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Wie man einen Maulwurf fängt

Als Buch hier erhältlich:

Marc Hamer hat einen seltsamen Beruf: Er ist Maulwurfsfänger. Er liebt die Einsamkeit, die Tiere und Pflanzen. Als Jugendlicher hatte er mehrere Monate kein Zuhause und schlief unter freiem Himmel. Seitdem ist sein Leben untrennbar verbunden mit dem Werden und Sterben der wilden Natur. Später, als er sich ein Heim geschaffen hatte, fing er Maulwürfe - nur mit der Geduld und Langsamkeit, die ihn das Leben mit der Natur gelehrt hatte, konnte er die klugen Tiere überlisten. Doch je älter er wurde, desto weniger wollte Marc Hamer sie töten. Von einem Tag auf den anderen beschloss er, damit aufzuhören.
Poetisch und klug erzählt der Autor von seiner letzten Saison als Maulwurfsfänger. Behutsam zeichnet er ein Bild von einem Leben im Einklang mit der Umwelt, vom Entstehen und von der Vergänglichkeit, vom Töten und vom Glück.

»Das ganze Buch ergreift durch die Schlichtheit seiner poetischen Sprache - grandios!«
ekz Bibliotheksservice


  • Erscheinungstag: 01.04.2019
  • Seitenanzahl: 192
  • ISBN/Artikelnummer: 9783959673143

Leseprobe

Für Kate

(Peggy)

der ich alles verdanke

Es spukt hier ein junger Mensch im Walde herum […]

der Oden an Weißdorne hängt und Elegien an Brombeersträuche.

Wie es euch gefällt, 3. Aufzug, 2. Szene

Ich liebe Peggys Angesicht,

Und ihres Auges Flammenlicht,

Und ihres Mundes holden Scherz:

Doch mehr noch lieb’ ich Peggys Herz.

Robbie Burns

Sonntag gehe ich Maulwürfe fangen

hänge ihre glatten weichen Körper

an die Dornenzweige

wo die Bauern mein Werk sehen

und die glänzenden Krähen sich mästen können.

VORWORT

Ich bin Gärtner. Ich habe viele Jahre lang in Gärten und auf Bauernhöfen Maulwürfe gefangen, aber nun ist für mich der Zeitpunkt gekommen, damit aufzuhören. Maulwurfsfang ist eine alte Kunst, die mir ein gutes Leben beschert hat, doch nun bin ich alt und das Jagen, Fallenstellen und Töten leid. Außerdem habe ich dabei alles gelernt, was es für mich zu lernen gibt.

Zur Sicherung des Lebensunterhalts haben Maulwurfsfänger bislang die Details ihrer Arbeit für sich behalten. Ich möchte jedoch nicht, dass dieses Wissen ausstirbt, weshalb ich in diesem Buch erklären werde, wie das Leben eines Maulwurfs aussieht und wie man sie fängt, falls man das denn möchte, sowie Alternativen aufzeigen. Den Rahmen dieser Erläuterungen bilden die Geschichte des Maulwurfs als solchem und die Geschichte meines Lebens als Maulwurfsfänger: Wie dieses Leben aussah, der lange Weg dorthin, wie es mich geprägt hat, und warum ich dieses Handwerk nun nicht mehr ausüben möchte.

Die Entscheidung aufzuhören fiel mir nicht leicht. Ich liebe mein Leben von ganzem Herzen, ein Leben voller Liebe zur Natur, ihrer Schönheit, aber auch ihrer brutalen Kraft. Mein Beruf hat mich oft und lange über das Leben nachdenken lassen, hat meinen Horizont erweitert und mich gelehrt, Teil dieser Welt zu sein. Er hat meine Beziehung zu mir selbst verändert, zu meiner ganz individuellen Geschichte und zu meiner Familie. In diesem Buch finden sich also auch Einblicke in mein Privatleben sowie die Gründe, die mich zum Maulwurfsfänger gemacht haben.

