als mit ihm zu tun, aber er war sich sicher, dass er sie noch viel intensiver zum Erröten bringen konnte. Auch ihre vollen, weichen Lippen waren ihm gleich aufgefallen. Wenn sie damit seinen prallen Schwanz umschloss … das musste sich grandios anfühlen!

Die Vorstellung gefiel ihm.

Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er sich bei einem Business-Besuch zuletzt so gut amüsiert hatte.

Offenbar hatte man es aufgegeben, ihm einen Langweiler nach dem anderen auf die Insel zu schicken und auf ihn einreden zu lassen, bis er ihn wieder verscheuchte. Bravo! Stattdessen wollte man ihn jetzt mit einem heißen Geschenk aus der Reserve locken. Einem Geschenk, das er auch noch selbst auspacken durfte. Das war sogar noch viel besser als eine Frau, die ganz offensichtlich leicht zu haben war.

Während sie sich weiter anstarrten, breitete sich eine angespannte Stille zwischen ihnen aus, die nur von dem leisen Meeresrauschen durchbrochen wurde.

Jason grinste. Mit der Anspannung konnte er durchaus umgehen. Die Menschen vom Festland hingegen hielten das selten lang aus.

Bei der Frau ihm gegenüber war das nicht anders. Immerhin gelang es ihr, sich ihr kühles, geschäftsmäßiges Lächeln zu bewahren. „Jedenfalls freue ich mich, Sie endlich kennenzulernen, Mr. Kaoki“, sagte sie. Ihr Akzent klang englisch, gleichzeitig schwang aber noch etwas anderes mit, eine Art besondere Würze. Es war ein schönes Gefühl, wie ihre Stimme ihn umfing, seinen ganzen Körper zu streicheln schien – bis hinunter zu seinem Schwanz. Und er hätte nichts dagegen, wenn sie das Gleiche mit ihren Händen tun würde …

„Freut mich, dass ich Sie jetzt auch ohne Termin sprechen kann“, fuhr sie fort. „Obwohl ich mehrfach versucht habe, einen mit Ihnen zu vereinbaren.“ Ihre Stimme klang sogar noch förmlicher, als sie aussah – mal abgesehen von dem etwas rauen Timbre.

Jason hatte schon immer eine Schwäche für wilde, ungezähmte Typen gehabt, die mit seiner Art mithalten konnten. Doch je länger er sich mit dieser unglaublich blassen Frau befasste, die ihr wunderschönes Haar so gnadenlos zu einer strengen Frisur zusammengesteckt hatte, desto stärker wuchs in ihm eine Vermutung: Vielleicht waren diejenigen, die sich darum bemühten, besonders kultiviert aufzutreten, in Wahrheit die wildesten? Eine Frage, der er nur zu gern auf den Grund gehen wollte … und dabei wurde er nicht nur von seinem Schwanz getrieben.

„Mr. Kaoki?“, wiederholte er. „Wer soll denn das bitte sein? Hört sich nach jemandem an, dem man mal einen kräftigen Tritt in den Hintern verpassen sollte. Ich heiße Jason.“

Sie zuckte nicht mit den Wimpern, sondern lächelte ihn weiter höflich an. Das beeindruckte ihn. Allen verweichlichten Männern, die ihm schon nervös und schweißüberströmt in dieser Lobby gegenübergestanden hatten, hatte man spätestens jetzt ansehen können, wie schrecklich unsicher sie sich in seiner Gegenwart fühlten. Die Deppen gingen immer davon aus, einen solch großen, dummen Surfertypen wie ihn locker um den Fingern wickeln zu können … um dann zu ihrer Überraschung festzustellen, dass sie mit ihm doch kein leichtes Spiel hatten.

Nicht so die überkorrekte Rothaarige, die ihm so kerzengerade auf dem Sofa gegenübersaß, als hätte sie die Wirbelsäule an ihrem strengen Haarknoten festgezurrt. „Ich heiße Lucinda Graves“, stellte sie sich vor.

„Graves – wie Gräber. Der Name passt.“

Sie runzelte die Stirn, aber er zuckte nur demonstrativ mit den Schultern. Dabei fiel ihm auf, wie fasziniert sie seinen muskulösen Oberkörper fixierte. „Vielleicht haben Sie vor lauter Jetlag noch nicht mitbekommen, dass Sie sich gerade auf einer Südseeinsel befinden. Hier stecken wir uns ein paar Blumen ins Haar und hüllen uns in Tropenflair, andere Kleidungsstücke kennen wir nicht. Aber Sie sehen aus, als wollten Sie zu einer Beerdigung.“

Und schon wieder lächelte sie, jetzt sogar noch höflicher als vorhin. War das vielleicht ihre persönliche Waffe?

Eigentlich ganz süß, fand er.

„Tut mir leid, wenn Sie sich durch mein professionelles Auftreten angegriffen fühlen“, gab sie kühl zurück. „Ich wollte Ihnen bloß angemessen gegenübertreten – Ihrer Position entsprechend.“

„Es geht Ihnen wohl eher um mein Geld als um meine Position. Wenn ich Ihnen nicht gerade im Weg wäre, würden Sie sich für meine Position nicht weiter interessieren. Und mir auch erst recht nicht angemessen gegenübertreten wollen.“

„Im Gegenteil, Mr. Kaoki. Ich halte Höflichkeit grundsätzlich für sehr wichtig, gerade in schwierigen Situationen.“

Wollte sie ihn damit etwa in seine Schranken weisen? Offenbar schon. Seltsamerweise fand Jason das irgendwie erregend – was auch immer das über ihn aussagte, aber das wollte er nicht weiter analysieren.

Er rutschte ein Stück zur Seite … und spürte dabei deutlich, wie sich sein eigenwilliger Schwanz regte. Geistesabwesend rieb er sich über die Seite, und erneut folgte ihr Blick seiner Bewegung. Sie betrachtete das Tattoo, das er sich hatte stechen lassen, als sein Football-Stipendium bewilligt worden war. Damit er nie seine Wurzeln vergaß.

Jason war sich ziemlich sicher, dass diese Frau nicht viel mit Körperkunst anfangen konnte.

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