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Volltreffer für die Liebe

Sexy, sportlich … Single! Caleb Hart ist der neue Star-Pitcher der "Kilby Catfish" und eigentlich genau Sadies Typ. Doch nachdem ihr fieser Ex überall in der Stadt Lügen über sie verbreitet, steht für Sadie fest: Von den Männern sollte sie besser die Finger lassen! Egal, wie sehr zwischen Caleb und ihr die Funken sprühen. Dumm nur, dass sie gerade an einer Imagekampagne für das häufig für Schlagzeilen sorgende Baseballteam arbeitet - und Caleb dabei ständig in die starken Arme stolpert …

"Dieses Buch ist ein Volltreffer!"

Kirkus Reviews


  • Erscheinungstag: 10.03.2016
  • Aus der Serie: Love Between The Bases
  • Bandnummer: 1
  • Seitenanzahl: 384
  • ISBN/Artikelnummer: 9783956495533
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jennifer Bernard

Volltreffer für die Liebe

Roman

Aus dem Amerikanischen von
Christian Trautmann

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg
Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2016 by MIRA Taschenbuch
in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

All Of Me

Copyright © 2015 by Jennifer Bernard
erschienen bei: Avon Books, New York

Published by arrangement with
Avon Books, an imprint of HarperCollins Publishers, LLC.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln
Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Mareike Müller

Titelabbildung: Thinkstock / Getty Images, München / greyi;
Getty Images, München / Todor Tsvetkor

ISBN eBook 978-3-95649-553-3

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

 

 

 

 

 

 

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

1. KAPITEL

Es war sein erstes Spiel für das Kilby-Catfish-Baseballteam. Prompt gelang es Caleb Hart, einen neuen Minor-League-Rekord aufzustellen. Leider keinen von der guten Sorte.

Bis zur Mitte des vierten Durchgangs hatte Caleb für sieben Runs, fünf Homeruns und drei Walks gesorgt. Außerdem hätte er Steven Hunter, einem Spieler der gegnerischen Mannschaft El Paso Chihuahuas, mit einem schlecht geworfenen Ball fast die Nase gebrochen.

Caleb spürte, wie ihm der Schweiß in Strömen den Rücken hinunterrann. Unter seiner nagelneuen Cap mit dem blauen Catfish-Logo fühlte sein Kopf sich an, als könnte er jeden Moment in Flammen aufgehen. Caleb verließ den Werferhügel und wischte sich mit dem Arm die Stirn ab. Mike Solo, der Fänger, verlangte eine Auszeit. Der Coach lief aufs Spielfeld, und plötzlich umringten Caleb seine neuen Teamkollegen. Offenbar glaubten sie, er brauche ein wenig Unterstützung. Was er aber eigentlich brauchte … nun, das hatte er selbst noch nicht herausgefunden.

„Du kannst den Burschen kriegen“, erklärte der tätowierte First Baseman Sonny Barnes. „Der ist einfach zu dämlich, um den Ball zu treffen.“

Caleb verzichtete darauf, Sonny darauf hinzuweisen, dass er selbst zu dämlich gewesen war, den Ball vernünftig zu werfen.

„Halt sie flach“, sagte Mitch, der Trainer der Werfer, offensichtlich ein echtes Baseballgenie. „Und bring sie über die Platte.“

„Genau, du denkst zu viel nach“, meinte der äußerst redegewandte Shortstop, der aussah, als wäre er zwölf. „Ich hab dich bei den Twins werfen sehen. In drei Spielen hattest du einen Durchschnitt von 2.28 und fünf Strikeouts pro Spiel. Klar, dann kam dieses verrückte vierte Spiel. Was immer du auch tust, denk bloß nicht an das Spiel. Mach das, was du bei den ersten drei Spielen getan hast. Vergiss das vierte. Ist doch kinderleicht.“

Caleb starrte den Typen an und überlegte, wann er zuletzt einen Spieler „kinderleicht“ hatte sagen hören. Nie, soweit er wusste. Und warum musste der Kerl das schlimmste Spiel seines Lebens erwähnen?

Solo, der Einzige im Team, mit dem Caleb schon früher zusammengespielt hatte, grinste und zwinkerte ihm zu. „Genau, ist doch kinderleicht, Großer. Die Einheimischen werden unruhig. Und da wir uns in Texas befinden, sind sie wahrscheinlich bewaffnet.“

Caleb schaute zu den halb gefüllten Tribünen, wo die Menge aus vielleicht dreitausend Unerschütterlichen ein Pfeifkonzert anstimmte. Einen schmerzlichen Moment lang erinnerte er sich an den Lärmpegel in Minneapolis. Dagegen war eine Boeing 747 leise wie ein Moskito. Doch die Twins hatten ihn zu den San Diego Friars geschickt, und die hatten ihn zu ihrem Minor-League-Team in Kilby verfrachtet. Also stand er jetzt hier. Und vermasselte es.

Der Coach ging zurück zum Mannschaftsunterstand, als hätte er alles getan, was er konnte. Caleb wandte sich wütend an die verbliebenen Spieler. „Was ist das hier, ein verdammtes Vorstandsmeeting?“

Baby-Shortstop machte ein beleidigtes Gesicht. „Entschuldige, dass ich dir zu helfen versucht habe, deine Synapsenverbindungen wiederherzustellen.“

Ungläubig starrte Caleb einen anderen Teamkollegen an. „Ist der Kerl immer so?“

„Er hat Gehirnforschung studiert, bevor er zu uns kam“, erklärte Mike Solo.

„Nicht Gehirnforschung, sondern Neurophysiologie“, meldete sich der Shortstop zu Wort, während alle bereits auseinanderliefen, zurück zu den Positionen.

O Mann. Caleb hatte schon gehört, dass das Catfish-Team ein bisschen schräg drauf sein sollte. Bis jetzt schien das eher eine Untertreibung zu sein.

Er begab sich zurück zum Werferhügel und atmete tief die feuchte, nach Gras duftende Luft ein. Es ist nur ein Baseballspiel. Tu so, als wärst du daheim. Dort, wo Baseball einfach nur Spaß gewesen ist und du das Feld beherrscht hast. Jedes Feld.

Solo verlangte einen Fastball, tief und nach außen. Gute Idee, dachte Caleb. Mit einem Wurf nach innen würde er sonst vielleicht noch einen weiteren Spieler verletzen. Wäre kein Wunder, so, wie er neuerdings spielte. Nicht mal seine Changeups funktionierten noch. Dabei war er eigentlich Meister in diesen Würfen mit vorgetäuschter Geschwindigkeit, die den gegnerischen Schlagmann zu einer verfrühten Aktion provozieren sollten. Caleb machte sich bereit, nahm seine Position ein und umfasste den Ball. Dann warf er.

Bumm! Homerun Nummer sechs krachte vom Schläger, laut wie eine Explosion. Vielleicht war es das Geräusch seiner Karriere, die ihm gerade um die Ohren flog.

Nur um sich selbst zu quälen, wirbelte Caleb herum, damit er den Ball weit über sich sehen konnte, wie einen Vogel auf Speed, Richtung rechter Tribüne. Er bemerkte den vorwurfsvollen Blick des Shortstops. Der Schlagmann der gegnerischen Mannschaft umrundete die Bases. Der Kerl sollte ihm eigentlich eine Dankeskarte schicken, so, wie Caleb ihm den Ball serviert hatte, mit allem Drum und Dran.

Jemand hinter ihm räusperte sich. Er drehte sich um und entdeckte Duke, den Manager der Catfish, der die Hand ausstreckte. Offenbar wollte er den Ball. Wollte Caleb vom Feld holen. Doch sosehr Caleb es auch hasste, der gegnerischen Mannschaft Punkte durch einen Homerun zu bescheren – noch mehr hasste er es, den Ball hergeben zu müssen. Wie konnte er das Ruder noch herumreißen, wenn er ausgewechselt wurde?

„Ich versuche, meinen Rhythmus zu finden, Duke“, erklärte Caleb mit leiser Stimme.

„Und wie, findest du, klappt das?“

Sarkasmus. Autsch. „Mein letzter Wurf hatte jedenfalls um die neunzig Meilen pro Stunde drauf.“

„Sicher, der ging flott über den Zaun.“ Duke, ein ehemaliger Ringer mit mächtigem Brustkorb, nannte die Dinge gern beim Namen. „Ich nehme dich raus, bevor deine Statistikkurve der einer texanischen Hitzewelle gleicht. Wir reden nach dem Spiel.“

Caleb fühlte sich sofort elend. In der Minor League bedeutete es entweder richtig gute Neuigkeiten, wenn man nach dem Spiel ins Büro des Managers zitiert wurde – man wurde in ein Team der Major League befördert. Oder aber es warteten schlechte Neuigkeiten auf einen, und Caleb war sich ziemlich sicher, dass er nicht aufsteigen würde.

„Nichts Schlimmes“, versicherte Duke ihm. „Ich will nur mit dir reden.“

Caleb nickte und übergab ihm den Baseball. Es kam ihm vor, als würde er ihm ein Stück seines Herzens überreichen. Er brauchte den Ball, brauchte das Werfen. Seine einzige Chance im Leben würde sich in Luft auflösen, wenn er diesen Ball losließ.

Auf dem Weg zum Unterstand hörte er ein „Hak’s einfach ab“ vom Third Baseman, außerdem Buhrufe von der Tribüne. Sein Ersatzmann, Dan Farrio, rannte aus der Aufwärmzone aufs Feld. Farrio war, theoretisch, sein Rivale um einen Pitcher-Posten bei den Friars. Doch nach dem heutigen Tag war diese Rivalität vermutlich Geschichte.