Keine Geschichte wird zweimal auf dieselbe Weise erzählt, das gilt auch für meine Lebensgeschichte. Mit sechzehn verließ ich mein Elternhaus und ging einfach in die Welt hinaus. Ich lebte etwa anderthalb Jahre lang inmitten der Tiere und Vögel, schlief unter Hecken, im Wald und an Flussufern. Ich werde versuchen, auch dieses Puzzleteil meines Lebens so wahrheitsgetreu wie möglich wiederzugeben, aber ich erinnere mich nicht mehr an alles ganz genau. Manchmal glaube ich, dass die Geschichte des Maulwurfs und meine eigene untrennbar miteinander verbunden sind. Sie spiegeln sich und hinterlassen Spuren in der jeweils anderen. Das Hin- und Herbewegen zwischen diesen beiden Bereichen hat mein Leben schön und gut gemacht und mir alles gegeben, was ich jemals wollte.

Während ich der Wahrheit stetig nachjage und mit ihr spiele, überlege ich, was sie wohl ausmacht, was sie eigentlich ist. Erinnerungen tauchen selten in chronologischer Reihenfolge auf. Das Gedächtnis spaziert im Dunkeln umher, und je mehr ich versuche mich zu erinnern, umso schneller scheinen die Erinnerungen vor mir zu Staub zu zerfallen oder eine ganz andere Richtung zu nehmen. Sobald ich mich mehr mit einer Anekdote beschäftige, als sie lediglich im Vorbeigehen wahrzunehmen, verändert sie sich unter meinem prüfenden Blick, fällt in sich zusammen und entsteht neu und ändert sich dann aufs Neue. Wie bei einem Kaleidoskop: Die Farben sind immer dieselben, nur das Muster variiert jedes Mal ein wenig; die Details weichen voneinander ab, das große Ganze bleibt jedoch immer gleich.

Mein Gedächtnis lässt nach, wirklich gut erinnere ich mich nur noch an besonderes, an Höhepunkte und Tiefpunkte, die starke Gefühle ausgelöst haben. Wie die Perlen einer Kette, die vom Alter angelaufen ist, die die meiste Zeit unbeachtet in einer Schublade liegt. Ich hole sie heraus und betrachte sie. Manche Perlen fehlen schon, da wirkt das Leben eine Weile lang wie eine leere Schnur, keine Abwechslung in Sicht, und dann kommt wieder ein Stück, wo sich die Perlen drängen, wo sich die Kette verhakt. Mir scheint kein System dahinter erkennbar, aber ich versuche, die Kette zu entwirren.

Oft bemühe ich keine Worte, wenn ich mich mit meinen Erinnerungen befasse, ich begnüge mich damit, sie vor meinem inneren Auge vorbeiziehen zu lassen und mich an ihnen zu erfreuen. Hin und wieder kommen die Worte jedoch von allein, schleichen sich lautlos auf Insektenbeinen an. Manche bauen ein Nest, bilden ein Muster, hier ein Zweiglein, da eine Knospe, und ich lasse sie gewähren. Ich halte diese Momente gern auf Papier fest, winzig kleine Stückchen, die vorbeisegeln wie Laub, ziellos umherwirbeln und in Windeseile wieder fort sind, wenn ich sie nicht aus der Luft fange und festhalte. Alltagsmomente, die in meinem Kopf hängen bleiben. Wie einzelne Erinnerungsstücke oder die Tonscherben, die ich ab und zu in den Maulwurfshügeln finde. Hier – neben und teils verwoben mit den simplen und dennoch oft absurden Fakten rund um das Thema Maulwurfsfang – sind nun diese Bruchstücke, manche scharfkantig, manche glatt, größtenteils verfasst auf meinen Wegen über die Felder, den Beutel mit den Fallen über dem Arm.

Die gesamte Lebensgeschichte eines Maulwurfs zu erzählen ist unmöglich. Da er sein Leben im Dunkeln versteckt unter Tage verbringt, besteht seine Geschichte aus Mythen, angereichert mit einer Handvoll Sichtungen, die von Mensch zu Mensch weitergetragen wurden, wobei jeder seine eigene Interpretation der Dinge hat. Genau wie wir sind Maulwürfe rätselhafte Wesen, und wir gewahren stets lediglich nur einen Teil ihrer Wahrheit.

Es ist viel wichtiger, wie die Dinge scheinen, als wie sie wirklich sind. Wir können nie abschließend wissen, wie sie tatsächlich sind. Und ich mag dieses Gefängnis kalter, harter Fakten nicht. Fakten eröffnen keine neuen Sichtweisen, sie halten den Menschen in einer konstruierten Realitätswahrnehmung gefangen, an der nicht mehr zu rütteln ist. Die einzige wahre Wahrheit ist dort, da und hier, in den drei Sekunden, bevor sie selbst wieder rekonstruiert wird. Ehrlich, ich möchte eigentlich lieber vergessen. Vergessen bedeutet Freiheit und Vergebung, und vor allem bedeutet es, ganz im Moment aufzugehen.

