×

Ihre Vorbestellung zum Buch »Wenn die Liebe erblüht: Im Rosengarten der Liebe«

Wir benachrichtigen Sie, sobald »Wenn die Liebe erblüht: Im Rosengarten der Liebe« erhältlich ist. Hinterlegen Sie einfach Ihre E-Mail-Adresse. Ihren Kauf können Sie mit Erhalt der E-Mail am Erscheinungstag des Buches abschließen.

Wenn die Liebe erblüht: Im Rosengarten der Liebe

hier erhältlich:

Um finanziell über die Runden zu kommen, nimmt Geraldine den gut aussehenden Mitchell Farley als Untermieter in ihrem Haus mit Rosengarten auf. Ein wahrer Traummann! Allerdings denkt Mitchell, sie hätte einen anderen…


  • Erscheinungstag: 10.02.2014
  • Seitenanzahl: 132
  • ISBN/Artikelnummer: 9783862789573
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Penny Jordan

Wenn die Liebe erblüht…: Im Rosengarten der Liebe

Aus dem Englischen von Irmgard Sander

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieser Ausgabe © 2014 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der englischen Originalausgabe:

Mistaken Adversary

Copyright © 1992 by Penny Jordan

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Maya Gause

Titelabbildung: Thinkstock/Getty Images, Köln

ISBN eBook 978-3-86278-957-3

www.mira-taschenbuch.de

Werden Sie Fan von MIRA Taschenbuch auf Facebook!

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

Sie war spät dran. In letzter Zeit bin ich immer spät dran, dachte Geraldine müde, während sie eilig die Straße überquerte.

In der Nähe der Zeitarbeits-Agentur, die sie mit Computer-Programmieraufträgen versorgte, hatte sie keinen Parkplatz bekommen, weshalb sie jetzt quer durch die Stadt laufen musste. Auch wenn es kein langer Weg war, verlor sie dabei kostbare Zeit, in der sie kein Geld verdiente, Zeit, in der sie …

Ärgerlich verdrängte sie diese Gedanken. Es gab für Geraldine eine strikte Regel: Sobald sie das Haus verließ, um Tante May zu besuchen, stellte sie ihre persönlichen Probleme und vor allem ihre Geldsorgen hinten an, denn sie durfte ihre Tante nicht beunruhigen. Tante May brauchte all ihre Kraft, wenn sie wieder gesund werden sollte.

Wenn … Es gibt kein Wenn, redete sich Geraldine energisch ein. Natürlich würde Tante May sich erholen. Hatten die Schwestern im Hospiz nicht erst vergangene Woche gesagt, wie gut sie sich mache und was für eine wundervolle Patientin sie sei?

Gedankenversunken blieb Geraldine stehen. Tante May … Genau genommen war sie ihre Großtante, eine unverwüstliche Dame von über siebzig, die Geraldine nach dem tragischen Tod ihrer Eltern bei einem Flugzeugabsturz bei sich aufgenommen hatte. Mit Liebe und Verständnis hatte sie Geraldine geholfen, den schrecklichen Verlust zu überwinden, und sie mit so viel Güte und Weisheit großgezogen, dass sich Geraldine im Nachhinein als echtes Glückskind fühlen konnte. Auch als Geraldine dann flügge wurde, mit Bravour die Universität absolvierte und schließlich nach London ging, um dort Karriere zu machen, hatte ihre Tante jeden ihrer Schritte ermutigt und unterstützt.

Intelligent, zielstrebig und ehrgeizig, erklomm Geraldine in rasantem Tempo die Karriereleiter. Unter Kollegen galt sie als echter „Senkrechtstarter“, und sie war stolz auf diesen Titel gewesen. Entschlossen hatte sie sich ganz auf die Verwirklichung ihrer beruflichen Ziele konzentriert. Gedanken an eine ernsthafte Beziehung und vielleicht eine eigene Familie verschob sie auf später, wenn sie alles erreicht haben würde, was sie sich vorgenommen hatte.

Natürlich war sie auch während dieser Zeit mit ihrer Tante in Verbindung geblieben, hatte regelmäßig das Weihnachtsfest und einen Teil ihres Urlaubs bei ihr verbracht. Umgekehrt hatte Tante May sie hin und wieder in ihrem kleinen Apartment in einem der neuen luxuriösen Wohnblocks im Hafenviertel besucht, das Geraldine gekauft hatte, obwohl die Immobilienpreise damals einen horrenden Höchststand erreicht hatten. Sie hatte kein Risiko darin gesehen, denn ihr beruflicher Werdegang schien ihr klar vorgezeichnet, nichts schien ihren weiteren Aufstieg verhindern zu können.

