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Winterglück am Central Park

Eine Extraportion Romantik, bitte!

Eigentlich könnte Hayley zufrieden mit sich und ihrem Leben sein: Sie hat als Patissière einen tollen Job, wohnt in New York, der tollsten Stadt der Welt, und besitzt zusammen mit ihren besten Freundinnen Iona und Cici das süße »Candied Apple Café« am Central Park. Doch mit ihrem dreißigsten Geburtstag kommt auch die Erkenntnis, dass etwas in ihrem Leben fehlt: Leidenschaft. Bei dem Wort muss sie unwillkürlich sofort an ihren Nachbarn Garrett denken. Seit seiner Verwundung im Dienst versucht der attraktive Polizist, Überraschungen und Unvorhergesehenes in seinem Leben zu vermeiden. Doch der spontane Kuss nach ihrer Geburtstagsfeier macht Hayley Lust auf mehr. Und so setzt sie alles daran, Garrett aus der Reserve zu locken, um mit ihm das große Winterglück zu erleben.

»Katherine Garbera weiß genau, wie man die perfekte Liebesgeschichte schreibt.« New-York-Times-Bestsellerautorin Roxanne St. Claire


  • Erscheinungstag: 21.09.2021
  • Aus der Serie: Candied Apple Café
  • Bandnummer: 1
  • Seitenanzahl: 304
  • ISBN/Artikelnummer: 9783745752625
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Widmung

Dieses Buch ist meinem Schatz Rob gewidmet,
der mir meinen Glauben an die wahre Liebe
und ein Happy End bestätigt hat.

1. Kapitel

»Halt, keine Bewegung!«, rief Garrett Mulligan.

Ihm gefiel der Anblick, der sich ihm bot. Lange Beine umhüllt von einer schwarzen Strumpfhose mit Naht an der Rückseite. Das linke Bein leicht gebeugt, versuchte die Frau, das Fenster im Erdgeschoss aufzuhebeln. Er hätte die ganze Nacht dort verweilen und ihr zusehen können. Sie hatte sich nach vorn gelehnt, wodurch der Saum ihres Rockes hochgerutscht war und ihm offenbarte, dass sie eine Strumpfhose trug, keine Strümpfe. Als Polizist konnte er jedoch nicht zulassen, dass sie in das Nachbarhaus einbrach.

Der Januartag war knackig kalt, der gefallene Schnee bereits wieder geschmolzen.

Statt sich vor ihm zu erschrecken, lachte die Frau schallend. Offenbar hatte die kleine Partymaus zu viel getrunken. Aber damit kam er schon klar. Trotz kaputtem Bein und Beurlaubung gehörte er immer noch zu den Spitzenleuten der New Yorker Polizei.

»NYPD, Miss. Halten Sie Ihre Hände so, dass ich sie sehen kann!«, forderte er sie auf.

Sie kicherte erneut.

»Einbruch ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen«, sagte er ruhig. Er machte einen Schritt nach vorn und legte ihr eine Hand auf den Rücken, um ihr deutlich zu machen, dass er es ernst meinte. Ihre Taille war so schmal, dass seine Hand fast ihren gesamten Rücken umspannte. »Miss?«

»Ich breche das Gesetz nicht. Ich wohne hier«, sagte sie lachend.

»Hayley?«

»Jawohl, Officer Schnittchen.«

»Komm ins Licht.« Er machte zwei Schritte zurück und sie ebenfalls. Den Kopf geneigt, lächelte sie ihn an, als sie im Lichtkegel der Straßenlampe stehen blieb.

Dann zog sie eine Grimasse und drehte eine kleine Pirouette. »Zufrieden?«

»Nicht einmal annähernd«, erwiderte er und ergriff ihre Hand. Sie sah völlig verändert aus, aber er erkannte sie an ihrem Lächeln. Und da sie jetzt endlich nicht mehr kicherte, klang sie auch wieder wie seine Nachbarin. »Ich sollte dir Handschellen anlegen und dich aufs Revier bringen.«

Sie klimperte mit den Wimpern. »Ist es wirklich das, was du tun willst?«

»Es ist das, was ich tun sollte«, antwortete er, aber in seinem Kopf entstanden ganz andere Bilder, heiß und verrucht. Nicht unbedingt das, woran ein suspendierter Cop denken sollte.

»Weil ich ein ungezogenes Mädchen bin?«, fragte sie mit rauer Stimme.

Diese verspielte, sexy Version seiner Nachbarin faszinierte ihn. Sie war Balsam für seine Seele, und den hatte er nach dem Abend mit seiner Familie und den erneuten Diskussionen wegen seiner Weigerung, das NYPD zu verlassen, dringend nötig.

So ungezogen wirkt sie nun wirklich nicht, dachte er. Äußerlich mochte sie sich verändert haben, aber ihr Lächeln war ihm eindeutig vertraut. Selbst früher, hinter dicken Brillengläsern versteckt, war es umwerfend gewesen, und auch jetzt schlug es ihn in den Bann.

»Warum willst du in deine Wohnung einbrechen?« Er verschränkte die Arme vor der Brust.

»Ich habe meinen Schlüssel verloren«, erklärte sie und deutete auf ihre Clutch. Der Inhalt war auf dem Boden verstreut, die Tasche selbst lag auf einem Gullygitter. Das bedeutete, ihr Schlüssel war wohl unwiderruflich im Kanal verschwunden. »Warum hast du nicht einfach einen Freund angerufen?«

Sie kicherte schon wieder. Sie hatte eindeutig ein wenig gefeiert, aber selbst mit einem Schwips hätte sie sich ja wohl problemlos bücken und die Tasche aufheben können.

»Mein Rock«, entgegnete sie, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Sie umschloss kurz den Saum und ballte die Hand zur Faust.

Es sah so aus, als wollte sie das Teil in die Länge ziehen. Es war wirklich ziemlich kurz. Er betrachtete ihre langen Beine und ließ den Blick langsam nach oben wandern. Als er schließlich bei ihrem Gesicht ankam, war ihr Mund leicht geöffnet, und sie musterte ihn forschend. »Ah, ich verstehe das Problem.«

»Außerdem, wen hätte ich denn um Mitternacht anrufen sollen?« Sie schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr und schaute zum Nachthimmel.

»Mich«, antwortete er.

»Dich? Na klar. Jetzt bist du nett zu mir, aber als ich gestern auf der Suche nach meinem Hausschlüssel mit den Einkaufstüten jonglieren musste, hast du mir deine Hilfe nicht angeboten.«

Offen gestanden hatte er sie gestern nicht einmal bemerkt, aber er war auch in Gedanken mit der Nachricht beschäftigt gewesen, dass er noch mindestens sechs Wochen wegen seiner Schussverletzung vom Dienst freigestellt sein würde. »Ich biete sie dir jetzt an.«

»Heißt das, Officer Schnittchen, dass ich dir nur auffalle, wenn ich das Gesetz breche?«, fragte sie mit neckendem Ton.

»Mein Name ist Garrett, nicht Schnittchen«, erwiderte er und ignorierte ihre messerscharfe Beobachtung.

»Ich stelle fest, dass du meine Frage nicht beantwortet hast.« Sie machte eine Flunsch. »Egal. Wo du schon mal hier bist, tust du mir einen Gefallen?«

»Was denn?«, fragte er.

