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Was Frauen wirklich wollen … für Anfänger

hier erhältlich:

Was wollen Frauen wirklich? Jonathan und seine Freunde haben keinen blassen Schimmer. Jonathan zum Beispiel ist schon ewig in die schöne Lissa verliebt - nur war er als Computerfreak leider nie ihr Typ. Seinen Freunden geht es ähnlich: Die süße Empfangsdame in Kyles Büro steht einfach nicht auf kleine Männer. Und Adam ist zwar im Job ein Überflieger, aber seine Frau hat ihn gerade zu Hause rausgeschmissen. Es scheint hoffnungslos! Bis Jonathan einen Liebesroman kauft - und überraschend auf eine Expertin in Liebesdingen stößt: die Bestsellerautorin Vanessa Valentine. Erst lachen seine Freunde noch über die neue Lektüre. Doch das ändert sich schlagartig, als Jonathan Erfolge bei Lissa verzeichnet …


  • Erscheinungstag: 10.12.2014
  • Aus der Serie: Icicle Falls
  • Bandnummer: 3
  • Seitenanzahl: 368
  • ISBN/Artikelnummer: 9783956493751
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sheila Roberts

Was Frauen wirklich wollen
… für Anfänger

Roman

Aus dem Amerikanischen von Gabriele Ramm

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieses eBooks © 2014 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

What She Wants

Copyright © 2013 by Sheila Rabe

erschienen bei: MIRA Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Mareike Müller

Titelabbildung: Thinkstock/Getty Images, München

Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz; Robert Rabe

ISBN eBook 978-3-95649-375-1

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

W enn das nicht der Traumjob eines jeden Mannes war! So eng mit einer Frau zusammenzuarbeiten, dass sich die Knie (Oberschenkel oder vielleicht sogar noch andere Körperteile) berührten. Doch leider waren Dot Morrisons Knie knorrig, und sie war alt genug, um Jonathan Templars Großmutter zu sein. Hinzu kam, dass sie aussah wie die Figur Maxine, die man in nicht unbedingt schmeichelhafter Weise auf Postkarten verewigt hatte. Daher gab es heute keinerlei Hautkontakt zwischen Jonathan und Dot, weder mit dem Knie noch mit sonst welchen Körperteilen.

„Okay, jetzt ist alles wieder in Ordnung“, erklärte Jonathan und rückte vom Computer im Büro des Breakfast-Hauses, Dots Restaurant, ab. „Aber denken Sie dran, was ich Ihnen gesagt habe. Damit Ihr Computer wie geschmiert läuft, müssen Sie ab und zu Ihre Festplatte säubern.“

„Oh, oh, jetzt fangen Sie schon wieder an, so versaut mit mir zu reden“, witzelte Dot.

Prompt schoss Jonathan die Röte ins Gesicht, zum einen, weil alte Damen solche Sachen nicht sagen sollten (Jonathans Grandma jedenfalls tat es nicht), und zum anderen, weil er noch nie in seinem Leben einer Frau versaute Sachen erzählt hatte. Na ja, abgesehen vielleicht von dem Playmate in der Mitte des Playboys. Wenn er mit echten Frauen reden sollte, neigte seine Zunge dazu, sich wie eine Brezel zu verknoten, vor allem dann, wenn die Frau auch noch attraktiv war. Das, vermutete er, war wohl einer der Gründe, warum er im reifen Alter von dreiunddreißig noch immer Single war. Das und die Tatsache, dass er nicht unbedingt so geschaffen war, wie eine Frau sich ihren Traummann vorstellte. Jedenfalls glaubte er kaum, dass es Frauen gab, die von einem schlaksigen Mann mit Brille und Oberhemd träumten. Doch das waren nicht die einzigen Gründe. Wenn man seit Ewigkeiten für eine bestimmte Frau schwärmte, konnte das das Liebesleben eines Mannes in erheblichem Maße beeinträchtigen.

Weil er sich nie sicher war, wie er auf Dots merkwürdigen Humor reagieren sollte, lächelte er lediglich, schüttelte den Kopf und packte seine Sachen zusammen.

„Ehrlich“, meinte sie, „ich bin froh, dass sich das hier als nichts Ernstes entpuppt hat. Aber wenn es doch so gewesen wäre, wüsste ich ja, dass ich auf Sie zählen kann. Sie dürfen Icicle Falls niemals verlassen. Was sollten wir alten Schachteln denn dann tun, wenn wir Probleme mit dem Computer haben?“

„Sie würden schon zurechtkommen“, versicherte Jonathan ihr.

„Das bezweifle ich. Computer sind für Leute über sechzig die reinsten Folterinstrumente.“

„Keine Sorge“, erwiderte er. „Ich habe nicht die Absicht, irgendwo anders hinzuziehen.“

„Bis Sie die richtige Frau finden. Dann sind Sie bestimmt mir nichts, dir nichts weg.“ Der Blick, mit dem sie ihn jetzt bedachte, verkündete Unheil. Wahrscheinlich würde das, was sie ihm gleich sagen wollte, ihn wieder in Verlegenheit bringen. Und tatsächlich. „Wir müssen Ihnen eine Frau hier aus dem Ort suchen.“

Das fehlte ihm gerade noch – Dot Morrison, die überall herumposaunte, dass Jonathan Templar, der Computernerd, auf der Suche nach einer einheimischen Frau war. Er wollte keine einheimische Frau. Er wollte …

„Tilda ist noch zu haben.“

Tilda Morrison, die Superpolizistin? Allein ein Blick von ihr genügte, um Jonathan in die Knie zu zwingen. „Äh, vielen Dank für das Angebot, aber ich glaube, sie braucht einen härteren Kerl als mich.“

„Das ist das Problem. Niemand ist so taff wie Tilda. Verdammt, ich habe das Mädchen falsch erzogen. Wenn das so weitergeht, kriege ich nie Enkelkinder.“ Dot zuckte mit den Schultern und griff nach einer Zigarette. „Na ja, vielleicht auch ganz gut. So muss ich wenigstens nicht meine ganze Freizeit dafür opfern, Kekse für die kleinen Nager zu backen.“

Manchmal war es nicht so einfach herauszufinden, ob Dot scherzte oder nicht, dieses Mal allerdings war Jonathan sich sicher, dass es nicht ernst gemeint war. Jeder wusste, dass Dot sich Enkelkinder wünschte. Das sah man schon an der Art, wie sie mit den Familien umging, die ihr Restaurant besuchten. Es war ein Wunder, dass sie überhaupt noch Geld verdiente, so oft, wie sie ihren jüngsten Gästen eine heiße Schokolade schenkte.

Sie zündete sich eine Zigarette an und zog kräftig daran. Ihr kleines Büro würde binnen Kurzem völlig verqualmt sein. Im Bundesstaat Washington war das Rauchen in öffentlichen Gebäuden verboten, doch Dot behauptete fest, dass ihr Büro kein öffentlicher Raum war. Jonathan befürchtete, dass sie irgendwann mit dem zuständigen Gesundheitsbeauftragten aneinandergeraten würde, wenn sie nicht aufhörte, Zigaretten ins Gebäude zu schmuggeln.

„So, ich mache mich dann mal wieder auf den Weg“, sagte er und nahm seine Sachen, tunlichst darauf bedacht, nicht allzu viel von dem Rauch, der in seine Richtig waberte, einzuatmen.

„Rechnung wie immer?“

„Na klar.“

„Hauen Sie mich nicht übers Ohr“, neckte sie ihn.

„Käme mir doch niemals in den Sinn. Und setzen Sie diesmal die Brille auf, wenn Sie die Rechnung lesen“, meinte er grinsend, während er zur Tür ging. Ständig versuchte er, Dot einen Seniorenrabatt einzuräumen, doch sie zahlte immer mehr, als sie sollte, und behauptete dann, sie hätte die Rechnung falsch gelesen. Ja, Dot war schon eine tolle Kundin.

Ach, alle meine Kunden sind toll, dachte er, als er sich auf den Weg zu Sweet Dreams Chocolate machte, wo Elena, die Sekretärin, gerade mal wieder einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, weil sie mit dem neuen Computer, von dem sie behauptete, er wäre von Dämonen besessen, nicht zurechtkam.

Der Duft von Schokolade, der von unten aus den Produktionsküchen drang, begrüßte ihn, sobald er das Büro betrat. Und Elena sah ihn an, als wäre er der Heilige Georg, der den Drachen für sie erlegen würde. „Gott sei Dank, dass Sie da sind.“

Die Leute waren eigentlich immer äußerst glücklich, den Eigentümer und einzigen Mitarbeiter von Geek Gods Computer Service zu sehen. Sobald Jonathan die Bühne betrat, wussten sie, dass ihre Probleme bald gelöst sein würden.

Ihm gefiel dieses Gefühl, gebraucht zu werden. Sicher, er war kein Muskelprotz wie Luke Goodman, der Produktionsmanager bei Sweet Dreams, und auch keiner von den Machern wie Blake Preston, der Leiter der Bank. Manchen Männern war es einfach angeboren, die Hauptrollen zu übernehmen und auf der Bühne des Lebens ständig präsent zu sein. Andere waren von der Natur dazu bestimmt, die Kulissen aufzubauen, die Vorhänge aufzuziehen und im Hintergrund zu arbeiten, damit auf der Bühne alles reibungslos vonstattengehen konnte. Jonathan war einer dieser Kulissenschieber. Was überhaupt nicht schlimm ist, redete er sich ein. Nur mithilfe dieser Kulissenarbeiter konnte die Show überhaupt über die Bühne gehen.