Doch dann kam der Augenblick, da sich ihr gesamtes Leben schlagartig verändern sollte. Sie hatte sich spontan entschlossen, ein paar unerwartete Urlaubstage bei ihrer Tante in Manchester zu verbringen, und wurde zum ersten Mal mit Tante Mays schwerer Krankheit konfrontiert. Eine „Wucherung“, ein „Tumor“, wie auch immer die Ärzte es noch so vorsichtig umschrieben, letztlich gab es keine Möglichkeit, an der schrecklichen Wahrheit vorbeizusehen.

Geraldine hatte sofort Sonderurlaub genommen, ohne sich um die Einwände ihrer Tante zu scheren, die sie immer wieder drängte, nach London zurückzukehren und sich um ihr eigenes Leben zu kümmern. Entschlossen hatte sie ihre Tante in verschiedenen Krankenhäusern untersuchen lassen und sich das Urteil von Spezialisten eingeholt. Als dann die Fakten unverrückbar auf dem Tisch lagen, war Geraldine nach London zurückgekehrt … aber nur, um ihre Kündigung einzureichen und ihr Apartment zu verkaufen, zu einem Preis, der gerade die Ablösung ihrer Hypothek abdeckte.

Dann war sie zusammen mit ihrer Tante aufs Land gezogen, denn Tante May, die einen Großteil ihres Lebens in der grauen Vorstadt von Manchester verbracht hatte, hatte immer von einem Häuschen in einer der idyllischen Kleinstädte von Cheshire geträumt. Um das kleine Cottage zu erwerben, hatte Geraldine sich jedoch erneut hoch verschulden müssen, und die jüngsten Zinssteigerungen drohten ihre finanzielle Misere ins Hoffnungslose zu verschlimmern. Wie viel Arbeit sie sich auch aufhalste, die Aufträge über die Agentur brachten ihr nicht annähernd das Einkommen, das sie bei ihrer Qualifikation in London hätte erreichen können. Und inzwischen waren zu den übrigen Belastungen die beträchtlichen Kosten für die Unterbringung ihrer Tante in einem speziellen, nur wenige Meilen entfernten Hospiz dazugekommen.

Auch an diesem Tage befand sich Geraldine wie jeden Vormittag und jeden Abend auf dem Weg, um Tante May zu besuchen und etwas Zeit mit ihr zu verbringen. Und wie stets würde sie sich alle Mühe geben, sich nicht anmerken zu lassen, mit welcher Angst sie die sichtliche Gebrechlichkeit der Kranken erfüllte. Wie stets würde sie im Stillen verzweifelt darum beten, dass Tante May den Kampf nicht aufgeben und sich doch noch erholen würde …

Erst die Krankheit ihrer Tante hatte Geraldine bewusst gemacht, dass sie ohne Tante May ganz allein auf der Welt sein würde. Diese Erkenntnis hatte in ihr eine beklemmende Furcht ausgelöst, die sie einfach nicht in den Griff bekam und die ihr zudem für eine Frau von annähernd dreißig unpassend erschien. Natürlich liebte sie Tante May, und natürlich wünschte sie sich, dass es ihr besser gehen würde. Aber das rechtfertigte nicht diese bodenlose Angst, dieses verzweifelte Gefühl des Verlassenseins. Was Geraldine jetzt durchmachte, war noch viel schlimmer als das, was sie nach dem Tod ihrer Eltern durchlitten hatte. Gelegentlich stand sie kurz davor, gänzlich die Kontrolle zu verlieren und in einem Abgrund von Verzweiflung zu versinken.

Dabei hatte sie sich bisher immer eingebildet, eine vernünftige, reife Frau zu sein, die sich nicht von heftigen Gefühlen hinreißen ließ. Nun aber ertappte sie sich dabei, wie sie mit dem Schicksal haderte und handelte und zu jedem Gelöbnis bereit war, wenn es ihrer Tante nur besser gehen würde. Und doch gab es Tage, besonders schlimme Tage, an denen sie das Gefühl hatte, dass Tante May ihr langsam und unaufhaltsam entglitt …

Jetzt befand sie sich wieder auf dem Weg zu der Kranken und musste sich beeilen, um noch rechtzeitig zur Besuchszeit zu kommen. Ihre Arme schmerzten von dem schweren Stapel Arbeitsunterlagen, den sie mit sich schleppte. Die Agenturinhaberin hatte sie zweifelnd angesehen, als sie wieder einmal um zusätzliche Arbeit gebeten hatte. Oh, es lagen mehr als genug Aufträge an, und so qualifizierte und tüchtige Mitarbeiterinnen wie Geraldine waren rar, aber war es wirklich klug, wenn sie sich derart mit Arbeit überlastete?