Ich könnte mich in dieser Geschichte als Bösewicht oder als Held darstellen, als unschuldiger Zuschauer oder als Anstifter, und jede dieser Varianten wäre eine Facette der Wahrheit. Welchen Wert hat jedoch eine Wahrheit, von der es unendlich viele Varianten gibt? Es gibt einen Unterschied zwischen Wahrheit und Ehrlichkeit, und ich werden Ihnen eine der Millionen ehrlicher Geschichten erzählen, die man guten Gewissens als »wahr« bezeichnen kann. Eine Geschichte, die dazu führte, dass ich an einem Dezembertag mit einem toten Maulwurf in der Hand auf einem Feld im Schlamm kniete und wusste, es war Zeit, mit dem Töten aufzuhören.

Wie man einen Maulwurf fängt, das Leben eines Maulwurfsfängers. Geschrieben in der Jahreszeit des Maulwurfsfangs, anstelle des Maulwurfsfangs. Das einzige Versprechen, das ich Ihnen geben kann, ist folgendes: Wenn Sie mit diesem Buch fertig sind, werden Sie sehr viel mehr über Maulwürfe wissen als vorher.

TAGESANBRUCH

Während ich hier an meinem Küchentisch sitze und schreibe, krabbelt mir ein Marienkäfer das Bein hinauf. Ich bringe oft aus Versehen das ein oder andere Tierchen von der Arbeit mit nach Hause. Käfer und Spinnen, ab und zu versteckt sich ein Grashüpfer unter meinem Hemdkragen, oder Ameisen kriechen mir in die Falten meiner Arbeitshose und fallen mir dann in die Stiefel.

Der Marienkäfer auf meinem Knie versucht, die Flügel zu entfalten. Die roten Flügeldecken klappen auf, und darunter kommen die schwarzen, einer Fliege ähnlichen Flügel zum Vorschein, doch der rechte ist kaputt, ist nach hinten abgeknickt und lässt sich nicht ausbreiten. Der Käfer versucht es drei-, viermal, faltet seine Flügel vorsichtig wieder ein und versucht dann erneut, sie zu öffnen. Er will wegfliegen. Vielleicht habe ich ihm den Flügel kaputt gemacht, wer weiß. Es passiert schnell, dass man etwas so Zartes, Zerbrechliches achtlos kaputt macht, und oft bemerkt man es nicht einmal.

Gestern habe ich Laub zusammengeharkt, und hinter mir hüpfte ein Rotkehlchen umher und labte sich an den Käfern und Würmern, die ich zutage förderte. Ich nahm ihnen das schützende Laub, sie wurden gefressen, das Rotkehlchen war satt. Dinge gehen kaputt, Wunden hinterlassen Narben, und Narben heilen. Aber von Zeit zu Zeit ziept es noch mal an der Stelle. Jeder noch so kleine Schritt hat Folgen, und jeden Abend schrubbe ich mir nach der Arbeit die schmutzige Mischung aus Geburt, Fortpflanzung, Tod und Verfall unter den Fingernägeln weg, versuche, alles wegzuwaschen.

Besser, man denkt nicht darüber nach.

Jeden Tag mache ich mir die Hände schmutzig, wenn ich säe, pflanze und Unkraut jäte. Ich spiele mit dem Chaos, lenke es ein wenig in eine bestimmte Richtung, um es etwas aufregender zu gestalten; bepflanze meinen Garten mit roten oder weißen Blumen. Manchmal nehmen wir das Chaos dankend an, weil wir es schön finden, und manchmal vernichten wir es, weil es unserem Empfinden nach unordentlich ist. Maulwürfe und ihr scheinbares Chaos zu vernichten ist eine Saisonarbeit, die jedes Jahr vorhersehbar wiederkehrt.

