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WHAM! George & ich

Als Buch hier erhältlich:

Die wahre Geschichte eines der erfolgreichsten Pop-Duos aller Zeiten. Ein Buch über Liebe, Freundschaft und Musik.

Wham! – das waren George Michael und Andrew Ridgeley. Und gemeinsam waren sie eins der erfolgreichsten Musikduos aller Zeiten. Mit Songs wie »Wake me up before you go-go«, »Everything she wants« und »Last Christmas« stürmten sie in den 1980ern weltweit die Charts und schrieben damit Musikgeschichte. Weihnachten ohne »Last Christmas«? Undenkbar!

Als sich Wham! nach nur fünf Jahren 1986 auflöste, wurde ihr Abschiedskonzert »The Final« in Großbritannien zum am schnellsten ausverkauften Konzert der Musikgeschichte. Über 72.000 Fans strömten am 28. Juni ins Wembley Stadion – selbst Elton John und Simon Le Bon von Duran Duran ließen es sich nicht nehmen, dort als Gast zu performen. George und Andrew – sie waren jung, sie waren schön und sie waren erfolgreich. Wham! gehört heute zum ultimativen kulturellen Poperbe.

Zum ersten Mal nun erzählt Andrew die Inside-Story von Wham!: Über seine Freundschaft mit George Michael, die ein Leben lang hielt, über ihren kometenhaften Aufstieg, über ihre Höhen und Tiefen, George Michaels damals noch geheime Homosexualität und das hedonistische Gefühl dieser Zeit: Choose Life!

»Wham! George & ich« – ein Buch für alle, die damals jung waren, und es auch heute noch sind.

  • »Ein Stück Popgeschichte, das sich zu lesen lohnt.«Leo
  • »Sein Buch ist voller hinreißender Anekdoten […].« Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
  • »Diese Geschichte hat damit alle Zutaten, die ein gutes Weihnachtsmärchen braucht, denn es geht um Liebe und Freundschaft, auch über den Tod hinaus.« SchwulissimoDE
  • »Wer glaubt, dass dieser Titel nur wegen „Last Christmas“ in der Reihe der vorweihnachtlichen Buchempfehlungen auftaucht, der irrt. […] Für Menschen aus der gleichen Generation gelingt es dem Autor zudem, sie auf eine fesselnde Zeitreise in die eigene Kindheit und Jugend zu schicken.« Stern.de

  • Erscheinungstag: 03.12.2019
  • Seitenanzahl: 320
  • ISBN/Artikelnummer: 9783959673884

Leseprobe

In Erinnerung an meinen besten Freund, mit dem ich das Einzige gemacht habe, was ich je wirklich machen wollte, und der der Einzige war, mit dem ich es mir je hatte vorstellen können.

Intro

The Long Goodbye – der lange Abschied

Samstag, 28. Juni 1986

Ich wartete auf George.

Ich wartete immer auf George. Diesmal stand ich backstage im Wembley-Stadion und wartete geduldig auf meinen Einsatz – wartete, wartete, wartete. Die Sonne war hinter den altehrwürdigen Zwillingstürmen der Arena versunken, und in den weit entfernten Kurven der aufsteigend angeordneten Tribünen konnte man zehntausende Menschen erahnen. Andere drängten sich als wogende, knallbunte Menge unten auf dem Fußballfeld. Junge Mädchen schwenkten Fahnen und selbstgebastelte Transparente, Kameras blitzten, und Kinder, Paare, Familien und Freunde schrien hysterisch. Zweiundsiebzigtausend Fans hatten sich zu The Final zusammengefunden, dem Abschiedskonzert von Wham!, der jugendlichen, hoffnungsvollen und schillernden Popband, aus der George und ich schon immer ein kräftiges, aber doch kurzes Feuer hatten machen wollen.

Auch vier Jahre nach der Veröffentlichung unseres ersten Albums im Jahr 1982 war Wham! in Radio- und Fernsehshows sowie Zeitschriften immer noch ein riesiges Thema. Poster von George und mir aus Zeitschriften wie Smash Hits und Just Seventeen hielten als neonfarbene Tapete für Millionen von Teeniezimmern her, während sich Klatschblätter gierig auf jede noch so kleine Neuigkeit stürzten. Auf dem Gipfel unseres Erfolgs, nach zwei Studioalben und einer beachtlichen Sammlung von weltweiten Nummer-eins-Singles, hatten wir beschlossen, uns von eben den Menschen zu verabschieden, die von diesen Singles, Konzerten und Geschichten so angezogen wurden.

Und sie alle warteten, warteten, warteten auf den Beginn der finalen Show.

Den Ablauf kannte ich in- und auswendig. George war auf der Bühne und ging mit ausgebreiteten Armen auf die Menge zu, stolzierte über den Laufsteg, der in die ersten Reihen des Wembley-Stadions hineinragte. Das war sein Augenblick. Er war ganz in Schwarz gekleidet, in Jeans und Leder, sein zurückgekämmtes Haar hob sich von seinem Kiefer mit perfekt gestyltem Dreitagebart ab, und jede Geste, jedes Zeichen wurde zum Call-and-Response-Spiel mit dem Publikum. George kokettierte mit der Menge, und die war wie von Sinnen. Gefolgt von zwei Tänzern drehte und bewegte er sich zum Instrumentalteil von »Everything She Wants«, das als pulsierender Soundtrack seines äußerst theatralischen Einstiegs diente. George sang diesen sarkastischen Song zum Thema Ehe gern, obwohl wir selbst jung, ungebunden und frei von jeglichen Verpflichtungen gewesen waren, als wir ihn geschrieben hatten. Er winkte den Fans in den entlegensten Ecken der wilden Wembley-Party zu. Dann kehrte er dem Publikum den Rücken zu und deutete mit dem Finger verführerisch auf die andere Seite der Bühne, ohne dass das Mikrofon bis jetzt auch nur in die Nähe seiner Lippen gekommen war. Er hatte noch kein Wort gesprochen, geschweige denn einen Ton gesungen, und dennoch warteten alle gespannt, was er als Nächstes tun würde. Ein Gefühl, das ich nur allzu gut kannte.

