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Walisischer Sommer

Der Psychologe Daniel Geshard kann es der hübschen Christa nicht recht machen. Was immer er sagt, reizt sie. Schließlich lädt er sie nach Wales in sein idyllisches Farmhaus ein. Vielleicht gelingt es ihm hier, diese temperamentvolle Karrierefrau von sich zu überzeugen ...


  • Erscheinungstag: 10.12.2012
  • Seitenanzahl: 192
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955760700
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PENNY JORDAN

Umarmungen

Walisischer Sommer

 

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

The Trusting Game

Copyright © 1995 by Penny Jordan

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: pecher und soiron, Köln

Thinkstock/Getty Images, München

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook 978-3-95576-070-0

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

Im strömenden Regen eilte Christa Bellingham über den Parkplatz des Hotels. Sie verwünschte den plötzlichen Wetterumschwung, denn sie hatte weder Schirm noch Regenmantel mitgenommen. Einen so heftigen Schauer hatte niemand erwartet.

Vor ihr stiegen zwei Männer unter dem überdachten Hoteleingang aus einem Taxi. Um sich ein wenig gegen das Unwetter zu schützen, zog Christa den Kopf ein, was aber auch nicht viel nützte. Sie ärgerte sich, weil sie ausgerechnet heute einen ihrer besten Hosenanzüge, ein Armani-Modell, trug. Auf dem Weg zu einem Vortragsabend in der Handelskammer wollte sie John Richards, dem Hotelmanager, rasch einige Stoffmuster mit Preisen vorbeibringen.

Trotz ihrer Einwände hatte Howard Findley, der neue Vorsitzende der Handelskammer, darauf bestanden, daß man sich bemühte, das Image des Altmodischen loszuwerden und sich neuen Themen und Projekten öffnete.

„Genausogut können wir jedem Scharlatan, der sich uns anpreist, einen Blankoscheck geben”, wandte Christa ein.

„Daniel Geshard berechnet uns für seinen Vortrag überhaupt nichts”, gab Howard zu bedenken, doch Christa ließ sich nicht besänftigen. Howard mochte ja von diesem Mann sehr beeindruckt sein, aber sie machte sich keine Illusionen, worauf er aus war. Solche Typen führten die Menschen nur in die Irre und täuschten sie. Es kam ihnen nur darauf an, ihr Ziel zu erreichen. Dabei kümmerten sie sich nicht darum, wieviel Schmerzen und Leid sie verursachten. Dessen war sie sich völlig sicher.

Daniel Geshard hatte nur eins im Sinn – er wollte sich und seine New Age-Theorien jedem verkaufen, der leichtgläubig genug war, darauf hereinzufallen.

Ärgerlich, wie sie war, schloß Christa sekundenlang die Augen. Howard Findley war ein netter, gutmütiger und aufrichtiger Mann, aber Daniel Geshard und Leuten wie ihm nicht gewachsen. Ein einziges Telefongespräch hatte Howard überzeugt. Danach äußerte er sich sehr enthusiastisch über den anderen. Nun wollte er die Mitglieder dazu bewegen, mehrere Gruppen leitender Angestellter und Manager zu den von Daniel Geshard angebotenen Kursen zu entsenden, die Wunder wirken sollten.

„Seine Ideen klingen phantastisch. Er ist offenbar in der Lage, sogar die unzufriedensten Mitglieder unserer Gesellschaft anzusprechen und ihnen dabei zu helfen, wieder zu sich selbst zu finden, die eigenen Gefühle kennenzulernen und die Beweggründe für ihr Handeln zu verstehen”, sagte Howard.

Christa hingegen hielt sich lieber an Tatsachen und Realitäten. Für diese neuen Theorien hatte sie nichts übrig.

Auf einmal stieß sie mit jemandem zusammen.

„Oh, Vorsicht!” meldete sich sogleich eine amüsiert klingende männliche Stimme.

Christa schreckte aus den Gedanken auf. Sie sah hoch und wollte sich entschuldigen, brachte jedoch keinen Ton heraus, denn sie schaute fasziniert in ein Paar graue Augen, in denen viel Wärme und Herzlichkeit und noch etwas anderes, viel Persönlicheres lagen.