Aber die weiblichen Stars bemerkten die Typen im Hintergrund leider nie. Jonathan seufzte. Manchmal fühlte er sich wie Cyrano de Bergerac. Allerdings ohne die lange Nase.

„Dieses Teil macht mich noch ganz irre“, sagte Elena und funkelte das Ärger bereitende Wunder der Technik auf ihrem Schreibtisch böse an.

Die Inhaberin von Sweet Dreams, Samantha Sterling, die erst kürzlich Blake Preston geheiratet hatte, kam gerade aus ihrem Büro. „Noch irrer, als wir dich machen?“

„Noch irrer, als meine Mutter mich macht“, erwiderte Elena. Samantha tätschelte ihre Schulter. „Jonathan wird es schon wieder richten.“

„Equipo del infierno“, grummelte Elena.

„Höllengerät?“, mutmaßte Jonathan, der sein Highschool-Spanisch noch nicht ganz vergessen hatte.

Elenas frustrierter Blick genügte als Antwort.

„Keine Sorge“, sagte Samantha zu ihr. „Jonathan hilft dir im Kampf gegen die bösen Mächte der Technologie. Wenn Cecily kommt, richte ihr bitte aus, dass ich gegen halb zwei wieder da bin. Versuchen Sie doch in der Zwischenzeit, meine Lieblingsassistentin davon abzuhalten, sich vor Frust die Haare auszureißen“, fügte sie an Jonathan gewandt hinzu.

„Keine Angst“, erwiderte er und versprach Elena dann: „Das Ding hier läuft in null Komma nichts wieder.“

Aus null Komma nichts wurde eine Stunde, aber da Elena damit gerechnet hatte, den ganzen Tag zu verlieren, war sie überglücklich. „Sie sind ein Held“, erklärte sie Jonathan gerade, da erschien Samanthas Schwester Cecily auf der Bildfläche.

„Hat er uns wieder einmal gerettet?“, fragte sie Elena und lächelte Jonathan an.

„Ja, wie immer.“

Jonathan schob seine Brille hoch und versuchte, bescheiden auszusehen. Was gar nicht so einfach war, wenn die Leute einen so in den Himmel lobten.

Aber dann, als er gerade dabei war, seine Sachen einzupacken, sagte Cecily etwas, was ihm den Schreck in die Glieder fahren ließ. „Ach, übrigens, Tina Swift hat erzählt, dass ihr demnächst Klassentreffen habt – fünfzehn Jahre Higschoolabschluss.“

„Äh, ja.“

„Oh, ich finde, die machen immer solchen Spaß. Man trifft alte Freunde wieder und Leute, mit denen man früher liiert war“, fuhr sie fort.

Das war ja noch schlimmer als Dots Zigarettenqualm. Mit Cecily zu plaudern brachte Jonathan irgendwie immer in Verlegenheit. Und mit ihr über das Klassentreffen zu reden würde ihn in ein nervöses Wrack verwandeln, vor allem, wenn sie anfangen sollte, ihn zu fragen, mit welchen Mädchen er denn früher ausgegangen war. Also drückte Jonathan auf die Tube und hatte in Windeseile seine Werkzeuge und seine diversen CDs eingepackt.

„Gehst du zu dem Treffen?“, fragte sie ihn.

„Vielleicht“, log er und hoffte, dass sie es darauf beruhen lassen würde.

Tat sie aber nicht. „Ich bin gerade rechtzeitig vor unserem zehnjährigen Treffen hierher zurückgezogen, und ich bin froh, dass ich hingegangen bin. Es waren eine Menge Leute da, die ich sonst nie wiedergesehen hätte.“

Es gab da tatsächlich jemanden, den Jonathan nur allzu gern wiedersehen wollte, und eigentlich nicht nur sehen … Jemanden mit langen, blonden Haaren und … Abrupt schloss er seine Aktentasche und flüchtete zur Tür. „Also, Elena, ich schicke Ihnen die Rechnung wie immer zu.“

„Okay“, rief sie.

Die Tür war noch nicht ganz hinter ihm ins Schloss gefallen, als er Elena zu Cecily sagen hörte: „Der braucht mal ein bisschen Selbstvertrauen.“

Es war oberpeinlich so etwas über sich selbst zu hören, doch leider entsprach es der Wahrheit. Er brauchte allerdings sehr viel mehr als nur Selbstvertrauen. Wie sollte ein Mann allerdings Vertrauen zu sich fassen, wenn es nichts gab, worauf er sein Selbstvertrauen aufbauen konnte?

Inzwischen war es Mittag, also bestellte er sich im Big Brats Bratwurst mit Sauerkraut und machte es sich an einem der Tische im Innenhof des beliebten Würstchenimbisses gemütlich. Es war ein perfekter Tag, um draußen zu essen. Die Sonne wärmte ihm den Rücken, und ein leichter Wind, der von den Bergen herüberwehte, sorgte dafür, dass ihm nicht zu heiß wurde. Der wolkenlose Himmel bildete einen herrlich blauen Hintergrund für die Berge.

Während der Wochenenden war der Innenhof hier so überfüllt, dass man eine Nummer ziehen musste. Heute war es jedoch relativ ruhig, und nur ein paar Tische waren besetzt.

Ed York, dem der Weinladen D’Vine Wines gehörte, und Pat Wilder, die Eigentümerin des Buchladens Mountain Escape Books, kamen über die Straße geschlendert, um ihre Bestellung aufzugeben. An Jonathans Tisch hielten sie kurz an, um Hallo zu sagen, fragten ihn jedoch nicht, ob sie sich zu ihm gesellen durften. Was nicht sonderlich überraschend war, denn Pat und Ed waren dabei, miteinander anzubandeln.

Von seiner Mom wusste Jonathan, dass Ed schon gleich, nachdem er nach Icicle Falls gezogen und seinen Weinladen eröffnet hatte, ein Auge auf Pat geworfen hatte. Doch Pat hatte um ihren Ehemann getrauert und war nicht im Geringsten interessiert gewesen. So, wie es aussah, schien sich das jetzt zu ändern. Eds Erfolg in Sachen Romantik schürte in Jonathan einen kleinen Funken Hoffnung. Vielleicht konnte man, wenn man nur beharrlich genug war, die Frau seiner Träume irgendwann doch erobern.

Vielleicht vergeudete man aber auch sein Leben mit Tagträumen. Jonathan knüllte seine Serviette zusammen. Es war Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen.

Sein nächster Kunde war Gerhardt Geissel, der zusammen mit seiner Frau Ingrid Gerhardt’s Gasthaus betrieb. Gerhardt war ein kleiner, stämmiger Mann um die fünfzig, mit grauem Haar und einem runden, geröteten Gesicht. Er liebte die deutsche Küche seiner Frau, sein Bier und zelebrierte stolz sein alpenländisches Erbe, indem er Lederhosen trug und jeden Morgen als Erstes seinen Gästen auf dem Alphorn ein Ständchen vortrug.

Er spielte sogar, wenn er keine Gäste hatte. Vor Kurzem, an seinem Geburtstag, hatte er sich jedoch etwas zu sehr mitreißen lassen. Nachdem er das eine oder andere Bierchen zu viel getrunken hatte, war ihm die Idee gekommen, seinen Gästen am Abend auch noch ein Ständchen zu bringen. Dabei war er vom Balkon vor seinem Esszimmer gefallen, hatte sich bei dem Sturz aus drei Metern Höhe aber glücklicherweise nur den Arm und nicht das Genick gebrochen.

„Jonathan, wie geht’s?“, rief er und hob seinen Gipsarm, als seine Frau Jonathan ins Arbeitszimmer führte. „Ich hoffe, Sie sind hier, um alle meine Probleme zu lösen.“

„Das ist so gut wie unmöglich“, stellte seine Frau fest.

Gerhardt verzog das Gesicht. „Da können Sie mal sehen, wie sehr sie mich liebt.“

Seine Frau schnitt ebenfalls eine Grimasse und ging wieder. Doch schon wenig später kehrte sie mit einem Stück Schwarzwälder Kirschtorte für Jonathan zurück. „Sie sind viel zu dünn“, informierte sie ihn. „Sie müssen mehr essen.“

„Sie brauchen eine Frau, die für Sie kocht“, fügte ihr Mann hinzu.

„Meine jüngere Nichte, Mary, lebt gleich drüben in Wenatchee, und die ist sehr hübsch“, meinte Ingrid.

„Und sehr dumm.“ Gerhardt schüttelte angewidert den Kopf. „Jonathan ist ein kluger Mann. Er braucht eine kluge Frau.“

„Mary ist klug“, beharrte Ingrid. „Sie trifft nur manchmal die falsche Wahl.“

„Äh, vielen Dank“, erwiderte Jonathan. „Ich weiß das Angebot zu schätzen.“ Manchmal fragte er sich, ob eigentlich sämtliche Einwohner von Icicle Falls über fünfzig ihn verkuppeln wollten.

Verflixt, es waren ja nicht nur die Älteren. Sogar seine Schwester hatte es immer wieder versucht, indem sie ihm irgendeine Frau vorstellte, die sie gerade kennengelernt hatte und von der sie dachte, sie wäre genau die Richtige für ihn. Natürlich war es nie die Richtige.

Gerhardts Computerproblem war schnell behoben. Jonathan installierte sein Betriebssystem neu und damit war die Sache erledigt.

„Sie sollten lieber schnell verschwinden, ehe meine Frau mit Marys Telefonnummer anrückt“, riet Gerhardt ihm, nachdem er einen Scheck für Jonathan ausgestellt hatte.

Gute Idee. Jonathan verschwand durch den Hinterausgang.

Nachdem er bei Gerhardt fertig war, schaute er noch bei zwei weiteren Kunden vorbei, ehe er nach Hause fuhr.