Geraldine seufzte. Sie brauchte das Geld. Allein die Hypothekenraten … Erst vergangene Woche hatte sie die Bank aufgesucht, um zu erkunden, ob es nicht eine Möglichkeit gab, die erdrückende monatliche Belastung zu verringern. Der Manager hatte sehr verständnisvoll reagiert und hatte ihr schließlich den Vorschlag gemacht, einen Untermieter bei sich aufzunehmen. Da sich in der Gegend momentan eine Vielzahl neuer Unternehmen ansiedelten, von denen viele Ableger von großen internationalen Konzernen waren, gab es einen wachsenden Bedarf für Mietunterkünfte.

Ein Untermieter war tatsächlich das Letzte, was sich Geraldine in ihrer Situation wünschte. Sie hatte das Cottage für Tante May gekauft, weil sie wusste, dass ihre Tante immer von einem solchen Altersruhesitz geträumt hatte, und sie war entschlossen, es niemals zu verkaufen oder aufzugeben. Genauso wie Tante May ihren Kampf um ihr Leben nicht aufgeben würde. Ihre finanzielle Misere zwang sie nun, den Vorschlag des Bank-Managers ernsthaft in Betracht zu ziehen, wenn sie das Cottage halten wollte.

Für denselben Abend, kurz bevor sie erneut zur abendlichen Besuchszeit ins Hospiz fahren würde, hatte sich bereits ein Interessent angesagt … der mögliche Untermieter, den sie nicht wollte. Ein Mann, wobei diese Tatsache für Geraldine eigentlich keinen Unterschied machte. Sie hatte lange genug in London gelebt, um zu wissen, dass Männer und Frauen gemeinsam unter einem Dach wohnen konnten, ohne dass auch nur die Andeutung einer sexuellen Beziehung zwischen ihnen entstehen musste. Nein, es war nicht das Geschlecht ihres möglichen Untermieters, das sie von vornherein gegen ihn einnahm, sondern allein die Notwendigkeit, überhaupt einen Untermieter bei sich aufnehmen zu müssen.

Die Turmuhr der nahe gelegenen Kirche schlug zur vollen Stunde und schreckte Geraldine aus ihren Gedanken. Rasch eilte sie weiter und prallte mit voller Wucht mit einem entgegenkommenden Mann zusammen. Der Mann trat zur Seite, Geraldine ebenfalls, sodass sie sich wieder den Weg versperrten und automatisch fast gleichzeitig zur anderen Seite auswichen.

Der Mann setzte dem Spiel schließlich ein Ende, indem er einfach stehen blieb und lächelnd vorschlug: „Was halten Sie davon, wenn ich jetzt einfach stehen bleibe und Sie um mich herumgehen?“

Er war sehr groß und athletisch gebaut, mit breiten Schultern und schmalen Hüften, und machte den Eindruck eines Mannes, der entweder einer beruflichen Tätigkeit oder mindestens einer sportlichen Betätigung im Freien nachging. In jedem Fall wirkten seine Bewegungen geschmeidig und durchtrainiert, und als Geraldine in ihrer Ungeduld ins Stolpern geriet, streckte er reaktionsschnell eine Hand aus, um sie zu stützen.

Seine unpersönliche Berührung setzte in Geraldine die merkwürdigsten Empfindungen frei. Sie erstarrte und schaute dem Mann direkt ins Gesicht, ohne sich der Mischung aus Panik und Angst bewusst zu sein, die sich in ihren großen Augen spiegelte.

Der Mann lächelte immer noch, goldbraune Augen blitzten amüsiert in dem sonnengebräunten Gesicht. Sein dichtes dunkles Haar schimmerte in der Morgensonne.

Er war attraktiv, wie Geraldine sich flüchtig eingestand. Zumindest sofern man zu den Frauen zählte, die eine Schwäche für Männer mit Macho-Ausstrahlung besaßen. Sie persönlich hatte immer den Verstand der Muskelkraft vorgezogen, und in diesem Moment hätte sie keines von beidem reizen können.