Der ausgesprochen attraktive Fremde musterte Christa freundlich, während sie nach Luft rang. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, und ihr Puls begann zu rasen. Auf unerklärliche Weise fühlte sie sich zu diesem Mann hingezogen.

Wie betäubt stand sie im strömenden Regen vor ihm. Der Mann war groß, kräftig und wirkte sehr athletisch. Sein dichtes dunkles Haar war sehr gepflegt, und seine Haut duftete nach frischer Luft und Nässe. Glücklicherweise benutzt er keines dieser aufdringlichen After-shaves, wie so viele Männer sie bevorzugen, fuhr es Christa durch den Kopf.

Er trug einen eleganten, dunklen und perfekt geschnittenen Geschäftsanzug aus bestem Material, wie Christa als Expertin auf diesem Gebiet sofort erkannte. Die nicht mehr ganz neu aussehende Rolex-Armbanduhr diente ihm bestimmt nicht als Statussymbol. Wie Christa anerkennend feststellte, hatte er es nicht nötig, seine Persönlichkeit durch äußeren Luxus aufzuwerten. In ausgewaschenen Jeans würde er wahrscheinlich genauso männlich und beeindruckend wirken.

Sekundenlang überließ sie sich ihrer Phantasie. Sie stellte ihn sich in lässiger Freizeitkleidung vor und versetzte ihn in einen Werbespot, der im Moment mit einem bekannten, gutaussehenden Schauspieler im Fernsehen lief und besonders bei Frauen sehr beliebt war. Dabei war ihr gar nicht bewußt, wie verträumt sie lächelte.

In den Augen des Mannes lag ein wissender Ausdruck, so als spürte er, was in Christa vorging. Er schien sogar ihre Empfindungen zu erwidern.

Christa war völlig überrascht von der emotionalen und körperlichen Anziehungskraft, die dieser Fremde auf sie ausübte. So etwas hatte sie noch nie zuvor erlebt und glaubte sich in eine andere, verzauberte Welt versetzt, in der sein Lächeln und die Aura von Wärme und Herzlichkeit, die ihn umgab, sich wie schützend um sie legten.

Während er sie intensiv betrachtete, geriet sie in Versuchung, seiner unausgesprochenen Ermutigung und Aufforderung zu folgen und auf ihn zuzugehen, obwohl das absolut unpassend war und ihr gefährlich werden konnte. Doch dann hörte sie, wie sein Begleiter ausrief: „Komm endlich, Daniel, laß uns die Formalitäten erledigen und die Zimmer beziehen. Ich will noch in der Stadt zwei hübsche Mädchen suchen, mit denen wir uns heute abend amüsieren können, sobald du den Vortrag durchgezogen hast. Eine kleine Abwechslung kann dir nicht schaden. Außerdem brauche ich jetzt unbedingt einen Drink.”

„Ich bin schon auf dem Weg, Dai.”

Daniel, dachte Christa und erstarrte. Ungläubig schaute sie den Mann an.

„Was ist denn los?” fragte er besorgt und ging auf sie zu.

Und je näher er ihr kam, desto intimer wurde die Atmosphäre zwischen ihnen, als wären sie ein Liebespaar.

Plötzlich verspürte Christa einen Kloß im Hals. „Sind Sie etwa Daniel Geshard?” Ihre Stimme klang rauh, und Christa ballte die Hände zu Fäusten.

Verblüfft runzelte er die Stirn. „Ja, der bin ich. Aber …”

Mehr wollte sie gar nicht hören. Sie errötete vor Ärger und trat einige Schritte zurück. „Betrachten Sie Ihre geschäftlichen Termine immer nur als eine langweilige Einleitung zu den wahren Vergnügungen des Lebens, Mr. Geshard?” fuhr sie ihn empört und verächtlich an. „Lassen Sie Ihren Freund nicht länger warten, er wird schon ungeduldig”, fügte sie anzüglich hinzu.