Weil ich eben so viel Zeit damit verbracht hatte, auf George zu warten.

Ich hatte auf George gewartet, während er sich endlos lange für die Shows fertig machte, manchmal stundenlang sein Haar glättete und toupierte. Der beißende Gestank von versengten Strähnen und Haarspray ließ mich immer vor diesem Ritual zurückschrecken, das mir übertrieben qualvoll erschien. Mit wachsendem Ruhm wurde Georges Aussehen zu einer ernsteren Angelegenheit. Bevor wir 1984 das Video zu »Careless Whisper« drehten, beschwerte er sich sogar, dass er mit seinen Locken, die bei der hohen Luftfeuchtigkeit einem widerspenstigen Wischmopp ähnelten, aussähe »wie Shirley Bassey«. Also wurde Georges Schwester Mel, die Stylistin war, um die halbe Welt geflogen, von London nach Miami, wo der Dreh stattfand, um Georges Frisur so in Form zu bringen, wie er es wollte. Die Rechnung für den Flug und ihre Arbeit belief sich angeblich auf über zehntausend Pfund.

Genauso wartete ich auch auf George, wenn er wieder einmal einen Moment musikalischer Inspiration erlebte. Das geschah normalerweise entweder im Studio, wo er extrem detailversessen war, oder zu Hause, wo er dann unerwartet stundenlang verschwand, wenn ihm die Idee zu einer Melodie oder einer Gesangs-Hook gekommen war. Oftmals war es ein weiterer Geniestreich – besonders im Gedächtnis geblieben ist mir dabei ein Sonntagnachmittag im Februar 1984, als wir uns im Wohnzimmer seiner Eltern in Radlett, Hertfordshire, entspannten. Im Fernsehen lief The Big Match, aber George war mit den Gedanken Lichtjahre entfernt von Fußball.

Mit den Worten »Ich muss kurz weg« sprang er ruckartig vom Sofa auf und ging für über eine Stunde nach oben.

Als George zurückkam, grinste er stolz.

»Mensch, Andy«, sagte er. »Komm mal mit hoch, das musst du dir anhören …« Er war ganz aufgeregt und wusste, dass er gerade etwas Besonderes komponiert hatte. Er hatte das Grundgerüst und die Melodie eines Songs mit dem 4-Spur-Tonbandgerät aufgenommen, den er »Last Christmas« nannte. Später sollte er daraus die Herzschmerzballade machen, die zwar der größte Weihnachtshit wurde, es aber nicht an die Spitze der Charts schaffte. Gott, wie ihn diese Statistik nervte. Trotz seines anhaltenden Erfolges ärgerte ihn, dass es »Last Christmas« in jenem Jahr nicht gelang, die Charity-Single von Band Aid vom Thron zu stoßen – eine Vereinigung von Musikern wie Bob Geldof, U2, Duran Duran, Sting, Paul Weller und George höchstpersönlich, obwohl er dem Projekt eigentlich den Erfolg gönnte. Sein ganzes Leben lang maß man Georges Fähigkeiten als Songschreiber an der Anzahl der Hitsingles, und es störte ihn, dass seine Fans und Kollegen ihn nicht für den Besten hielten. Aber als wir an jenem Tag in seinem Zimmer saßen, genau dort, wo wir früher als Teenager die Top 40 analysiert und die ersten Schritte von Wham! geplant hatten, hörte ich mir das rudimentäre Demo mit dem Synthesizer an, mit diesem gesummten und sofort einprägsamen Refrain – und strahlte. George hatte die Essenz von Weihnachten eingefangen und den Text mit dem Schmerz einer scheiternden Liebe durchtränkt.

Ich hatte auch auf George gewartet, während er sich von dem witzigen, jedoch manchmal in sich gekehrten Teenager Georgios Panagiotou zuerst in Yog verwandelte – den Spitznamen hatte ich ihm gegeben, kurz nachdem wir uns in unserer Klasse an der Bushey Meads School kennengelernt hatten – und schließlich in George Michael, den Sänger und Songwriter und besten Freund seit meiner Schulzeit. Als wir uns auf die intensive und abenteuerliche Reise ins Rampenlicht begaben, wurde unsere Freundschaft noch enger. George entwickelte sich zu einer der wichtigsten Stimmen seiner Generation. Doch auch wenn er einige der größten Hits der Achtziger schrieb, so schien George doch immer noch daran zu arbeiten, sich selbst zu erfinden. Niemand außerhalb des unmittelbaren Umfeldes von Wham! wusste über seine Sexualität Bescheid, und zwischen seinem Privatleben als junger Schwuler und seiner Rolle als Teenie-Idol und Klatschobjekt tat sich eine große Kluft auf. Später sagte er, der enorme Widerspruch zwischen Privatleben und öffentlichem Bild haben ihn manchmal an den Rand des Wahnsinns getrieben. Während alldem war ich der Fels in der Brandung für ihn. Er war seit Jahren mein bester Freund, aber sein persönliches Schicksal ging über uns beide hinaus. Mit der letzten Wham!-Show in Wembley würde das Warten auf George ein Ende haben.