Es gibt miteinander verbundene Zyklen, die alle ihren ganz bestimmten Rhythmus haben und einander fröhlich abwechseln: einmal in der Woche den Rasen mähen, einmal im Jahr die Rosen stutzen, dreimal im Jahr den Blauregen trimmen, jedes Jahr im August den Rhododendron beschneiden, im Herbst die Äpfel pflücken, wenn sie mir sagen, dass sie reif sind, auf den ersten Frost warten, dann die Obstbäume zurechtstutzen, nach dem zweiten Frost die Dahlien ausgraben und zum Überwintern einlagern, und sie dann wieder auspflanzen, wenn sicher ist, dass es nicht noch einmal friert. Einen Komposthaufen anlegen, Beete planen, im Winter schon Pflanzen aussuchen und Samen kaufen. Pflanzen, Unkraut jäten, umgraben, sich um Einjährige, Zweijährige und Mehrjährige kümmern, und im Winter und im Frühjahr Maulwürfe fangen.

Das Jahr wird von Sonnenwende und Tagundnachtgleiche in Viertel unterteilt; wichtige Anhaltspunkte für jeden Menschen, der mit der Natur zu tun hat. Sie sind die Anfänge der Jahreszeiten. Rhythmen, lange und kurze Zyklen gehen ineinander über, werden vom stetig wechselnden Wetter vorangetrieben, von den Sonnenstunden des Tages und den Temperaturen. Jede der Markierungen ist gleichzeitig das Ende eines Kreislaufs und der Anfang des nächsten. Jeden Herbst harke ich dieselben roten Blätter unter demselben Ahornbaum zusammen und werfe sie auf denselben Komposthaufen. Obwohl es natürlich streng genommen eben nicht dieselben Blätter desselben Baums sind und auch nicht derselbe Komposthaufen wie im letzten Jahr. Die Maulwürfe, die ich in denselben Tunneln einfange wie letztes Jahr, sind ebenfalls nicht dieselben Maulwürfe.

Diese Zyklen, die sich gegenseitig überlappen und ineinander übergehen, lösen stets eine intensive Phase der Selbstreflexion in mir aus. Und es bleibt mir nichts anderes übrig, als in mich zu gehen und nachzudenken. Meine Frau Peggy ist berufsbedingt oft unterwegs, meine Kinder sind erwachsen und weggezogen, sie leben ihr eigenes Leben, und es vergehen oft Tage, manchmal zwei, drei, vier hintereinander, an denen ich keine Menschenseele sehe und mit niemandem spreche. Ich habe meine Katze.

Heute Morgen ist mir kalt bis auf die Knochen. Es ist immer noch sehr dunkel. Vielleicht bin ich mittlerweile zu alt, um so früh auf zu sein, aber der Schlaf ist nicht mehr mein Freund. Ich habe ihn für immer verloren. Mit alten Menschen wie mir kann er nichts mehr anfangen. Das Internet meint, es läge an giftigen Chemikalien in der Umwelt, die meine Zirbeldrüse verkalken ließen. So sei das nun mal. Quecksilber, Kalzium, Fluor. Zur Entgiftung müsse ich andere Chemikalien zu mir nehmen. Das Internet verschreibt mir Kurkuma.

Meine Träume, die mittendrin abbrechen, verfolgen mich in meinen Halbwachzustand hinein, ich irre allein durch Tunnel, ich werde verfolgt, kalt wie ein Frosch liege ich da. Ich kämpfe mit einer verstopften Nase (ich bin auf irgendetwas im Haus allergisch) und sehe lange der Dunkelheit zu, wie sie allmählich verschwindet, wie sich ihr Schwarz vor dem Morgengrauen, vor Sonnenaufgang aufzulösen scheint in mikroskopisch kleine graue Punkte, die nicht greifbar durch die Luft schweben. Meine Muskeln schmerzen und sind wund, gestern habe ich den ganzen Tag gearbeitet und abends Whisky getrunken. Ich überlege, die Decke abzuwerfen. Ich ziehe mich noch einmal in die Wärme zurück, nur einen Moment lang, einen winzig kleinen. Meine müden Augen stellen sich um von Schwarzweiß auf Farbe. Ich habe das Gefühl, den Sekundenbruchteil genau zu spüren. Die Welt ist farblos, bis das Tageslicht kommt.