Aus dem Radio von irgendjemandem ertönte die Stimme des für die Statistiken zuständigen Kokommentators: „Wir schauen gerade in die Geschichtsbücher, doch der einst so hoch gehandelte Caleb Hart hatte möglicherweise den schlimmsten Einstand, den ein Spieler der Minor League je hingelegt hat. Man hätte ihn gleich nach dem zweiten Durchgang auswechseln müssen, doch die Ersatzbank der Catfish sieht zerfleddert aus wie die Schmusedecke meines Kindes. Wenn der Plan war, mit Caleb Hart frischen Schwung in die Pitchertruppe zu bringen, hätte man sich wohl eher für eine Schlaftablette entscheiden sollen. Jede Wette, dass Crush Taylor schon die Zitrone für seinen Drink ausquetscht.“

Bei der Erwähnung des Besitzers der Catfish stöhnte Caleb. Niemand interessierte sich dafür, was die meisten Minor-League-Besitzer dachten, denn die wichtigen Entscheidungen wurden in der Major League getroffen. Allerdings war Crush Taylor eine Legende, ein Werfer, der es in die Hall of Fame geschafft hatte und kurz nach dem Ende seiner Karriere die Catfish gekauft hatte. Ganz zu schweigen davon, dass er Calebs Kindheitsidol war.

Caleb hatte also gerade einen rekordverdächtig grauenhaften Start für das Team hingelegt, das seinem Kindheitsidol gehörte. Und ein Shortstop, der frisch von der Highschool kam, hatte ihm einen Vortrag gehalten. Konnte es noch schlimmer werden?

Er erreichte die Ersatzbank und schnappte sich eine Wasserflasche aus der Kühlbox. Mann, war es heiß heute. Er wollte nur noch unter die Dusche und so schnell wie möglich raus aus diesem Stadion. Aber da es sein erstes Spiel war, sollte er lieber dableiben und sein Team unterstützen. Doch noch ehe er sich auf die Bank sinken lassen konnte, entließ ihn Duke mit einer Kopfbewegung in Richtung Clubhaus.

Die erste Pause an diesem Tag. Caleb beschloss, sich diese Chance nicht entgehen zu lassen, und marschierte aus dem Unterstand. Seine Catfish-Teamkollegen würde er später näher kennenlernen, wenn ihm nicht mehr danach war, irgendwem den Kopf abzureißen.

Sobald er das Labyrinth aus Gängen, die durch das Stadion führten, betreten hatte, löste seine so mühsam aufrechterhaltene Selbstbeherrschung sich auf. Er zerrte sich das verschwitzte Trikot vom Leib, als könnte er damit auch gleich das Gefühl der Niederlage loswerden.

„Verdammt“, stieß er hervor und boxte gegen die Wand. „Reiß dich am Riemen, Hart.“ Normalerweise hielt er seine Emotionen unter Verschluss, aber diesmal … so ein Mist. Wenn er das hier vermasselte, würde er seine Schwester und Brüder im Stich lassen, und die hatten schon genug durchgemacht. Seine ganze Familie verließ sich auf ihn, und er hatte der gegnerischen Mannschaft gerade sechs Homeruns in ungefähr fünf Minuten geschenkt. Seine Frustration kochte über.

„Was zur Hölle ist los mit dir? Du kannst dir keine Scheiße mehr erlauben.“ Als er um die Ecke kam und aufs Clubhaus der Catfish zulief, wäre er beinah mit jemandem zusammengestoßen, der vor der Doppeltür stand und den Eingang bewachte.

Dieser Jemand rammte ihm den Ellbogen in den Magen, sodass ihm die Luft wegblieb. Es war kein harter Stoß, vermutlich nur aus Versehen, aber dennoch nicht das, was ihn für gewöhnlich auf dem Weg unter die Dusche erwartete.

Er rang nach Luft – und um Fassung –, dann schnappte er sich den Angreifer. Eine Frau, eine junge. Noch hatte er sie gar nicht näher betrachten können, doch sie fühlte sich zart und wohlgeformt an.

„Du meine Güte, du solltest besser aufpassen, wohin du läufst.“ Ihre Stimme hatte einen heiseren Beiklang, und dem Akzent nach stammte sie von hier. Hastig befreite sie sich aus seinem Griff und drehte sich zu ihm um. Er musterte sie: dunkle, wachsame Augen und einen nachlässig gebundenen Pferdeschwanz. Caleb war einen Meter fünfundneunzig groß, dennoch überragte er diese Frau nicht so wie die meisten anderen. Er schätzte sie auf mindestens einen Meter fünfundsiebzig, mit einer schlanken Figur sowie langen Armen und Beinen. In der Hand hielt sie eine Mappe, aus der Papiere zu fallen drohten. „Du musst einer dieser verrückten Catfish-Spieler sein.“

„Wie kommst du bloß darauf? Wegen des Trikots oder des übermäßigen Gebrauchs an Kraftausdrücken?“ Er lächelte reumütig bei der Erinnerung an sein Fluchen vorhin. Er hätte wohl warten sollen, bis er im Clubhaus war. Nur hatte er ja nicht damit gerechnet, hier jemandem zu begegnen. Schon gar nicht jemandem wie dieser Frau.

In ihren Augen lag ein Funkeln, und ihre Lippen zuckten. „Tja, es werden wohl die Kraftausdrücke gewesen sein, da ich von einem Trikot nicht mehr viel sehe.“ Sie betrachtete seinen freien Oberkörper. Erst da fiel ihm wieder ein, dass er sein Trikothemd ausgezogen hatte.

„Ja, also … ich musste Dampf ablassen.“

„Dann warst du das, der da so herumgeflucht hat? Ich hatte schon Angst, gleich niedergetrampelt zu werden.“

„Kein Niedertrampeln, versprochen.“

Dem Ausdruck in ihren Augen nach zu urteilen, neckte sie ihn nur. Dennoch wich er vorsichtshalber einen Schritt zurück. Erneut glitt ihr Blick über seine nackte Brust, als könnte sie nicht anders.

„Keine Sorge, ich werde dir auch sonst nicht zu nahe treten. Zu verschwitzt. Aber wenn du warten willst, bis ich geduscht habe …“

Er hatte das hauptsächlich gesagt, um sie auf die Palme zu bringen, denn irgendwie hatte er das Gefühl, es könnte richtig Spaß machen, sie ein bisschen zu ärgern.

Doch ihre Miene veränderte sich, das übermütige Funkeln erlosch. Sie schritt etwas zurück und musterte ihn misstrauisch. „Nein, das will ich nicht. Ich will diese Nachricht überbringen und danach wieder verschwinden. Könntest du mir sagen, wo ich Mr Ellington finde?“

Ellington, das war Dukes Nachname. Die meisten Baseballtypen hatten Spitznamen, allerdings waren nur wenige nach Jazzgrößen benannt. Was wollte diese Frau von Duke?

„Der ist damit beschäftigt, Baseballspieler zu schikanieren. Ich kann dir garantieren, dass er momentan bestimmt nicht gestört werden will.“ Caleb verschränkte die Arme vor der Brust. Ausgezeichnet. Jetzt musterten diese lebhaften dunklen Augen seine Unterarme ebenso wie seinen Oberkörper. Üblicherweise signalisierte eine Frau an diesem Punkt auf irgendeine Art ihre Bereitschaft, intime Zeit mit dem Starpitcher zu verbringen, der eine halbe Million Dollar für seine Unterschrift bei den Twins erhalten hatte.

Aber diese Frau nicht. „Okay. Du willst also schwierig sein, was laut dieser Unterlagen hier wohl auch zu erwarten war.“

Sie tippte auf die Mappe. „Fein. Damit wir vorankommen – was in deinem Fall wohl bedeutet, unter die Dusche und dann zu einem Sixpack und einem Groupie –, gib mir doch einfach einen Tipp, wo Mr Ellingtons Büro sein könnte. Ich werde dort auf ihn warten.“

Oh Mann. Die hatte Haare auf den Zähnen. Er beobachtete ihr Mienenspiel, während sie redete. Sie strahlte mit jeder Faser Lebendigkeit und Bewegung aus. Er schätzte sie auf Anfang zwanzig, und sie hatte etwas von einer Studentin, die überdies anscheinend gern lachte … und redete und Witze riss. Sie trug ein enges weißes T-Shirt, das ihre vollen Brüste umschmiegte, dazu einen geblümten Rock, der knapp über den Knien endete. Vervollständigt wurde das Outfit durch rote Cowboystiefel. Verdammt. Wie sollte er denn roten Cowboystiefeln widerstehen? Diese Dinger gehörten verboten.

Er riss ihr die Akte aus der Hand. „Hast du einen Stift? Du siehst aus wie eine Frau, die einen Kugelschreiber mit sich herumträgt.“

„Was soll das denn heißen? Und ja. Aber nein. Warum?“

„Möchtest du irgendetwas davon näher erklären?“ Er versuchte verstohlen, in die Mappe zu spähen. Das Schreiben darin begann mit den Worten: Wir, die Einwohner von Kilby County …

Sie nahm ihm die Akte wieder weg. „Ja, ich habe einen Stift. Und nein, du kannst nicht auf dieser Petition unterschreiben. Und wieso willst du das überhaupt?“

Er blickte sie gekränkt an. „Ich wollte dir eine Karte zeichnen. Diese Gänge hier können superverwirrend sein. Es ist absolut nachvollziehbar, dass du dich verlaufen hast und plötzlich dort landest, wo die Männer sich ausziehen.“ Er zwinkerte ihr zu und bemerkte, wie Röte in ihre Wangen schoss. Ja, es machte definitiv Spaß, sie auf die Palme zu bringen.

Erst da drangen ihre Worte in sein Gehirn. „Petition? Was für eine Petition?“ Er versuchte die Mappe wieder an sich zu bringen, doch sie hielt sie außerhalb seiner Reichweite. Beinahe hätte er stattdessen ihre Brust erwischt.