Es war bereits später Nachmittag, als Jonathan auf die Auffahrt bog, doch die Maisonne schickte ihre wärmenden Strahlen noch auf die Mountain View Road, an deren Ende sein kleines Holzhaus mit den drei Zimmern stand. Eigentlich hatte er nur zwei Zimmer haben wollen, aber seine Familie hatte ihn überredet, einen zusätzlichen Raum einzuplanen. „Du brauchst doch Platz für Frau und Kinder“, hatte seine Mutter gesagt. Die gute alte Mom, immer optimistisch.

Die Tannen und Kiefern, die das Haus umgaben, bildeten einen rustikalen Hintergrund, während die Stiefmütterchen, Begonien und anderen Blumen, die seine Mutter und seine Schwester in die Blumenkästen an den Fenstern und in die Beete im Vorgarten gepflanzt hatten, dem Ganzen einen heimeligen Touch gaben. Wer hier vorbeikam, ging vermutlich davon aus, dass eine Frau in dem Hause lebte. Doch da täuschte man sich. Das einzige weibliche Wesen in diesem Haus besaß vier Beine.

Aber Jonathan stellte sich oft vor, dass er in diesem Haus zusammen mit Frau und Kindern wohnte – die Frau (selbstverständlich eine hübsche Blondine) kochte Essen, während er und die Kinder sich mit Videospielen vergnügten. Er sah sich als alten Mann, wie er auf der Veranda saß und mit einem Enkel Schach spielte, natürlich mit Figuren, die er selbst geschnitzt hatte. Das Haus würde er, das verstand sich ebenfalls von selbst, an seinen Sohn weitervererben, damit das Grundstück in der Familie blieb.

Sein eigener Großvater hatte das Land als Investition gekauft, als es nicht viel mehr als eine Gebirgswiese gewesen war. Gramps hätte einen saftigen Gewinn einstreichen können, wenn er es verkauft hätte, aber stattdessen hatte er es Jonathan zu einem Spottpreis überlassen, als der fünfundzwanzig geworden war.

Mit siebenundzwanzig hatte er dann angefangen, sein Haus zu bauen. Ein Cousin, der im nahe gelegenen Yakima im Baugewerbe tätig war, hatte ihn dabei tatkräftig unterstützt, genau wie sein Dad auch. Doch leider hatte sein Vater das Ende des Baus nicht mehr miterlebt. Kurz bevor das Dach gedeckt wurde, hatte er einen Herzinfarkt erlitten, und Jonathan hatte nicht nur den Hausbau, sondern auch sein Leben von nun an allein meistern müssen.

So war Jonathan also zum Oberhaupt der Familie geworden und sollte in dieser Rolle seiner Mom, seiner Großmutter und auch seiner Schwester helfen, mit dem Leben fertig zu werden. Seiner verwitweten Großmutter konnte er keine Hilfe mehr sein, denn die hatte versucht, vor dem Verlust davonzulaufen, und war nach Arizona gezogen. Auch seiner Mutter hatte er, abgesehen davon, dass er ihr ein Computerprogramm installiert hatte, mit dem sie ihre Finanzen verwalten konnte, nicht weiter helfen können. Er hatte versucht, Julia Unterstützung zu bieten, aber er war ja selbst kaum in der Lage, sein Leben in den Griff zu bekommen. Hätte er doch nur seinen Dad nicht all die schwere körperliche Arbeit machen lassen.

„Sei nicht albern“, sagte seine Mutter immer. „Dein Vater hätte genauso gut auch auf dem Golfplatz sterben können. Er hat das getan, was er gern tun wollte, nämlich dir helfen.“

Seinem Sohn helfen, ein Mann zu sein. Das Haus war vermutlich Jonathans einziges Unternehmen, das seinen Vater mit Stolz erfüllt hatte. Es war nicht schwierig, sich auszumalen, was für eine Art von Sohn Dad sich eigentlich gewünscht hatte. Nie hatte er auch nur eins der Footballspiele der Icicle Falls Highschoolmannschaft verpasst, sei es ein Heim- oder ein Auswärtsspiel. Wie oft hatte er wohl auf der Tribüne gesessen und sich gewünscht, dass sein schlaksiger Sohn ebenfalls dort unten auf dem Spielfeld gestanden oder zumindest auf der Bank gesessen hätte, statt in einer Band zu spielen? Jonathan war froh, dass er es nicht genau wusste.

„Ich liebe dich, mein Junge“, hatte Dad gesagt, während man ihn in den Krankenwagen geschoben hatte. Es waren die letzten Worte, die Jonathan von ihm gehört hatte, und er war dankbar dafür. Aber häufig wünschte er sich, sein Dad hätte gesagt, er wäre stolz auf ihn.

Als er den gelben Volkswagen mit dem Schriftzug seiner Firma Geek Gods Computer Services an der Seite auf die Einfahrt fuhr, verließ seine Hündin Chica ihren Beobachtungsposten auf der Veranda und rannte ihm entgegen, um ihn mit einem Bellen zu begrüßen. Chica kam aus dem Tierheim und war teils Schäferhund, teils Labrador und teils … tja, welcher Hund auch immer einen buschigen Schwanz hatte. Seit fünf Jahren lebte sie bei Jonathan, und sie hielt ihn wirklich für einen Gott (und ihr war es auch egal, dass er ein Computerfreak war).

Er stieg aus dem Wagen, und die Hündin begann auf und ab zu springen, als hätte sie Sprungfedern in ihren Pfoten. Aber es war nett, dass wenigstens ein weibliches Wesen seinetwegen ganz aus dem Häuschen geriet. „Hallo, mein Mädchen“, begrüßte er sie. „Wir werden jetzt erst einmal etwas essen und anschließend können wir noch eine Runde toben.“

Zunächst einmal tauschte er seine gute Hose jedoch gegen eine alten Baggy-Jeans und sein Oberhemd gegen ein T-Shirt mit einem typischen Computerfreak-Spruch. Dann, nachdem er sich eine Dose Spaghetti und Chica eine Portion leckeres Hundefutter aufgetischt hatte, war es Zeit für eine kurze Runde Stöckchen holen. Es musste ausnahmsweise schnell gehen, denn heute war Freitag, Pokerabend, und Jonathans Kumpel würden um sieben Uhr bei ihm vor der Tür stehen. Poker, noch eine echte Männerbeschäftigung. Dad wäre stolz gewesen.

Der Erste, der eintraf, war sein Freund Kyle Long. Kyle und Jonathan waren schon seit der Highschool befreundet, wo sie beide Mitglied im Schachklub gewesen waren und eine Vorliebe für alte Science-Fiction-Filme und Videospiele geteilt hatten.

Eigentlich passte der Nachname Long nicht wirklich zu Kyle, denn er war nicht lang, sondern eher kurz geraten. Sein Haar hatte einen helleren Ton als Jonathans dunkelbraunes, es war im Grunde genauso unspektakulär wie Kyles Gesicht.

Sein durchschnittliches Aussehen bereitete ihm nur halb so viele Sorgen wie seine geringe Größe. „Frauen gucken kleine Männer doch gar nicht an“, beschwerte er sich häufig. Und kleine Männer, die (wie Kyle) nicht so sonderlich selbstbewusst waren und auch nicht so locker mit Komplimenten um sich werfen konnten – na ja, die wurden im Grunde gar nicht beachtet, nicht einmal von Frauen, die ebenfalls eher klein geraten waren. Das war ein schweres Kreuz gewesen, das er in der Highschool hatte tragen müssen, als es Kyle so vorgekommen war, als würde jedes Mädchen, das ihm gefiel, sich lieber für einen riesigen Basketballspieler entscheiden, als mit ihm auszugehen. Heutzutage trug die Konkurrenz eine ganz andere Art von Uniform, nämlich die typische Bürokleidung, aber Kyles Frustrationslevel war der gleiche geblieben.

Seine mürrische Miene heute Abend verriet schon alles, noch ehe er den Mund überhaupt aufgemacht hatte. „Was ist nur mit den Frauen los, kannst du mir das mal sagen?“, wollte er wissen, als er ein Sixpack Bier auf Jonathans Arbeitsplatte stellte.

Wenn Jonathan es wüsste, wäre er inzwischen längst mit der Frau seiner Träume verheiratet. Also zuckte er nur mit den Schultern.

„Okay, Darrow sieht aus wie der verdammte Ryan Reynolds, na und?“

Ted Darrow, Kyles Nemesis. „Und er fährt einen Jaguar“, warf Jonathan ein. Darrow war außerdem Kyles Chef, was ihn auf der Erfolgsleiter diverse Stufen höher platzierte, immer ein ausschlaggebendes Kriterium, das äußerst sexy wirkte.

„Aber er ist der weltgrößte Idiot“, meinte Kyle erbost. „Ich weiß ehrlich nicht, was Jillian an ihm findet.“

Jonathan wusste es. Gleich und gleich gesellte sich nun mal gern. Gut aussehende Menschen zogen einander magnetisch an. Er hatte Jillian kennengelernt, als er bei Kyle in der Firma – Safe Hands Insurance – ein neues Computersystem installiert hatte. Als Rezeptionskraft hatte es zu ihrem Job gehört, ihn zu begrüßen, und ihm war sofort klar gewesen, wieso sein Freund so hin und weg war. Sie war echt heiß, mit langen Beinen, die einem Supermodel alle Ehre gemacht hätten. Frauen wie sie standen auf die Ted Darrows dieser Welt.

Oder auf die Rand Burwells.