Sobald sich das geringste bisschen Rosa ins Grau um mich herum mischt, denke ich an Kaffee, und dieser Gedanke treibt mich aus dem Bett. Während der Kaffee vor sich hin zischt, nehme ich meine Katze auf den Arm, die mir um die Beine herumschleicht und um Aufmerksamkeit heischt, und wir teilen uns ein wenig Wärme, als ich nach einem Radiosender mit weder unerträglichen Nachrichten noch viel zu fröhlicher Musik suche. Ich habe bereits viele Katzen überlebt, seit dreißig Jahren lebe ich nicht mehr ohne, seitdem Peggy und ich zusammen sind. Wir wurden ein Paar und legten uns eine Katze zu. Diese hier, Mimi, ist dick und genießerisch, sie rekelt sich auf meinem Schoß, während ich sie streichele.

Meine Kaffeetasse ist fast leer. Mir ist ein wenig schlecht. Vielleicht bin ich auch auf Kaffee allergisch. Ein kurzes Hörspiel auf Radio 4 Extra über die Alltagsprobleme einer Familie, die niemals Furcht oder Hunger erlebt hat.

Nun ist es fast richtig hell. Es ist länger dunkel als hell, es ist kalt, es ist Dezember. Der Wind fährt durch die trockenen Blätter. Ich könnte Feuer im Kamin machen und den ganzen Tag mit Peggy und der Katze zu Hause bleiben, könnte dem Tag dabei zusehen, wie er vergeht. Aber es zieht mich nach draußen, wie immer. Ich bin nicht fürs Drinnenbleiben gemacht, außerdem gibt es Arbeit zu erledigen: Fallen wollen geprüft und neu gelegt werden.

4 Uhr morgens

Ich erwache in einem kalten dunklen Zimmer

und kann nicht atmen, denn ich hatte einen Albtraum

in dem ich keine Luft bekam

Abstand zwischen uns

ich fühle mich heimatlos, bereit zur Flucht

mein Kopf gestrandet auf dem weißen Kissen

wie eine Muschel voll Sand

einatmen, ausatmen, Ebbe und Flut

geräuschvoll

durch die verstopften Gänge

ich ertrinke

in zwei Stunden geht die Heizung an

in vier Stunden geht die Sonne auf

in fünf Stunden wacht Peggy auf

Ich schaue hinaus in den kahlen Winterwald

was begraben ist, wird begraben bleiben

bis das Land voll ist

und die Häuser kommen

und ich habe das Gefühl zu ertrinken

Ein Klicken, dann ein Knall

die Heizung geht an

zwei schnelle dunkle Stunden sind schon vergangen

ich habe die Sterne betrachtet

kalt und weit weg und doch immer da

bin ich noch einmal eingeschlafen?

Ich weiß es nicht

Aus einer sternenklaren Nacht kriecht das

unerwünschte Morgengrauen über Rookwood

und unter der Handvoll

schneeverzierter Dächer

im Wald mit den kahlen Ästen

erwachen die Menschen

und kratzen das Eis von ihren Autos

die Krähen drängen sich zusammen

und warten auf die wärmende Sonne

und ich ringe nach Luft

Peggy regt sich

und lehnt den Kopf an meine Schulter

schwer und warm

draußen geht das Kratzen weiter

und der Krähenschwarm wie nackte Asche

Die Käfer krabbeln umher

und die Krähen fangen an zu krächzen

und der Fluss in der Nähe

noch nicht zugefroren

fließt immer noch eilig dahin

und Peggys abgestandener morgendlicher Atem

tief und gleichmäßig

fesselt mich

mit Wohligkeit an Decke und Kissen

und die Flut, ich denke an die Flut

und versuche nicht unterzugehen

Licht kommt blinzelnd herein

Peggy öffnet die verklebten Augen

und von der Mäusejagd

auf dem vereisten Feld

kommt meine eiskalte Katze herein und reibt ihr kühles Fell

an meinen nackten Füßen.

EINE WIESE WIRD GEMÄHT

Maulwurfsfänger erstellen Werbeflyer und Webseiten. Sie erklären einem, dass Maulwurfshügel auf Landebahnen ernsthafte Probleme für Flugzeuge darstellen können, dass ihre Tunnel unter dem Gewicht eines galoppierenden Pferds einbrechen und Reiter dadurch abgeworfen werden können. Auf der Koppel können Pferde versehentlich in einen Maulwurfstunnel treten und sich das Bein brechen, was bedeutet, dass sie eingeschläfert werden müssen. Eine Handvoll Maulwürfe kann ein riesiges Stück Nutzland mit Hügeln übersäen, die dann schnell mit Unkraut überwuchern, wodurch der Ernteertrag verringert wird, Weideflächen werden unbrauchbar, und der Bauer hat das finanzielle Nachsehen. Maulwürfe bringen noch mehr Maulwürfe hervor, die sich auf benachbarte Felder ausbreiten und noch mehr Nutz- und Weideflächen zerstören.