Verärgert und aus einem ihr unerfindlichen Grund auch seltsam verunsichert, reagierte sie überempfindlich. Anstatt das warme Lächeln ihres Gegenübers zu erwidern, sah sie ihn grollend an und sagte schroff: „Würden Sie mich bitte loslassen und mir aus dem Weg gehen?“

Fünf Minuten später stand Geraldine, immer noch ärgerlich, an einer roten Fußgängerampel und wartete ungeduldig auf Grün, um zu dem Parkplatz auf der anderen Straßenseite zu gelangen. Zufällig erhaschte sie in einem Schaufenster einen Blick auf ihr eigenes Spiegelbild. Ihre Brauen waren düster zusammengezogen, ihre Lippen aufeinandergepresst, ihre Haltung wirkte starr und angespannt.

Als die Ampel umsprang und Geraldine die Straße überquerte, ging es ihr durch den Kopf, dass ihr das Bild in dem Schaufenster gar nicht gefallen hatte. Es hatte ihr schlagartig vor Augen geführt, wie sehr diese vergangenen Monate sie verändert, sie ihres Humors und ihrer optimistischen Lebenseinstellung beraubt hatten.

Nachdenklich ging sie zu ihrem Wagen, um die Arbeitsunterlagen auf dem Rücksitz zu verstauen. Dabei rief sie sich unbehaglich ins Gedächtnis, wie sie auf den Mann auf der Straße, mit dem sie zusammengeprallt war, reagiert hatte. Er hatte lediglich gut gelaunt versucht, dieses kleine, unbedeutende Ärgernis mit einem freundlichen Lächeln aufzulösen. Tante May wäre über ihr Verhalten entsetzt gewesen. Sie hatte stets nicht nur auf gutes Benehmen Wert gelegt, sondern vor allem auch auf die Notwendigkeit, ihren Mitmenschen immer mit Herzlichkeit und Freundlichkeit zu begegnen. Tante May war noch von der alten Schule und hatte Geraldine in ihrer Erziehung eine Reihe von Wertvorstellungen und Verhaltensregeln mit auf den Weg gegeben, die im modernen Alltag vielleicht nicht immer die richtige Wertschätzung erfuhren.

Beschämt erkannte Geraldine, dass ihre Zeit in London und der Stress der vergangenen Monate sie verhärtet hatten. Sie fing an, die rücksichtsvolle Einstellung gegenüber anderen, die ihrer Tante immer so wichtig gewesen war, zu vergessen. Zu spät wünschte sie sich, sie wäre weniger schroff zu dem Unbekannten gewesen, hätte seine Freundlichkeit mit gleichem Humor erwidert, anstatt so unhöflich zu reagieren. Nun, es war nicht wahrscheinlich, dass sie ihm noch einmal begegnen würde, und das war auch gut so. Denn Geraldine war nicht entgangen, wie angesichts ihrer groben Unhöflichkeit sein freundliches Lächeln erstorben und von einem reservierten, fast strengen Ausdruck verdrängt worden war.

Müde schloss Geraldine die Eingangstür zu dem kleinen Cottage auf. Nach dem Besuch in dem Hospiz fühlte sie sich erschöpft und tief verängstigt. Wie sehr sie sich auch bemühte, es zu verleugnen, sie konnte einfach nicht mehr übersehen, dass ihre Tante zunehmend schwächer und erschreckend zerbrechlich wurde, sodass auf seltsame, unbeschreibliche Weise ihre Haut schon fast durchscheinend wirkte. Gleichzeitig war sie so ruhig, ganz im Frieden mit sich, fast abgehoben … als habe sie bereits damit begonnen, sich von Geraldine, von der Welt, vom Leben zu entfernen. Und das war es, was Geraldine am meisten erschreckte.

„Nein! Nein!“, schrie Geraldine verzweifelt auf und schlug sich zitternd die Hand vor den Mund. Sie wollte Tante May nicht verlieren, wollte nicht …

Sie wollte nicht allein gelassen werden wie ein Kind, das im Dunkeln weint. Das ist egoistisch, tadelte sie sich kritisch. Sie dachte nur an ihre Gefühle, an ihre Bedürfnisse, und nicht an die ihrer Tante.

Während des gesamten Besuchs hatte sie mit verzweifelter Fröhlichkeit von dem Cottage und dem Garten erzählt und dabei ihrer Tante immer wieder versichert, dass sie ja bald nach Hause kommen und das alles selbst sehen würde … als ob ein spezieller Zauber in diesen Worten läge, der ihre Wünsche wahr werden lassen könnte. Sie hatte von der herumstreunenden Katze erzählt, die ihr zugelaufen war, und von den besonderen Rosenbüschen, die sie noch gemeinsam im Herbst gepflanzt hatten und deren erste zarte Knospen schon bald zu prachtvollen Blüten erblühen würden. Ihre Tante war von ihnen beiden die passionierte Gärtnerin, die sich immer gewünscht hatte, einmal zu ihren Wurzeln zurückzukehren, in die idyllische Kleinstadtatmosphäre, in der sie selbst aufgewachsen war.