»Könntest du bitte mein Handy aufheben? Ich habe im Internet nachgeschaut, wie man in eine Wohnung einbricht. Ich glaube, ich weiß jetzt, wie es funktioniert.«

Er schüttelte den Kopf. Dann bückte er sich und klaubte ihre Tasche und ihr Handy auf. »Nein, ich werde dir nicht bei einem Einbruch helfen. Außerdem würdest du damit die Alarmanlage auslösen, und ich glaube nicht, dass du das willst.«

»Damit hast du recht. Also, was machen wir jetzt? Ich kann ja schlecht die ganze Nacht hier draußen herumsitzen.«

Sie stand vor ihm im Mondlicht in ihren Ungezogene-Mädchen-Klamotten, aber sie benahm sich wie das nette Mädchen von nebenan. Und er war immer noch Polizist, auch wenn er beurlaubt war. Er hatte einen Eid geschworen, zu schützen und zu dienen. Er wollte sie schützen und ihr dienen.

Verdammt. Er sollte gehen. Sie war nicht sein Problem.

Aber er wusste, dass er das nicht tun würde. Er hatte noch nie einer Frau in Nöten widerstehen können.

»Du kannst bei mir schlafen und morgen den Schlüsseldienst anrufen.«

»Kannst du nicht einfach für mich bei mir einbrechen?«, fragte sie in dem ihr eigenen Ton.

»Nicht mit meinem kaputten Bein«, gab er zurück. »Und seit wann brichst du das Gesetz?«

»Seit ich mich ändern will«, sagte sie.

»Okay, verschieb das Ändern auf morgen. Komm mit.« Der Himmel wusste, dass er inzwischen ein Meister darin war, Veränderungen aufzuschieben. Sein stundenlanges Hantelbanktraining war der beste Beweis dafür.

»Ich weiß nicht, ob ich bei dir übernachten sollte«, meinte sie, als er den Arm nach ihr ausstreckte.

»Warum nicht? Traust du mir nicht zu, dass ich meine Finger bei mir behalte?«, fragte er.

Sie schenkte ihm einen verführerischen Blick. Ihr kurzer Pixie Cut ließ ihr Gesicht beinahe wie das einer Elfe wirken. Sie war die personifizierte Versuchung, und ihre Miene besagte, dass sie das auch wusste.

»Doch, aber ich traue mir nicht.«

***

Beim Thema Ehrlichkeit ging Hayley keine Kompromisse ein, und das hatte sie schon früher in gefährliche Gewässer gebracht. An diesem Abend kam es ihr jedoch so vor, als könnte sie jede Situation meistern.

Den Kopf zum von Sternen gesprenkelten Nachthimmel gewandt, meinte sie: »Ich fühle mich so … frei.«

»Hinter Gittern würdest du anders darüber denken«, erwiderte Garrett.

Sie zog eine Schnute. Er war süß und hatte mit ihr geflirtet, aber nun riss er sich zusammen und kehrte wieder den Cop hervor.

»Du hast schon gesagt, dass du mich nicht ins Gefängnis steckst«, erinnerte sie ihn.

»Das stimmt. Komm jetzt, ungezogenes Mädchen. Holen wir dich von der Straße.« Er griff nach ihrem Ellbogen.

Er ist ein Anführer, dachte sie. Selbst mit geschientem Bein übernahm er das Kommando und stand sicherer auf beiden Füßen als sie in ihren High Heels. Genau genommen war das bestimmt eine Sache des Selbstbewusstseins, und sie verstand endlich, was Cici ihr hatte sagen wollen, als sie meinte, sie solle sich ihrem Outfit gemäß benehmen.

Garrett verhielt sich so, als gehörte ihm die Straße, als wäre er sich seines Platzes in der Welt sicher, auch wenn er körperlich eingeschränkt war.

»Du wirkst ziemlich standhaft, trotz deiner Verletzung. Was ist eigentlich passiert?«

»Ich wurde angeschossen«, antwortete er.

»Hattest du Angst?«, erkundigte sie sich. Dann wurde ihr klar, dass das eine ziemlich dumme Frage war. »Natürlich hattest du Angst, nicht wahr?«

»Nein, ich hatte keine Angst«, entgegnete er, und sie konnte nicht anders, als ihm in die elektrisierend grauen Augen zu schauen. »Ich war stinksauer. Man hat mich und meinen Partner Hector in einen Hinterhalt gelockt. Er lag blutend am Boden, und ich war hinter dem Täter her, als der mir ins Bein geschossen hat.«

»Ins Wadenbein?«

»Ja, woher weißt du das? Das soll jetzt keine Beleidigung sein, aber du wirkst im Moment nicht gerade in Bestform.«

Sie lachte. »Stimmt. Mein Opa war Chirurg. Ich wusste schon immer den Namen eines jeden Knochen im menschlichen Körper. Und die Knochen in deinem Körper gefallen mir ausgesprochen gut.«

»Das liegt nur an den trendigen Cocktails, die du heute Abend wohl getrunken hast«, meinte er sanft.

»Mag sein. Aber du bist schon heiß.«

»Komm mit«, sagte er.

Warm spürte sie seine Hand auf ihrer Haut, als er ihren Arm umfasste. Er zog sie näher an sich, und trotz ihrer mörderisch hohen Absätze schwankte sie kein bisschen, als sie sich von ihm zu seinem Haus führen ließ, das direkt neben ihrem stand.

Was sie an etwas denken ließ, worüber sie sich seit seinem Einzug Gedanken machte. Für einen Polizisten lebte er in einer ziemlich teuren Wohngegend. Gut, er war Zivilfahnder, aber trotzdem verdiente man im Polizeidienst sicher nicht so viel, dass man sich ein Stadthaus in Manhattans Upper West Side leisten konnte.

»Bist du bestechlich?«, fragte sie, als er die Tür aufschloss und eintrat.

»Was?« Er schaute sie über die Schulter an, als wäre ihr gerade ein zweiter Kopf gewachsen.

Verflixt. Sie hatte ihre Gedanken mal wieder ungefiltert herausposaunt, so wie sie ihr in den Kopf kamen. Das passierte ihr oft, weil sie, im Gegensatz zu anderen, offenbar nicht das nötige Feingefühl besaß, das verhinderte, dass man solche Dinge unverblümt aussprach. »Tut mir leid. Es ist … ach egal.«

Der Flur in seinem Haus spiegelte den in ihrem, nur dass sich die Treppe rechts befand statt links. Alles wirkte sehr ordentlich und sauber, und der Duft nach Zimt und Äpfeln hing einladend in der Luft. Kurz überkam sie die lähmende Befürchtung, dass sie womöglich mit einem verheirateten Mann flirtete. Allerdings hatte sie nie gesehen, wie eine Frau das Haus verließ.

»Lebst du allein?«, fragte sie. Er ging ihr voraus zum Wohnzimmer und schaltete das Licht ein. Eine eindeutig maskuline Einrichtung kam zum Vorschein, ein riesiges braunes Ledersofa und ein drehbarer Sessel vor einem großen Flatscreen-Fernseher. Zeitschriften lagen auf einem schweren Eichentisch, und sie verrenkte sich den Hals, um die Titel zu lesen. Zu ihrem Erstaunen entdeckte sie ein Magazin vom Smithsonian Museum, sie hatte eher mit Men’s Health gerechnet.

»Ja, aber um auf deine vorige Frage zurückzukommen: Wieso meinst du, ich könnte korrupt sein?« Er lehnte sich an die Tür und verschränkte die Arme. Sein schwarzes Shirt spannte sich dabei über seiner muskulösen Brust, und Hayley hätte fast laut aufgeseufzt.