Bevor er sich entschuldigen konnte, stieß sie einen verärgerten Laut hervor und wich zurück. „Da, schon wieder. Ihr Catfish-Jungs seid wirklich eine Gefahr für die Gesellschaft. Genau wie es in der Petition steht.“

„Was?“

„Ganz recht.“ Sie wedelte mit der Akte. „Hier steht, dass ihr völlig außer Kontrolle seid.“

Caleb hatte das Gerede über die Catfish auch gehört. Die feierten ein bisschen zu gern und liebten Barschlägereien. Andererseits, sie waren junge Baseballspieler, die sich amüsieren wollten. Was sollte man da schon erwarten? Allerdings war es nicht sein Problem. Er hatte die Absicht, Kilby so schnell wie möglich nur noch im Rückspiegel zu sehen. „Keine Ahnung. Kann auch nicht behaupten, dass es mich interessiert.“

„Dann sind die Geschichten also wahr? Habt ihr Jungs wirklich das Schwimmbad der Gemeinde mit Gummifischen gefüllt? Die Seniorenschwimmgruppe soll einen ziemlichen Schrecken bekommen haben, und man musste einen Krankenwagen rufen.“

Er schnaubte verächtlich.

Traurig schüttelte sie den Kopf. „Die Dinge haben sich gewaltig geändert, seit ich als Kind zu den Spielen gekommen bin. Und ich dachte, es sei hier sicher für ein nettes, zivilisiertes Mädchen wie mich. Nächstes Mal bringe ich einen Bodyguard mit.“

Einen Bodyguard? Jetzt übertrieb sie aber ein bisschen … Er bemerkte ihren belustigten Blick. Ja, er hatte recht gehabt. Sie zog ihn tatsächlich auf.

Ob es an der unglaublichen Frustration der letzten zwei Stunden lag und der ewigen Sorge um seine Familie, oder was sonst auch der Grund sein mochte – in diesem Moment überwältigten ihn seine Emotionen jedenfalls. Mit zwei schnellen Schritten war er bei ihr und baute sich so dicht vor ihr auf, dass sie gegen die Wand gedrängt wurde.

Er beugte sich vor und raunte ihr ins Ohr, wobei seine Lippen fast ihre zarte Haut berührten: „Es gibt nur eine Möglichkeit, herauszufinden, ob die Geschichten wahr sind. Aber du musst es schon wollen. Sehr. Du musst so scharf drauf sein, dass du mir nachläufst und drum bettelst. Dann musst du erst noch beweisen, dass du damit klarkommst. Nimm das in deine Petition mit auf.“

Sie starrte ihn an, mit so geweiteten Pupillen, dass ihre Augen komplett schwarz wirkten, nur mit einem leuchtenden bernsteinfarbenen Rand. Ihre Halsschlagader pulsierte.

Plötzlich war er so hart, dass seine Sicht verschwamm. Wow, dachte Caleb. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Sie war ja nicht einmal sein Typ. Im Gegenteil, sie gehörte zu den Frauen, über die man sich nur aufregen konnte.

Er wich von ihr zurück, als wäre sie eine Handgranate, die jeden Moment explodieren konnte. „Dukes Büro findest du den Gang entlang auf der rechten Seite.“

Er stieß die Tür zum Clubhaus auf und ging auf direktem Weg zu den Duschen. Es würde eine kalte werden müssen.

2. KAPITEL

Nachdem der Baseballspieler verschwunden war – seine Rückansicht hatte sich als genauso aufregend wie die Vorderseite erwiesen –, brauchte Sadie Merritt volle zwei Minuten, bis ihre Atmung sich wieder normalisiert hatte. Du liebe Zeit, war das ein sexy Typ! Nicht nur wegen der Muskeln, obwohl die kaum zu übersehen waren. Einen so wohlgeformten Oberkörper hatte sie noch nie zu Gesicht gekriegt. Aber es lag nicht nur an seinem Äußeren. Es war die Art, wie er redete, die Dinge, die er sagte, und wie er sie angeschaut hatte. Als wollte er ihr gleich hier auf dem Flur die Kleider vom Leib reißen.

Das Beste war jedoch, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, wer sie war. Er kannte den hässlichen Klatsch nicht. Und sie hatte mit ihm geflirtet, in gewisser Hinsicht. Ihn ganz offen angestarrt. Etwas derartig Freches hatte sie nicht mehr getan, seit Hamilton Wade ihren Ruf in ganz Kilby beschädigt hatte. Seitdem mied sie Männer und neckte sie auch nicht. Doch irgendetwas an diesem Catfish-Spieler hatte ihre übermütige Seite zum Vorschein gebracht, die sie eigentlich schon längst für tot gehalten hatte.

Was hatte er wegen des Managerbüros gesagt? Den Gang entlang irgendwo. Sie eilte über den Korridor, der schwach nach schmutzigen Socken roch. Vergiss diesen Spieler, ermahnte sie sich. Hatte sie denn nichts aus ihrer Erfahrung mit Hamilton gelernt? Regel Nummer eins: keine verwöhnten, attraktiven Jungs. Besser noch: keine verwöhnten, attraktiven und sportlichen Jungs. Am vernünftigsten wäre: überhaupt keine Jungs.

Nur war dieser Baseballspieler kein Junge, sondern zu hundert Prozent ein Mann.

Aber das spielte keine Rolle. Wahrscheinlich gehörte er zu diesen Unruhestiftern, die ihre Chefin, die Bürgermeisterin, und den Frauenverein von Kilby so aufgebracht hatten. Sadie war nicht hier, um Baseballspieler anzuschmachten, sondern um ihren Job zu erledigen. Einen Job, den zu haben sie sich äußerst glücklich schätzen konnte. Nach Hamiltons fieser Schmutzkampagne hatte sie niemand mehr einstellen wollen. Deshalb hatte sie verbissen darum kämpfen müssen. Die Sache gut zu machen, bedeutete Sadie viel. Daran hingen ihre Selbstachtung, ihre Vernunft, ihr Stolz … einfach alles.

Entfernt nahm sie den Applaus und gelegentliches Fußgetrampel auf den Tribünen über sich wahr. Als sie eine Tür entdeckte, öffnete sie sie vorsichtig, nur um einen Schwall warmer Luft zu spüren und Männerlachen zu hören. Sie blinzelte im plötzlichen Sonnenlicht, erhaschte einen Blick auf grünem Rasen mit verschwommen erkennbaren weißen und blauen Trikots.

Hoppla, sie musste die falsche Tür erwischt haben. Alle liefen vom Feld, also musste das Match zu Ende sein. Rasch machte sie die Tür wieder zu und rannte beinah in die entgegengesetzte Richtung. Auf keinen Fall wollte sie ein weiteres Mal mit diesem Spieler zusammenstoßen. Diesem halb nackten Muskelprotz. Ärgerlicherweise hatte er gar nicht schlecht gerochen, obwohl er verschwitzt war. Nach sonnenwarmer Haut und geöltem Leder. Er hatte von Zorn aufgeladene Energie ausgestrahlt, eine Art ruheloser Kraft, als wollte er die ganze Welt zurechtschütteln.

Sie fühlte sich ganz genauso.

Endlich fand sie die Tür mit der Aufschrift „Manager“. Sie war nur angelehnt, deshalb klopfte Sadie leise und trat nach einem „Ja“ ein, das ebenso gut das Kläffen eines Chihuahuas hätte sein können.

Der Mann am Schreibtisch sah sie unter dem Schirm einer Catfish-Cap finster an. Hatte eigentlich jeder aus dem Team eine derartig mürrische Haltung? Allerdings hatte dieser Mann, der aussah wie ein aufgedunsener Pitbull, nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem blauäugigen Gott vor der Umkleidekabine.

Genau genommen waren die Augen dieses Adonis eher grau als blau gewesen, als spiegele sich der Himmel in Stahl.

Vergiss ihn. „Hallo, ich bin Sadie Merritt und repräsentiere eine Gruppe von Bürgern, die eine Petition aufgesetzt haben.“

„Ich unterschreibe keine Petitionen.“ Er wedelte mit der Hand und widmete sich wieder den Unterlagen auf seinem Schreibtisch.

Sadie biss die Zähne zusammen. Bürgermeisterin Trent hatte sie nicht hierher geschickt, damit sie sich wie ein lästiges Schulmädchen abwimmeln ließ. „Nun, Sir, Sie würden diese Petition auch kaum unterschreiben wollen. Es sei denn, Sie haben Ihr Team genauso satt wie der Rest von Kilby. Wenn nur die Hälfte der Geschichten stimmt, haben Sie alle Hände voll zu tun. Wie schaffen Sie das bloß? Haben Sie den heutigen Polizeibericht gelesen?“

Ruckartig schaute er auf. „Wovon reden Sie eigentlich?“

Aha. Jetzt hatte sie seine Aufmerksamkeit. „Die Petition. Ich arbeite für die Bürgermeisterin von Kilby, die wegen des Teams sehr besorgt ist.“

„Sagten Sie gerade, Sie arbeiten für die Bürgermeisterin?“, war eine Stimme hinter ihr zu hören. Sadie drehte sich um und erblickte einen Mann Ende vierzig, der in einem Sessel lümmelte, die Beine an den Knöcheln übereinandergeschlagen. Sie erkannte ihn sofort. Crush Taylor, der legendäre Pitcher, Playboy und Besitzer der Catfish. Er wirkte verkatert.

„Ja, ich bin die Assistentin von Bürgermeisterin Wendy Trent.“

Der Manager stand auf. „Lassen Sie mich mal einen Blick darauf werfen. Petition, was? Das Team wird mich umbringen. Wo ist meine verdammte Brille?“

Er wühlte auf dem Schreibtisch herum, bis Crush Taylor schließlich meinte: „In deiner Tasche, Duke.“

Crush richtete sich auf. „Geben Sie mir mal eine Zusammenfassung. Es ist ja nicht so, als könnte dieser Tag noch schlimmer werden. Wissen Sie, was es heißt, mit elf Runs zu verlieren? Und einen Starpitcher zu haben, der bei seinem Einstand einen Rekord aufgestellt hat? Und zwar einen Rekord im Versagen?“

„Nein.“ Sie fragte sich, ob der Baseball-Gott mit dem Wahnsinnshintern der betreffende Starpitcher war.

„Noch mal von vorn. Wer waren Sie gleich?“

„Mein Name ist Sadie Merritt. Ich arbeite für die Bürgermeisterin.“

„Du kennst sie, Duke. Sieht immer aus, als kaue sie auf Eiswürfeln“, entgegnete Crush gähnend.