Deshalb hatte Geraldine das Cottage überhaupt nur gekauft … für Tante May, die jetzt nicht mehr hier wohnte, für Tante May, die …

Sie spürte Panik und Furcht in sich wachsen, und wie stets kämpfte sie mit aller Macht dagegen an. Sie hatte Angst vor diesen Gefühlen, wollte sich ihnen nicht stellen. Sie hatte buchstäblich eine Todesangst davor, ihre Tante zu verlieren.

Das Cottage war klein: Im Obergeschoss gab es drei kleine Schlafzimmer und eine Rumpelkammer, die Geraldine zu ihrem Arbeitszimmer umgewandelt hatte. Unten waren eine große Wohnküche, ein kleines, gemütliches Wohnzimmer und sogar ein Esszimmer, das Geraldine und ihre Tante jedoch nie benutzt hatten, weil sie es in der Küche wohnlicher fanden. Der Garten war ein wahres Paradies für einen Gartenfreund: groß und verwildert mit alten Obstbäumen, Beerensträuchern, Rabatten, Gemüsebeeten und einem kleinen Fischteich. Aber nicht sie, Geraldine, sondern Tante May war die begeisterte Gärtnerin, und Tante May …

Geraldine schluckte die Tränen hinunter, als sie sich an Tante Mays Gesichtsausdruck beim Anblick des Cottage erinnerte. Die staunende, fast kindliche Begeisterung der alten Dame hatte Geraldine veranlasst, alle Bedenken in den Wind zu schlagen und das Cottage zu kaufen, auch wenn sie wusste, dass sie es sich kaum leisten konnte. Sie hatte es für Tante May gekauft. Fast drei Monate hatten sie noch gemeinsam dort verlebt, bevor der zunehmende gesundheitliche Verfall der Tante die Unterbringung in einem Pflegehospiz erforderlich machte.

Energisch verbot sich Geraldine, zu weinen und in Selbstmitleid zu verfallen. Stattdessen trug sie den Stapel mit den neuen Aufträgen nach oben. Damit würde sie für den gesamten Nachmittag und nach ihrer Rückkehr aus dem Hospiz bis weit in die Nacht beschäftigt sein, aber das machte ihr nichts aus. Sie brauchte das Geld, wenn sie das Cottage halten wollte, und sie musste das Cottage halten, damit Tante May etwas hatte, wohin sie nach Hause kommen konnte, wenn sie irgendwann in der Lage war, das Hospiz wieder zu verlassen. Und sie würde es wieder verlassen. Sie würde nach Hause kommen. Sie musste nach Hause kommen.

In ihrem winzigen Arbeitszimmer legte Geraldine die Arbeitsunterlagen auf den Schreibtisch und setzte sich an ihren Computer. Der Dachboden des alten Cottage hatte im Laufe der Zeit vermutlich Hunderten von Generationen von Schwalben ein Heim gewährt. Während Geraldine nun konzentriert arbeitete, machten sich die jüngsten Dachbewohner über ihrem Kopf wie üblich durch Scharren und Zirpen bemerkbar. Anfangs hatte sie sich durch diese Geräusche gestört gefühlt, aber inzwischen waren sie ihr vertraut und lieb geworden.

Ursprünglich war das Cottage eine Landarbeiterunterkunft gewesen, dann aber irgendwann verkauft worden zusammen mit dem Land, auf dem es stand. Erstklassiges Bauland und ein lukratives Terrain für Grundstücksspekulanten, wie der Immobilienmakler Geraldine versichert hatte. Die Größe des Grundstücks hätte ohne weiteres einen Ausbau des Cottage zugelassen, und seine idyllische Lage inmitten von Farmland am Ende eines Feldwegs war praktisch garantiert. Aber Geraldine konnte sich eine Erweiterung des Hauses nicht leisten, selbst wenn sie es gewollt hätte. Sie konnte kaum die monatlichen Hypothekenraten aufbringen, und dann waren da noch die Kosten für Tante Mays Pflegeplatz, für ihren eigenen Lebensunterhalt und für das kleine Auto, das seit Tante Mays Unterbringung in dem Hospiz für Geraldine unerlässlich geworden war.