Er gehörte definitiv nicht zu den Cops, die eine Vorliebe für Donuts hatten, und falls doch, trainierte er offenbar ausreichend, um das wieder wettzumachen.

»Die Häuser hier in der Gegend sind teuer«, erklärte sie. »Ich hab meines von meinem Dad gemietet, zu sehr großzügigen Konditionen.«

»Wenn du es unbedingt wissen musst, ich bin ein Treuhandfonds-Kind«, erwiderte er.

Sie kannte genug verwöhnte Kinder reicher Eltern, doch Garrett Mulligan hatte nicht deren arrogante Ausstrahlung. »Du wirkst nicht so.«

Er rieb sich übers Kinn. »Sehr zum Ärger meiner Eltern. Ich bin das schwarze Schaf der Familie und vom rechten Weg abgekommen. Mein älterer Bruder ist der perfekte Sohn.«

»Ich bin Einzelkind, daher gibt es keine Chance auf Perfektion in unserer Familie«, sagte sie. Selbst in ihren Ohren klang es verbittert. »Du bist also ein Rebell?«

»In gewisser Weise. Aber ich breche keine Gesetze wie du.« Sein schiefes Lächeln löste eine Hitzewelle in ihr aus.

»Dann tust du also nur so, als ob du ein Bad Boy wärst.«

Das brachte ihn zum Lachen, und ihr wurde klar, dass es ihr Spaß machte, sich zur Abwechslung einmal gehen und alle Hemmungen sausen zu lassen. Gewöhnlich hätte sie seine Bemerkung einfach ignoriert und sich in ihr Schneckenhaus zurückgezogen, aber an diesem Abend … da hatte die neue Hayley ihren Auftritt.

»Vorsicht! Womöglich lädst du dir mehr auf, als du bewältigen kannst«, warnte er und machte drei Schritte auf sie zu.

Sie ließ die Tasche fallen und stolzierte hüftschwingend auf ihn zu. »Ich glaube, mit dir werde ich schon fertig.«

»Du willst mit mir fertigwerden?«

»Ja«, sagte sie und kam sich kühn und mutig vor. An diesem Abend lag ihr die Welt zu Füßen, und sie hatte keine Angst, sich zu nehmen, was sie wollte. Sie legte ihm die Hände auf die Brust und ertastete seine straffen Muskeln.

Er fühlte sich warm an, so wie frischer Teig, der darauf wartete, durchgeknetet zu werden. Sie schüttelte den Kopf. So etwas Albernes hätte die alte Hayley gedacht. Die neue Hayley … Was machten ungezogene Mädchen in solchen Situationen?

Sie schaute zu ihm hoch, denn trotz ihrer Stilettoabsätze war er immer noch größer als sie. Er musterte sie mit diesem ruhigen, gelassenen Blick wie schon auf der Straße, doch nun funkelte auch Belustigung in seinen Augen.

Offenbar hielt er sie für frivol.

Einen Moment lang gewann das schüchterne Mädchen in ihr wieder die Oberhand und hätte sich am liebsten verkrochen, doch sie wollte sich nicht mehr verstecken. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, hielt sich mit einer Hand an seiner Schulter fest und schmiegte sich an ihn.

»Was ist so lustig, Officer?«, flüsterte sie ihm mit rauchiger Stimme ins Ohr.

Sie spürte, wie er erschauerte. Dann legte er ihr die Hände um die Taille, presste sie an sich und hob sie von den Füßen. Unvermittelt geriet er jedoch ins Schwanken, und sie stürzten.

Fluchend hielt er sie fest und sorgte dafür, dass sie auf ihm landete. Halb lag sie auf seiner Brust, halb auf dem Boden. Hayley lachte, weil ihr klar wurde, dass sie wohl nicht an einem Abend vom Mauerblümchen zum Vamp mutieren würde.

Sie betrachtete Garrett und stellte fest, dass er eine finstere Miene machte. »Hast du dich verletzt?«

»Nur mein Stolz ist angekratzt«, antwortete er und lachte leise.

»Stolz kommt vor dem Fall«, scherzte sie.

»Definitiv.« Er packte sie an den Hüften und zog sie auf sich, sodass ihre Beine zwischen seinen lagen.

Es war fast erotisch, wie sich seine Jeans an ihren Beinen rieb, und verursachte ein wohliges Kribbeln in ihrem Bauch. Sie stützte sich auf seiner Brust ab, um aufzustehen, doch er ließ seine Hand über ihren Rücken nach oben wandern, schob die Finger in ihre neue Frisur und drückte ihren Kopf zu sich.

»Was machst du denn da?«, fragte sie atemlos.

»Ich mache den Boden wieder gut, den ich gerade verloren habe«, antwortete er. Gleich darauf verschmolzen seine Lippen mit ihren.

Hayley schloss die Augen, als der Kuss intensiver wurde und er sanft ihren Mund erkundete. Die Wärme seines Atems streifte sie und sandte ihr kleine Schauer über den Rücken. Zärtlich tanzten ihre Zungen miteinander, und sie vergaß alles um sich herum.

Ihr stockte der Atem.

Jede Faser ihres Körpers war zum Leben erwacht, und sie spürte ihn mit allen Sinnen. Seinen Kuss, seine Beine an ihren. Das Streicheln seiner Finger an ihrem Hinterkopf, ihrem Nacken, sie schmolz förmlich dahin.

Der Kuss veränderte sie ebenso, wie das Kleid es getan hatte. Er weckte eine Leidenschaft in ihr, von der sie gedacht hatte, dass sie nur in Romanen und Filmen existierte, aber nicht im wahren Leben. Eine Sehnsucht erfüllte sie, die sie immer schon gespürt, aber nie zu stillen gehofft hatte. Und das war gefährlich, denn obwohl sie bereit war, sich zu verändern, war sie noch nicht so weit.

Sie beendete den Kuss und sah ihn an. Seine Augen waren halb geschlossen, und eine leichte Röte überzog die Wangen unter seinem Dreitagebart. Seine Lippen waren feucht von dem Kuss. Sie hob eine Hand und strich mit einem Finger über die Bartstoppeln, genoss das raue Gefühl.

Er öffnete die Augen, von Nahem sahen sie noch schöner aus. Sie hätte seine Augenfarbe als Grau bezeichnet, doch nun erkannte sie, dass sich darin auch grüne und blaue Sprenkel befanden. Mit einem Finger zeichnete sie seine Augenbrauen nach. Am Haaransatz ertastete sie eine winzige Narbe.

»Oh, du ungezogenes Mädchen, du bringst mich noch um.« Seine Stimme klang tief und heiser. Die Worte durchdrangen ihre Sinne und wärmten sie wie die Flammen eines Kaminfeuers an einem kalten Abend. Und die Januarnacht war wirklich frostig.

Gleichzeitig hatte seine Bemerkung aber auch die Wirkung einer eiskalten Dusche. Er hielt sie für ein ungezogenes Mädchen. Böse Mädchen scherten sich jedoch nicht darum, warum ein Mann wohl eine Narbe hatte. Und sie schwärmten auch nicht für seine wunderschönen Augen, oder?

Sie wusste es nicht.

»Officer Schnittchen, du bist echt talentiert im Küssen«, sagte sie schließlich, denn das entsprach der Wahrheit. Sie war nie zuvor so sinnlich geküsst worden.

»Ich gebe mein Bestes«, entgegnete er trocken.