Ehe er darauf antworten konnte, machte sie kehrt und ging den ganzen Weg zurück. John würde die Muster eben einen Tag später bekommen, denn wenn sie jetzt Daniel Geshard ins Hotelfoyer folgte, würde sie ihm wahrscheinlich auch noch an den Kopf werfen, was sie von ihm und seinesgleichen hielt.

Während sie zum Auto zurückeilte, ärgerte sie sich nicht nur über Daniel Geshard, sondern auch über sich selbst, weil sie beinahe auf ihn hereingefallen wäre. Weshalb habe ich nicht sogleich erkannt, wie er wirklich ist? überlegte sie.

Auf der Fahrt nach Hause steigerte sie sich in ihre Wut hinein. Ihr blieb nicht viel Zeit, denn unter keinen Umständen wollte sie den Termin bei der Handelskammer versäumen. Sie war fest entschlossen, ihre Meinung zu Daniel Geshards Vortrag klar und deutlich zu äußern.

Rasch rief sie im Hotel an und erklärte dem Manager, daß sie ihm die Stoffmuster später vorbeibringen würde. Anschließend schlüpfte sie im Schlafzimmer aus dem vom Regen immer noch feuchten Hosenanzug, trocknete und bürstete ihr langes, dichtes kastanienbraunes Haar und band es im Nacken zusammen, nachdem sie das elegante Kostüm angezogen hatte, für das sie sich in der Eile entschied.

Sie war schlank, hatte üppige Rundungen an den richtigen Stellen, große aquamarinblaue Augen und ein hübsches Gesicht. Es war für Christa nicht leicht gewesen, andere davon zu überzeugen, daß eine attraktive Frau auch beruflich erfolgreich sein konnte. Da sie es ablehnte, ihr Aussehen zu verändern, nur um einem allgemein gültigen Schönheitsideal und dem Image einer Karrierefrau zu entsprechen, mußte sie mühsam darum kämpfen, in der Männerwelt akzeptiert zu werden. Besonders in den ersten Monaten, nachdem sie das Unternehmen ihrer Großtante übernommen hatte, war es für sie sehr schwierig gewesen, sich durchzusetzen. Sie wußte, daß viele ihrer Bekannten überzeugt waren, sie sei auf die Füße gefallen, als sie die Textil-Importfirma erbte. Offenbar wußte jedoch niemand, wie sehr ihre Tante das Geschäft während der letzten Lebensjahre vernachlässigt hatte.

Christa war nach dem Tod ihrer Eltern bei der Großtante aufgewachsen. Ehe sie das Studium begann und sich dann zur Designerin ausbilden ließ, war sie oft mit ihrer Tante ins Ausland gereist, wo sie mit den Stoffherstellern verhandelte.

Und als sie entdeckte, daß ihre Tante immer mehr das Gespür für die neuesten Trends verlor und sich sogar minderwertige Ware andrehen ließ, war Christa sehr traurig. Aber aus Liebe und Loyalität schwieg sie.

Später kostete es sie viel Anstrengung, alles wieder umzukehren und sich zu behaupten. Manchmal sah sie sich auch gezwungen, rücksichtslos vorzugehen, obwohl das gar nicht ihrer Natur entsprach. Am Ende gab der Erfolg ihr recht, denn mit der Firma ging es wieder aufwärts. Dabei kam ihr natürlich auch die Ausbildung als Designerin zugute. Und schließlich runzelte der Bankmanager nicht mehr die Stirn, wenn er sie nur schon von weitem sah, denn ihr Konto wies gute Umsätze und Gewinne aus.

„Du bist so verdammt beherrscht”, beschwerte sich einmal ein Verehrer. „Ich frage mich wirklich, was alles passieren muß, damit die Mauer, die du um dich her aufgebaut hast, einstürzt. Auf jeden Fall bin ich nicht derjenige, dem das gelingen wird, das weiß ich inzwischen. Worauf wartest du eigentlich, Christa? Auf einen Märchenprinzen?” fragte er empört.

„Auf nichts und niemanden”, erwiderte sie wahrheitsgemäß.

Aber stimmte das jetzt immer noch? Denn beinahe hätte sie vor dem Hotel … Glücklicherweise habe ich gerade noch rechtzeitig erkannt, wer Daniel Geshard ist, ehe … Ja, ehe was? dachte sie verärgert.