Ihr Kopf begann zu schmerzen, die Buchstaben auf dem Bildschirm verschwammen vor ihren Augen. Müde rieb sich Geraldine die Augen, warf einen Blick auf die Uhr und wollte kaum glauben, wie lange sie schon wieder am Rechner saß. Seufzend lehnte sie sich zurück und reckte die verspannten Schultern.

Sie war nicht sehr groß, knapp über einen Meter sechzig, und dabei sehr schlank und zierlich. In den vergangenen Monaten hatte sie zusätzlich abgenommen, sodass ihre zarten ovalen Gesichtszüge mit den ernsten grauen Augen allmählich fast abgezehrt wirkten und den großen Stress verrieten, unter dem sie litt. Ihr blondes Haar, das sie in London immer zu einer raffinierten, gepflegten Frisur hatte schneiden lassen, war inzwischen so gewachsen, dass es ihr über die Schultern fiel. Sie besaß weder das Geld noch die Energie für regelmäßige Friseurbesuche. Die natürliche bleichende Wirkung der Sonne hatte die kunstvollen Strähnchen des teuren Londoner Coiffeurs ersetzt, und ihr Teint hatte durch den ständigen Aufenthalt in der frischen Landluft einen sanften Goldton erhalten.

Geraldine hatte sich selbst nie für eine besonders sinnliche oder sexuell attraktive Frau gehalten, aber es war auch nie ihr Wunsch gewesen, so zu wirken. Natürlich hatte es Bewunderer gegeben: Männer, die wie sie zu sehr auf ihre Karriere konzentriert gewesen waren, um sich dauerhaft binden zu wollen; Männer, die sie zwar bewunderten und ihre Gesellschaft suchten, aber auch ihre ausschließliche Ausrichtung auf ihre berufliche Karriere zu schätzen wussten. Männer, die sie respektierten.

Ja, ihre Karriere war der alleinige Mittelpunkt ihres Lebens gewesen … bis sie erkannt hatte, wie krank Tante May tatsächlich war. Anfänglich hatte ihre Tante heftig protestiert, dass es keinen Grund für Geraldine gebe, ihre Karriere und ihr wohlgeplantes Leben aufzugeben, aber sie hatte diese Einwände ebenso ignoriert wie die Andeutungen einiger ihrer Londoner Freunde, sie habe ihre Entscheidung nur aus Pflichtgefühl getroffen. Denn Geraldine wusste, dass es aus Liebe geschehen war. Nicht mehr und nicht weniger. Seitdem hatte sie ihren Entschluss nie bedauert. Im Gegenteil, wenn sie etwas bereute, dann allein die Tatsache, dass sie so sehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt gewesen war, dass sie nicht früher erkannt hatte, was mit ihrer Tante los war. Diesen Egoismus würde sie sich nie verzeihen, auch wenn Tante May ihr immer wieder versicherte, dass sie selbst fahrlässig gehandelt habe, weil sie frühzeitige Warnsignale einfach ignoriert hatte.

Das Geräusch eines Autos auf dem holprigen Feldweg kündigte die Ankunft des möglichen Untermieters an. Laut Geraldines Information war er ein erfolgreicher Unternehmer aus London, dessen Unternehmensgruppe vor Kurzem eine kleine örtliche Firma übernommen hatte. Deshalb suchte er für die nächsten Monate, solange die finanzielle Abwicklung und die nötigen Umstrukturierungen dauerten, eine Unterkunft in der Gegend.

Geraldine wusste nicht viel über den Mann, außer dass sich die Agentur, für die sie arbeitete, für seine Achtbarkeit und Vertrauenswürdigkeit verbürgte. Im ersten Moment hatte Geraldine Zweifel geäußert, warum der wohlhabende Präsident einer fortschrittlichen und gewinnträchtigen Unternehmensgruppe aus London ein Zimmer zur Untermiete suchte, anstatt sich irgendwo in der Nähe ein Haus zu mieten. Aber Louise Mather, die Inhaberin der Agentur, die ihr in den vergangenen Monaten eine echte Freundin geworden war, hatte sie mit dem Hinweis beruhigt, Mitch Fletcher entspreche eben nicht den gängigen Vorstellungen von einem erfolgreichen Unternehmer. Als er sich an die Agentur wegen der erforderlichen Neueinstellungen um Hilfe gewandt hatte, hatte er Louise gesagt, er brauche lediglich einen Ort zum Schlafen, wo er weitgehend ungestört bleiben würde. Dafür war er allerdings bereit, sehr gut zu zahlen, und nicht zuletzt deshalb hatte Louise Geraldine gedrängt, mit ihm einen Termin zu machen, weil er die Lösung ihrer finanziellen Schwierigkeiten darstelle.