Doch er tat mehr als das. Ihr kam in den Sinn, dass sie endlich aufstehen sollte. Sie musste weg von ihm und erst mal herausfinden, wie sich ungezogene Mädchen verhielten. Entschlossen stützte sie sich auf seiner Brust ab und stemmte sich hoch. Dabei drückten sich ihre Hüften einen Moment an ihn, und sie spürte seine Erregung.

Er stöhnte auf und umfing sie, hielt sie fest und rieb sich an ihr. Tief in ihr loderte etwas auf, und sie tat es ihm nach.

»Du bringst mich wirklich noch um«, sagte er und zog sie erneut an sich.

Dieses Mal war der Kuss fordernd und wild – ihr blieb gar keine Zeit, ihn zu analysieren. Sie wusste nur, dass es sich gut anfühlte, und war entschlossen, Garrett nicht loszulassen. Noch nicht.

Das war der Kuss, auf den sie ein Leben lang gewartet hatte. Du bist Realistin, ermahnte sie sich. Aber das kleine verlorene Mädchen tief in ihr drinnen wusste, dass das Schicksal an diesem Abend seine Hand im Spiel hatte. Dass sie nur aus einem einzigen Grund aufeinandergetroffen waren.

Weil es ihnen vorherbestimmt war.

Nach vielen Geburtstagen, die sie nur vergessen wollte, erlebte sie nun vielleicht endlich einen, an den sie sich gern erinnern würde. Der sich richtig anfühlte.

Wie es schien, hatte sie sich mit Garrett Mulligan selbst ein Geburtstagsgeschenk gemacht, und zum ersten Mal hatte es sich als gute Entscheidung erwiesen, dass sie ihr wahres Ich zeigte. Zumindest mein neues Ich, dachte sie, doch dann legte Garrett ihr die Hände auf den Po und rollte sich mit ihr zur Seite, und all ihre Gedanken lösten sich in Luft auf.

2. Kapitel

Garrett hielt sich nicht für einen Casanova, obwohl er Single und kein Kind von Traurigkeit war. Gewöhnlich legte er jedoch Wert darauf, eine Frau besser kennenzulernen, bevor er sich zu einem leidenschaftlichen Kuss hinreißen ließ. Hayley zog ihn jedoch so sehr in ihren Bann, dass er seine Prinzipien vergaß.

Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, so gut fühlte sich ihr weicher Mund unter seinen Lippen und ihre schlanke Taille unter seinen Händen an. Er hob die Hüften noch einmal an und spürte, wie ihm ein federleichter Schauer über den Rücken rieselte. Besser, er ging auf Abstand, wenn er nicht wollte, dass aus einem Kuss schnell viel mehr wurde.

Er ließ sie los und richtete sich aus der Rückenlage auf.

»Du musst ja wie verrückt trainieren, wenn du so mühelos aus dem Liegen hochkommst«, stellte sie fest.

Sie betastete seinen Bauch, und er lachte. »Sit-ups und Oberkörpertraining sind alles, was ich mit einem verletzten Bein im Moment tun kann.«

»Ich dachte, man hat dir ins Knie geschossen.«

»Ja, und nach dem Schuss bin ich bei der Verfolgungsjagd umgeknickt«, erklärte er. Bilder von dem Moment, in dem Hector zu Boden ging, rasten ihm durch den Kopf, doch er schob sie zur Seite und ließ den Blick durchs Wohnzimmer wandern, um sich in der Gegenwart zu verankern.

»Egal, was für ein Training du machst, es funktioniert auf jeden Fall.« Sie lag immer noch auf dem Rücken neben ihm, den Kopf zu ihm gedreht und ein verträumtes Lächeln im Gesicht.

»Danke, ich tu, was ich kann«, erwiderte er sarkastisch.

»Bitte. Ich bin ein großer Fan von Komplimenten, wenn sie angebracht sind«, sagte sie. »Oft wird man ja eher niedergemacht.«

Er sah ihr an, dass sie das ernst meinte. Und es überraschte ihn auch nicht besonders, denn es entsprach dem bisherigen Bild, das er von seiner Nachbarin gewonnen hatte. Nicht ins Bild passte allerdings, dass sie sich wie ein Postergirl aus einem Automagazin auf seinem Teppich rekelte und dabei so ernst wirkte.

Er war stolz auf sich, dass er die Disziplin aufbrachte, aufzustehen, statt auf dem Boden liegen zu bleiben und sie zu verführen. »Komm schon, ungezogenes Mädchen, suchen wir dir etwas Bequemes zum Schlafen. Es ist schon spät.«

Sie schaute ihn an und kicherte, dann lachte sie schallend los.

»Was ist?«

»Tut mir leid. Ich musste nur gerade daran denken, dass ich mich nicht um Mitternacht in die alte Hayley zurückverwandelt habe.«

Kopfschüttelnd streckte er den Arm aus. »Hoch mit dir.«

Sie ergriff seine Hand, und er half ihr auf die Füße. Als sie sich an seiner Brust abstützte, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, musterte sie ihn erneut forschend. Ganz so, als ob sie nach etwas suchte, nach Substanz und Tiefsinnigkeit womöglich.

Wenn er nicht arbeitete und Straftäter aufspürte, empfand er jedoch immer eine seltsame Leere.

Seufzend wandte sie den Blick ab.

Immer noch leer.

Er wollte die aufsteigende Enttäuschung leugnen, doch den Stich, den sie ihm versetzte, spürte er trotzdem. Er ging Hayley voran hinauf zum Schlafzimmer. Auf dem Weg nach oben blieb sie stehen, um die Bilder an der Wand zu betrachten.

»Drucke?«, fragte sie.

»Nein. Eine Wertanlage zu meinem dreizehnten Geburtstag.«

»Van Gogh?«

Er zuckte mit den Schultern. »Ich hab mir einen Lichtenstein gewünscht, aber mein Dad war dagegen. Meine Mutter mag van Gogh.«

»Ach ja? Stehst du ihr nah?«, erkundigte sich Hayley.

Als er jünger gewesen war, hatten sie tatsächlich ein sehr enges Verhältnis gehabt. Sie hatte wie ein Puffer zwischen ihm und seinem Vater fungiert, wenn sie sich stritten. Und ihm gefiel ihre Leidenschaft für van Gogh. Vielleicht gründete diese nur auf einer romantischen Vorstellung von dem Maler, weil sie den Song »Vincent« von Don McLean so sehr mochte, aber in ihrer Stimme hatte Garrett immer eine gewisse Sehnsucht vernommen, wenn sie über ihn gesprochen hatte.

»So nah, wie man seinen Eltern eben stehen kann«, antwortete er schließlich.

»Ich nicht«, sagte sie nach einem Moment.

»Was meinst du?«

»Ich stehe meinen Eltern nicht nah. Wir sind wie Feuer und Wasser. Wir passen nicht zusammen.«

»Mein Dad und ich sind genauso.« Er schaltete das Licht im Schlafzimmer an. »Möchtest du meine Briefmarkensammlung sehen?«

Sie stöhnte. »Das ist ein schrecklicher Anmachspruch. Wenn du mich wirklich ins Bett bekommen willst, hättest du deine Handschellen erwähnen sollen.«

Er lachte und schüttelte dabei das melancholische Gefühl ab.

»Komm schon, ungezogenes Mädchen.« Er öffnete die zweite Schublade der Kommode und nahm ein ordentlich gefaltetes schwarzes T-Shirt und eine Sporthose heraus. Beides reichte er ihr. »Du kannst dich dort drüben umziehen.«

Die Kleidungsstücke in der Hand, ging sie ins angrenzende Bad.