Nachdem sich alle meine Lebensträume erfüllt hatten, galt das auch für mich.

Ich trat nach unten und ging Richtung Laufsteg, unsere Background-Sängerinnen Helen »Pepsi« DeMacque und Shirlie Holliman an meiner Seite. Das ohrenbetäubende Geschrei schwoll an, das Dröhnen im Stadion wurde lauter, so viel lauter. Als ich auf die blinkenden Lichter und vorwärts drängenden Massen zuging, hörte ich aus den vorderen Reihen vereinzelt Stimmen, die durcheinander »Andrew« oder »Wir lieben euch, Wham!« riefen. Aber darüber hinaus hörte ich nichts als ein weißes Rauschen. Ich blieb am Bühnenrand stehen, während die Hysterie um mich herum widerhallte. Die Reaktion auf unser Erscheinen kam mir immer merkwürdig vor, egal, wo wir auf der Welt auftraten, und ich betrachtete den Fan-Rummel um unsere Musik weder als selbstverständlich, noch nahm ich ihn sonderlich ernst. Die kreischenden Mädchen, die Autogrammjäger und die Paparazzi – all das war hyperreal und seltsam. Daher sahen wir alles als einen Riesenspaß an. George und ich wussten beide, dass das Ganze ein Spiel war, also wollten wir immer unseren Teil beitragen und unserem Publikum die so heißersehnte Energie geben. Das war Wham! s Markenzeichen.

In den Wochen vor The Final war das Event jedoch als so etwas wie ein religiöses Ereignis beschrieben worden. Die Fans wurden als Gefolgschaft bezeichnet, und Wham! als Ikonen. In der Anfangszeit war unser Bühnenlook verspielt und quirlig gewesen, unsere Konzerte hatten wegen unserer zu kurzen Shorts und bauchfreien T-Shirts für Schlagzeilen gesorgt, während Videos wie »Club Tropicana« vor ironischen Anspielungen auf die Freuden jugendlichen Hedonismus strotzten. In Wembley wollten wir allerdings eine dramatische Atmosphäre schaffen und verzichteten auf unsere knallbunten Klamotten. George trug enge schwarze Jeans und Lederstiefel, einen Gürtel mit Glitzersteinen und eine Jacke mit Fransen und aufgestelltem Kragen. Mein Look war nicht minder auffällig: Mit Pepsis und Shirlies Hilfe streifte ich mir den schwarzen Trenchcoat ab, unter dem sich ein komplett schwarzes Outfit aus hoch geschnittener Fransenjacke im Matadorstil, schwarzer Schnürsenkel-Krawatte und funkelndem Gürtel befand. Ich musste mir das Lachen verkneifen, als ich langsam, Finger für Finger, die schwarzen Handschuhe auszog und fallen ließ. Shirlie reichte mir meine Gitarre, und ich hängte sie mir um. Showtime.

Wir hatten beide schon in Wembley gespielt, daher war uns die Umgebung nicht fremd. Ein Jahr zuvor hatte ich Backing Vocals beigesteuert, als George bei Live Aid aufgetreten war, einem Wohltätigkeitskonzert, das Millionen von Pfund gegen die Hungersnot in Äthiopien einspielte, genau wie die Weihnachtssingle von Band Aid 1984. Dieser Tag hatte sich fast angefühlt wie ein Festival. The Final war merkwürdigerweise ganz ähnlich außergewöhnlich, tausende Menschen reisten aus aller Welt dafür nach London. Das Konzert markierte das Ende. eines äußerst bunten Kapitels britischer Musikgeschichte. Es war Zeit, sich von Wham! zu verabschieden.

Ein letztes Mal spielten wir die Hits »Club Tropicana«, »Bad Boys« und »Edge Of Heaven«, »Wham Rap!«, »Careless Whisper« und »Freedom«. Vor uns wogte das Wembley-Publikum, eine riesige Menschenmenge, die gemeinsam sang und tanzte. Bei der Vorbereitung des Auftritts hatten wir uns einige Überraschungen ausgedacht, eine davon war ein Gastauftritt von Elton John, der mit uns gemeinsam eine überarbeitete Version seines Hits »Candle in the Wind« spielte. Der Song von seinem Album Goodbye Yellow Brick Road hatte für uns beide eine sentimentale Bedeutung, weil diese Platte zusammen mit anderen unsere Freundschaft begründet hatte. George sang die Melodie wunderschön, beinahe mühelos. Er betrachtete sich zwar in erster Linie als Songwriter, aber seine großartigste und eloquenteste Ausdrucksmöglichkeit war schon immer seine Stimme gewesen. Sie wurde bereits früh zu seinem Markenzeichen, und meiner Meinung nach konnte es damals in puncto Stimmgewalt einzig Freddie Mercury mit George aufnehmen.

George und Elton John traten bei dieser Gelegenheit nicht zum ersten Mal gemeinsam auf. Bei Live Aid hatte George zusammen mit Elton »Don’t Let The Sun Go Down On Me« gesungen, und dessen Band hatte Georges bombastische Stimme begleitet. Die Verbindung zwischen George und Elton war jedoch bereits ein Jahr zuvor, 1984, bei den Aufnahmen zu Make It Big entstanden. In der Abgeschiedenheit unseres Studios Château Miraval in Correns in Südfrankreich erhielten George und ich einen Anruf unseres Managements in London, weil ihnen eine unerwartete Einladung ins Haus geflattert war.