Es hätte ja gar nichts geschehen können. Sie durfte sich nur nicht erlauben, sich von Gefühlen beherrschen zu lassen. Zu deutlich stand ihr immer noch vor Augen, wie es ihrer Freundin Laura ergangen war, die sich in Piers Philips verliebt hatte, der sie schließlich nur ausnutzte, täuschte und betrog.

Rasch schloß Christa die Augen. Sogar nach all den Jahren schmerzte es immer noch, an Laura zu denken. Sie waren Studienkolleginnen gewesen. Im letzten Semester verlor Laura ihr Herz an Piers, einen Guru, der oberflächlich die New Age-Philosophie vertrat. Laura war so in ihn vernarrt, daß sie ihn überstürzt heiratete und auf den Studienabschluß verzichtete.

Lauras Vater war ein wohlhabender Industrieller, und von ihrer Großmutter hatte die junge Frau bereits ein beträchtliches Vermögen geerbt, von dem sie zusammen mit Piers ein großes Landhaus kaufte. Piers eröffnete dort eine Klinik für Lebensberatung, in der er unter anderem streßgeplagte Führungskräfte behandeln wollte.

Ehrlich wie sie war, gab Christa zu, daß auch sie auf Piers’ Begeisterung und großspurige Pläne hereingefallen war. Sie war so unschuldig und leichtgläubig gewesen, daß sie sogar Laura wegen des charismatischen Mannes und des herrlichen Lebens, das die beiden sich aufbauten, beneidete.

Aber nachdem Laura und Piers verheiratet waren, entwickelten sich die Dinge sehr bald schon in eine ganz andere Richtung. Laura beklagte sich darüber, Piers würde sie vernachlässigen. Sie verdächtigte ihn sogar, ihr untreu zu sein.

Christa ließ sich jedoch von Piers überzeugen, daß Laura an einer Depression litt, deren Ursache angeblich die Schwangerschaft war. Er behauptete, seine Frau würde sich nur einbilden, er habe eine Affäre mit einer anderen. Christa glaubte ihm und überredete Laura, die Zweifel zu überwinden und sich ganz auf die Ehe und das Baby zu konzentrieren, das sie erwartete.

Daraufhin lud Piers Christa zum Essen ein und bedankte sich für die Unterstützung. „Eine bessere Freundin als dich könnte Laura gar nicht haben”, meinte er.

Jedesmal, wenn Christa daran dachte, verspürte sie Kummer und Schmerz. Niemals würde sie sich verzeihen, wie sehr sie auf Piers hereingefallen war. Sie konnte es nur damit entschuldigen, daß sie damals noch sehr naiv und völlig unerfahren gewesen war und daß Piers es geschickt verstand, andere zu manipulieren. Er hatte es genossen, sie und Laura zu täuschen und ein falsches Spiel zu treiben.

Denn drei Monate nach der Geburt seiner Tochter verließ er Laura wegen einer anderen Frau, die aus einer aristokratischen und ebenfalls sehr wohlhabenden Familie kam. Das Geld, das Laura von ihrer Großmutter geerbt hatte, war verbraucht, und sie saß auf dem Schuldenberg, den Piers ihr hinterlassen hatte.

„Einige der Patienten haben sogar damit gedroht, wegen falscher Beratung und Behandlung einen Prozeß anzustrengen”, erklärte Laura unter Tränen.

„Du wirst über ihn hinwegkommen”, versuchte Christa die Freundin zu trösten.

„Nein, niemals”, erwiderte Laura freudlos. „Wie denn auch?”

Sechs Wochen später war sie tot. Die offizielle Erklärung lautete, sie habe nach der Geburt unter Depressionen gelitten und versehentlich eine Überdosis Schlaftabletten genommen. Aber Christa war sich ziemlich sicher, daß ihre Freundin deshalb gestorben war, weil sie das, was Piers ihr angetan hatte, nicht verkraften konnte. Und nach diesem schlimmen Erlebnis hatte Christa sich geschworen, nie wieder auf einen Mann hereinzufallen.