Er setzte sich aufs Bett und rieb sich über die Wade. Hayley war eine angenehme Ablenkung, aber ihre Gegenwart änderte nichts an der Tatsache, dass seine Verletzung nicht so gut heilte, wie sie sollte, damit er möglichst schnell wieder in den Dienst zurückkehren konnte. Bald schon würde er eine wichtige Entscheidung treffen müssen, obwohl er eigentlich gehofft hatte, sie würde ihm erspart bleiben.

Die Tür öffnete sich, und er blickte zu Hayley. Sie stand dort in seinem T-Shirt. Die Sporthose hatte sie weggelassen. »Das ist nicht ganz so glamourös wie mein Outfit vorher. Also, wie sehe ich aus? Immer noch verführerisch?«

»Müde«, stellte er fest.

»Müde? Und jetzt?« Sie zog einen Schmollmund.

»Verrucht durch und durch.« Seit Langem hatte ihn keine Frau mehr so in Versuchung geführt, aber sein Leben war auch ohne sie schon kompliziert genug. »Du kannst heute Nacht mein Bett haben.«

»Nein, ich will dir nicht noch mehr Umstände bereiten«, entgegnete sie. »Das Sofa reicht mir.«

Er hatte nicht vor, mit ihr darüber zu diskutieren. Er hatte es ihr angeboten, und sie hatte abgelehnt. Damit war die Sache für ihn erledigt. Wortlos verließ er das Schlafzimmer und war sich nur allzu bewusst, dass sie ihm folgte, denn der Duft ihres Parfüms hüllte ihn ein.

Sie legte ihre Klamotten und die Tasche auf den Sessel. Als ihr dabei der Saum seines Shirts über die Beine nach oben rutschte, wandte er sich ab, um eine Decke zu holen. Seine Mutter schneite immer wieder mit kleinen praktischen Geschenken herein. Daher war er gut ausgerüstet.

Er reichte ihr die Decke.

»Danke«, sagte sie. »Für alles. Du warst sehr viel netter, als du hättest sein müssen, Officer Schnittchen.«

»Ich lebe, um zu dienen und zu beschützen«, sagte er.

Sie drückte ihm die Hand. »Tja, ich kann sehen, warum du zu den besten Polizisten von New York gehörst. Du bist ein Gentleman.«

Doch die Richtung, die seine Gedanken einschlugen, war ganz und gar nicht gentlemanlike. Wenn er nicht sofort das Wohnzimmer verließ, bestand die große Gefahr, dass er sie erneut in seine Arme ziehen und nicht wieder loslassen würde, bis er tief in ihrem sexy »ungezogenen« Körper versunken war.

»Gute Nacht, Hayley.«

»Nacht, Garrett.«

Er drehte sich um und ging nach oben, um eine weitere schlaflose Nacht durchzustehen. Zumindest hielt ihn dieses Mal der angenehme Gedanke an Hayley vom Schlafen ab und nicht seine Angst vor der Zukunft.

***

Hayley wurde abrupt aus dem Schlaf gerissen, weil sie vom Sofa purzelte. Die frühe Morgensonne schien durch die Fenster, als sie sich aufrichtete und im Zimmer umschaute. Der vergangene Abend …

Nun, sie beließ es bei der Tatsache, dass der Abend anders geendet hatte als erwartet. Sie stand auf, und ihr Blick fiel auf ihren Rock und das Top. Auf keinen Fall wollte sie das gestrige Abend-Outfit im Moment noch mal anziehen.

Aber dann kam ihr der nagende Gedanke, dass ein echtes ungezogenes Mädchen beides ohne Scheu tragen würde. Dennoch konnte sie sich nicht dazu überwinden, noch einmal in die Klamotten zu schlüpfen.

Sie schnappte sich ihr Smartphone und telefonierte mit dem Schlüsseldienst. Man versicherte ihr, dass jemand in weniger als einer Stunde da sein würde. Das kam ihr jedoch ziemlich optimistisch vor, wenn man bedachte, dass der Mann aus Queens erst nach Manhattan reinfahren musste.

Sie fühlte sich wie eine Schnüfflerin, als sie durch Garretts Haus spazierte und schließlich auch die Küche entdeckte. Im Kühlschrank fand sie die typischen Junggesellen-Klischee-Vorräte: einen Sechserpack Bier, mehrere Reste Fast Food und eine offene Schachtel Natron, was das Gerücht bestätigte, dass das Mittel Gerüche neutralisierte. Es gab jedoch auch noch zwei Eier und etwas Milch. Beim Durchsuchen der Schränke stieß sie außerdem auf eine Tafel Schokolade und Mehl, und schon hatte sie die Zutaten für einen einfachen Muffinteig zusammen.

»Schon wieder erwischt. Ich glaube, ich muss dich doch noch verhaften«, sagte Garrett hinter ihr.

Sie schaute über die Schulter zu ihm und stöhnte auf. Er sah verflixt gut aus. Die Jeans saß ihm tief auf den Hüften, und da er kein Shirt trug, hatte sie einen ungehinderten Blick auf seinen Waschbrettbauch und seine breite Brust. Ehrlich, wer außer Ryan Gosling hatte denn in echt so einen durchtrainierten Körper?

»Weswegen?«, fragte sie und bemühte sich, locker zu klingen und sich ihm nicht an den Hals zu werfen.

»Weil du mir das Essen klaust. Darauf steht in manchen Gegenden der Welt die Todesstrafe.«

»Ah, Detective, ich glaube, du bist ein bisschen eingerostet. Ich habe nichts gestohlen. Ich verwandele lediglich deine mageren Lebensmittelvorräte in etwas Köstliches«, erwiderte sie.

»Was machst du da?« Er kam näher. »Das wird kein Omelett.«

»Vor dir kann man aber auch nichts verbergen«, sagte sie. »Muffins mit Zartbitterschokoladenstückchen. Hast du eine Muffinform? Sonst werden es eben Riegel.«

»Du hast meinen Schokoladen-Geheimvorrat entdeckt?«

»Vielleicht hättest du mir doch Handschellen anlegen sollen.« Sie zwinkerte ihm zu. »Im Übrigen war der nicht so schwer zu finden«, gab sie zu, als er so nah vor ihr stehen blieb, dass kaum eine Hand zwischen sie gepasst hätte.

Er beugte sich vor und strich ihr mit dem Daumen über die Unterlippe. »Ich glaube, du hast ein Stück von meiner Schokolade gestohlen.«

»Ich … musste sie doch probieren«, sagte sie. Ihre Stimme war kaum lauter als ein Flüstern, als er den Daumen an seinen Mund führte und ableckte.

Er machte sie verrückt. Es gab keine andere Erklärung dafür, warum sie in seiner Gegenwart vergaß, dass sie eine vernünftige, normale Frau war, und das Verlangen verspürte, ihn mit sich auf den Boden zu ziehen und ihn zum Frühstück zu vernaschen.

»Ich auch«, sagte er. »Fühlst du dich heute Morgen immer noch verrucht?«

»Du hast ja keine Ahnung«, antwortete sie, aber bei hellem Tageslicht fühlte sie sich längst nicht so draufgängerisch wie am Abend zuvor.

Sie machte einen Schritt zurück, doch sie stieß an den Tresen, und als er nachrückte, hob sie den Teiglöffel. Er lächelte, griff sich den Löffel und schleckte den Teig ab.