»Ähm, George, Andrew, Elton John hat sich bei uns gemeldet. Er fragt, ob ihr vielleicht mit ihm mittagessen wollt?«

Wir waren beide sprachlos. Krass, mittagessen mit Elton John? Das kam uns irgendwie surreal vor, und wir konnten unser Glück kaum fassen. Ein paar Tage später machten wir uns also leicht nervös auf zu unserem Gastgeber, der beim gemeinsamen Essen und Trinken sehr charmant, großherzig und vor allem freundlich zu uns war. Wir hatten schon Gerüchte über Eltons opulente Gastfreundschaft gehört, und für uns beide – zwei einundzwanzigjährige Jungs aus Bushey – war das Ganze im ersten Moment ziemlich einschüchternd. Inmitten der eleganten Atmosphäre seiner sonnenbeschienenen Terrasse hielt Elton von seinem Ende des Tisches, der mit einem üppigen Festmahl beladen war, mit bissigem und schlagfertigem Humor Hof. Für unser leibliches Wohl war mehr als gesorgt, und während der Wein floss, wurde mir klar, dass unsere Nervosität vor dem Treffen viel unangenehmer gewesen war als das Treffen an sich. Wir erzählten einander Geschichten und Witze. Die Stimmung war so entspannt und natürlich, dass ich mich immer wieder daran erinnern musste, wer unser Gastgeber war.

Vor lauter Vergnügen wurde aus dem Mittagessen langsam Abend, und unsere Gruppe zog es in einen Nachtclub in der Nähe. Dort gesellte sich Eltons Songwriting-Partner Bernie Taupin zu uns. Zu dem Zeitpunkt waren wir alle schon einigermaßen angeheitert. Irgendwer erwähnte, dass die Schauspielerin Joan Collins ihre Yacht im Hafen von Saint-Tropez festgemacht hatte, und befeuert durch den Alkohol und die Erinnerung an ihren ziemlich gewagten Film Die Stute, in dem sie eine nymphomane Nachtclubbesitzerin spielt, stolperten wir nach draußen, und George brüllte übers Wasser: »Joan! Zeig uns dein Höschen!« Ein ungewohnt derber Ausbruch.

Es schloss sich ein Kreis, als Elton zwei Jahre später beim Abschiedskonzert von Wham! dabei war. Nach »Young Guns (Go For It)«, unserer ersten Erfolgssingle, und »Wake Me Up Before You Go-Go«, Georges unvergleichlichem Dancefloor-Aufruf, spielten wir eine anarchistische Zugabe in Form von »I’m Your Man«, für die Simon Le Bon von Duran Duran mit auf die Bühne kam. Als die Musik verstummte, hallten die Stimmen von über siebzigtausend Menschen um uns wider, und ein letztes Mal genossen wir gemeinsam den Irrsinn. Seit wir die Schule beendet hatten, hatten wir zusammen Unvorstellbares erlebt und uns seit jenem Tag aufeinander verlassen.

Backstage mit Elton John, Wembley-Stadion, 28. Juni 1986.

So gesehen war Wembley wundervoll und melancholisch zugleich. Einerseits war ich froh, dem Rampenlicht zu entkommen, dem mich das Leben in einer stadionfüllenden Popband aussetzte. Ich hatte genug von dem Zirkus, der Wham! ununterbrochen umgab. Der Hype und die Hysterie waren einfach zu viel. Mein Verhältnis zur Presse des Landes war feindselig und vergiftet. Es fiel mir nicht schwer, mich von dem Theater und Geschwätz über George und mich zu verabschieden, aber der Gedanke daran, nicht mehr mit ihm aufzutreten, stimmte mich traurig. Wir waren zusammen aufgewachsen und diese Nähe zwischen uns kam auch bei unseren Fans an. Wir waren ein unzertrennliches Duo – wie Brüder. Aber selbst diese Freundschaft hatte ihre Höhen und Tiefen.

Mein bester Freund bestand im Grunde aus zwei unterschiedlichen Personen: vor Wham! und danach. Aus dem Schuljungen, den ich als Dreizehnjährigen kennengelernt hatte, der mein bester Freund werden sollte und den ich bei unseren ersten Schritten in Richtung Superstar-Thron an meiner Seite haben wollte, wurde George Michael, die Kunstfigur, die er erschaffen hatte, um seiner Karriere vom Sänger in einem erfolgreichen Popduo zum Solokünstler voller Ehrgeiz und kreativem Wagemut zu verhelfen. Bei unserem letzten Konzert war diese Verwandlung fast abgeschlossen. Mit Faith wurde George 1987 sogar noch berühmter. Aber er war durcheinander, was an seiner Sexualität und seinen Schwierigkeiten lag, sein wahres Ich hinter dem öffentlichen Image zu bestimmen. Erst später bekam auch die Öffentlichkeit etwas von diesen Spannungen mit.

Während und auch noch nach Wham! war die Verbindung zwischen George und mir echt und kam von Herzen. Die britische Öffentlichkeit schien sich in einer Ära, die rückblickend als ziemlich finster gilt, an unserer natürlichen Freundschaft zu erfreuen. Zuerst zu Wort gemeldet hatten wir uns mit »Wham Rap! (Enjoy What You Do?)«, dessen Text sich gegen die Verzweiflung aufgrund von Arbeitslosigkeit wandte:

Wham! Bam!

I am! A man

Job or no job,

You can’t tell me that I’m not.