„Was hat das mit mir zu tun? Ich leite hier ein Baseballteam. Meistens jedenfalls. Heute bin ich mir nicht so sicher, was ich hier eigentlich mache.“

„Vielleicht lese ich Ihnen die Petition einfach mal vor“, erwiderte Sadie, und bevor einer der beiden Männer protestieren konnte, begann sie. „‚Wir, die unterzeichnenden Einwohner von Kilby, sind geschockt und entsetzt über das verwerfliche Verhalten des Pacific-Coast-League-Baseballteams, bekannt unter dem Namen Catfish. Wir fordern die Mitglieder auf, in eine andere Stadt abzuwandern oder ihre Tauglichkeit als Einwohner von Kilby zu beweisen.‘“

Duke hob die Hand. „Kleinen Moment. Sie behaupten, Kilby will uns nicht mehr hierhaben? Das ist Unsinn. Kilby liebt uns.“

„Nicht alle in Kilby.“ Sie wedelte mit dem Papier. „Wir haben Hunderte von Unterschriften.“

„Und ich habe Tausende von Zuschauern, die zu den Spielen kommen. Jedes Unternehmen in der Stadt will einen Werbeabend. Wissen Sie, welcher heute ist?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Der Kilby Fire Department Day. Ein Feuerwehrmann wirft den ersten Ball in voller Montur. Diese Stadt liebt uns. Ach was, das ganze County liebt uns. Kilby ist die kleinste Stadt im Land mit einem Minor-League-Team.“

„Das weiß ich. Vielleicht ist es an der Zeit, in eine größere Stadt umzuziehen, in der renitentes Verhalten nichts …“

Duke zeigte unvermittelt auf eine weiße Tafel in der Ecke des Raumes. „Beim Baseball geht es nur um Zahlen, Miss Merritt. Meine Leute sind hier, um Punkte zu sammeln, die sie nach San Diego bringen. Das Team könnte ebenso gut in einem Kuhkaff in Nebraska spielen. Was zählt, ist die Statistik der Werfer, Schlagmänner, Runs …“

„Ich bin nicht hier, um mit Ihnen zu diskutieren, Mr Ellington.“ Ehrlicherweise fehlten ihr auch die Argumente. Die Petition war lächerlich. Wer liebte nicht Baseball? Sicher, die Kilby Catfish waren ein bisschen wild. Früher war Sadie aber selbst gern zu den Spielen gegangen. Es wäre schade, wenn die Mannschaft wirklich die Stadt verlassen würde. Ihre persönliche Meinung zählte allerdings nicht viel.

Sie wandte sich an Crush Taylor, schließlich war er der Besitzer des Teams. „Ein Teil der Gemeinde ist entsetzt vom Verhalten der Jungs. Wenn den Spielern etwas an ihrem Ruf läge, hätten sie den Mannschaftsbus nicht zu diesem Nacktbadestrand gelotst. Oder sie sollten aufhören, Mannschaftstreffen bei Charlie’s Showgirls abzuhalten. Oder – auch eine Idee – sie sollten am Geburtstag eines Mitspielers nicht einen kompletten Whirlpool mit Bier füllen.“

„St. Vincent“, murmelte Crush Taylor.

„Was?“

„Nick St. Vincent. Der talentierteste junge Spieler, den ich seit dreißig Jahren gesehen habe. Wenn so einer einundzwanzig wird, muss das gebührend gefeiert werden.“

Sie sah den Besitzer an. Er schien nicht besorgt zu sein wegen der Situation, und das fing langsam an, sie zu ärgern.

„Mr Taylor, dies ist eine Petition unter dem Motto ‚Catfish in die Dose‘. Sie sollten das ein bisschen ernster nehmen. Meinen Sie nicht, es wird peinlich für die San Diego Friars, wenn diese Geschichten an die Öffentlichkeit gelangen?“

Catfish in die Dose. Die Worte schienen in dem unordentlichen Raum nachzuhallen. Die beiden Männer starrten sie einen langen Moment an. Dann gluckste wer.

Ein Mann auf dem Flur steckte den Kopf zur Tür herein. Offenbar hatte er gerade geduscht, denn seine leicht zerzausten braunen Haare klebten an seinen Schläfen und hoben ein Gesicht mit markanten Zügen hervor. Ein Gesicht, das auf ein Werbeplakat gehörte. In diesen stahlgrauen Augen lag ein aufgewühlter Ausdruck.

Seine große Hand hielt die Tür fest. Als er Sadie erblickte, traten seine Fingerknöchel weiß hervor.

„Ich kann später wiederkommen“, sagte er und wollte sich zurückziehen.

„Nein“, sagte Crush schnell. Er stand auf und ging gemächlichen Schrittes zur Tür. „Komm rein, Caleb. Duke hat einen Job für dich.“ Der Besitzer schüttelte Sadie die Hand. „Miss Merritt, ich weiß Ihren Besuch zu schätzen. Wir werden an einer Lösung dieses … fürchterlichen Dilemmas arbeiten. Steht Ihre Nummer irgendwo da drauf?“

„Ja, auf dem Pressebericht, der an die Petition geheftet ist.“

„Gut. Ich bin sicher, wir können einen Weg finden, um die Bürgermeisterin zufriedenzustellen.“ Mit eleganter Geste setzte er eine Designer-Pilotenbrille auf und ging, während der Baseballspieler das Büro betrat.

Duke hielt sich den Kopf, als drohe dieser zu explodieren, und biss die Zähne zusammen. „Miss Merritt, würde es Ihnen sehr viel ausmachen, wenn ich mich einen Moment mit meinem Werfer unterhalte? Wir bleiben in Kontakt, versprochen.“

„Selbstverständlich. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit.“ Sie stand auf und schenkte beiden Männern ein strahlendes Lächeln.

Der Baseballspieler – Caleb – hielt ihr die Tür auf, und Sadie tauchte unter seinem Arm hindurch. Sie erschauerte im Vorbeigehen, als umgebe ihn eine Art Kraftfeld. Etwas Elektrisierendes und Verwirrendes … Seufz!

Sie ging zum Parkplatz und hielt Ausschau nach ihrem alten Toyota Corolla. Dann rief sie wie gewünscht Bürgermeisterin Trent an und berichtete, der Auftrag sei ausgeführt worden.

„Haben Sie mit Crush Taylor gesprochen oder nur mit dem Manager?“

„Mit beiden.“ Noch dazu mit dem aufregendsten Mann, dem sie je begegnet war. „Mr Taylor schien nicht allzu besorgt zu sein, meinte aber, sie würden sich melden. Ich tippe mal darauf, dass sie’s tun werden. Ich glaube, ich habe sie aufhorchen lassen. Was soll ich als Nächstes erledigen?“

„Kommen Sie zurück. Die Typen haben die Botschaft erhalten, und mehr wollte ich nicht. Wenn wir dieses Team nur ein kleines bisschen bessern können, haben wir gute Arbeit geleistet.“ Der missionarische Unterton in der Stimme der Bürgermeisterin veranlasste Sadie, auf ihrer Unterlippe zu kauen. Das Team bessern? Die testosterongeladenen Männer in diesem Büro hatten nicht ausgesehen, als könnte man sie großartig ändern.

Doch Bürgermeisterin Trent hatte sie nicht engagiert, damit sie ihr widersprach.

Caleb nahm widerstrebend in dem Sessel Platz, den gerade die junge Frau in den roten Cowboystiefeln geräumt hatte. Die Sitzfläche war noch ein wenig warm, und er verdrängte die Bilder in seinem Kopf von ihrem schlanken, anmutigen Körper.

„Bevor du irgendetwas sagst – ich habe bereits mit Mitch gesprochen. Ich werde ein paar Würfe machen, damit er sich meine Technik anschauen kann.“

„Es hat nichts mit deiner Technik zu tun“, erklärte Duke rundheraus.

„Ich glaube, ich werfe einen Tick zu sehr über meinen Körper.“

„Das ist es nicht.“

Caleb presste den Handballen gegen die Stirn. „Es ist, als würde ein Fluch auf mir lasten“, murmelte er. „Mehr fällt mir dazu nicht ein. An einem Tag werfe ich wie ein Weltmeister, das nächste Mal, als wären die Bälle Flipperkugeln. In dem Spiel in der letzten Saison …“

„Wir reden hier nicht über die letzte Saison. Daran ist nichts mehr zu ändern. Weißt du, was ich dachte, als man mir gesagt hat, dass du hierher versetzt wirst?“

„Wie kann ich aus meinem Vertrag herauskommen?“

Duke lachte rau. „Zur Hölle, nein, du machst mir keine Angst. Wie lange kenne ich dich schon?“

„Fünf, sechs Jahre.“ Duke war Calebs erster Manager gewesen bei seinem Start in der Minor League. Damals war Caleb wie ein Flammenwerfer gewesen, ohne jede Kontrolle und geradezu blutrünstig.

„Ich habe immer gewusst, dass du ein sehr spezieller Spieler bist. Und deine Familiensituation … Nun, die sitzt dir im Nacken.“

„Willst du mir damit etwas sagen?“ Caleb hatte keine Lust, über seine Familie zu reden. Duke wusste über seinen Vater Bescheid, denn Caleb hatte um einen Vorschuss bitten müssen, als die Zwillinge sich beim Ninjaspielen auf dem Dach jeweils ein Bein gebrochen hatten. Niemand sonst kannte das Familiengeheimnis, und dabei wollte Caleb es auch belassen.