»Ich verkneife mir jetzt lieber eine sexistische Bemerkung über barfüßige Frauen, die höllisch gut kochen können.« Er bückte sich und öffnete einen Schrank hinter ihr, wobei er mit der Hand ihr Bein streifte.

Hitze wallte in ihr auf, als sie daran dachte, mit welcher Selbstverständlichkeit er sie berührte. Er machte den Eindruck auf sie, als wüsste er genau, was er wollte, und hätte keine Scheu, sein Ziel zu verfolgen. Warum machte sie es nicht genauso?

Am gestrigen Abend war sie sich so stark vorgekommen, und ihr wurde klar, dass sie dieses Gefühl erneut spüren und voll auskosten wollte.

Als er sich aufrichtete, legte sie ihm die Hände auf die Brust und spreizte die Finger über den harten Muskeln.

Sanft streichelte sie ihn, der leichte Haarflaum auf seiner Brust kitzelte sie an den Fingerspitzen. Er senkte die Lider und öffnete den Mund zu einem leisen Atemzug, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihm einen Teigklecks von den Lippen leckte.

Der Teig war lecker, aber Garrett war himmlisch. Er öffnete den Mund, und sie glitt mit der Zunge kurz über seine Lippen, doch bevor er den Kuss vertiefen konnte, löste sie sich von ihm und zwinkerte ihm zu.

»Ich glaube, ich brauche noch etwas mehr Zucker für den Teig. Er ist noch nicht süß genug.«

»Jemand ist definitiv nicht süß genug heute Morgen«, sagte er. »Sondern ganz schön provozierend.«

»Provozierend?«

»Ja. Ich wollte sehen, ob das ungezogene Mädchen geblieben ist oder ob meine schüchterne Nachbarin wieder übernommen hat.«

Sie richtete sich auf und hob eine Augenbraue. »Ich bin nicht der Typ, der nur vorgibt, sich verändert zu haben.«

»Das freut mich zu hören.« Er beugte sich vor und stahl sich den Kuss, den sie ihm einen Moment zuvor verweigert hatte.

Heiß und leidenschaftlich verschmolzen ihre Lippen. Sie suchte Halt an seinen nackten Schultern, als er sie hochhob und sich gegen den Tresen lehnte. Die Beine um seine Hüften geschlungen, eroberte sie mit der Zunge seinen Mund, bis sie nichts anderes mehr schmeckte als ihn.

Er stöhnte auf, rieb sich an ihr, doch sie zwang sich, Abstand zwischen sie zu bringen, und stellte sich hin. »Hältst du mich immer noch für ein schüchternes Mauerblümchen?«

»Zum Teufel, nein!«, erwiderte er und verließ lächelnd die Küche.

Entschlossen verdrängte Hayley jeden Gedanken daran, dass sie nur ein Spiel mit ihm spielte.

Auch wenn es sich so echt anfühlte, dass es ihr Angst einjagte – es blieb nur ein Spiel.

***

Als Garrett nach dem Duschen in die Küche zurückkehrte, standen fünf Muffins auf dem Tresen. Davor lag ein Zettel. Offenbar hatte Hayley sich einen Muffin als Bezahlung für ihre Arbeit genommen.

Danke, dass du mich gestern gerettet hast, Officer Schnittchen. Bis irgendwann mal wieder.

Sein T-Shirt lag ordentlich gefaltet neben dem Zettel. Er drückte es sich ans Gesicht. Die leichte Vanillenote von Hayleys Parfüm stieg ihm in die Nase, und er stöhnte auf, als er bemerkte, was er tat. Er war völlig neben der Spur. Gelangweilt, weil er vom Dienst beurlaubt war und mit dem verletzten Bein nicht richtig trainieren konnte.

Er konnte nicht wie Shia LaBeouf in »Disturbia« vom Hoffenster aus ein Verbrechen lösen, aber als er zwei Muffins und die Milchpackung mit hinaus auf die Terrasse nahm, wurde ihm klar, dass er großes Interesse daran hegte, was nebenan geschah.

Ach, verdammt!

Er biss in den Muffin und seufzte genüsslich auf, weil er so köstlich war. Hayley konnte prima backen, das musste er ihr zugestehen, und auch sonst fand er sie ziemlich heiß.

Sein Handy klingelte. Nach einem Blick auf die Nummer beschloss er aber, den Anruf zu ignorieren. Leider blieb sein Bruder Pete jedoch hartnäckig, und Garrett legte keinen Wert auf einen persönlichen Besuch von ihm.

»Was ist los?«

»Auch dir einen guten Morgen«, sagte Pete. »Ich wollte dich nur vorwarnen, dass der Chef vom Sicherheitsdienst heute in den Ruhestand geht. Dad hat deinen Namen bereits auf die Bewerbungsliste gesetzt.«

Garrett fluchte leise. »Ich habe sein Angebot gestern bereits höflich abgelehnt.«

Pete lachte. »Unser alter Herr möchte, dass du in den Schoß der Familie zurückkehrst. Er und Mom sind seit Hectors Tod wirklich außer sich vor Sorge. Das hättest auch du sein können, Bruderherz.«

»War ich aber nicht. Und ich kann jetzt nicht einfach ändern, wer ich bin, denn das würde bedeuten, dass Hector umsonst gestorben wäre.« Garrett gestand endlich laut den Gedanken ein, der ihm seit Wochen durch den Kopf ging. Er konnte nicht zulassen, dass Hectors Tod sinnlos gewesen war.

»Ich weiß, dass du nicht aus deiner Haut kannst«, sagte Pete. »Da ich dir gestern Abend beim Dinner jedoch nicht beigestanden habe, fand ich, dass ich dir wenigstens eine Vorwarnung schulde.«

»Verdammt richtig. Du schuldest mir was. Warum hast du mich nicht schon gestern vorgewarnt?«, fragte Garrett.

»Du bist mein kleiner Bruder, und ich will nicht, dass dir was zustößt«, antwortete Pete.

»Oh, ich hab gar nicht gewusst, dass ich dir so sehr am Herzen liege.« Garrett versuchte zu scherzen, weil er keine Schwäche zeigen und seinem Bruder nicht sagen wollte, wie sehr er ihn liebte. Aber er und Pete hatten sich schon immer nahegestanden.

»Mom ist schuld daran«, erklärte Pete.

»Wie kommst du darauf?«

»Sie hat mir immer aufgetragen, auf dich aufzupassen. Das ist mir zur Gewohnheit geworden. Und ich kann dich nicht beschützen, wenn du dich auf den Straßen von New York herumtreibst, aber in der Firma …«

»Vergiss es. Selbst wenn ich meine Dienstmarke gegen einen Job im privaten Sicherheitsdienst eintauschen wollte, würde ich nicht für dich oder Dad arbeiten«, fiel Garrett ihm ins Wort. »Nimm es mir nicht übel.«

»Tu ich nicht. Wie geht’s deinem Bein?«

»So wie gestern«, antwortete Garrett. »Morgen habe ich ein Gespräch mit dem Captain auf dem Revier, um zu besprechen, wann ich wieder arbeiten kann, warum?«

»Hast du Lust, heute auszugehen?«, fragte Pete.

Sein Ton verriet, dass er etwas im Schilde führte. »Vielleicht. Was hast du vor?«

»Crystal hat eine Freundin …«

»Nein, danke. Ich möchte nicht verkuppelt werden«, entgegnete Garrett.

»Du sitzt doch nur zu Hause rum und trainierst«, blieb Pete hartnäckig.