Danach bildete unsere Musik den Soundtrack für Großbritanniens neu erwachten Optimismus und Selbstbewusstsein. Songs wie »Club Tropicana«, »Wake Me Up Before You Go-Go«, »Freedom« und »I’m Your Man« versprühten Hoffnung und Enthusiasmus. Alles sah aus wie müheloser Spaß, weil es tatsächlich müheloser Spaß war. Und aus diesem natürlichen Überschwang wurde ein riesiger kommerzieller Erfolg. Die ersten Demos, die George und ich im Wohnzimmer meiner Eltern aufgenommen hatten, brachten uns einen Plattenvertrag und letzten Endes über dreißig Millionen verkaufte Platten ein. Unser Debütalbum Fantastic erreichte 1983 Platz eins der Charts. Der Nachfolger Make It Big wiederholte diesen Erfolg ein Jahr später weltweit. Wir spielten in Großbritannien und Amerika in ausverkauften Stadien und rissen immer mehr Fans mit, bis man dem damit verbundenen globalen Rummel einen Namen gab: Whamania.

Unsere gemeinsame Zeit ging 1986 zum Teil auch deswegen zu Ende, weil Wham! als Konzept gar nicht über unsere Jugend hinaus hätte funktionieren können. Die Essenz pubertärer Gefühlswelten zu destillieren, war irgendwann nur noch eine unmögliche Zauberei – selbst für einen Songschreiber mit Georges Talent. Schon nach den allerersten Erfolgen und vor der Veröffentlichung von Fantastic hatten wir beschlossen, die kreativen Zügel von Wham! allein George zu überlassen, damit wir so erfolgreich wie möglich sein konnten. Ich hatte seine Begabung schon früh erkannt und selbst immer nur Musik machen wollen, also genügte es mir, im Studio zu stehen und Konzerte zu geben. Dennoch schmerzte diese (wenn auch richtige) Entscheidung ein bisschen. George entwickelte sich unverkennbar zu einem Songwriter von einzigartiger Qualität. So war es auch der Wunsch, dieses Potenzial zu verwirklichen, der ihn den Weg einer Solokarriere einschlagen ließ, um sich aus dem Korsett unserer Band zu befreien. Und nun, nach vier aufregenden Jahren, war unsere gemeinsame Zeit vorbei.

George brüllte mir etwas ins Ohr. Bei all dem Lärm und Chaos verstand ich kein Wort. Unsere Musiker und Background-Sängerinnen, mit denen wir zum Großteil schon lange zusammenarbeiteten, hatten die Bühne verlassen, um uns beiden allein die letzten Augenblicke als Wham! zu gewähren. Die Menge im Wembley-Stadion war ein pulsierendes Meer aus Geräuschen und Farben, wogte immer schneller und sang immer lauter, vor uns wimmelte es von Fahnen und Transparenten.

»Was? Wie bitte?«, schrie ich über den Krach hinweg, weil ich spürte, dass er etwas Wichtiges sagen wollte.

George lächelte, umarmte mich und legte mir ein letztes Mal den Kopf auf die Schulter, dann verbeugten wir uns endgültig.

»Ohne dich hätte ich das hier niemals geschafft, Andy«, sagte er.

TEIL 1

Young Guns

Furchtlose Jugend

1

Decisions, Decisions – früh entschlossen

November 1979

Wir waren beste Freunde, zwei Seiten ein und derselben Medaille. Georgios Panayiotou war ein strebsamer, schüchterner sechzehnjähriger Lockenkopf mit kleinem Bäuchlein und fragwürdiger Garderobe. Ich dagegen war aufgeschlossen und voller Selbstvertrauen. Zwar ein recht helles Köpfchen, aber auch nicht übermäßig schlau, eher ein Klugscheißer und Unruhestifter, der einen Mohairanzug aus dem Secondhand-Laden und einen Parka trug und sich um das Lernen für den Abschluss drückte, weil ich die Schule todlangweilig fand. Aber unsere gemeinsame Leidenschaft für Musik, Monty-Python-Sketche und pubertären Humor schweißte uns zusammen. Dann traf ich eine Entscheidung, die unser beider Leben für immer verändern sollte.

Yog, wir gründen eine Band …

Darüber dachte ich schon seit fast zwei Jahren ununterbrochen nach, und da wir in der Schule sowieso die ganze Zeit zusammenhingen, gab es nur eine Person, mit der ich Musik machen wollte: den Jungen, der einmal George Michael werden sollte. Er hatte ein Händchen für Rhythmus und Melodien, viel Gefühl und war ein noch besserer Sänger. Zu Beginn unserer Freundschaft hatten wir dieselbe breite Palette von Bands und Künstlern angebetet, wie die Helden von Queen, aber auch neuere Sachen wie Joy Division aus Manchester. Im Jahr 1979 standen wir auf Ska, eine sehr moderne britische Version von Reggae, die karibischen Groove mit zackigem Gitarrenspiel verband. Bands wie The Specials, Madness, The Beat und Steel Pulse inspirierten uns, und das nicht nur musikalisch, sondern auch modisch. Nachdem der Film Quadrophenia ein Mod-Revival losgetreten hatte, trugen englische Kids auf einmal schicke Anzüge und Hush Puppies. Beim Friseur waren Buzzcuts angesagt. Zum Glück fehlte es meinem Leben im spießigen Hertfordshire ebenso wenig an Style wie dem der Clubkids in London oder Birmingham. Ich wollte einfach Teil der Musikszene sein.

»Aber Andy«, meinte Yog, als ich ihn nach der Schule anrief. »Ich will ja, aber ich kann nicht …«

Er murmelte irgendwas von Abiturstress und seinen unnachgiebigen Eltern, die ihn am liebsten von allen Ablenkungen fernhalten wollten – zum Beispiel von mir. Aber ich ließ mich davon nicht beirren. Mein Plan stand fest, und das würde ich mir nicht von Yogs Bedenken wegen seiner Eltern versauen lassen.