Früher sorgten die Maulwurfshügel für einen frühen Verschleiß der Schneidemesser an Erntemaschinen. Die Erde der Hügel, die sich unter das Getreide mischte, machte es wertlos. Erde im Tierfutter kann zu Listerien beim Vieh und in dessen Milch führen, wodurch beides nicht mehr für den Verzehr durch Menschen geeignet ist. Deshalb haben die Bauern Maulwurfsfänger beauftragt. Jahrhundertelang hat es sich für sie rentiert. Die Zeiten haben sich jedoch geändert, und heutzutage wird den Bauern geraten, einfach die Schneidemesser höher einzustellen. So umgehen sie einen Großteil der Probleme. Die modernen Maschinen sind entsprechend gebaut, und es funktioniert gut.

Schlechtes Wetter, das den Garten über Wochen hinweg unter Wasser setzt, ärgert zwar jeden Gärtner, aber man nimmt es mehr oder weniger stoisch hin. Und fast jeder verabscheut Ratten, es werden Fallen aufgestellt, sie werden vergiftet oder erschossen. Weißfußmäuse hingegen mögen die meisten Menschen, Igel werden sogar geliebt. Bienen oder Wespen, die sich ihr Nest in Geräteschuppen bauen und sie damit für eine Weile nicht mehr betretbar machen, gelten als Ärgernis. Aber das Verhalten von keinem dieser Tiere wird so persönlich genommen wie das des Maulwurfs.

Selbst vernünftigen Menschen bereitet dieser Unruhestifter schlaflose Nächte. Wir geben ungern die Kontrolle über unser Land ab, geht es doch mit dem unangenehmen Gefühl von Vergänglichkeit und Schwäche einher. Maulwürfe können einen liebevoll gehegten und gepflegten Rasen völlig zerstören, und ich habe Grundstücksbesitzer die Kontrolle über ihren Garten verlieren sehen, und ich habe den Hass gesehen, der daraus entstehen kann. Ich habe Menschen aus vollem Halse fluchen hören. Eine Besessenheit entsteht, und unter Umständen ergreift dieser endlose Krieg, den der Mensch ja doch nicht gewinnen kann, völlig Besitz von seinem Leben.

Maulwürfe sind kleine, niedliche Tiere, und wie Mutter Natur höchstselbst ist ihnen herzlich egal, wie wir die Sache sehen. Sie sind eine vernichtende Plage, und sie gewinnen stets. Vielleicht stammt unsere Wut auf sie auch daher, dass wir sie als liebe, freundliche Zeitgenossen sehen wollen, so wie den Maulwurf in Der Wind in den Weiden, mit seiner großen Brille, seiner Gutmütigkeit, seiner Gelehrsamkeit und seinem Wunsch, es stets allen recht zu machen. In Wahrheit sind Maulwürfe jedoch mitnichten so bescheiden und zurückhaltend, wie wir sie gern hätten. Sie nutzen uns aus. Wir kommen vielleicht zu dem Schluss, dass sie schlauer sind als wir. Oder vielleicht haben wir auch nur eine tiefere Bindung an die Dinge, die wir besitzen und für andere zur Schau stellen, und sind stolzer auf sie. Dinge zu besitzen, die uns ewig erscheinen, gibt uns ein Gefühl von Beständigkeit, ein Gefühl von Unsterblichkeit. Und dann kommt der Maulwurf und macht sie uns kaputt, nimmt sie uns, ruft etwas auf den Plan, das ganz tief verborgen in unserem Inneren schlummert.

Maulwurfstunnel haben verheerende Folgen, weitaus größere, als man beim Anblick der Tiere selbst vermuten könnte. Wenn ich meinen Kunden ein totes Exemplar zeige, sind viele überrascht, wie klein sie tatsächlich sind. In ihrer Vorstellung hat der Störenfried Maulwurf teilweise riesige Ausmaße angenommen. Meistens wollen sie ihren toten Feind jedoch gar nicht sehen, nur den Rasen wollen sie, den schönen glatten Rasen, jeder Halm hübsch ordentlich, alles unter Kontrolle und sicher, für immer.