Er dachte an Hayley, und ihm wurde bewusst, dass sie sich nicht unbedingt zum schlechtesten Zeitpunkt begegnet waren.

»Das stimmt nicht. Ich bin heute mit den Jungs zum Pokern verabredet.«

»Dich mit deinen Freunden zu betrinken ist nicht dasselbe wie ein Date«, sagte Pete.

Manchmal nahm er seine Rolle als älterer Bruder wirklich ein wenig zu ernst.

»Ich habe eine Frau kennengelernt.«

»Gestern Abend?«

»Ja.«

»Eine Prostituierte?«, fragte Pete. »Du hast erst um elf das Restaurant verlassen.«

»Keine Hure«, erwiderte Garrett. Hayley spielte vielleicht das verruchte Mädchen, aber sie beide wussten, dass sie keines war. »Meine Nachbarin.«

»Wirklich?«

»Sie hat sich ausgesperrt, und ich habe ihr ausgeholfen.«

»Klingt aufregend«, meinte Pete.

Das war es, dachte Garrett. Er biss in den Muffin und spülte den Bissen mit einem Schluck Milch hinunter, bevor er aufstand. »Das ist sie. Ich muss los.«

»Okay, aber falls du deine Meinung doch noch ändern solltest, Crystal und ich nehmen nächsten Freitag um sieben an einem Pralinenkurs im Candied Apple Café teil.«

»Rechne nicht mit mir. Das ist nicht mein Ding.«

»Meins auch nicht, aber Crystal ist total begeistert …«

»Und deshalb hast du dich breitschlagen lassen. Du stehst voll unterm Pantoffel«, sagte Garrett.

»Stimmt«, gab Pete freimütig zu. »Ich hoffe, du findest eines Tages eine Frau, die aus dir ebenfalls einen Pantoffelhelden macht.«

Er beendete das Gespräch, und Garrett steckte sein Handy ein. Er wusste, dass er es niemals zulassen würde, dass jemand so viel Einfluss auf sein Leben nahm. Er machte sein eigenes Ding und damit basta.

Er trat auf die Terrasse hinaus und sah Hayley über die Straße gehen. Sie trug hautenge Jeans und eine Thermoweste, die ihre Brust und ihre schmale Taille umschmiegte. Er sah ihr nach, den Blick auf ihre wiegenden Hüften gerichtet, und stellte fest, dass er das ungezogene Mädchen, das er am vergangenen Abend gerettet hatte, gern wiedertreffen würde. Allerdings wusste er zu wenig über Hayley. Als Detective kannte er natürlich Mittel und Wege, um mehr über sie herauszufinden. Andererseits erschien ihm die Idee, sich ausgerechnet mit seiner Nachbarin einzulassen, nicht besonders schlau.

Falls die Sache mit ihnen nicht funktionierte, müsste er sie trotzdem noch jeden Tag sehen, und das könnte unangenehm werden. Vielleicht fühlte er sich auch nur deshalb zu ihr hingezogen, weil er sich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr mit einer Frau getroffen hatte. Kurz entschlossen rief er seinen Bruder noch mal an und sagte ihm, dass er ihn zu dem Pralinenkurs begleiten würde, um Crystals Freundin kennenzulernen.

3. Kapitel

Dass ihr der Mann vom Schlüsseldienst die Tür öffnen musste, war eine demütigende Erfahrung für Hayley. Er schenkte ihr einen mitfühlenden Blick, gab aber keinen Kommentar ab. Sie hatte ihren Ladenpartnerinnen, die zugleich ihre besten Freundinnen waren, eine Nachricht geschickt, dass sie sich zur Arbeit verspäten würde. Gewöhnlich fing sie um fünf Uhr an.

Cici schrieb ihr, dass sie sich den Tag freinehmen sollte. Und nach den Ereignissen vom Vortag war sie stark versucht, das auch zu tun. Sich einfach mal eine Auszeit gönnen. Was würde ihr Dad dazu sagen? Er hatte sich seit einer Ewigkeit keinen freien Tag mehr genommen.

Hayley bezahlte den Schlüsseldienst, schloss die massive Tür hinter sich und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Im Haus roch es nach Lavendel, was sie an die Woche erinnerte, die sie mit ihren Eltern in der Provence verbracht hatte. Ihr Blick schweifte zu dem Beistelltisch mit dem Bild ihrer Mom.

Sie wusste, dass sie es sich nur einbildete, aber es schien ihr, als läge ein Vorwurf in der Miene ihrer Mutter. Edie war drei Tage nach Hayleys achtzehntem Geburtstag gestorben, und an jedem Geburtstag fühlte sich Hayley wieder wie die Achtzehnjährige von damals. Eine Kindfrau, die sich nicht sicher war, wer sie sein wollte, und die nie ganz dem Bild entsprach, wie ihre Mutter sich ihre Tochter gewünscht hätte.

Auf dem Beistelltisch entdeckte sie einen Umschlag, einen Blumenstrauß und ein in fröhliches Papier eingepacktes Geschenk. Es war groß, aber sie hatte keine Ahnung, was ihr Vater für sie besorgt hatte. Sie sah ihn nur bei den Vorstandstreffen von Dunham Dinners, dem Familienunternehmen, und wenn sie sich mal zum Essen verabredeten, was höchstens drei Mal im Jahr passierte.

Ihr Vater, oder einer seiner Angestellten, war wohl irgendwann in der Zeit, nachdem sie das Haus am Vorabend mit ihren Freundinnen verlassen hatte, und diesem Morgen hier gewesen.

Sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, ihren arbeitssüchtigen Vater anzurufen und ihn um Hilfe zu bitten, weil sie sich ausgeschlossen hatte. Sie war sich sogar sicher, dass er bei dem Telefongespräch am gestrigen Morgen erwähnt hatte, er sei an der Westküste.

»Was schenkst du mir dieses Jahr, Dad?«, fragte sie das leere Haus.

Als kleines Kind war sie an ihren Geburtstagen immer reich beschenkt worden, und nach dem Tod ihrer Mutter war ihr klar geworden, dass sie die treibende Kraft hinter all den Geschenken gewesen war. Dabei hatte sie immer angenommen, ihr Vater hätte sie so verwöhnt.

Sie ignorierte den Brief, der einer von vielen war, die ihre Mutter vor ihrem Tod an sie geschrieben hatte. Edie war an Krebs gestorben, und ihr war etwas Zeit geblieben, um über einige Ereignisse zu schreiben, die sie selbst nicht mehr erleben würde. Aus unerfindlichen Gründen hatte sie damals gedacht – wie sie alle übrigens –, dass die Briefe eine gute Idee wären.

Aber an diesem Morgen fühlte sich Hayley nicht in der richtigen Verfassung, um zu lesen, was ihre Mutter ihr zu ihrem dreißigsten Geburtstag zu sagen hatte. Sie war sich nicht sicher, wann sie je dafür in der Verfassung sein würde, aber jedenfalls nicht jetzt. Sie versuchte immer noch, aus dem Schatten zu treten, den der Tod ihrer Mutter vor all den Jahren auf sie geworfen hatte.

Sie trug das Geschenk von ihrem Vater in die Küche. Es war ziemlich schwer, und als sie es öffnete, kam ein Kaffeevollautomat zum Vorschein. Ganz sicher würde sie sich erst mal in die Anleitung vertiefen müssen, um überhaupt auch nur den leisesten Schimmer davon zu bekommen, wie man ihn benutzte. Sie stellte das Gerät auf den Tresen und aß den Muffin, den sie sich von Garrett mitgebracht hatte.