»Nein, wenn wir das jetzt nicht machen, ist es zu spät«, erwiderte ich. »Wir gründen noch heute eine Band.«

Yog wusste, dass ich stur sein konnte, vor allem, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt hatte. Außerdem verstand er, dass ich ihn nicht fragte, sondern ihm meine Entscheidung mitteilte. Als er merkte, dass ich nicht lockerlassen würde, löste sich sein Widerstand langsam in Luft auf.

»Okay, Andy«, sagte er und holte tief Luft. »Tun wir’s.«

Yog war dabei. Jetzt hatte ich etwas, worauf ich mich freuen konnte, ein Ziel, das ich erreichen wollte – eine Aufgabe. Meiner Meinung nach gab es nichts, das wir nicht schaffen konnten, und niemanden, der uns im Weg stehen würde. Unsere Freundschaft war unzerstörbar, und ich sah unsere Charterfolge schon vor mir. Ich wusste zwar nicht, was so ein Erfolg eigentlich bedeuten würde, aber ich spürte es. Ich wusste es. Was dann jedoch tatsächlich passierte, überstieg meine Vorstellungskraft bei Weitem …

2

The New Boy – der Neue

Vier Jahre zuvor

Zum ersten Mal sah ich Georgios Panayiotou vor der ersten Stunde des neuen Schuljahres. Rings um mich unterhielten sich die anderen Kids der Klasse 2A1 der Bushey Meads School aufgeregt. Jungs erzählten ausführlich von Knutschereien mit unbekannten Mädchen im Urlaub mit ihren Eltern, den die meisten in englischen Küstenorten verbracht hatten. (Mit der ganzen Familie ins Ausland zu reisen war zu der Zeit ein Luxus, den sich die wenigsten leisten konnten.) Die Mädchen kicherten und schwärmten beim Anblick von Postern von David Essex und Donny Osmond aus der Jackie. Die Begeisterung für Pan’s People hatte einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Tanztruppe aus Top of the Pops trat schon seit Jahren in der Show auf, aber inzwischen standen so ziemlich alle Jungs auf die Tänzerinnen im Elasthanoutfit, und jeder hatte eine Favoritin. Nach dem sechswöchigen Sommer der Freiheit war ich allerdings nicht so erfreut wie sonst über den lauten Trubel am ersten Schultag.

Ich langweilte mich.

Tatsächlich langweilte ich mich andauernd. Die Schule fand ich öde, und nachdem ich Lesen und Schreiben gelernt und die Grundschule ziemlich problemlos hinter mich gebracht hatte, war ich für meinen Teil mit dem britischen Bildungssystem mehr oder weniger durch. Zu dem Zeitpunkt verabschiedete sich jegliches Interesse an einer akademischen Laufbahn, und ich sah daher nicht ein, wofür der Unterricht gut sein sollte, was sowohl meine Lehrer und Lehrerinnen als auch meine Eltern nervte. Ein Zeugnis bezeichnete mich als »Störenfried«, und eine Reihe von Elternabenden – inklusive der unvermeidlich folgenden Standpauken – führten zu unschönen Erfahrungen. Spaß machte mir eigentlich nur die Schulfußballmannschaft. Aber entgegen Georges späteren Behauptungen hatte ich mir nie Hoffnungen gemacht, Profifußballer zu werden. Ich war Fan von Manchester United, und das deckte meine Ambitionen bereits ab.

Wegen meines Rufes wurde ich in die erste Reihe gesetzt, damit die Lehrer mich im Auge behalten und ich keinen Blödsinn machen konnte. Ich war zwölf Jahre alt und kam mit Autorität nicht gut zurecht. Mit meinem offenen obersten Hemdknopf und der gelockerten Krawatte meiner Schuluniform sah ich aus wie ein typischer übellauniger Problemteenager, weshalb der ein oder andere Lehrer wahrscheinlich kein positives Bild von mir hatte. Dabei war ich bestimmt kein Krimineller. Obwohl die Klasse 2A1 als beste des Jahrgangs galt – wenn man davon absah, dass niemand von uns am Ende der Grundschulzeit beim Eleven-Plus-Test gut genug abgeschnitten hatte, um auf eins der Gymnasien in Watford gehen zu können –, war wohl niemand von uns auf dem Weg, Nuklearphysiker oder Neurowissenschaftler zu werden.

Plötzlich änderte sich die Stimmung im Klassenzimmer. Die Gespräche über Pan’s People, David Essex und peinliche Ferienküsse ebbten ab, als unsere Klassenlehrerin Mrs. Parker mit einem nervös wirkenden Jungen im Schlepptau hereinkam. Er trug eine nagelneue Schuluniform und eine Brille mit übergroßem Metallrahmen. Seine Haare sahen aus wie eine Perücke aus rauen Kunstfasern. Und der Stress, vor einer ganzen Klasse neuer Mitschüler zu stehen, setzte ihm offensichtlich zu. Als Mrs. Parker den Neuen in der Klasse 2A1 begrüßte, wurde er rot. Die ungeschickte Vorstellung, bei der sie seinen Namen in etwa so behutsam aussprach wie ein Fuchs einen Müllsack aufbeißt, machte es auch nicht besser.