Maulwürfe stören den künstlich angelegten Frieden eines Rasens so sehr, dass es für manche Menschen unerträglich ist. Gärtnern ist nicht natürlich, es ist vielmehr die Unterwerfung der Natur nach unseren Vorstellungen unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Methoden. Und bei manchen Leuten führt dieser Kontrollwunsch ins Extreme. Ich hatte einmal einen Kunden mit einem hübschen kleinen Stadtgarten, der mit dem Wuchs seines wunderschönen Magnolienbaums unzufrieden war: Auf der einen Seite waren mehr Äste als auf der anderen.

Kein Lebewesen ist jemals exakt symmetrisch, und Schönheit findet sich nicht in Perfektion. Dieser Mann zählte jedoch die Äste durch und sägte dann mehrere ab, um dem Baum äußerlich zum Gleichgewicht zu verhelfen. Er hatte keine Ahnung, was er wollte; er wusste nur, was er nicht wollte. Ich war gerade in seinem Garten mit dem Aufstellen von Fallen beschäftigt, als seine arme Frau nach Hause kam und von einem über und über mit Sägespänen bedeckten Mann begrüßt wurde, der nur noch neben einem Stumpf von einem Baum stand. Der nun leichte Schlagseite nach rechts hatte.

In einem Garten, in dem ich regelmäßig arbeite, wächst eine große Blumenwiese, die ich jedes Jahr mit der Sense mähe. Ich benutze eine Sense, weil sie leise ist und keinen Dreck macht, aber vor allem, weil Insekten und Tiere dadurch die Chance haben zu entkommen. Rasenmäher sind schrecklich, sie schlachten alles ab, was ihnen unterkommt, Frösche, Kröten und Igel werden einfach zerhackt. Das ist mir schon passiert, und ich wurde dabei mit Blut bespritzt. Dieses sinnlose Töten setzte mir sehr zu, weshalb ich mich nach Alternativen umsah. Dabei kam heraus, dass ich entweder Tausende Pfund in ein anderes Mähersystem investieren oder lernen könnte, wie man mit einer Sense umgeht. Ich habe mich für die Sense entschieden.

Die Steine in den Maulwurfshügeln auf der Wiese schlagen winzige Stücke aus meinem Sensenblatt, aber das nehme ich hin. Zu Beginn der Saison dengele ich das Blatt immer einmal, bis es scharf wie ein Rasiermesser ist. Beim Arbeiten halte ich dann alle paar Schnitte inne und gehe noch einmal mit dem Wetzstein darüber. Wenn die Saison beendet ist, klopfe ich mit einem speziellen Hammer die Schneidekante platt, dann ist die Sense wieder bereit für die nächste Mahd.

Das Mähen mit der Sense ist harte körperliche Arbeit, bei der ich regelmäßig Pausen brauche, besonders jetzt im Alter. Deshalb mag ich die Unterbrechungen mit dem Wetzstein: Es erklingt ein herrliches Klirren, wenn der Stein auf das Metall trifft, und dann ein hohes Schwingen, wenn er vom Ansatz bis zur Spitze gleitet, meistens dreimal insgesamt, wobei jedes Mal die Seite gewechselt wird. Dann lasse ich den Stein wieder in die mit Wasser gefüllte Blechhalterung an meinem Gürtel plumpsen und mähe weiter, oder bleibe einfach einen Moment stehen und komme ein wenig zu Atem, schaue den Vögeln hinterher.

Das Sensen selbst macht auch ein hübsches Geräusch, ein langgezogenes Zischen bei jedem Schnitt. Die Arbeit hat einen angenehmen Rhythmus, man schwingt aus der Hüfte, schneidet mit ausgestreckten, aber lockeren Armen von rechts nach links und arbeitet sich langsam Schritt für Schritt vor, mäht jedes Mal einen bis zu zweieinhalb Meter breiten Streifen ab und hinterlässt dabei links von sich einen fein säuberlichen Schwaden, wo die Halme von dem knapp einen Meter breiten Sensenblatt fallen. Ganz von allein geht mein Atem bald im Rhythmus meiner Schritte und Schnitte. Ein, während ich aushole und einen Schritt mache, aus, wenn die Sense niedergeht. Ruhig und tief. Früher habe ich zwei volle Sommertage gebraucht, um die komplette Wiese zu mähen. Nun bin ich älter und brauche mehr als drei. Im nächsten Jahr kann ich es vielleicht gar nicht mehr.