Den letzten Gedanken verdrängte Jonathan schnellstens wieder. „Hey, das kannst du aufgeben. Die wirst du nie kriegen.“ Es war hart, seinem besten Kumpel so etwas sagen zu müssen, aber er konnte doch nicht zulassen, dass sich ein Freund wegen einer Frau, die weit außerhalb seiner Liga spielte, zum Narren machte. Dasselbe würde Kyle auch für ihn tun – wenn er wüsste, dass Jonathan seit vergangenem Weihnachten einen Rückfall erlitten hatte, und wieder für seine eigene Traumfrau schwärmte. Offenbar gab es für einen Mann viele Wege, sich zum Narren zu machen.

Entmutigt seufzte Kyle. „Ja.“ Er holte sich einen Flaschenöffner aus der Küchenschublade und machte sich ein Bier auf. „Es ist nur, ach, verdammt. Wenn sie mich mal länger als zwei Sekunden anschauen würde, dann würde sie bestimmt feststellen, dass ich zweimal so viel wert bin wie dieser Darrow.“

„Ja, ja“, meinte Jonathan nur und riss eine Tüte Chips auf, bevor er sie neben das Bier legte.

Der Nächste, der aufkreuzte, war Bernardo Ruiz. Er brachte eine Schüssel Salsa mit, die seine Frau selbst gemacht hatte. Bernardo war glücklich verheiratet und besaß eine kleine Obstplantage vor der Stadt, auf die er ziemlich stolz war. Bernardo war nicht viel größer als Kyle, aber er marschierte durchs Leben, als wäre er einen Meter achtzig.

„Wer ist gestorben?“, fragte er, während er von einem Freund zum anderen schaute.

„Niemand“, fuhr Kyle ihn an.

Bernardo musterte ihn misstrauisch. „Himmelst du immer noch diese Tussi bei der Arbeit an?“

„Sie ist keine Tussi“, erwiderte Kyle grimmig.

Bernardo schüttelte angewidert den Kopf. „Kleiner Mann, du bist ein Idiot, wenn du einer Frau hinterherläufst, die nichts von dir wissen will. Solche Frauen lassen dich innerlich noch kleiner erscheinen.“

Jegliche Anspielung auf seine kleine Statur, sei es nun innerlich oder äußerlich, kam bei Kyle nie gut an, von daher war es vermutlich ganz gut, dass in diesem Moment Adam Edwards mit noch mehr Bier und Chips eintraf. Als Außendienstmitar-beiter für einen pharmazeutischen Betrieb verdiente er mehr als Jonathan und Kyle zusammen, und er hatte auch die Spielzeuge, um das zu beweisen – ein großes Haus am Fluss, eine alte Corvette, ein Schneemobil und ein Strandhaus an der Küste von Washington. Außerdem hatte er eine gut aussehende Frau, was Jonathans These, dass gleich und gleich sich gern zueinander gesellte, nur wieder bestätigte, denn Adam war groß, hatte breite Schulter und sah aus, als würde er eher nach Hollywood als nach Icicle Falls gehören. Manche Männer hatten einfach alles.

„Vance kommt später“, informierte Adam die anderen. „Er meinte, er müsste noch was fertig machen, und wir sollten ohne ihn anfangen.“

Vance Fish, das neueste Mitglied ihrer Gruppe, war Anfang fünfzig, was ihn zum Senior der Pokerrunde machte. Er hatte sich ein großes Haus an der River Road gebaut, ungefähr eine Meile von Adams Grundstück entfernt. Beim Angeln hatten die beiden sich näher kennengelernt, und Adam hatte ihn eingeladen, sich ihrer Pokerrunde anzuschließen.

Obwohl Vance behauptete, er wäre mehr oder weniger in Rente, schien er immer zu arbeiten. Ihm gehörte Emerald City Books, ein Buchladen in Seattle. Erst kürzlich hatte er die Schokolade von Sweet Dreams in sein Angebot aufgenommen, was ihn bei der Sterling-Familie, der die Schokoladenfabrik gehörte, äußerst populär machte.

Er kleidete sich, als hätte er keinen Cent auf der Naht, meist in Jogginghosen oder Jeans und einem schlabbrigen schwarzen T-Shirt, das unvorteilhaft über seinem ziemlich dicken Bauch hing, aber sein schniekes Haus war Beweis genug, dass es Vance gut ging.

„Das heißt, den sehen wir frühestens in einer Stunde oder so“, prognostizierte Kyle.

„Was muss er denn noch erledigen?“, wollte Bernardo wissen. „Baut er da in seinem vornehmen Haus irgendwas? Ich hab’ in seiner Garage noch nie irgendwelches Werkzeug oder eine Werkbank gesehen.“

„Muss wohl irgendwas mit dem Buchladen sein“, erwiderte Adam. „Ich weiß aber nicht, was.“

„Na, umso besser für mich“, meinte Kyle fröhlich. „Bis er auftaucht, habe ich euch schon das Geld aus der Tasche gezogen.“ Er rieb sich die Hände. „Ich spüre es, heute habe ich eine Glückssträhne.“

Er bewies es, indem er ihnen das Geld abknöpfte. „Bernardo, du solltest einfach deine Taschen ausleeren, sobald du hier ankommst“, lästerte Adam. „Ich hab’ noch nie jemanden gesehen, der so viel Pech beim Kartenspielen hat.“

„Tja, kennst du nicht das Sprichwort? Pech im Spiel, Glück in der Liebe“, antwortete Bernardo.

Seine Bemerkung wischte das Siegesgrinsen von Kyles Gesicht. „Frauen“, murmelte er düster.

„Ich warne dich, wenn du jetzt wieder damit anfängst, dann …“, ermahnte Adam ihn.

„Was?“, protestierte Kyle.

Adam deutete mit seiner Bierflasche auf Kyle. „Wenn ich auch nur noch ein Wort über Jillian höre, dann ziehe ich dir hiermit eins über.“

„Oh, nein“, sagte ein tiefe Stimme. „Ich hatte gehofft, ihr Clowns hättet das Thema Frauen inzwischen abgearbeitet.“

Jonathan drehte sich um und sah Vance ins Zimmer schlendern, modisch wie immer in seinem schwarzen Lieblings-T-Shirt, Baggy-Jeans und Sandalen. Dem Anlass entsprechend hatte er sich nicht rasiert. Abgesehen von den extra Pfunden (okay, und dem kahlen Fleck mitten auf seinem Kopf), sah er gar nicht mal so schlecht aus. Sein sandfarbenes Haar war mit grauen Strähnen durchzogen, doch er hatte buschige Augenbrauen und ein kräftiges Kinn, etwas, was Frauen zu mögen schienen, selbst bei dicken Männern. An Vance waren sie verschwendet; er war nicht interessiert. „Hab’ ich alles schon erlebt, mir reicht’s“, sagte er häufig.

„Wir sind mit dem Thema Frauen durch“, versicherte Adam ihm.

Vance gab ihm einen Schlag auf den Rücken. „Freut mich zu hören, denn das Letzte, was ich nach einem harten Arbeitstag will, ist euch Losern zuzuhören, wie ihr über die Frauen lamentiert.“

„Ich hab’ nicht lamentiert“, entgegnete Kyle und sah beleidigt aus.

Vance setzte sich an den Tisch. „Es geht schon wieder um die Schöne bei dir im Büro, oder? Machst du dir ihretwegen mal wieder ins Hemd?“ Kyle blickte ihn böse an, doch Vance wischte seinen Ärger mit einer Bewegung seiner fülligen Hand beiseite. „Weißt du, Frauen können Verzweiflung eine Meile gegen den Wind riechen. Das törnt sie ab.“

„Und ich nehme mal an, was das angeht, bist du ein Experte?“, zog Adam ihn auf.

„Es gibt auf der ganzen Welt keinen Mann, der ein Experte ist, wenn es um Frauen geht. Und wenn du jemanden triffst, der das behauptet, dann ist er ein Lügner. So, und jetzt lasst uns Poker spielen.“ Vance musterte den Stapel Spielchips, der vor Kyle lag. „Ich glaube, es wird Zeit, dass ich dir davon mal ein bisschen was abnehme, mein Freund.“

„Ich glaube nicht“, erwiderte Kyle, bevor sie richtig loslegten.

Nach anderthalb Stunden verkündete Vance, dass er mal aufs Klo müsste.

„Und ich brauche ein paar Chips und Salsa“, meinte Adam, woraufhin sie beschlossen, eine kleine Pause einzulegen.

„Hattest du auch die Ankündigung in der Post?“, wollte Kyle von Jonathan wissen.

Oh, nein, nicht das schon wieder.

„Welche Ankündigung?“, fragte Adam.

„Highschool-Klassentreffen“, antwortete Kyle. „Fünfzehnjähriges.“

Natürlich hatte Jonathan die niedliche kleine Postkarte erhalten, auf der ein Bild des Icicle-Falls-Highschool-Maskottchen abgebildet war, ein Grizzlybär, der um die Ecke lugte. Und natürlich war sein erster Gedanke gewesen, vielleicht kommt Lissa ja auch. Sofort war seine Laune in schwindelerregende Höhen geklettert. Bis ihm ein weiterer Gedanke durch den Kopf geschossen war. Ich bin und bleibe trotzdem der „Unsichtbare Mann“. Daraufhin war seine Laune wieder in den Keller gesunken.

„Ja, hab’ ich“, sagte er. „Ich geh’ nicht hin.“

Aber Rand würde vermutlich auftauchen. Rand und Lissa, wieder glücklich vereint.

Jetzt war seine Laune nicht nur im Keller, sondern in einem Abgrund, in dem sich Alligatoren tummelten. Und der Pokerabend entwickelte sich auch zu einer Pleite.

Genau wie sein Liebesleben.