Müde stand Geraldine auf und musste sich einen Moment an der Rückenlehne ihres Schreibtischstuhls festhalten, weil ihr schwindelig wurde. Erst da wurde ihr richtig bewusst, dass sie seit dem Abendessen am Vortag nichts mehr gegessen hatte, und selbst da hatte sie nur lustlos in ihrem Essen herumgestochert. Vielleicht würde sie sich eher zwingen, wieder vernünftiger zu essen, wenn sie in Zukunft einen Untermieter mit Mahlzeiten zu versorgen hatte? In den letzten Wochen, seit Tante May in dem Hospiz war, war es ihr immer schwerer gefallen, für sich allein etwas Richtiges zuzubereiten, um es dann einsam und allein an ihrem Küchentisch zu essen. Je mehr die Besuche bei ihrer Tante sie bedrückten und ängstigten, desto häufiger kam es vor, dass sie ganz auf Essen verzichtete. Auch das zehrte natürlich an ihren Kräften, die sie doch so dringend brauchte.

Sie sah aus dem Fenster auf den Wagen, der in diesem Moment vor dem Gartentor hielt. Eine stahlgraue BMW-Limousine, die in ihrer sportlichen Eleganz vor dem bescheidenen Häuschen ziemlich fehl am Platz wirkte.

Auf dem Weg nach unten sagte sich Geraldine, dass Mitch Fletcher ihr Cottage vermutlich schon als unangemessen abschrieb, noch bevor sie überhaupt die Tür geöffnet hatte. Sie selber scheute davor zurück, ihr Haus mit einem anderen zu teilen, hatte Angst vor den unvermeidlichen Veränderungen für ihr Leben und fürchtete vor allem, dass sie dann nicht mehr in der Lage sein würde, jede freie Minute am Krankenbett ihrer Tante zu verbringen.

Als sie die Tür öffnete, erstarben ihr die wohlüberlegten höflich-reservierten Begrüßungsworte auf den Lippen. In sprachloser Verwirrung starrte sie den Mann an, den sie sofort erkannt hatte.

Ehe es ihr gelang, sich wieder zu fassen, hatte er die Initiative an sich gerissen, indem er Geraldine grüßend die Hand entgegenstreckte und sagte: „Miss Barnes? Mitchell Fletcher. Ich habe von Louise Mather erfahren, dass Sie bereit wären, ein Zimmer zu vermieten. Louise hat Sie vermutlich über meine Situation unterrichtet: Ich suche eine vorübergehende Bleibe, solange ich hier in der Gegend zu tun habe.“

Noch während er sprach, ging er vor, und Geraldine wich automatisch zur Seite, damit er eintreten konnte. Sie wusste nicht, dass ihr Gesicht bis dahin im Halbdunkel ihrer kleinen Diele nur unvollständig zu sehen gewesen war, sodass Mitch Fletcher sie keineswegs ebenfalls sofort erkannt hatte. Erst als er nun stutzte und sich seine Miene schlagartig veränderte, begriff Geraldine, dass er sie in diesem Moment als die Frau wiedererkannt hatte, mit der er am Vormittag den eher unerfreulichen Zusammenstoß erlebt hatte, und dass er überdies nicht sehr erfreut war, ihr wieder zu begegnen.

Seine Reaktion weckte in ihr erneut Schuldgefühle und Unbehagen. Nach ihrem unhöflichen Verhalten am Morgen hatte sie sich damit getröstet, dass sie dem Mann höchstwahrscheinlich nie wieder begegnen würde. Offenbar hatte sie sich gründlich geirrt. Nun errötete sie unter seinem durchdringenden Blick, der sie mit unangenehmer Deutlichkeit an ihre große Unfreundlichkeit erinnerte. Für einen Moment verspürte sie den kindischen Wunsch, Mitch Fletcher die Tür vor der Nase zuzuschlagen, um diesem Blick zu entgehen.

Vernunft und gute Manieren siegten. Mitch Fletcher schien darauf zu warten, dass sie etwas sagte, und da er bereits in ihrer Diele stand, blieb Geraldine nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. So gut es ging, musste sie so tun, als habe es den unliebsamen Vorfall zwischen ihnen nie gegeben und als hätten sie und Mitch Fletcher sich nicht bereits entschieden, dass sie niemals unter einem Dach wohnen könnten.