Vor mir sehe ich oft kleine Tiere, die sich in Sicherheit bringen, sie hüpfen und hoppeln in den Schutz der dichten Wiese. Ohne einen bösartigen Zweitakter, der röhrt und qualmt, höre ich die Igel rascheln und kann sie sanft aus dem Weg stupsen. Frösche und Kröten springen und kriechen mir vor die Füße, und dann halte ich kurz an, oder eine Handvoll Feldmäuse flitzt vorbei und eilt in ihren Bau.

Es ist ein menschenfreundlicher Vorgang, und das Werkzeug ist schlicht, braun, ehrlich. Ich bin gemeinsam mit diesen Werkzeugen gealtert. Sie sind von Hand gemacht, aus Holz, Metall und Stein, und sie sind mit mir gealtert und haben sich dabei der Form meiner Hand angepasst. Ich empfinde Verbundenheit mit solchen Werkzeugen, ich habe das Gefühl, was ich damit berühre, berührt auch mich.

Wenn man mit der Sense mäht, ist es Tradition, die letzte Garbe in der Mitte des Felds stehenzulassen, damit sich »John Barleycorn« darin verstecken kann, die Personifikation der Gerste und des daraus hergestellten Bieres und Whiskys. Später wird sie dann gebündelt, mit einem Messer oder einer Sichel geschnitten und ins Haus gebracht. Ich halte mich an diese Tradition und nehme einen großen Strauß trockener Wildblumen mit nach Hause.

Es ist eine halb verwilderte Wiese in der Nähe eines kleinen Sees. Wir freuen uns für die Maulwürfe, die dort leben. Sie sind Teil eines Ökosystems, gemeinsam mit Füchsen, Feldmäusen, Weißfußmäusen, Igeln und Millionen geflügelter Tiere wie Libellen, Florfliegen, Schwebfliegen, mit Fasanen, Eulen, Fledermäusen und Habichten. Die Maulwurfspopulation nimmt nie überhand, weil sie auf natürliche Weise von Habichten, Eulen und Füchsen daran gehindert wird. Jedes Lebewesen ist hier Teil der Nahrungskette.

Die Mahd geschieht zweimal im Jahr. Im Frühling schneide ich das neue Gras zurück, damit die langsamer wachsenden Wildblumen eine Chance haben, sich ihren Weg nach oben zu bahnen. Und im Spätsommer, wenn die Blumen verblüht sind, ihre Samen verstreut haben und ihre Stängel vertrocknet sind, schneide ich sie und lasse sie in Schwaden auf der Wiese liegen, damit die Sonne sie vollends trocknet und auch noch die letzten Samen herausfallen können. Die meisten einheimischen Wildblumen wachsen am besten auf schlechtem Boden, ich kann sie also nicht so lange liegen lassen, bis sie verrottet sind, weil sie dann die Bodenqualität verbessern würden. Stattdessen harke ich sie bei warmem, trockenem Wetter mit einem einen Meter breiten Holzrechen zusammen und bringe sie auf den Kompost; eine weitere Aufgabe für einen ganzen Tag.

Nach der Herbsttagundnachtgleiche im September werden die Tage kürzer, und mein Telefon steht für eine Weile kaum noch still. Die Leute haben Maulwurfshügel entdeckt, die die Perfektion ihrer Rasenflächen zunichtemachen, und wollen sie schleunigst loswerden. Sie machen den Garten ja ganz unordentlich! Das englische Wort für Rasen lautet lawn, es leitet sich vom altwalisischen llan ab, was Weide oder Feld bedeutet. Mein Dorf in Wales heißt Llandaff, das bedeutet »das Feld neben dem Fluss Taff«. So sprach man hier, bevor die Angeln, Sachsen und Jüten kamen.

Meine ersten Maulwürfe fing ich in einem weitläufigen, hügeligen Garten auf dem Land in Südwales, wo ich als Gärtner angestellt war und noch heute bin. Bald ging ich jedoch auch in anderen Gärten auf Maulwurfsfang, weil es während der Wintermonate für ein Einkommen sorgte, wo es sonst nichts zu tun gab für mich.

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