„Du wirfst immer, als hinge dein Leben davon ab. Was immer dich auch damals angetrieben hat, es funktionierte. Aber irgendetwas hat sich in deinem Kopf geändert. Ich weiß nicht, was es ist. Aber eines weiß ich genau: Wenn du den Grund nicht herausfindest, kannst du San Diego vergessen. Dann kannst du sogar die Regionalliga in Wichisaukee vergessen. Vielleicht brauchst du es nicht mehr. Vielleicht bist du fertig mit Baseball und willst jetzt lieber Autorennen fahren oder so was.“

Caleb sprang auf. Bei einem derartigen Blödsinn konnte er keine Sekunde länger stillsitzen. „Ich bin nicht fertig mit Baseball.“ Schon allein bei dem Gedanken fühlte er sich elend. „Ich kriege es in den Griff, Duke. Es ist ein neues Team, eine neue Liga. Wart’s ab, es wird bald besser.“

Duke schob sich einen riesigen Kaugummi in den Mund, der seine Wange ausbeulte. „Gibt es nichts, was du mir über dein Privatleben erzählen möchtest? Etwas, das ein bisschen Aufschluss gibt?“

„Nein, absolut nichts.“

Zumindest nichts, was er jemals mit seinem Manager oder sonst jemandem vom Team besprechen würde.

Duke musterte ihn skeptisch. „Na schön. Wir werden sehen, wie es läuft. Ich lasse dich in der Aufstellung. Arbeite mit Mitch. Und ruf diese Frau hier an.“ Er schob die Petition über den Schreibtisch. „Wenn du nicht der Starpitcher bist, der du eigentlich sein sollst, kannst du wenigstens ein bisschen PR für das Team machen.“

„Aus welchem Grund soll ich sie anrufen?“

„Lass dir was einfallen. Da ist ein Haufen Ladies, die sich wegen des rüpelhaften Verhaltens der Jungs aufregen. Lass deinen Charme spielen, nutz dein Lächeln. Oder denk dir irgendein Wohltätigkeitsding aus, das sie glücklich macht.“

„Nein.“

„Das wird dich auf andere Gedanken bringen. Vielleicht grübelst du hier zu viel.“

„Damit vergeude ich doch nur meine Zeit“, argumentierte Caleb.

„Möchtest du in der Aufstellung bleiben?“

„Ja.“

„Dann machst du das.“

Tja, dachte Caleb. Wenn Duke ihn zu lange aus der Stammbesetzung nahm, würde das garantiert Probleme geben. Und zwar nicht zu knapp. Sein Vertrag sah vor, dass er Punkte machte. Außerdem wollte er keinen Krach mit Duke, der ihm von allen Managern, die er gehabt hatte, am liebsten war.

„Ich werde mir etwas überlegen“, versprach er und zwinkerte, um die Atmosphäre aufzulockern. „Aber nicht zu viel drüber nachgrübeln.“

3. KAPITEL

Als jemand, der sein Leben in Kilby verbracht hatte, wusste Sadie um die Vor- und Nachteile dieser Stadt. Zu den Pluspunkten zählte, dass es sich um einen reizenden, familienfreundlichen Ort handelte, der für seine Häuser im spanischen Kolonialstil und die vielen Parks bekannt war. Kilby war aus einer Ranch entstanden, die den Wades Ende des neunzehnten Jahrhunderts gehört hatte. Das brachte Sadie auch gleich zu den schlimmsten Seiten der Stadt. Die Wades benahmen sich, als gehörte der Ort ihnen. Wilder Klatsch kursierte, und bei allem, was sich tat, hatten die Wades ihre Finger mit im Spiel.

Das betraf auch Sadie Merritt, die es gewagt hatte, einem Mitglied der Wades den Laufpass zu geben. Nach der Trennung streuten Hamilton und die anderen Wades hässliche Gerüchte über sie, posteten private Dinge auf Facebook und überzeugten die ganze Gemeinde davon, dass sie eine herzlose, hinterhältige Schlampe war.

Und dann kam die ultimative Demütigung – das Geburtstagssexvideo.

In den Wochen vor Hamiltons einundzwanzigstem Geburtstag hatte er Sadie ständig angebettelt, für ihn zu strippen. Mit echter Stripperkleidung und Musik. Also gab sie ihr Bestes und tanzte zu „Don’t You Wish Your Girlfriend Was Hot Like Me“, mit nichts außer einem String bekleidet – obwohl sie beides hasste, den Song und Strings. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass Hamilton eine Kamera versteckt und alles aufgenommen hatte. Einschließlich dem, was nach dem Striptease kam. Zum Glück zeigte das Video nicht alles. Es endete, als Sadie nackt im Bett lag und wie ein Möchtegernpornosternchen posierte, während Hamiltons nackter Quarterback-Hintern sich durchs Bild bewegte. Allerdings konnte man sich gut ausmalen, was als Nächstes passierte. In dem Video wirkte sie billig und nuttig, außerdem bewegte sie sich peinlich unkoordiniert.

Sie wusste nicht einmal von der Existenz dieses Films, bis er durch E-Mails überall in der Stadt auftauchte und jemand sie darauf aufmerksam machte. Warum sollte irgendwer glauben, dass sie so etwas normalerweise nicht tat? Dass es sich um eine einmalige Sache gehandelt hatte, den Versuch, ihren Freund zufriedenzustellen, ohne zu wissen, dass alles gefilmt wurde? Besonders da Hamilton mit der „S****y Sadie“-Facebook-Seite beschäftigt war, auf der jede Menge peinlicher Fotos und schmutzige Posts zu sehen waren. Gedemütigt bis aufs Blut hatte Sadie sich einen Monat lang nicht mehr aus dem Haus getraut, aus Angst vor den spöttischen Blicken ihrer früheren Freunde.

Ihre Mutter, die schon einige Jahre knapp an einer Depression vorbeigeschrammt war, hatte sich von ihrem Job bei Kroger krankschreiben lassen. Sadie war wieder nach Hause gezogen, um sich um sie zu kümmern. In anderen Worten: Sie hatte sich bemüht, ihrer Mom über die Weinkrämpfe wegen der Kaltschnäuzigkeit der Männer hinwegzuhelfen. Nur eine Kombination aus Humor und Hartnäckigkeit – und die Tatsache, dass sie dringend einen Job brauchte – hatte Sadie aus dem Tief geholt.

Es hatte sie über ein Jahr gekostet, diesen Posten als Assistentin der Bürgermeisterin zu ergattern. Wendy Trent, eine Schulfreundin von Sadies Mutter, war mit dem Versprechen gewählt worden, dass Kilby sich grundlegend ändern würde, während zugleich der Charakter der Stadt erhalten blieb. Sadie stand zu hundert Prozent hinter der Sache mit der grundlegenden Änderung.

Als sie zurück war in ihrem winzigen Büroabteil in der Kilby City Hall, dem Rathaus mit dem kunstvollen Glockenturm, schlug die Uhr fünf. Bürgermeisterin Trent befand sich in ihrem Büro, bei geschlossener Tür. Sadie sank auf ihren Platz und zog die Flasche Eistee und das Thunfischsandwich hervor, die sie beim 7-Eleven gekauft hatte. Sie biss ab, loggte sich in ihren Computer ein und überflog die E-Mails, die sie bekommen hatte. Die üblichen Bitten um Termine bei der Bürgermeisterin, Klagen über Schlaglöcher in den Straßen und Einladungen zu Wohltätigkeitsveranstaltungen.

Sadie liebte ihre Arbeit für die Bürgermeisterin, obwohl der Job eher simpel war – Anrufe entgegennehmen, Akten anlegen, Terminkalender verwalten. Bürgermeisterin Trent übertrug ihr allerdings auch seit Kurzem mehr Verantwortung, wie zum Beispiel die Herausgabe von Pressemitteilungen und die Leitung von Meetings. Jeden Morgen wachte Sadie auf und war entschlossen, sich zu bewähren und den Skandal hinter sich zu lassen. Indem sie ihr eine Chance gab, hatte Bürgermeisterin Trent ihre bedingungslose Loyalität gewonnen.

Sadie erinnerte sich noch genau daran, wie ihr Herz gepocht hatte, als die Bürgermeisterin, ernst und blond wie eine norwegische Eiskönigin, schweigend ihren Lebenslauf gelesen hatte, während Sadie im „Bittstellersessel“ saß, wie sie ihn bei sich nannte. Der Sessel war ein Stück niedriger als der der Chefin, sodass man zu ihr aufsehen musste. „Ich sollte Sie für diesen Job nicht einmal in Erwägung ziehen“, hatte die Bürgermeisterin verkündet. „Sie können sich vielleicht vorstellen, welchen Wirbel das auslösen wird, wenn ich Sie einstelle.“

„Ja, das weiß ich, Ma’am. Aber Ihre Wahlkampagne hatte das Motto ‚Neuanfang‘, oder? Mehr will ich nicht. Einen Neuanfang. Eine zweite Chance. Ich habe einen Fehler begangen, als ich mich mit Hamilton Wade einließ. Doch verdient nicht jeder eine zweite Chance?“

„Nicht, wenn es nach den Wades geht. Diese Familie kann wirklich sehr nachtragend sein.“

„Das stimmt leider“, sagte Sadie zerknirscht. „Niemand will sich mit ihnen anlegen. Sie sind zu mächtig. Ich habe meinen Collegeabschluss gemacht, mit Auszeichnung, und seitdem habe ich genau ein Jobangebot bekommen. Bei Charlie’s Showgirls. Die mögen Skandale.“ Die Mundwinkel der Bürgermeisterin zuckten. Sadie setzte rasch hinzu: „Ich tue das natürlich nicht. Ich hasse Skandale. Alles, was ich mir wünsche, ist, einen Job zu finden, der mir Spaß macht, und mich ansonsten bedeckt zu halten und zu arbeiten. Falls ich diesen Posten bekomme, werde ich mit Herz und Seele dabei sein …“

„Nun …“ Die Bürgermeisterin neigte den Kopf. Ihre makellosen Wangenknochen wirkten im Licht wie aus Marmor gemeißelt. „Einverstanden. Ich werde Sie einstellen. Ich verachte die Art und Weise, wie die Wades mit der Situation umgehen. Es ist eine Schande. Außerdem sind Ihre Mutter und ich alte Freundinnen. Allerdings möchte ich tatsächlich, dass Sie sich im Hintergrund halten. Ihr Benehmen muss tadellos sein. Wir dürfen ihnen keine Munition liefern.“

„Das werde ich nicht“, versicherte Sadie ihr entschlossen. Nach dem Trauma, die berüchtigtste Frau in Kilby zu sein, wollte sie nie wieder im Rampenlicht stehen. „Ich schwöre, ich werde die beste Assistentin sein, die Sie je hatten.“

„Nun, Sie werden auf jeden Fall die interessanteste sein.“ Endlich huschte der Anflug eines Lächelns über die perfekt geschminkten Lippen der Bürgermeisterin.