2. KAPITEL

Der Pokerabend hatte kein gutes Ende für Kyle genommen. Vance, der alte Fuchs, hatte ihm die Taschen leer geräubert. Und damit war das Wochenende im Grunde schon gelaufen.

Den Samstag verbrachte er damit, Sachen zu besorgen und zu erledigen. Abends setzte er sich an den Computer und spielte eine Runde War on Planet X mit ein paar anderen Online-Spielern, fühlte sich hinterher aber noch deprimierter. So langsam wurde er zu alt für diesen Quatsch. Er wollte mehr aus seinem Leben machen. Irgendwie kam es ihm so vor, als würden sich alle außer ihm zu Paaren zusammenfinden.

Diese Tatsache wurde ihm noch bewusster, als er am Sonntag zu seiner Familie zum Essen ging und erfuhr, dass seine kleine Schwester sich verlobt hatte. Okay, er hatte es seit Monaten kommen sehen und freute sich auch für sie. Aber jetzt war es offiziell – er war der letzte der drei Geschwister, der noch ungebunden war. Und Kerrie war vier Jahre jünger als er, was die Sache nicht gerade besser machte. Genauso wenig wie Bemerkungen wie: „Wir müssen eine Frau für Kyle finden.“ Seine kleine Schwester brauchte keine Frau für ihn zu suchen.

Er hatte schließlich schon eine gefunden. Das Einzige, was er jetzt noch tun musste, war, sie davon zu überzeugen, dass er der richtige Mann für sie war.

Na ja, das Wochenende war überstanden, und ein neuer Tag stand bevor. Gott sei Dank – es ist Montag! Er marschierte durch die Glastüren der Safe Hands Insurance Company und trat in die Lobby mit den modernen Bildern, der strategisch platzierten Metallskulptur mit den zwei riesigen ausgestreckten Händen, die Versicherungspaternalismus symbolisierten, und den Pflanzen, die aussahen, als wären sie aus dem afrikanischen Dschungel geflüchtet. Kyle richtete seinen Blick geradeaus, denn dort, direkt vor ihm, stand der Empfangstresen.

Dahinter saß eine Vision. Jillian. Sie hatte lange, rotblonde Haare, die sie sich über die Schulter warf, wenn sie redete, volle, glänzende Lippen, die er zu gern geküsst hätte, eine perfekt geformte Nase und himmelblaue Augen. Blinde himmelblaue Augen. Eines nicht allzu fernen Tages würde sie ihn wahrnehmen, ihn richtig sehen. Vielleicht sogar an diesem Morgen.

Er jedenfalls nahm alles an ihr wahr. Heute trug sie eine weiße Bluse mit einem V-Ausschnitt, der auf ihre Brüste zeigte – als ob ein Mann noch Hilfe bräuchte, die zu finden –, und sie trug eine Kette aus Glasperlen, um die Lücke zwischen Hals und Himmel zu überbrücken. Das Haar hatte sie hinter die Ohren gestrichen, um die schwingenden Ohrringe, die zur Kette passten, besser zur Geltung zu bringen. Sie hatte die lustige kleine Angewohnheit, mit dem Stift auf den Schreibtisch zu klopfen, während sie telefonierte, was sie im Moment gerade tat. Das Gespräch dauerte nur einen Augenblick, bevor sie einen Knopf drückte und den Anruf weiterleitete. Vermutlich an einen der Chefs. Sie war echt eine verdammt effiziente Frau.

Jetzt lächelte sie ihn an, als er in seiner grauen Hose und dem weißen Oberhemd auf sie zuging. Das Haar hatte er modisch zurückgekämmt, was dem neuesten Schrei entsprach (jedenfalls hatte das der Friseur behauptet, der ihn am Samstag im Sweeney Todd Barbershop das erste Mal bedient hatte – das einzige Highlight dieses Wochenendes). Kyle schob die Brust raus und setzte ein strahlendes Lächeln auf. Es war ein nettes Lächeln, das gaben sogar seine Schwestern zu.

Oh, wow, bei seinem Anblick leuchteten Jillians Augen auf. Es musste an der Frisur liegen. Er atmete tief ein, und ging mit stolz geschwellter Brust weiter auf sie zu.

Dieses Lächeln. Es war ein tolles Lächeln, und sie lächelte häufig. Wenn eine Frau oft lächelte, bedeutete es, dass sie glücklich und unbekümmert war. Das war genau die Art von Frau, die Kyle wollte.

Er war fast am Empfangstisch angekommen, als er bemerkte, dass sie keinen Augenkontakt aufgebaut hatten. Jillian blickte an ihm vorbei.

Da hörte er auch schon eine tiefe, sonore Stimme hinter sich. „Jillian, du siehst an diesem herrlichen Morgen wieder einmal bezaubernd aus.“

Ted Darrow, der Schleimer. Kyles Vorgesetzter. Kyle merkte, dass sein eigenes Lächeln schwand, während er auch innerlich zusammensackte. Murmelnd begrüßte er Jillian und schlich an ihrem Arbeitsplatz vorbei.

„Hallo“, sagte sie geistesabwesend, als er vorbeiging. Für Ted hatte sie ein sexy „Hallo, Ted“ parat.

„Hallo, Ted“, äffte Kyle sie auf dem Weg zu seinem Schreibtisch leise nach. Jillian sollte ihren Atem nicht an diesen Idioten verschwenden. Männer wie Ted flirteten mit Frauen, sie benutzten Frauen, aber sie wussten die Frauen gar nicht zu schätzen. Frustriert stöhnend ließ Kyle sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen.

„Wie ich sehe, geht dein Tag schon gleich gut los“, ertönte eine sanfte Stimme aus der Nische nebenan.

Anders als gewisse Leute, besaß Mindy Wright immer den Anstand, seine Existenz wahrzunehmen. Allerdings fühlte er sich dadurch auch nicht besser, denn Mindy war nun einmal keine Jillian.

„Morgen, Mindy.“ Seine Begrüßung hatte etwas widerwillig geklungen, daher fügte er hinzu: „Wie war dein Wochenende?“

„Na ja, man könnte sagen … interessant.“

Mindy war im Internet auf der Suche nach dem perfekten Partner. Bisher hatte sie einen Lkw-Fahrer aufgegabelt, der zehn Jahre älter war als sie und ungefähr vierzig Pfund schwerer als auf dem Foto auf der Dating-Seite, außerdem einen Mann, der behauptet hatte, er wäre Kirchgänger, aber wohl in zwei – okay, eher wohl fünf – Jahren nicht ein einziges Mal einen Fuß in eine Kirche gesetzt hatte, einen Psychiater, von dem Mindy berichtete, mit einem verrückteren Mann wäre sie noch nie essen gewesen, und jemanden, der wie der Richtige gewirkt hatte, bis sie erfahren hatte, dass er keinen Job hatte. „Und er hatte auch nicht vor, sich in absehbarer Zeit einen zu suchen“, hatte Mindy zugegeben. „Er schreibt ein Buch.“

„Oh, na, das ist doch toll“, hatte Kyle gesagt, in dem Bemühen, dem neuesten Loser wenigstens etwas Positives abzugewinnen.

„Über Pilze.“

„Na, das wird bestimmt ein Bestseller.“

Das hatte sie zum Lachen gebracht. Kyle schaffte es häufig, Mindy zum Lachen zu bringen. Wenn er doch nur den Nerv aufbringen könnte, Jillian zum Essen einzuladen. Er war überzeugt davon, dass er auch sie zum Lachen bringen würde. Aber bisher waren alle seine Versuche, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, gescheitert.

Shakespeare hatte schon recht. Der Weg zur wahren Liebe verlief niemals gerade. Kyle hatte das Gefühl, er rannte immer nur in Sackgassen.

Zumindest bei Mindy tat sich was. „Also, mit wem bist du denn jetzt am Wochenende ausgegangen?“, fragte er.

„Mit niemandem, mit dem ich wieder ausgehen will, das kann ich dir sagen. Ich glaube, ich stelle die Suche ein.“

„Hey, du kannst doch nicht einfach aufgeben. Dein perfekter Mann könnte gleich hinter der nächsten Ecke lauern.“

„Hinter der nächsten Internetecke?“ Sie linste grinsend um die Abtrennung ihrer Arbeitsplätze herum.

Es war ein nettes Gesicht, umrahmt von dunklen Haaren und mit einer Brille auf der Nase, einer kleinen Stupsnase, die ihn an Drew Barrymore erinnerte, und einem kleinen Kinn, das irgendwie einmal im Monat von einem Pickel geziert wurde. (Wie kam das eigentlich?) Was ihre Figur anging, na ja, keine zehn Punkte wie bei Jillian. Trotzdem, sie war ganz hübsch. Irgendjemand würde sie schon wollen.

„Ja“, erwiderte er. „Hinter der nächsten Internetecke. Oder vielleicht im Red Barn.“ Wenn man ein kaltes Bier und heiße Musik wollte, dann war das genau der richtige Ort dafür.

Sie schüttelte den Kopf. „Da war ich schon lange nicht mehr.“ Mit diesen Worten verschwand sie wieder hinter der Wand.

„Wieso nicht?“, fragte Kyle und fuhr seinen Computer hoch.

„Zu viel Konkurrenz.“

„Ich weiß, was du meinst.“ Es war schon seltsam, dass die Trennwände eines Arbeitsplatzes fast so wirkten, als wäre man bei der Beichte. Man war auf einmal bereit, Dinge zu sagen, die man von Angesicht zu Angesicht nicht laut aussprechen würde. Nicht dass er in letzter Zeit zur Beichte gewesen wäre.