Deshalb war sie jetzt fest entschlossen, Daniel Geshard als das zu entlarven, was er ihrer Meinung nach war. Ehe sie die Treppe hinunterging, warf sie noch einen kurzen Blick in den Spiegel. Sie war immer noch schockiert und auch verwirrt, weil sie beinahe auf diesen charmanten Mann hereingefallen wäre. Nun, es war ja noch einmal gutgegangen, denn sie hatte rechtzeitig erkannt, was für ein Mensch er war. Sie nahm sich fest vor, deutlich zum Ausdruck zu bringen, was sie von ihm hielt.

„Ich möchte im Namen aller dem Redner für die informativen und …”

Christa war nicht bereit, sich den Unsinn noch länger anzuhören. Sie kochte vor Wut. Alles, was Daniel Geshard an diesem Abend gesagt hatte, bekräftigte sie in der Überzeugung, daß die Theorien, die er vertrat, in der Praxis völlig wertlos waren.

Was den Redner selbst anging … Christa errötete vor Ärger, während sie den Mann hinter dem Podium mit ihren blauen Augen betrachtete.

Aus irgendwelchen Gründen hatte sie erwartet, er würde sich so kleiden, wie es seiner Lebenseinstellung entsprochen hätte, und in einer Kordsamthose und einem handgestrickten Pullover auftauchen. Statt dessen trug er einen eleganten, perfekt geschnittenen Anzug. Erneut stellte sie sich vor, wie er wohl in lässigen Jeans aussehen würde …

Nein, nicht schon wieder diese Hirngespinste! befahl sie sich. In ihren Augen blitzte es spöttisch auf, und sie verzog verächtlich die Lippen, als sie sich daran erinnerte, wie nahe sie daran gewesen war, diesen Mann attraktiv zu finden. Sie hatte sogar ein verräterisches und gefährliches Kribbeln im Bauch verspürt und vor Aufregung Herzklopfen bekommen.

Aber er war nur ein Wichtigtuer und Scharlatan, der Geschäftsleuten das Geld aus der Tasche zog, wenn sie dumm genug waren, ihn nicht zu durchschauen. Dafür versprach er ihnen, ihre gestreßten und lustlosen Angestellten wieder für die Arbeit zu begeistern, so daß es sich angeblich auf jeden Fall auszahlte, sie zu seinen Kursen zu schicken.

Nein, das nehme ich ihm nicht ab. Wahrscheinlich ist er der einzige, der davon profitiert, fuhr es Christa durch den Kopf.

Als der Vorsitzende der Handelskammer sich dann erkundigte, ob noch irgend jemand Fragen an den Redner habe, stand Christa sogleich auf.

Daniel Geshard musterte sie freundlich, aber sie ließ sich nicht beeindrucken. Als er sie unter den Zuhörern entdeckt hatte, hatte er sie herzlich angelächelt und dann die Stirn gerunzelt, weil sie sich abwandte und vorgab, ihn nicht zu kennen.

Natürlich war er sehr daran interessiert, sie in dem falschen Glauben zu wiegen, er fühle sich irgendwie zu ihr hingezogen. Bestimmt waren schon viele weibliche Führungskräfte auf seinen Charme hereingefallen und hatten erst später festgestellt, daß er in Wahrheit nur ihre Unterschrift unter einen Vertrag haben wollte, mit dem sie sich verpflichteten, Mitarbeiter an seinen lächerlichen Kursen teilnehmen zu lassen.

„Hm … ja, Christa …?” Der Vorsitzende räusperte sich nervös, denn er wußte natürlich, was jetzt auf ihn zukam. Sie hatte aus ihrer Meinung über Daniel Geshard und dessen Ansichten keinen Hehl gemacht.

Entschlossen redete sie sich ein, daß ihre Absicht, Daniel Geshards geschliffene und phantastisch klingende Rede auseinanderzunehmen, mit der er ihnen seine New Age-Theorien verkaufen wollte, nichts mit ihren Gefühlen diesem Mann gegenüber zu tun habe. Und natürlich rührte ihre Aversion ihm gegenüber auch nicht daher, daß sie sich über sich selbst ärgerte, weil sie geglaubt hatte, in seinem Blick so etwas wie persönliches Interesse zu erkennen. Aber da hatte sie noch nicht gewußt, wer er war, was sie ja dann glücklicherweise noch rechtzeitig erfuhr.