Ja! Sie hatte den Job! Diese Tatsache machte Sadie auch sechs Monate später noch ganz euphorisch.

Der rote Knopf an ihrem Telefon leuchtete auf und riss sie aus ihren Gedanken. Hastig legte sie ihr Sandwich weg, von dem sie gerade erst zweimal abgebissen hatte. Bürgermeisterin Trent brauchte sie. Rasch wischte sie sich die Krümel von den Händen, trank einen Schluck Eistee, damit ihr Atem nicht nach Thunfisch roch, schnappte sich ihren Notizblock und ging ins Büro ihrer Chefin.

Sie verspürte ein flaues Gefühl im Magen, als sie erkannte, wer im „Bittstellersessel“ saß. Brett Carlisle, ein berüchtigter Highschool-Kiffer, ein Typ, der wilde Partys mit Hamilton und seinen Freunden gefeiert hatte. Was, wenn Brett hier war, um schlecht über sie zu reden oder sie zu demütigen? Hamilton war sehr kreativ, wenn es um Rachetaktiken ging. Einmal hatte er ihr einen Schinken der Marke Marie Callender’s Honey-Glazed Ham geschickt und anschließend ein Bild bei Facebook gepostet mit der Unterschrift: „Die nuttige Sadie will ein bisschen Ham lutschen.“

Sie bedachte Brett mit einem kühlen Blick, nickte zur Begrüßung kurz und setzte sich, bereit, sich Notizen zu machen.

„Sadie, dies ist der Leiter von Kilbys neuer Kampagne ‚Rettet unsere Schnecken‘“, erklärte die Bürgermeisterin freundlich. „Die Gruppe kümmert sich um den Erhalt der Zehenhornschnecke.“

Sadie kaschierte ihr unfreiwilliges Lachen hinter einem Hüsteln. „Nicht schlecht“, murmelte sie vor sich hin.

„Wie bitte?“ Der Bürgermeisterin entglitt ihr Lächeln.

„Ich sagte, das ist ein sehr gutes Anliegen“, korrigierte sich Sadie schnell. „Ich würde liebend gern mehr darüber erfahren.“

Sie warf Brett einen misstrauischen Blick zu, aber er machte ein völlig unschuldiges Gesicht. Zu unschuldig? Furcht breitete sich in ihr aus. Wann würde Hamilton seine dämlichen Racheaktionen endlich einstellen?

„In der Gegend um Kilby findet sich eines der wenigen noch verbliebenen Populationszentren der Zehenhornschnecke“, fuhr die Bürgermeisterin fort. „Orte wie Lake McGee und der Kilby River sind essenziell für ihr Überleben. Für viele Einwohner von Kilby sind die Schnecken so etwas wie ein kultiges Wahrzeichen. Es passt also perfekt zu meinem Wahlversprechen, die traditionelle Lebensart Kilbys zu bewahren. Und nicht nur das – meine Nichte Katie hat ihr Biologiereferat über die Zehenhornschnecke geschrieben. Ich beabsichtige, diesen Bemühungen die volle Unterstützung der Stadtverwaltung zuzusichern.“

Sadie hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. „Aber was ist mit der Gruppe, die sich für bessere humane Versorgung der Flüchtlinge entlang der Grenze einsetzt? Oder dem gesunden Schulessen …?“

„Keine Diskussion. Mir gefällt dieses Projekt. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass Zehenhornschnecken zu einem brisanten Thema werden. Sie kommen hier vor, sie sind harmlos, und sie sind langweilig. Win-win-win.“

„Tja, dann sind das wohl großartige Neuigkeiten“, sagte Sadie mit ihrem allerbesten falschen Lächeln. „Vielleicht kann ich Brett ein paar Fragen stellen, bevor er geht.“

Brett hob die Hände. „Ich gehöre ganz dir.“

Diese zweideutig interpretierbare Bemerkung hätte bei Sadie fast einen Würgereiz ausgelöst. Wenn es sich wirklich um eine neue Hamilton-Aktion handelte, war er endgültig zu weit gegangen.

„Ja, setzen Sie sich zusammen und tauschen Sie Ideen aus“, ermutigte Bürgermeisterin Trent sie. „Ich bin heute zum Abendessen in der Elk Lodge, aber nächste Woche würde ich gern Ihren Bericht hören.“

Mit einem Kopfnicken entließ sie die beiden.

Sobald sich die Tür des Büros hinter Sadie und Brett geschlossen hatte, fuhr sie ihn an: „Ich hoffe, das ist echt. Falls nicht, solltest du lieber schnell anfangen, dich um gefährdete Schnecken zu kümmern.“

„Babe, Babe …“ Er legte ihr die Hand auf die Schulter, doch Sadie schüttelte sie ab. Lieber würde sie sich erschießen, als sich von jemandem, der mit Hamilton in Verbindung stand, berühren zu lassen. „Es ist echt, klar? Siehst du?“ Er zupfte an seinem T-Shirt, auf dem, wie sie erst jetzt bemerkte, in großen orangen Buchstaben ein „SOS“ prangte und darunter eine Art Schneckenbild.

„Seit wann kümmern die Schnecken dich?“

„Am See hab ich ein paar Pilze konsumiert und hatte eine Vision. Die Schnecken haben mir etwas vorgesungen und mich um Hilfe angefleht. Sie meinten, ich sei der Erwählte.“

„Der Erwählte der Schnecken?“

Er zuckte die Schultern. „Man kann nicht davonlaufen, wenn man berufen wird.“

„Soll das ein Witz sein? Steckt Hamilton dahinter?“ Das ungute Gefühl war immer noch da – genau genommen, fühlte Sadie sich seit der Trennung ständig so.

„Ham? Nee. Mit dem habe ich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gefeiert.“

Nach wie vor misstrauisch, betrachtete sie Bretts freundliches, offenes Gesicht. Im Grunde hatte er nie zum engeren Kreis um Hamilton gehört. Er war eher ein Mitläufer, weil es im Dunstkreis Hamiltons immer Gras und Geld gab.

„Okay, dann glaube ich dir mal. Lass uns einen Termin für die nächsten Tage vereinbaren.“

„Wow, wie du dich anhörst. Voll professionell. Klar, vereinbaren wir einen Termin. Ach, und Sadie …“ Er stieß sie an und flüsterte ihr ins Ohr: „Wenn du jemals das machen willst, wovon Hamilton meinte, dass du es gern tust … du weißt schon, das mit dem Schokoladensirup und dem Ablecken …“

Sie stieß ihn weg. „Hamilton ist ein mieser Lügner. Alles, was er von sich gegeben hat, ist eine Lüge. Wieso begreift das niemand?“ Sie ließ ihn stehen und ging zurück an ihren Schreibtisch. Sie wollte nicht, dass er sah, wie aufgebracht sie war.

„Na schön.“ Brett folgte ihr. „Juckt mich nicht weiter. Ich gehöre nicht mehr zu dieser Szene. Ich habe vor einem Jahr das Rauchen aufgegeben. Das mit den Schnecken ist mir echt wichtig, Sadie. Ich weiß, es hört sich anders an, aber ich habe hart daran gearbeitet, diese Truppe zusammenzubekommen. Wir versuchen, die Zehenhornschnecke auf die Liste der geschützten Tierarten setzen zu lassen. Und wir sind echt nah dran. Je mehr positive Aufmerksamkeit wir für das Thema wecken, desto besser stehen unsere Chancen.“

„Gut.“ Möglicherweise wusste er ja tatsächlich, wovon er redete. Brüsk nahm sie ihren Terminkalender. „Wie wäre es am Donnerstag?“

Nachdem Brett fort war, ging Sadie eilig den Flur entlang zur Toilette, die glücklicherweise leer war. Mit zitternden Händen drehte sie am Waschbecken den Hahn auf, ließ das Wasser laufen und atmete mehrmals tief durch. Mit diesem Trick hatte sie die schlimmsten Momente des Hamilton-Desasters überstanden. Das Geräusch des fließenden Wassers beruhigte sie, und indem sie sich die Hände wusch, fühlte sie sich weniger schmutzig.

Sie wehrte sich dagegen, dass Hamilton und seine Freunde sie derartig aus der Fassung bringen konnten.

„Es ist in Ordnung“, sagte sie leise zu ihrem Spiegelbild. „Ich bin in Ordnung. Dieser Vollidiot kann mir nicht noch mehr wehtun, als er es ohnehin schon getan hat.“ In Wahrheit wusste sie natürlich nicht, ob das stimmte. Aber es klang gut. Ihre Augen waren geweitet und voller Besorgnis. Auf ihren Wangenknochen waren ein paar Mascaraspuren zu sehen. Einen verrückten Moment lang fragte Sadie sich, ob sie auch während ihres Gesprächs mit Caleb Hart so zerzaust ausgesehen hatte.

Und wenn, wieso sollte ihn das kümmern? Und wieso sollte es sie interessieren, ob es ihn kümmerte? Denn eine Sache wusste sie genau: Reiche, verwöhnte Sportler waren das reinste Gift. Hamilton war Quarterback auf der Highschool gewesen und entstammte einer der reichsten Familien in der Stadt. Nie mehr. Nie mehr. Auch wenn Caleb ihr das Gefühl gab, wieder lebendig zu sein. Kribbelnd lebendig. Als wäre sie in dem Augenblick, in dem sie mit ihm zusammengestoßen war, aus einem Koma erwacht.

Vergiss ihn.

Ihr Telefon klingelte. Sie trocknete sich die Hände ab und meldete sich.

„He, Süße. Ich muss hier raus. Was hast du heute Abend vor?“ Donna MacIntyre, die einzige Freundin, die nach dem Skandal weiter zu ihr gehalten hatte, arbeitete als Kindermädchen für eine reiche Familie, bei der sie auch wohnte. Ihr stand ein freier Abend pro Woche zu, und den nutzte sie, so gut sie konnte.