Vielleicht sollte er doch mal wieder in die Kirche gehen. Und vielleicht sollte er häufiger zu Gott beten. Gott sah ihn, selbst wenn Jillian es nicht tat. Vielleicht konnte Gott ja ein Wunder bewirken und Jillian die Augen öffnen. So wie die Dinge hier bei Safe Hands liefen, wäre dazu wirklich ein Wunder nötig.

Es war neun Uhr und Zeit für Jonathans morgendliches Ritual. Er schnappte sich seine Müslischüssel mit der klein geschnittenen Banane und stellte den Fernseher an, bevor er einen Sender in Oregon einschaltete. „Das haben wir ja gerade noch mal geschafft“, sagte er zu Chica, die es sich auf der Couch neben ihm gemütlich gemacht hatte. „Wir hätten nicht so lange Gassi gehen sollen.“

Chicas einzige Reaktion war ein ausgiebiges Gähnen.

„Weißt du was? Deine ablehnende Haltung ist nicht nett.“ Sie bellte kurz auf.

„Und du bist eifersüchtig“, fügte er hinzu, was sie winseln ließ. Er legte einen Arm um sie und kraulte sie hinter den Ohren. „Aber ich behalte dich trotzdem.“

Die Werbung für eine Laser-Hautbehandlung endete, und Chica war vergessen, als Bilder der Stadt Portland, begleitet von flotter Musik, auf dem Bildschirm erschienen, und eine Stimme laut ausrief: „Guten Morgen, Oregon!“

Dann war sie da – gepflegt, blond und schön – auf einer Couch in einem nachgebauten Wohnzimmer sitzend, neben sich einen grauhaarigen Typen, der eine graue Hose und ein teures Hemd trug.

Scott Lawrence. Bei seinem Anblick runzelte Jonathan die Stirn. Diese Medientypen waren einfach zu aalglatt. Und wer ist jetzt eifersüchtig?

Er natürlich. So was von blöd. Um auf andere Männer eifersüchtig sein zu können, musste man erst einmal mit der Frau zusammen sein. Jonathan war nicht mit Lissa Castle zusammen und war es auch nie gewesen.

„Na, Lissa, ich wette, du hattest ein supertolles Wochenende“, meinte Scott zu ihr.

„Ja, das stimmt.“ Sie hatte solch eine sanfte Stimme und klang immer fröhlich und nett. Lissa war schon immer nett gewesen.

„Hattest du eine heiße Verabredung?“, neckte Scott sie. „Was frage ich überhaupt. Natürlich hattest du ein heißes Date.“

Sie stritt es nicht ab, bestätigte seine Vermutung aber auch nicht, sondern saß einfach da in ihrem Ledersessel und lächelte wie die Mona Lisa in einer rosafarbenen Bluse.

Was bedeutete, dass sie eine heiße Verabredung gehabt hat, folgerte Jonathan daraus und fühlte sich gleich noch schlechter.

Ihr Co-Moderator drehte sich zur Kamera herum. „Da wir gerade von Verabredungen sprechen, einige von Ihnen dort draußen an den Bildschirmen tummeln sich vielleicht auch auf den Dating-Seiten im Internet und finden es bisweilen vermutlich frustrierend.“

„Es kann ziemlich stressig werden, wenn es so weit ist, sich mit jemandem persönlich zu treffen“, ergänzte Lissa. „Und deshalb werden Sie sich bestimmt über unseren ersten Gast heute Morgen freuen, der uns ein paar Tipps verraten wird, wie man den Übergang vom Netz zur persönlichen Begegnung erfolgreich meistert.“

Manchmal nützt auch eine persönliche Begegnung nichts, um eine Frau für sich zu gewinnen, dachte Jonathan niedergeschlagen. Jedenfalls nicht, wenn die Frau aus einer Liga weit oberhalb der eigenen kam.

Er war in Lissa verliebt, seit er herausgefunden hatte, dass es Mädchen gab. Genau genommen war Lissa das erste Mädchen gewesen, das er als solches bemerkt hatte, als sie im Alter von neun Jahren ins Nachbarhaus gezogen war. Sie waren Freunde geworden, was mit neun Jahren toll gewesen war. Aber je älter sie wurden, und je hübscher Lissa wurde, desto weniger genügte Jonathan eine Freundschaft, und er begann, auf mehr zu hoffen.

Doch da war er nicht der Einzige. Auf der Highschool entwickelte auch sein Freund Rand auf einmal ein reges Interesse an Lissa, vor allem, als sie Cheerleaderin wurde. Und sie hatte das Interesse erwidert.

Was nicht sonderlich verwunderlich war, denn Rand war einer von den coolen Typen. Als Kinder hatten alle immer darum gebuhlt, Rand für sich zu gewinnen, wenn es darum ging, die Mannschaften für die Softball-Spiele aufzustellen. Auf der Highschool war er Kapitän der Footballmannschaft. Die Jungs wollten alle seine Kumpel sein, und die Mädchen sahen ihn an, als wäre er der Freifahrtschein für eine Reise ins Disneyland.

Was Jonathan anging, der war Kapitän des … Schachteams, für den so gut wie kein Mädchen einen Blick übrig hatte. Wobei er eigentlich ja sowieso kein anderes Mädchen als Lissa haben wollte.

Doch egal, was er auch unternahm, er schaffte es nicht, ihr Interesse zu wecken. Sie sah in ihm immer nur einen guten Freund aus Kindheitstagen.

Dabei wollte er so viel mehr sein. Im ersten Jahr an der Highschool war er, in der Hoffnung, dass sie ihn endlich einmal in einem anderen Licht sehen würde, morgens früh am Valentinstag in die Schule geschlichen und hatte hundert rote Papierherzen an ihren Spind geklebt.

Völlig selbstverständlich ging sie davon aus, dass Rand dieses Werk vollbracht hatte. Der wiederum heimste genauso selbstverständlich die Lorbeeren dafür ein und ging mit Lissa zum Abschlussball. Daraufhin verpasste Jonathan ihm einen rechten Haken und besiegelte damit das Ende ihrer Freundschaft.

Aber es war nicht das Ende von Rand und Lissas Freundschaft gewesen. Auch im darauf folgenden Jahr bildeten die beiden ein Paar.

Was Jonathan anging, der bildete mit niemandem ein Paar. Er versuchte es immer wieder und ging mit unterschiedlichen Mädchen aus, weil er so verzweifelt war. Doch jedes Mal, wenn er die Augen schloss und eins dieser Mädchen küsste, sah er vor seinem inneren Auge nur Lissa.

Nachdem sie ihren Abschluss gemacht und die Klasse sich in alle Winde verstreut hatte, sah Jonathan Lissa manchmal an Feiertagen, wenn sie in der Stadt war und ihre Eltern besuchte und er zufällig nebenan bei seinen Eltern vorbeischaute. Hin und wieder unterhielten sie sich. Ihm fielen dann solche brillanten Dinge ein wie: „Wie läuft’s denn so?“, und sie stellte ihm Fragen, die häufig so klangen: „Na, gibt es schon jemand Besonderen in deinem Leben?“ Leider brachte er nie den Mut auf zu antworten: „In meinem Leben gibt es jemand Besonderen, seit ich neun war.“

Als sein Dad starb, schickte Lissa ihm eine Karte, in der sie ihm schrieb, wie leid es ihr täte. Meistens jedoch winkte sie ihm nur zu, wenn sie die Auffahrt hinuntereilte, um sich mit ihren Freundinnen zu treffen. Und wenn sie mal wieder die Aufmerksamkeit eines Mannes aus Icicle Falls erregt hatte und an dessen Arm davonspazierte, versuchte Jonathan, das geflissentlich zu ignorieren.

Vor ein paar Jahren war sie im Sommer vorbeigekommen, um ihre Mutter zum Geburtstag zu überraschen. Er war auch gerade bei seinen Eltern gewesen und hatte auf einer Leiter gestanden und das Haus gestrichen, als sie ihn mit einem fröhlichen „Hallo“ von nebenan begrüßt hatte.

Beim Klang ihrer Stimme hätte er fast das Gleichgewicht verloren.

„Jonathan Templar, der Spezialist fürs Anstreichen. Und dabei dachte ich, du wärst nur ein Computergenie“, hatte sie ihn von der anderen Seite der Hecke aus geneckt, die die beiden Grundstücke voneinander trennte.

Von der Leiter aus hatte er einen perfekten Blick auf sie gehabt, und es war ein wahrhaft toller Anblick gewesen. Mit ihrem pinkfarbenen Top und den weißen Shorts sah sie aus, als wäre sie dem Titelblatt der Sommerausgabe einer Frauenzeitschrift entsprungen.

„Das auch“, antwortete er und fragte dann: „Bist du länger in der Stadt?“

„Nein, nur übers Wochenende.“

Er wusste, was das bedeutete. Dieser Augenblick war der einzige, der ihm mit Lissa vergönnt war.

„Heute Abend feiern wir Moms große Geburtstagsparty. Morgen Vormittag gibt es noch einen Brunch, und dann muss ich auch schon wieder zurück nach Portland. Ich schätze, ich habe nicht mal Zeit, um dir irgendwelche Kekse zu backen. Wir traurig ist das denn?“ Ehe er antworten konnte, klingelte ihr Handy. „Ich weiß, ich bin auf dem Weg“, sagte sie und beendete das Telefonat. „Wie immer bin ich spät dran“, meinte sie zu Jonathan. „Ich muss los. War schön, dich mal wiederzusehen, Jonathan. Du siehst gut aus.“ Dann eilte sie davon, und das lange, blonde Haar schwang bei jedem Schritt mit.