Andere mochten dazu stehen, wie sie wollten, sie würde sich jedenfalls auf diese pseudo-psychologischen Argumente nicht einlassen. Schließlich hatte er keinen einzigen Beweis dafür geliefert, ob die Leute, die an den Kursen in seinem Zentrum in den Bergen in Wales teilnahmen, in irgendeiner Form davon profitierten.

„Ich möchte gern von dem Vorsitzenden wissen, wie Mr. Geshard belegen kann, daß seine Kurse tatsächlich die Arbeitsleistung der Teilnehmer steigern”, erklärte sie.

Daniel Geshards Miene zeigte weder Unbehagen noch Überraschung. Daraus schloß Christa, daß er wahrscheinlich ein guter Schauspieler war.

„Dafür gibt es keine Belege”, gab er sogleich zu.

Christa zog verblüfft die Augenbrauen zusammen. „Sie halten es also nicht für nötig, darüber Buch zu führen oder Statistiken zu erstellen?” erkundigte sie sich ein wenig spöttisch. „Das ist sehr ungewöhnlich in einer Zeit, in der selbsternannte Wunderheiler größten Wert darauf legen, Testergebnisse vorzulegen, die Auskunft über den Zustand des Patienten oder Klienten vor und nach der Behandlung geben.”

Obwohl sie Daniel unverwandt anschaute, spürte Christa, daß die anderen Zuhörer nicht mit ihr übereinstimmten.

„Das mag sein, aber da wir noch nicht ganz ein Jahr tätig sind und die Firmen, die von unserem Angebot Gebrauch gemacht haben, noch keine abschließenden Beurteilungen abgegeben haben, können wir auch noch nicht mit konkreten Zahlen und Statistiken dienen. Allerdings habe ich das Gefühl, irgendwie einen falschen Eindruck erweckt zu haben, den ich korrigieren möchte. Es ist nicht unser Ziel, die Gewinne unserer Kunden zu steigern, sondern wir wollen die Lebensqualität der Mitarbeiter verbessern und anheben, sowohl was die Arbeit als auch die Freizeit angeht.”

„Wollen Sie das etwa erreichen, indem sie die Leute zwingen, an Spielen teilzunehmen?” fragte Christa, während sie ihm weiterhin in die Augen sah.

„Es ist inzwischen eine weit und breit anerkannte Tatsache, daß Kinder, die keine Möglichkeit zu spielen haben, sich also nicht entfalten können, verhaltensgestört sind, auch als Erwachsene noch. Deshalb haben wir es uns zum Ziel gesetzt, den Kursteilnehmern beizubringen, spielerisch mit Streß umzugehen, der heutzutage in allen Lebensbereichen auftritt, und sie zu einem harmonischen Miteinander hinzuführen.”

„Aber Sie geben damit zu, keinerlei Beweise zu haben, die belegen, daß Sie Ihre hochgesteckten Ziele auch erreichen”, ließ Christa nicht locker, und auch der kühle Blick, mit dem er sie bedachte, konnte sie nicht einschüchtern. Es war schon bemerkenswert, wie anders er sie jetzt anschaute als noch vor wenigen Stunden. Wahrscheinlich waren die Wärme und Herzlichkeit, die sie in seinen Augen zu erkennen geglaubt hatte, genauso falsch und unecht wie die hochtrabenden Theorien, die er in seinem Vortrag erläutert hatte.

„Nein, das ist nicht richtig. Ich wollte nur Ihre … hm … etwas ungenaue Auslegung meiner Ausführungen korrigieren.”

Alle um sie her begannen zu lachen, so daß Christa errötete. Sie ließ sich jedoch nicht beirren. Außerdem würde sie sich nicht von dem seltsamen Blick, den Daniel ihr nun zuwarf und in dem so etwas wie Sympathie und Zuneigung standen, täuschen lassen.