Sie schämte sich nicht wegen der vergangenen Nacht. Warum auch? Iona würde sich ausschütten vor Lachen, wenn sie hörte, dass Hayley ihr Zusammentreffen mit Garrett eine »stürmische Affäre« nannte, obwohl sie ihn nur geküsst hatte.

Aber es war definitiv ihre Vorstellung von einer »stürmischen Affäre«.

Ein Anflug von Bedauern stieg in ihr auf. Sie nahm die Schiefertafel von der Wand, die neben dem Kühlschrank hing, und wischte die gestrige Botschaft weg. Sie lautete: »Koste das Leben voll aus«

Einen Moment überlegte sie, dann schrieb sie lächelnd: »Iss mehr Muffins« Gleich darauf strich sie es jedoch wieder durch und schrieb darunter: »Küsse öfter Fremde«

Schließlich ging sie nach oben, um zu duschen, und beschloss, dass sie nicht zu Hause bleiben würde. Dazu ähnelte sie zu sehr ihrem Vater. Es war ein Arbeitstag. Sie war nicht krank. Also konnte sie sich auch umziehen und zur Arbeit gehen. Einen Moment lang wünschte sie sich, dass sie zu dem Typ Mensch gehörte, der ohne schlechtes Gewissen auch mal blaumachte, aber so war sie nun mal nicht. Noch nie gewesen.

Sie zog den kleinen Notizblock mit ihrer Löffelliste heraus, Dinge, die sie vor ihrem Tod unbedingt machen wollte, und fügte als letzten Punkt »die Arbeit schwänzen« hinzu.

Als sie auf den breiten Bürgersteig in der hübschen, von Bäumen gesäumten Straße trat, warf sie noch einen flüchtigen Blick zu Garretts Haus, ehe sie zu dem kleinen Lebensmittelladen an der Ecke ging.

»Sie sind heute aber spät dran, Hayley«, sagte Mrs. Kalatkis zur Begrüßung. Sie trug einen bunten Kittel über einer engen Jeans und einem langärmeligen violetten Thermo-T-Shirt. Ihr langes, tintenschwarzes Haar war von silbernen Strähnen durchzogen, um die Hayley sie beneidete. Sie hoffte insgeheim, dass ihre Haare, wenn sie ergrauten, auch einmal so edel aussehen würden.

»Ein wenig, Mrs. Kalatkis«, antwortete Hayley und schnappte sich einen Smoothie aus dem Kühlschrank und eine Zeitung. Die Familie Kalatkis führte den Laden schon seit den 1950er-Jahren. Ihr Vater kannte sie noch aus der Zeit, als er das Haus in den 1990ern gekauft hatte. Sie waren immer freundlich zu ihr gewesen.

»Wie war Ihr Geburtstag?«, fragte Mrs. Kalatkis. »Wir haben ein kleines Geschenk für Sie. Schauen Sie nach der Arbeit noch mal rein, ja?«

»Das mach ich, danke. Mein Geburtstag war schön. Ich hatte einen tollen Abend mit meinen Freunden.« Sie waren in einem neuen, trendigen Nachtclub gewesen, dem Olympus. Ionas Bruder Theo kannte die Eigentümer. Sie hatte mit mehreren Männern getanzt, aber keiner davon war ihr so interessant erschienen wie ihr heißer Nachbar.

»Das ist schön«, meinte Mrs. Kalatkis. »Junge Leute sollten das Leben genießen und nicht immer so schwer arbeiten wie du.«

»Sie haben in meinem Alter sicherlich auch schwer gearbeitet«, erwiderte Hayley. Sie schob sich eine verirrte Strähne hinters Ohr und war immer noch überrascht, wie kurz ihre Haare neuerdings waren. Sie fror sogar ein wenig an den Ohren. In Gedanken machte sie sich eine Notiz, sich eine Mütze zu kaufen.

»Ich wusste aber auch, wie man so tut, als ob man schwer zu erobern wäre«, sagte Mrs. Kalatkis und zwinkerte ihr zu. »So hab ich das Herz von Mr. Kalatkis gewonnen.«

Hayley schenkte Mrs. Kalatkis ein Lächeln, als sie bezahlte, und verabschiedete sich.

Um zehn waren auf den Straßen viel mehr Passanten unterwegs als um halb fünf, wenn sie sich gewöhnlich auf den Weg machte. Aber es machte ihr nichts aus. Sie wählte den Weg durch den Central Park zur Fifth Avenue, wo sich das Candied Apple Café befand. Die Mieten dort waren zwar hoch, aber die Lage war hervorragend, und der Kredit, den sie von Freunden ihres Vaters erhalten hatte, sorgte für die nötigen finanziellen Reserven.

Ihre Gedanken kreisten um neue Rezeptideen, die sie im Café unbedingt ausprobieren wollte. Auf der Fifth Avenue blieb sie stehen, um das neue Schild über dem Geschäft zu bewundern. Das Candied Apple Café war ihr Traum gewesen. Sie hatte Hilfe gebraucht, um ihn zu verwirklichen. Ihr Vater hatte sie zwar auch unterstützt, aber Cici und Iona hatten mit ihr gemeinsam hart daran gearbeitet, um das Café zum Leben zu erwecken. Sie hatten Hayleys Traum von einer eigenen Confiserie mit ihren Wünschen verbunden, die darin bestanden, einen stylishen Laden und ein trendiges Café zu eröffnen, in dem sich die Gäste gerne aufhielten.

Das Candied Apple Café war daher ein Mix aus einem modernen Coffeeshop, einer Chocolaterie und einem coolen Bistro. Nach fünf Uhr boten sie in den Sitzecken im Café- und Barbereich von Schokolade inspirierte Cocktails und exotische Speisen an. Tagsüber verkauften sie Süßwaren, Pralinen und Gebäck in den rot gestreiften Kisten mit dem grünen Apfel, der ihr Markenzeichen war.

Wenn sie an den Laden dachte, überkam sie dasselbe aufregende Prickeln wie beim Gedanken an Garrett. Sie erinnerte sich an das Gefühl, ihm nahe zu sein, an seine Küsse. Ein Stich des Bedauerns durchzuckte sie. Vielleicht hätte sie seine unausgesprochene Einladung an diesem Morgen annehmen sollen. Aber One-Night-Stands … davon hatte sie einige gehabt, als sie zwanzig gewesen war, und sie lagen ihr nicht.

Für sie war er immer noch ein Fremder, aber eine innere Stimme sagte ihr, dass er ihr wahres Ich womöglich besser kannte als alle anderen. Als sie ihn geküsst hatte, hatte sie sich zum ersten Mal seit Jahren fallen lassen.

Es war angsteinflößend, dass ein Mann ihre Schutzmauern durchbrochen hatte und sie dadurch so verletzlich geworden war, noch dazu ein Mann, den sie kaum kannte. Aber auch aufregend. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich wirklich lebendig. Fast so, als ob sie dafür nicht erst ihre weiße Konditorinnenjacke anziehen und sich in der Küche verkriechen müsste.

***

Cici und Iona waren die besten Freundinnen, die Hayley je gehabt hatte. Und das lag nicht etwa daran, dass sie alle zur selben Schule gegangen oder in derselben Stadt aufgewachsen wären. Nein, Hayley war der Überzeugung, dass sie vor allem deshalb so gut befreundet waren, weil sie alle mit demselben Mann zusammen gewesen und dann von ihm abserviert worden waren: Damon O’Sullivan.

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