Das war nicht das einzig Schwingende gewesen. Ihr Hüftschwung wirkte irgendwie hypnotisch und beinahe wie eine Droge auf ihn. Dummerweise mit ziemlich unangenehmen Konsequenzen.

Jonathan beugte sich vor, um sie so lange wie möglich im Auge zu behalten, und verlor dabei das Gleichgewicht. Mit einem erschrockenen Aufschrei versuchte er noch, sich an der Leiter festzuhalten, erreichte dabei aber nur, dass sich der Farbeimer, als er fiel, über ihn ergoss und ihn von Kopf bis Fuß in blaue Farbe tunkte. Eine Ein-Mann-Blue-Man-Group.

Beim Sturz hatte er sich die Hüfte verletzt, doch sein Ego hatte noch weit mehr gelitten, als nämlich Lissa zurückgerannt kam. „Jonathan, alles okay bei dir?“

Er war alles andere als okay gewesen. Das Ganze war entsetzlich peinlich, und sein Gesicht war unter der blauen Farbe bestimmt knallrot angelaufen. Trotzdem antwortete er mannhaft: „Ja, ja, alles in Ordnung. Es ist nichts passiert. Mir geht es gut.“

In dem Moment kam seine Mom herausgelaufen und machte großes Aufhebens um ihn, was der ganzen Demütigung die Krone aufsetzte. Später hatte er versucht, seine Klamotten zu waschen, mit der Folge, dass seine Unterwäsche hinterher babyblau gewesen war, und es Tage gedauert hatte, bis er die letzten Reste Farbe von seiner Haut entfernt hatte. Unter seinen Fingernägeln hielten sich die Reste noch scheinbar ewig und erinnerten ihn daran, was für ein Idiot er war. Na ja, und die blaue Unterwäsche war ebenfalls eine ständige Ermahnung gewesen.

Lissa hatte dann doch noch Zeit gefunden, um Kekse zu backen. Sie brachte sie vorbei, ehe sie sich wieder auf den Weg zurück nach Portland machte.

Jonathan versuchte, ganz cool zu reagieren, indem er sich mit der Hand am Türrahmen abstützen wollte. Leider verfehlte er sein Ziel und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Wieder einmal.

Sie tat so, als hätte sie nichts bemerkt. „Ich wollte nur noch einmal schnell vorbeischauen, um zu sehen, dass du dir auch nichts gebrochen hast.“

„Nein, nein, ich bin okay.“ Seine Unterhosen waren eine andere Geschichte, doch das behielt er wohlweislich für sich.

„Wie schön“, sagte sie und reichte ihm den Pappteller mit den Keksen. „Aber wenn du dir etwas gebrochen hättest, hätte ich dir was auf deinen Gips geschrieben.“

Hättest du die Stelle geküsst, damit es schneller heilt? Das war eine ungewöhnlich clevere Bemerkung. Zu schade, dass ihm die erst einfiel, nachdem Lissa schon lange weg gewesen war. Doch selbst wenn er früher daran gedacht hätte, den Mut, das laut auszusprechen, hätte er bestimmt niemals aufgebracht. Stattdessen hatte er nur gemeint: „Dann hätte ich meinen Gips ja aufheben müssen, denn deine Unterschrift ist bestimmt irgendwann viel wert.“

Das hatte ihr ein Lächeln entlockt, was wiederum seinen Tag gerettet hatte.

„Bis bald“, hatte sie gerufen, als sie in ihr Auto gestiegen war.

„Ja, bis bald“, hatte er erwidert.

Und seitdem hatte er sie jeden Tag gesehen … im Fernsehen. Auch auf ihrer Facebook-Seite schaute er immer mal wieder vorbei, wovon sie natürlich keinerlei Notiz genommen hatte. Es war nicht viel, aber es war alles, was er hatte, und es war besser als nichts. Na ja, fast besser als nichts.

„Ich frage mich, ob sie wohl zum Klassentreffen kommt“, überlegte er.

Neben ihm winselte Chica.

„Ja, du hast recht, wen interessiert das schon?“, murmelte Jonathan. Heutzutage war sie viel zu beschäftigt, um sich mit Computerfreaks abzugeben, mit denen sie in ihrer Kindheit gespielt hatte. Und wenn er zu dem Klassentreffen ging, würde sich die Geschichte nur wiederholen, sprich die selbsternannten coolen Typen von der Highschool würden ihn wieder fertigmachen.

Er lauschte, während der Experte, den sie zu Gast hatten, Tipps gab, wie man ein erstes Date mit einer Internet-Bekanntschaft zu einem Erfolg machen konnte. Wenn es doch nur einen Experten gäbe, der einem armen Kerl helfen konnte, eine erfolgreiche Verabredung mit einer Frau auf die Beine zu stellen, die er schon sein Leben lang kannte.

„Ich kann sie nicht immer nur hier im Fernsehen anschauen“, sagte er zu Chica. „Und ich kann nicht länger nichts tun. Sie bleibt ja nicht für immer Single.“

Als wenn jemals die Chance bestünde, dass sie, wenn sie irgendwann zum Altar schritt, es an seiner Seite tun würde. „Träum weiter“, schalt er sich.

Ja, und wenn schon? Ein Mann brauchte Träume, musste nach Höherem streben. Steck dir hohe Ziele, sonst kannst du gleich einpacken.

Tja, das war wohl das Beste. Vergiss es, riet er sich.

Die Morgenshow endete, und Jonathan schaltete den Fernseher aus, bevor er Chica sich selbst überließ, damit sie das Haus bewachen und ein Nickerchen machen konnte. Er hingegen stieg ins Auto und fuhr den langen, teils unbefestigten Weg in Richtung Stadt. Unterwegs kam er an einigen ansehnlichen Grundstücken mit entsprechend imposanten Häusern vorbei, doch im Großen und Ganzen war dieser bewaldete Landstrich noch ziemlich dicht mit Bäumen und Sträuchern bewachsen.

Das gefiel ihm. Jonathan Templar, der raue Kerl aus den Bergen. Na ja, zumindest der Mann aus den Bergen.

Die Stadt präsentierte sich an diesem sonnigen Morgen in äußerst malerischer Pracht. In den Blumenkästen vor den Fenstern und in den Blumenampeln, die an den im alpenländischen Stil gebauten Häusern hingen, leuchteten rote Geranien sowie rosa und weiße Begonien in Hülle und Fülle. Und wenn man die Berge im Hintergrund sah, konnte man fast glauben, man wäre in den bayerischen Alpen. Noch waren wenige Menschen unterwegs, einige machten Besorgungen, andere unterhielten sich oder fegten den Bürgersteig vor ihren Läden.

Sicher, es war weder New York noch Seattle, doch das war für Jonathan völlig okay. Icicle Falls war vollkommen so, wie es war. Wer wollte schon woanders leben?

Lissa Castle zum Beispiel. Ob sie wohl jemals ihre Fernsehkarriere aufgeben und zurück nach Icicle Falls ziehen würde? Wahrscheinlich nicht. Würde er diesen wunderbaren Ort verlassen und ihr dorthin folgen, wohin ihre Karriere sie führte? Ja, ohne zu zögern, wenn sie ihn doch nur fragen würde.

Selbst ein Mann, der unter unerwiderter Liebe litt, musste hin und wieder auch einmal an andere Dinge denken. Jonathan parkte seinen Wagen in der Center Street und konzentrierte sich aufs Geschäft.

Im Laufe des Vormittags gab es genügend Sachen, die ihn auf Trab hielten. Sogar so sehr, dass er nicht einmal Zeit für eine ordentliche Mittagspause hatte. Schließlich hatte er zwanzig Minuten Luft, bevor er im Buchladen Mountain Escape Books sein musste, um nach Pat Wilders Computer zu sehen. Daher entschied er sich, schnell im Bavarian Brews vorbeizuschauen, um sich etwas zum Mitnehmen zu holen.

Das Kaffeearoma betörte seine Geschmacksnerven, als er in den Laden trat. Ja, wahrscheinlich würde er eine Million Jahre ohne Sex auskommen müssen, würde vermutlich niemals mit der Frau seiner Träume eine Beziehung eingehen, aber zumindest blieb ihm immer noch Kaffee.

Kaffee. Sex. Konnte man das überhaupt vergleichen? Jonathan runzelte die Stirn, als ihm bewusst wurde, mit wie wenig im Leben er sich zufriedengab.

Cecily Sterling betrat direkt hinter ihm das Geschäft. „Hallo, Jonathan. Brauchst du auch einen Koffeinschub?“, fragte sie, als sie sich in die Schlange stellten, um ihre Bestellungen aufzugeben.

„Ja“, meinte er und schenkte der schönsten Frau in Icicle Falls ein Lächeln. Jonathan Templar, der Ladykiller.

Hektisch überlegte er, was er jetzt mal Cleveres sagen könnte, als Todd Black, der gerade ebenfalls hereingekommen war, sich selbstbewusst in die Unterhaltung einmischte. „Wer braucht um diese Zeit nicht einen kleinen Schuss?“

Cecily sah ihn an und verdrehte die Augen. „Du klingst gerade so, als wärst du schon seit Stunden auf.“

Todd war Eigentümer des Man Caves, einer Kneipe am Rande der Stadt, die nachts lange geöffnet hatte. Daher konnte man davon ausgehen, dass Todd morgens lange schlief.

„Ich bin heute schon früh hoch, weil ich mich um die Buchhaltung kümmern musste. Was nicht so einfach ist nach einer langen, harten Nacht.“

„Ich bin sicher, dass du hart daran arbeitest, über dein Kahlua-Königreich zu wachen“, meinte Cecily bissig.