„Sie haben keinen wirklichen Beweis dafür, daß die Kurse, die Sie anbieten, irgendeinen Nutzen bringen, außer natürlich für Ihr Konto.”

Jetzt habe ich ihn doch getroffen, dachte sie triumphierend, denn sie bemerkte, wie er die Lippen zusammenkniff.

„Der Nutzen läßt sich nicht in Zahlen ausdrücken, insofern gebe ich Ihnen recht. Aber ich bin fest davon überzeugt, daß ich mit meiner Arbeit anderen helfe. Und lassen Sie sich eins sagen, wenn Sie selbst an einem meiner Kurse teilnehmen würden, dann würde Ihr Weltbild sich garantiert ändern.” Er senkte ein wenig die Stimme.

Aus ihr unerfindlichen Gründen errötete Christa schon wieder. Und sogleich fiel ihr die kleine Begebenheit vom Nachmittag ein, als sie sich sekundenlang so sehr zu ihm hingezogen gefühlt und er sie mit der Botschaft, die in seinen strahlenden Augen zu liegen schien, zutiefst berührt hatte.

Auf einmal bekam sie Herzklopfen, aber nur weil sie sich ärgerte, wie sie sich rasch einredete.

„Völlig unmöglich”, entgegnete sie schließlich.

„Oh, im Gegenteil, ich versichere Ihnen, daß Sie – und auch jeder andere – nach einem etwa einmonatigen Aufenthalt in meinem Zentrum eine ganz neue Einstellung zum Leben bekommen. Ich gehe sogar noch weiter und behaupte, daß Sie sich die Veränderungen, die mit Ihnen und in Ihnen stattfinden, eingestehen werden und sie mit anderen teilen möchten.”

„Nein, niemals!” erwiderte sie heftig.

„Dann schlage ich vor, Sie lassen mich den Beweis antreten. Kommen Sie nach Wales, und nehmen Sie einige Wochen an den Kursen teil.”

Sie wollte dieses herausfordernde Angebot sogleich vehement zurückweisen, doch gerade noch rechtzeitig wurde ihr bewußt, daß sie sich damit selbst unglaubwürdig machte.

„Das ist sehr großzügig von Ihnen und eine ausgezeichnete Idee”, erklärte der Vorsitzende freundlich, während Christa sekundenlang schwieg. „Wir alle sind gespannt darauf, wie sich Christas Aufenthalt in dem Zentrum auswirken wird.”

„Nein, das geht leider nicht”, wehrte Christa ein wenig atemlos ab. „So viel Gewinn wirft mein Geschäft nicht ab, daß ich …”

„Es wird Sie keinen Cent kosten.”

Du liebe Zeit, in welche verzwickte Situation habe ich mich eigentlich gebracht? überlegte sie. Wenn sie sich beharrlich weigerte, würde sie nicht nur dumm dastehen, sondern auch Daniel Geshard alle Trümpfe in die Hand geben. Sie erkannte, wie beeindruckt alle von seinem Selbstvertrauen und seiner Zuversicht waren.

„Sie können sich nicht davor drücken, Christa”, gab der Vorsitzende zu bedenken, der sich offenbar über sie ärgerte. „Sonst müssen wir annehmen, daß Sie keinen Mut haben, zu Ihrer Überzeugung zu stehen.”

„Ich will mich nicht vor etwas drücken”, erwiderte sie steif. „Aber ich brauche mindestens eine Woche, um alles zu regeln, bevor ich wegfahren kann”, fügte sie an Daniel Geshard gewandt hinzu, ohne ihn jedoch anzuschauen.

„Ja, natürlich, das ist völlig in Ordnung.”

Wie aalglatt und arrogant er doch war! Aber noch hatte er nicht gewonnen, denn nur mit Charme und Selbstbewußtsein würde er bei ihr nichts erreichen. Nachdem Christa sich etwas von dem Schock erholt hatte, daß er den Spieß einfach umdrehte, nahm sie sich fest vor, daß er am Ende der Verlierer sein würde und nicht sie. Denn sie würde sich durch nichts in ihrer Meinung beirren lassen.

„Unser Gast hat Sie ja ganz geschickt ausmanövriert, nicht wahr?”

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