„Was ich immer mache.“

„Du kannst dich nicht ewig in deinem kleinen Büroabteil verstecken.“

„Bist du dir da sicher?“

„Ich hole dich um acht ab. Wir gehen aus. Hast du es schon vergessen? Heute ist mein Geburtstag.“

Sadie schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. „O Mist!

Tut mir schrecklich leid, Donna.“

„Allerdings, es ist mein Geburtstag, und heute Abend lasse ich es krachen. Dafür brauche ich Beistand.“

„N…“ Das Nein lag ihr schon auf der Zunge, doch Sadie verkniff es sich. Sie hatte Donna so viel zu verdanken. Ohne sie hätte sie keinen einzigen Freund in der schlimmsten Zeit ihres Lebens gehabt. „Na schön. Ich muss erst nach Hause und mich umziehen, und dann muss ich noch nach meiner Mom schauen.“

„Ich habe ein Kleid für dich. Es ist ein Geburtstagsgeschenk von mir für dich.“

Sadie fühlte sich noch schuldiger. „Ein Geschenk? Ich habe nicht …“

„Du kannst mir einen Drink spendieren. Oder mehrere. Und du kannst Spaß haben. Verdammt, Süße. Du bist jung und verrückt. Also zeig es doch mal. Ich habe es satt, dass du dich verkriechst, als müsstest du dich wegen irgendetwas schämen. Das ist nicht der Fall, Sadie. Lass die Leute doch reden. Scheiß auf sie.“

„Wie viele Drinks hattest du bereits?“

„Einen kleinen Schluck von Mr Gilberts Whiskey, das ist alles. Es hat eine Million Stunden gedauert, den Hai zum Schlafen zu bringen.“

Donna nannte ihren acht Monate alten Schützling „den Hai“, weil sie seinetwegen ständig in Bewegung war.

Sadie seufzte. „Ich hole dich ab. Also bis acht.“

„Oder ein bisschen früher.“

Zurück an ihrem Schreibtisch, rief Sadie ihre Mom an, um ihr mitzuteilen, dass sie spät nach Hause kommen würde. Der verschlafenen Stimme nach zu urteilen, war ihre Mutter dabei, über einem Krimihörbuch einzudösen. Wenn sie keine Medikamente nahm, fand ihre Mom das Leben sehr anstrengend und schlief bei jeder Gelegenheit ein. Als der Hamilton-Kampf seinen Höhepunkt erreichte, hatte sie sich sogar geweigert, ans Telefon zu gehen. Stattdessen hatte sie sich die gesamte Stephanie-Plum-Serie auf CD angehört. „Na gut, Süße. Pass auf dich auf.“

„Mache ich.“

„Das meine ich ernst, Sadie. Halte dich an deine Freundinnen. Traue keinem von diesen Jungs.“

„Ich denke, ich habe meine Lektion gelernt. Schlaf ein bisschen, Mom. Und vergiss nicht zu essen. Ich habe dir Spaghetti in den Kühlschrank gestellt.“

Ihre Mutter gähnte. „Du solltest dir deshalb keine Sorgen machen. In meinem Alter ist eine Mahlzeit am Tag mehr als genug.“ Nachdem sie aufgelegt hatte, stieß Sadie einen tiefen Seufzer aus und fragte sich, ob sie ihre Verabredung mit Donna absagen und stattdessen ihre Mutter mit ein paar Fritten füttern sollte.

Sie stützte das Kinn in die Hand. Die Sache mit ihrer Mom war so verdammt traurig. Brenda Merritt hatte schon immer Angst vor Männern gehabt – wahrscheinlich weil sie von einem verheirateten Pharmazievertreter geschwängert worden war, der bequemerweise irgendwo auf Reisen seinen Ring verloren hatte. Ihr ganzes Leben lang war Sadie vor dem männlichen Geschlecht gewarnt worden. Das Hamilton-Desaster hatte das noch verstärkt. Ihre Mutter hatte Sadie nie die Schuld an dem Fiasko gegeben, sondern Hamilton, weshalb Sadie sich komisch vorkam. Sie war nicht gerade scharf darauf, zum Club der Frauen zu gehören, die auf einen Mann hereingefallen waren.

Bürgermeisterin Trent kam aus ihrem Büro in einem schwarzen Kleid und mit dezentem Perlenschmuck. Die Frisur saß filmreif. Mit der Aktentasche in der einen Hand und dem Schirm in der anderen, sah sie genauso aus, wie Sadie gern gewesen wäre: cool, souverän, unnahbar – die Herrscherin über ihr Universum.

„Schönen Feierabend, Sadie. Danke für Ihre harte Arbeit.“

Um ein Haar hätte Sadie sich vor ihr verbeugt wie vor einer Göttin. Als ehemalige Miss Texas und erster weiblicher Bürgermeister von Kilby gehörte Wendy Trent zu den Frauen, die Sadie stets aus der Distanz bewundert hatte. Sie wirkte so überlegen in allen Dingen, ganz anders als ihre Mutter.

„Ich kann es noch besser“, erwiderte Sadie eifrig. „Falls Sie noch andere Projekte haben, um die ich mich kümmern soll, ich habe Zeit …“

„Danke, aber jeder braucht mal ein bisschen Privatleben. Das gilt auch für Sie. Wir sehen uns dann morgen.“

Sadie schluckte ihren Protest herunter und schwor sich stattdessen zum x-ten Mal, zu beweisen, dass sie die unglaubliche Chance verdient hatte, die die Bürgermeisterin ihr gegeben hatte.

Auf seinem Rückweg vom Baseballplatz erledigte Caleb seinen täglichen Anruf zu Hause. Teddy, der eine seiner beiden dreizehnjährigen Brüder – Zwillinge – meldete sich. „Hast du’s ihnen gezeigt?“

„Nächste Frage.“

Das war der Code für ein Spiel, über das er nicht sprechen wollte. Seine Brüder und Schwester kannten das, weshalb Teddy sofort mit einer ausführlichen Erklärung begann, wieso sein Karatelehrer früher mal ein Attentäter gewesen sein musste. „Er hat ein Tattoo auf dem Oberkörper, wie eine Zielscheibe. Wer sonst hätte wohl so was?“

Calebs Anspannung ließ nach, während Teddy munter weiterplauderte. Außerhalb der Saison kümmerte Caleb sich um die beiden Kleinen, und seine Schwester Tessa besuchte das College. Während der Baseballsaison übernahm dann Tessa das Ruder. Das System funktionierte, doch Caleb vermisste alle schrecklich, wenn er nicht in Plano war.

„Meinst du nicht, ein Attentäter hätte genug Geld, um keine idiotischen Vorstadtkinder trainieren zu müssen?“, wandte er ein, als Teddy endlich eine Pause machte.

„Ich glaube, er sucht einen Nachfolger“, erklärte Teddy in vertraulichem Ton.

Caleb lachte den ganzen Weg bis zur Tür seiner Mietwohnung. „Bin zu Hause angekommen. Muss Schluss machen.“

„Hast du ihn schon gesehen?“

Caleb musste nicht erst fragen, wen Teddy meinte. Bis vor zwei Wochen war ihr Vater, Thurston „Bingo“ Hartwell, Insasse Nummer 14-893 im Gefängnis mit geringer Sicherheitsstufe in Three Rivers gewesen, wo er eine Strafe wegen Betrugs absaß. Jetzt war er Calebs neuer Mitbewohner. „Natürlich habe ich ihn gesehen. Er wohnt bei mir.“

„Hat er, na ja, Messer und so’n Zeug?“

„Lass das. Rede nicht so. Wir sprechen uns später wieder, Kumpel.“

Er stand einen langen Moment vor seiner Tür, um den Willen aufzubringen, hineinzugehen. Bingo hatte sie alle betrogen und ihr Leben durcheinandergebracht. Trotzdem hatte Caleb sich genötigt gefühlt, Bingo nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis eine Bleibe anzubieten. Da er jedoch schon beim bloßen Anblick seines Exbetrüger-Vaters die Luft anhalten musste, war dies nicht gerade die harmonischste Wohnsituation.

Bingo musste den Wagen in der Auffahrt gehört haben; er erwartete seinen Sohn bereits mit einem Eisbeutel. Beim Anblick seines erwartungsvollen Gesichts wollte Caleb sich am liebsten übergeben.

„Ich habe mich schon im Clubhaus gekühlt.“

„Ja, klar.“ Bingo legte sich den Eisbeutel über die Schulter und schob die Hände in die Taschen seiner Chinos. Mit seinem blauen Button-down-Hemd, dem breiten Ledergürtel und dem teuren Haarschnitt hätte er einen Forbes-Magazine-Artikel mit dem Titel „Stilvoll zur Ruhe setzen“ illustrieren können. Caleb war es zuwider, dass Bingo nach sechs Jahren Gefängnis so gut aussah, während er in dieser Zeit alle Hände voll zu tun gehabt hatte mit der Versorgung der Kinder, die sein Vater zurückgelassen hatte.

„Und? Wie lief das Spiel?“, erkundigte Bingo sich.

„Eins für die Geschichtsbücher.“

„So kenne ich dich“, sagte sein Vater stolz.

Caleb schob sich an ihm vorbei in das einfache möblierte Apartment. Als vielversprechender Baseballspieler war er anonyme möblierte Zimmer gewöhnt, ob in Hotels oder vorübergehend in Wohnkomplexen. In der Küche öffnete er die Kühlschranktür und schaute desinteressiert hinein. Viel mehr außer Bier und Pizzaresten gab es nicht. Passte ihm gut.

Er öffnete ein Budweiser und leerte es bis zur Hälfte, noch ehe er die Kühlschranktür geschlossen hatte.

„Hast du mit deinem Bewährungshelfer gesprochen?“, fragte er seinen Vater, der ihm in die Küche gefolgt war.