„Es ist kein schlechtes Königreich. Übrigens, Kahlua und Schokolade passen gut zusammen. Bring mir doch mal wieder welche vorbei, dann beweise ich es dir.“

„Danke, ich glaub’s dir auch so.“

Jonathan hatte in der Schlange hinter Cecily gestanden, doch irgendwie war es Todd gelungen, sich an ihm vorbeizudrängeln. Mit einer Mischung aus Verärgerung und Neid beobachtete Jonathan, wie Todd sich jetzt zu Cecily vorbeugte und sagte: „Eines Tages wirst du einen richtig schön schnulzigen Film anschauen, wo das Liebespaar eng umschlungen tanzt, und dann wirst du an mein Angebot denken, dir Tangounterricht zu geben.“

Sie schüttelte den Kopf und trat einen Schritt von ihm fort.

Todd schloss die Distanz sofort wieder.

Oh, hier war ein Meister in Aktion. Jonathan lauschte schamlos ihrer Unterhaltung.

„Oder du verspürst den dringenden Wunsch, meinen Flipper auszuprobieren. Du hast zwar erzählt, du wärst gut im Flippern, aber bisher hast du es immer noch nicht bewiesen.“

„Ich muss dir auch nichts beweisen.“ Sie drehte sich zu ihm um, und fast hätten sich ihre Lippen getroffen.

„Rück mir nicht so auf die Pelle“, beschwerte sie sich.

„Geh ich dir unter die Haut? Wie schläfst du in letzter Zeit, Cecily? Wird dir nachts heiß? Musst du die Bettdecke wegziehen?“

Ihre Wangen färbten sich rosa. „Ich schlafe gut, vielen Dank.“ Sie machte zwei große Schritte von ihm fort und gab ihre Bestellung auf, während Todd selbstbewusst grinsend hinter ihr stehen blieb.

Jenni, die Bedienung, machte Cecilys Kokos-Mocha-Latte fertig und stellte ihn auf den Tresen, doch Cecily war gerade damit beschäftigt, eine SMS zu verfassen. Todds Bestellung wurde ebenfalls prompt erledigt. Cecily steckte ihr Handy weg und griff im selben Moment wie Todd nach dem To-go-Becher. Die beiden wechselten noch ein paar Worte, von denen Jonathan vermutete, dass sie geheime Botschaften enthielten, denn als Cecily den Coffeeshop verließ, waren ihre Wangen noch röter geworden. Todd sah ihr hinterher, während er wie ein Mann lächelte, der gerade einen dicken Fisch am Haken hatte und jetzt überlegte, wie er ihn am besten an Land ziehen sollte.

Es war unglaublich, aber zwischen den beiden hatten solche Funken gesprüht, dass sie damit nicht nur den großen Weihnachtsbaum, der alljährlich in der Stadtmitte aufgebaut wurde, sondern wahrscheinlich sogar die ganze Stadt hätten beleuchten können. Wie schafften es Typen wie Todd, die Hormone einer Frau mit ein paar gezielt gewählten Worten derart in Wallung zu bringen? Jonathan wünschte, er wüsste es.

Der einzige Weg, es herauszufinden, war, danach zu fragen.

Todd war schon auf dem Weg nach draußen. Jonathan schnappte sich seinen Kaffee und eilte hinter ihm her. „Äh, Todd. Kann ich dich mal was fragen?“

Todd drehte sich um, ein ungezwungenes Lächeln auf den Lippen, und hob neugierig die Augenbrauen. „Sicher. Was denn?“

„Wie machst du das?“

Jetzt zog Todd die Brauen zusammen. „Was meinst du?“

Okay, diese Unterhaltung wollte er nicht unbedingt mitten im Bavarian Brews führen. Also öffnete er die Tür und bedeutete Todd, dass sie nach draußen gehen sollten. Als sie auf dem Bürgersteig standen, wusste er allerdings nicht, wie er seine Frage formulieren sollte.

„Was beschäftigt dich, Computermann?“, hakte Todd nach.

„Ich habe dich mit Cecily beobachtet. Du bist ja echt ein Meister der anzüglichen Bemerkungen. Woher weißt du, was du sagen musst?“

„Ich sag’ einfach das, was mir durch den Kopf schießt.“ Todd sah Cecily hinterher, die die Straße entlang zurück zur Schokoladenfabrik Sweet Dreams ging. „Sie mag es, wenn man ihr nachstellt. Aber weißt du was? Bald ist sie so weit, dass sie sich von mir fangen lässt, und gefangen zu werden wird ihr sogar noch besser gefallen.“ Sein Grinsen drückte grenzenloses Selbstvertrauen aus.

Okay, Jonathan könnte auch vor Selbstvertrauen strotzen, wenn er aussehen würde wie Johnny Depps kleiner Bruder. Er merkte, dass er die Stirn in Falten gezogen hatte. Wahrscheinlich sah er aus wie ein bemitleidenswerter Loser.

„Probleme mit Frauen?“, vermutete Todd.

„Immer.“

„Na ja, Frauen und Probleme, das gehört einfach zusammen.“ Er klopfte Jonathan auf die Schulter. „Aber du musst dranbleiben. Gib niemals auf. Das hat schon Winston Churchill gesagt, und der hat England im Zweiten Weltkrieg gerettet.“

Jonathan nickte und trottete von dannen. Winston Churchill hatte nur England retten müssen. Jonathan wollte Lissa Castle erobern. Und er sah nun einmal leider nicht so aus wie Todd Black.

Auf halbem Weg zum Buchladen sah Jonathan, wie Tina Swift aus der entgegengesetzten Richtung auf ihn zukam. Tina war erst kürzlich geschieden worden, und seitdem wurde sie von der Hälfte der Männer in der Stadt umgarnt. Was angesichts ihrer Attraktivität nicht verwunderlich war.

Attraktiv und hochnäsig. Sie war in Jonathans Klasse gewesen, Cheerleaderin und Mitglied des Jetsets von Icicle Falls. Während der Schulzeit hatte sie Jonathan nie Beachtung geschenkt und auch in den zwölf Jahren nach dem Abschluss nicht. Erst als sie vor drei Jahren ihren Laden eröffnet hatte, in dem sie importierte Spitze und Porzellan verkaufte, und jemanden brauchte, der ihre Homepage aufbaute, war ihr eingefallen, dass Jonathan existierte.

Jetzt hatte sie ihn entdeckt und lächelte, als wären sie gute Freunde, was nur bedeuten konnte, dass sie etwas von ihm wollte. Und das war mit Sicherheit kein heißes Date.

Jonathan tat so, als würde er sie nicht sehen, und wechselte die Straßenseite.

Davon unbeeindruckt rief sie seinen Namen und kam hinter ihm her.

Okay, er gab auf und blieb stehen.

Sie ließ ihm kaum Zeit für ein schüchternes Hallo, bevor sie fragte: „Hast du die Einladung zum Klassentreffen bekommen?“

„Äh, ja.“

„Ich hoffe, du hast dir den Tag im Kalender vermerkt.“

„Na ja“, begann er.

Sie ließ ihn gar nicht ausreden. „Das wird bestimmt noch besser als das zehnjährige Jubiläum. Wir haben schon von ganz vielen Leuten Rückmeldungen bekommen. Cam Gordon …“

Football-Angeber und Snob. Als wenn ich den sehen will.

„Feron Prince …“

Der Prinz der Dunkelheit. Er hat mich im ersten Jahr auf der Highschool mal in einen Spind gesperrt.

„Kyle Long. Das war doch ein Freund von dir, oder nicht?“

„Ist er immer noch.“ Und Jonathan brauchte nicht zum Klassentreffen zu gehen, um ihn zu sehen.

„Ich glaube, Rand kommt auch.“

Was bedeutete, dass Jonathan definitiv nicht gehen würde.

„Wusstest du, dass er geheiratet hat?“

Geheiratet? Jonathan lächelte. „Nein.“ Also war Rand aus dem Rennen. Schön, schön.

„Oh, und von Lissa Castle haben wir auch gerade gehört, von unserem Promi. Sie kommt auf jeden Fall.“

Rand war aus dem Rennen und Lissa kam. Bildete er es sich nur ein, oder sah er einen Hoffnungsschimmer am Horizont? (Was auch immer das bedeuten mochte.) Wenn er zum Klassentreffen ging, hätte er ein ganzes Wochenende lang Gelegenheit, Lissa nahe zu sein. Vielleicht konnte er sie sogar lange genug von ihren bewundernden Fans losreißen, um mit ihr zu reden, sie zu beeindrucken, vielleicht sogar mit ihr zu tanzen. Dumm nur, dass er gar nicht tanzen konnte.

„Jonathan?“

Tina schaute ihn fragend an.

Hastig kehrte er zurück in die Gegenwart. „Was denn?“

„Wie ich gerade sagte, ich hatte gehofft, dass du mir bei ein paar Sachen helfen kannst. Wir hätten gern eine Website für das Klassentreffen, und ich dachte, dir würde es vielleicht nichts ausmachen, eine zu erstellen. Du machst doch solche tolle Arbeit. Und die Website, die du für das Schokoladenfestival gemacht hast, war wirklich klasse.“

Aber das war etwas gewesen, was er hatte machen wollen. Hierzu hatte er überhaupt keine Lust.

„Wir könnten reichlich Fotos aus dem Jahrbuch und auch die aktuellen Bilder einstellen, die wir bekommen. Außerdem müsste es eine Möglichkeit geben, dass die Leute etwas posten können. Du weißt schon, all diese Sachen.“

„Das kann man doch genauso gut auf Facebook machen“, sagte er in der Hoffnung, sich so aus der Affäre ziehen zu können.

„Oh, was für eine super Idee! Kannst du das bitte auch übernehmen?“

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