„Ja, Louise hat mir Ihre Situation erklärt“, sagte sie deshalb höflich. „Wenn Sie bitte in die Küche weiterkommen. Dort können wir alles Weitere besprechen.“ Was ihre persönliche Lage betraf, so hatte sie Louise ausdrücklich gebeten, Mitch Fletcher gegenüber weder ihre Tante noch deren Krankheit zu erwähnen, denn es sollte nicht so aussehen, als wollte sie um sein Mitleid werben.

Die späte Nachmittagssonne tauchte die gemütliche Wohnküche in goldenes Licht. Es war Tante Mays Lieblingsraum, weil er sie, wie sie Geraldine gleich bei der ersten Besichtigung verraten hatte, an das Zuhause erinnerte, das sie als kleines Mädchen gekannt hatte. Das hatte Geraldine veranlasst, ihre eigenen Pläne für eine Modernisierung der Küche sofort zu verwerfen und alles so zu belassen, wie es war: den uralten Kohleofen ebenso wie die freistehenden, massiven Küchenschränke und die Anrichte. Ihrer Tante zuliebe wollte sie alles tun, um die wohnliche Atmosphäre des Raumes zu erhalten, auch wenn es gelegentlich etwas mühsam war, die Steinspüle zu schrubben und mit den Tücken des altertümlichen Ofens zurechtzukommen.

Als Geraldine Mitch Fletcher nun in die Küche führte, erwartete sie, in seinen zugegebenermaßen faszinierenden goldbraunen Augen etwas wie Abneigung oder zumindest Spott zu entdecken, denn die altmodische Ausstattung stand ja in krassem Gegensatz zu den Wundern moderner Technik, an die er zweifellos gewohnt war. Zu ihrer Überraschung schien Mitch der Raum jedoch zu gefallen.

Prüfend strich er mit der Hand über die massive Anrichte und bemerkte anerkennend: „Mitte neunzehntes Jahrhundert, nicht wahr? Ein besonders schönes Stück. Solide handwerkliche Arbeit. Ein gelungenes, schlichtes Möbelstück ohne unnötigen Firlefanz. Gutes Design ist eines meiner Hobbys“, fügte er erklärend hinzu. „Deshalb …“ Er verstummte und fuhr in merklich ironischem Ton fort: „Verzeihen Sie. Meine Ansichten über moderne Möbel werden Sie kaum interessieren, und ich weiß, wie wenig Sie wünschen, dass ich Ihnen Ihre kostbare Zeit stehle.“

Geraldine schoss das Blut heiß in die Wangen, denn sie glaubte, er spiele auf ihre ungeduldige Gereiztheit am Morgen an. Doch Mitch setzte hinzu: „Louise Mather hat mich bereits vorgewarnt, dass es in Ihrem Interesse ist, dieses Gespräch möglichst kurz zu halten. Überdies hat sie mich darauf hingewiesen, dass Sie nach einem Untermieter suchen, der Ihre Zeit so wenig wie möglich beansprucht.“ Er betrachtete sie mit einer Mischung aus Spott und Neugier. „Falls es Ihnen nicht zu persönlich erscheint … Darf ich fragen, warum Sie überhaupt einen Untermieter suchen?“

Geraldine war zu müde, um zu schwindeln. Zudem konnte es ihr inzwischen restlos gleichgültig sein, was Mitch Fletcher über sie dachte, denn ihr schien klar, dass er nicht bei ihr einziehen wollte. „Ich brauche das Geld“, sagte sie deshalb kurz und bündig.

Er schwieg einen Moment und sagte dann: „Nun, das ist wenigstens ehrlich. Sie brauchen also das Geld, aber ich habe den Verdacht, dass Sie die Gesellschaft keinesfalls wünschen …“

Seine Bemerkung berührte sie unangenehm. Ärgerlich zuckte sie die Schultern und sagte: „Hören Sie, Mr Fletcher, wie Louise Ihnen bereits gesagt hat, habe ich keine Zeit zu verschenken. Es tut mir leid, dass Sie die Fahrt hierher umsonst gemacht haben, aber unter den Umständen glaube ich …“

„Moment mal“, unterbrach er sie. „Wollen Sie damit andeuten, dass Sie Ihre Absicht geändert haben und doch nicht untervermieten wollen?“

Geraldine sah ihn überrascht an. „Aber Sie können wohl kaum hier einziehen wollen …“

„Warum nicht?“ Er beobachtete sie aufmerksam.

Autor