„Natürlich, heute ist mein Meldetag.“

„Deshalb frage ich ja.“

„Du musst nicht extra nachfragen“, entgegnete Bingo gereizt. „Ich bin erwachsen. Glaubst du vielleicht, ich will zurück ins Gefängnis?“

„Wolltest du jemals dahin?“

„Selbstverständlich nicht.“

„Na bitte.“ Seine Worte kamen Caleb gemein und provozierend vor. Er mochte es nicht, in diesem Ton mit seinem Vater zu reden, aber anscheinend konnte er nichts dagegen tun.

Als Caleb die Bierdose sinken ließ, sah er Bingos vorwurfsvolles Gesicht. „Mit deiner Haltung schadest du nur dir selbst“, verkündete sein Vater.

„Vielen Dank, Herr Doktor.“

„Mit einer guten Einstellung kommt man weiter im Leben. Versuch mal öfter zu lächeln. Sei mal optimistischer. Dann mögen die Leute dich viel mehr.“ Bingo zeigte sein berühmtes strahlendes Lächeln, auf das so viele hereingefallen waren. Jenes Lächeln, das Caleb von ihm geerbt hatte. „Wenn du das von mir gelernt hast, reicht es schon.“

Caleb zerknüllte die Dose und warf sie quer durch den Raum in den Mülleimer. Berührte nur kurz das Netz. Es freute ihn, dass er es noch ein bisschen konnte. „Wieso sollte ich etwas von dir lernen? Ich bin Baseballspieler, kein Betrüger.“

Sein Vater, ein Mann mit Humor, zwinkerte ihm zu. „Vielleicht ist der Unterschied gar nicht so groß, wie du glaubst. Versuchst du nicht, die Schlagmänner und die Jungs auf den Bases zu täuschen und auszutricksen?“

„Männer auf den Bases.“

„Sagte ich.“

„Wir nennen sie nicht ‚Jungs auf den Bases‘, es sind ‚Männer auf den Bases‘. Und klar versuche ich sie zu täuschen, aber ich halte mich an die Regeln.“

„Du schummelst nicht und versuchst auch nie, dir einen kleinen Vorteil zu verschaffen? Wie dieser Typ, von dem ich neulich gelesen habe? Der mit dem Teer auf dem Nacken? Streicht mit der Hand drüber, kann dann besser greifen. Machst du so etwas nie?“

„Nein.“ Caleb holte die Pizza aus dem Kühlschrank und schob sie in die Mikrowelle. Er drückte den Startknopf ungefähr doppelt so hart wie nötig.

„Wirklich? In dem Artikel hörte es sich aber so an, als würden alle Werfer der Ersten Liga das machen. Vielleicht solltest du es mal versuchen. Das bringt dich wieder dahin zurück, wo du hingehörst, nämlich in ein Major-League-Team.“

„Du hast keine Ahnung, wovon du redest.“

Bingo lachte, dieses ausgelassene, vertrauliche Das-Leben-ist-wunderbar-Lachen, mit dem er zahllose Opfer und drei Ehefrauen herumgekriegt hatte – mittlerweile Exfrauen. „Wenn es ums Betrügen geht, kenne ich mich aus. Jeder schummelt, Junge, auf die eine oder andere Art. Der einzige Unterschied ist, dass manche erwischt werden.“

Caleb sah der Pizza zu, die sich in der Mikrowelle drehte. Vielleicht geschah ja ein Wunder. Vielleicht wäre sein Vater weg, wenn der Timer piepte. Oder er hätte plötzlich einen anderen Vater. Einen, der kein Betrüger war, der nicht im Knast gelandet war und seinen Sohn auch nicht im Stich gelassen hatte.

Ding.

Nein, kein Wunder. Sein Vater war immer noch da und leider ganz der alte. Caleb drehte sich um und marschierte aus der Küche hinaus. „Ehe ich es vergesse – ich treffe mich mit den Jungs zum Essen. Die Pizza gehört dir.“

„Ich könnte doch vielleicht mitkommen …“

Doch Caleb war schon zur Haustür hinaus und spazierte durch die warme Abendluft. Die untergehende Sonne tauchte den Himmel in die Farbe von Flamingofedern. Bestimmt waren irgendwo gerade ein paar Catfish-Spieler unterwegs, die aßen und sich volllaufen ließen. Wenn die Vorwürfe aus der Petition stimmten, würde es jede Menge Ärger geben. Er würde Mike Solo anrufen und hören, was der vorhatte.

Eigentlich sollte er dringend auch mal diese Frau anrufen, erinnerte er sich plötzlich. Er zog die Petition hervor, die er in die Hosentasche gestopft hatte, und wählte dann die angegebene Nummer. Während es am anderen Ende klingelte, stieg er in seinen Jeep Wrangler. Er wusste nicht, wann er zuletzt eine Frau angerufen hatte. Er war so auf Baseball und seine Familie fixiert gewesen, dass Frauen kaum eine Rolle gespielt hatten. Gelegentlich ließ er sich mit einer ein und verbrachte eine angenehme Nacht mit ihr. Wenn sie beschlossen, noch ein bisschen mehr Spaß zu haben, schickten sie sich SMS. Die Texte waren jedoch rein informell: Wo treffen wir uns? Trägst du Unterwäsche? Solche Dinge eben.

Es kam ihm seltsam altmodisch vor, jemanden richtig anzurufen.

Ihre Voicemail sprang an. „Sie haben Sadies Nummer gewählt. Hinterlassen Sie Ihre Rufnummer nach dem Signalton.“ Kurz und bündig. Und dieser Name, Sadie, sanft und sexy, passte zu ihr.

„Hallo, hier spricht Caleb Hart von den Catfish. Duke bat mich, dich anzurufen, um ein paar Ideen für das Team zu besprechen. Und die Stadt. Also … ruf mich bitte zurück. Jederzeit. Hier ist meine Nummer.“

Danach brauchte er einen Drink.

Donna hielt Sadies Handgelenk fest, als sie sich den Weg über die Tanzfläche im Kilby Roadhouse bahnte. Eine Bluegrass-Band in Jeans und weiten Flanellhemden spielte auf der Bühne. Ein paar Leute vorn führten einen Line Dance auf, andere tanzten paarweise. Die meisten Leute drängten sich um die kleinen runden Tische am Rand der Tanzfläche.

Donna war bereits voll in ihrem Element und genoss es, für einen Abend aus dem Haus der Gilberts herauszukommen. „Weißt du was, Sadie? Ich werde mich heute Abend in echte Schwierigkeiten bringen. Sechs Tage die Woche mit dem Hai, danach könnte ich mir selbst den Arm abnagen. Ich brauche dringend erwachsene Gesellschaft, na ja, du weißt schon.“

Sadie fühlte sich ein wenig exponiert und schaute nervös zurück zur Bar. Donna heute Abend zur Seite zu stehen, würde eine echte Herausforderung darstellen. Die gute Nachricht – für Sadie – lautete aber, dass niemand ihr großartig Beachtung schenkte. Alle waren zu sehr damit beschäftigt, Donna anzustarren.

Ihre Freundin trug eine hautenge Krokodillederhose, dazu ein weißes ärmelloses Ledertop. Sie wäre ein wandelndes Hassobjekt für jede Tierschutzvereinigung gewesen, wenn es sich um echtes Leder gehandelt hätte. Ihr volles rotes Haar war toupiert und mit Haarspray fixiert. Jeden Zentimeter sichtbarer Haut hatte sie mit Glitzerlotion eingerieben, sodass sie regelrecht im Licht funkelte. Wenn die Gilberts ihr Kinder-mädchen so gesehen hätten, hätten sie sich ihren Hai geschnappt und die Flucht ergriffen. Auf der Highschool hatte Donna mühelos beste Zensuren bekommen. Sadie verstand immer noch nicht, warum sie das College nicht besucht hatte. Donna weigerte sich, darüber zu sprechen.

Unter dem Druck ihrer Freundin hatte Sadie sich für ein enges Kleid mit Spaghettiträgern entschieden, das kurz über den Knien endete und orange war. An den Seiten wurde es durch Nieten verziert. Nur als Donna ihr auch noch Schuhe mit Zehnzentimeter-Absätzen aufschwatzen wollte, hatte Sadie sich geweigert. Bei ihrer Größe von einem Meter fünfundsiebzig trug sie stets flache Absätze. Turnschuhe oder Cowboystiefel. Ende der Schuhgeschichte.

„Hier.“ Donna winkte sie zu einem kleinen runden Tisch ohne Stühle. „Wir setzen uns einfach auf den Tisch, so etwa.“ Sie setzte sich auf die Kante und schlug die Beine übereinander, sodass das Licht über die silbernen Muster auf ihrer Hose glitt. Zur Hose trug sie violette Schlangenlederstiefel. „Ganz schön auffallend, was?“

Sadie hielt die andere Seite des Tischchens fest, damit dieser nicht umkippen konnte. „So könnte man es auch ausdrücken.“

„Hol uns mal etwas zu trinken, meine treue Begleiterin. White Russian für mich und einen doppelten für dich. Du musst noch ein bisschen aufholen. Ich gable uns in der Zwischenzeit ein paar Männer auf. Diese Schätzchen sind wirkungsvoller als ein Lasso.“ Sie rückte ihr Top zurecht, um mehr Dekolleté zu zeigen.

Sadie holte tief Luft und machte sich auf den Weg zur Bar. Vor einem Jahr wäre sie niemals hierhergekommen – zu großes Risiko, öffentlich verspottet zu werden. Auch jetzt bedachten einige Leute sie mit verstohlenen Blicken, doch sie ging erhobenen Hauptes weiter und ignorierte sie. Das blöde Video zeigte einen intimen Moment, den niemand jemals hätte sehen sollen. Also würde sie einfach so tun, als habe es auch niemand gesehen.

Sie kannte Todd, den Barkeeper, von der Highschool, wo sie zusammen im Jahrbuchkomitee gewesen waren. Damals war sie ein braves Mädchen gewesen, und er hatte alle damit überrascht, dass er mit ihr ausgehen wollte. Seither war so viel passiert.

Todd empfing sie verlegen lächelnd. „Wie ist es dir ergangen, Sadie?“

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