»Ihr Lieben, das ist euer neuer Mitschüler Jorios Panagiottuh«, sagte sie und sprach seinen Namen völlig falsch aus. Sie sah den entsetzten Jungen neben sich hilfesuchend an – wie auch immer er hieß –, aber dessen Gesicht hatte inzwischen die Farbe eines Erdbeerbonbons angenommen. Die Mädchen in der ersten Reihe kicherten, und hinten lachten die Jungs. Mrs. Parker ließ sich nicht beirren und setzte die Formalitäten fort, wobei sie es jedoch vermied, den ungewohnten südeuropäischen Namen noch einmal auszusprechen.

»Na gut, ich fände es schön, wenn sich jemand um den neuen Mitschüler kümmern könnte«, sagte sie. »Jemand Vernünftiges bitte, ein Mentor, der ihm in der ersten Woche alles zeigen kann. Das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, denn derjenige muss unserem Neuzugang das Gefühl geben, in Bushey Meads willkommen zu sein. Wer möchte?«

Peinliches Schweigen. Meine Klassenkameraden zögerten, und ich wusste nicht, warum. Ich hatte noch nie einen Neuen betreut, also war das eine Gelegenheit, die ich mir nicht entgehen lassen konnte, eine willkommene Abwechslung vom monotonen Unterricht. Ich riss die Hand in die Luft. Ich konnte nicht einschätzen, ob Mrs. Parker das gefiel oder nicht, weil sie zwar lächelte, mit ihrem Gesichtsausdruck aber gleichzeitig vermittelte, dass sie sich nicht für dumm verkaufen ließ. Ihre hochgezogene Augenbraue verstand ich ebenfalls als Warnung, keinen Mist zu bauen.

»Danke, Andrew, sehr nett von dir«, sagte sie schließlich und bedeutete Wiehießergleich, sich während der Anwesenheitskontrolle neben mich zu setzen. Dann ging Mrs. Parker die Namen im Klassenbuch durch, und alle starrten den Neuen an, der nervös zu mir rüberkam. Irgendwie tat er mir leid.

»Adams.«

»Hier, Miss.«

»Bartlett.«

»Hier, Miss.«

»Brown.«

»Hier, Miss.«

»Mein Name ist am Anfang schwer auszusprechen, das weiß ich«, sagte er und setzte sich neben mich. »Er ist griechisch«, fügte er erklärend hinzu.

Ich zuckte mit den Schultern und nickte verständnisvoll. Mit einem Namen wie Georgios, das wusste ich, hatte der Neue kein leichtes erstes Halbjahr vor sich. Aber als wir uns unterhielten, erfuhr ich ein paar Eckdaten über Bushey Meads’ Neuzugang. Georgios’ Vater hatte ein eigenes Restaurant. Die Familie hatte vorher in London-Kingsbury gelebt, von wo aus sie dann nach Radlett gezogen waren, was zwar nicht so nah an der Schule lag wie mein Zuhause, aber immer noch nahe genug war, um nach der Schule irgendwas gemeinsam anzustellen, falls wir uns gut verstanden. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass Georgios’ Familie ziemlich reich sein könnte, Radlett galt als eher schicke Gegend. Aber nach einem guten Start geriet unsere Unterhaltung ins Stocken: Anscheinend hatten wir nichts gemeinsam, er mochte keinen Fußball und Formel 1 schon gar nicht. Wir sahen uns an, und aus der Gesprächspause drohte ein unangenehmes Schweigen zu werden. Als ich hochschaute, musterte Mrs. Parker mich skeptisch.

Verdammt, das lief gar nicht gut.

Und dann, als ich gerade befürchtete, mir mit der Verantwortung ein Ei gelegt zu haben, gelang mir der Durchbruch.

»Und, was magst du so für Musik?«

Jetzt lächelte Georgios. Na also! Offensichtlich hatte ich eine Gemeinsamkeit entdeckt. Er mochte Queen genauso gern wie ich. Und während sich die Klasse 2A1 mit all den langweiligen Sachen befasste, die zu Beginn eines Schuljahres zu klären waren, unterhielten wir uns über Freddie Mercury, Brian Mays jaulende Gitarre und »Killer Queen«, den Song, der etwa ein Jahr zuvor erschienen war und mit dem die Band ihren Sound völlig neu erfunden hatte. Ebenso vielversprechend war Georgios’ Vorliebe für die Beatles und David Bowie. Nachdem wir auch noch festgestellt hatten, dass wir beide Elton John mochten, befanden wir uns zweifellos im Einklang, und auf dem Weg von der Anmeldung zur ersten Stunde nannten wir uns abwechselnd unsere Lieblingssongs. »Benny And The Jets«, »Candle In The Wind« und den Titeltrack seines letzten Albums Goodbye Yellow Brick Road fanden wir beide toll. Am Anfang unserer ersten Französischstunde plauderten wir immer noch über Musik. Ich war abgelenkt, in einer anderen Welt, und so bekam ich gleich nach Unterrichtsbeginn einen Eintrag, weil ich nicht aufgepasst hatte.

»Ridgeley, wollen wir dieses Schuljahr vielleicht auf dem richtigen Fuß anfangen?«, fragte der mürrische Lehrer. Anscheinend hatte ich schon den nächsten Eintrag.

Als ich zu Georgios rübersah, lachte er und verdrehte solidarisch die Augen. Der Bursche ist in Ordnung, dachte ich mir. Vielleicht wird das Jahr ja doch nicht so schlimm …

Das neue Schuljahr war noch keine Stunde alt, und schon hatte ich einen neuen Kumpel.

Georgios erklärte mir, dass man seinen Namen am besten Jor-goh aussprach, was sich anhörte, als müsste man einen besonders unangenehmen Schleimklumpen hervorhusten. Es war fast unvermeidlich, dass ich daraus »Joghurt« machte, aber überraschenderweise rief der Spitzname keine große Reaktion hervor. Letzten Endes nannte ich ihn dann Yog, was viel einfacher war als sein richtiger Name. Mrs. Parkers Kollegen bekamen die griechische Aussprache leider auch nicht besser als sie hin, weshalb einer nach dem anderen einfach aufzugeben schien und einfach George zu ihm sagte, was sich wiederum bald alle außer seinen engsten Freunden angewöhnten. Wenn er sich jemandem vorstellte, benutzte Georgios selbst diesen Namen, wahrscheinlich, weil er dann weniger erklären musste.

Während der nächsten Tage erfuhr ich immer mehr über meinen neuen besten Freund. Vor allem, dass er ziemlich ehrgeizig sein konnte, wenn es darauf ankam, was so gar nicht zu meinem Ersteindruck eines schüchternen und unsicheren Teenagers passte. Yog lebte sich an der Bushey Meads schnell ein.

In seiner ersten großen Pause machte ich ihn mit dem beliebten Spiel »King of the Wall«, also Mauerkönig, vertraut. Es ging so, wie der Name vermuten ließ, und hatte ganz einfache Regeln. Ein Kind kletterte auf eine Mauer, und die anderen versuchten dann, sie oder ihn mit allen Mitteln wieder runterzuholen. Keine Einschränkungen, kein Schiedsrichter, kein Pardon.

An diesem Nachmittag nutzte ich meine leicht überdurchschnittlichen sportlichen Fähigkeiten, um den steinernen Thron zu erklimmen. Ich war der Mauerkönig. Ich zog meine Freunde auf und schob ein paar Konkurrenten beiseite, bis ich kalt erwischt wurde. Von Yog. Er hatte genug von der Angeberei gehabt und mir einfach einen Stoß in den Rücken verpasst. Ich fiel runter auf den Asphalt und musste peinlich berührt zugucken, wie er stolz auf der Mauer stand und über seinen Wagemut lachte. Yog trug seine Stärke vielleicht nicht offen zur Schau, und auf dem Fußballplatz, damals das Pausenhofbarometer sportlicher Fähigkeiten, taugte er auch nicht viel, aber ich erkannte, dass er sich von niemandem einfach einschüchtern lassen würde.

Pelé Cruyff Robson Ridgeley

Erste Erfolge: mit meinem Cousin Martin, der stolz eine Goldene Schallplatte für zahlreiche Singleverkäufe hochhält.

Eine Woche später bestätigte sich meine Vermutung, dass Yogs Familie Geld hatte, als ich zu ihm nach Hause eingeladen wurde. Gemeinsam fuhren wir mit dem Schulbus nach Radlett. Ich war beeindruckt von dem freistehenden Haus mit vier Schlafzimmern, großem Garten und schicker Terrasse. So ganz anders als das Reihenhaus mit drei Schlafzimmern meiner Eltern. Im Gegensatz zu unseren bescheidenen, aber gepflegten Blumenbeeten gab es hinter Yogs Haus eine große Wiese, die ab der Terrasse sanft anstieg. Im Sommer aßen die Panagiotous hier im Freien zu Abend, dann gab es mediterrane Köstlichkeiten wie gefüllte Weinblätter, Hummus und Taramosalata. Verglichen mit dem traditionelleren Essen zu Hause, kam mir das alles ganz schön exotisch vor.

Nachdem wir seine Eltern begrüßt hatten, gingen wir hoch in Yogs Zimmer. Es war makellos aufgeräumt und eine wahre Fundgrube voller cooler Fanartikel und Musikinstrumente. Meins hingegen war ein chaotischer Haufen aus Klamotten und Zeitschriften, der allerhöchstens mal aufgeräumt wurde, wenn meine Eltern mir mit einer Fahrt zur örtlichen Müllkippe drohten. Yog hatte Poster von Stars wie David Bowie und Elton John an der Wand. Am überraschendsten war allerdings, dass er Spider-Man-Comics sammelte. Er hatte einen ganzen Stapel davon, darunter sogar eine Erstausgabe, was auch schon damals ein Schatz war. Yog erzählte mir, er hätte Elton John im Jahr zuvor live in der Vicarage Road gesehen, dem Stadion des Watford FC, dass er aber erst bei einem einzigen Fußballspiel gewesen sei – bei Arsenal. Als er mir jedoch seine Anlage zeigte, war ich mit den Gedanken schon wieder woanders: Vor dem Bett stand ein echt starkes, perlmuttblaues Schlagzeug. Ich konnte es nicht fassen. Yogs Schlagzeug war zwar nicht in der gleichen Liga wie die von Phil Collins oder Roger Taylor von Queen, aber es haute mich um. Ich kannte niemanden, der ein Drumkit in seinem Zimmer hatte, und ehe er widersprechen konnte, saß ich schon dahinter und hämmerte einen ohrenbetäubenden Viervierteltakt auf die Snare, die Tomtoms, die Bassdrum und die Hi-Hat.

»Nein, Andrew … Stopp!«, brüllte Yog über den Lärm hinweg.

Ich hatte ihn verärgert, und sein entsetzter Gesichtsausdruck zeigte mir, dass ich zu weit gegangen war. Später erfuhr ich, dass Musikmachen im Hause Panagiotou nur zu bestimmten Tageszeiten gestattet war, und die hatte ich deutlich verfehlt. Etwas verblüfft entfernte ich mich vom Schlagzeug und widmete meine Begeisterung der Stereoanlage, die in der Ecke stand.

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