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Zimmerservice

Ausgerechnet den Chefkoch des Hush Hotels soll Emma für ihre Show engagieren! Doch was für die Produzentin die letzte Chance ist, ihren Job zu behalten, ist für Jake Hill ein rotes Tuch. Um ihm den Auftritt als TV-Koch doch noch schmackhaft zu machen, bestellt Emma einen ganz besonderen Zimmerservice ...


  • Erscheinungstag: 10.12.2012
  • Seitenanzahl: 192
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955761165
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jill Shalvis

Bitte nicht stören! – Zimmer Service

Roman

Image

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Copyright © 2006 by Jill Shalvis

Originaltitel: Room Service

Aus dem Amerikanischen von Christian Trautmann

erschienen bei: Harlequin Books, Toronto

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Getty Images, München

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook 978-3-95576-116-5

www.mira-taschenbuch.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

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PROLOG

Los Angeles

Emma Harris war einerseits die gewitzte Frau aus dem Medienbusiness von Hollywood, andererseits war sie noch das brave, liebe Mädchen vom Land. Das mochte zwar eine seltsame Kombination sein, hatte aber immer gut zusammen funktioniert.

Bis jetzt.

Jetzt war sie eine siebenundzwanzigjährige TV-Produzentin, die sich ihrer letzten Chance in dieser Branche gegenübersah. Wenn sie die vermasselte, konnte sie sich von ihrem Job und ihrer Karriere verabschieden. Dann wäre sie erledigt, und das noch vor ihrem dreißigsten Geburtstag.

Aber sie war fest entschlossen, das nicht zuzulassen. Natürlich war es nicht gerade hilfreich, dass jeder in der Produktionsfirma, in der sie arbeitete, glaubte, das Glück habe sie verlassen, einschließlich ihrer eigenen Assistentin, die letzte Woche gekündigt hatte, um als Kameraassistentin bei einer NBC-Sitcom zu arbeiten. Trotzdem würde Emma niemals aufgeben.

Nein, sie war zäh. Sie war in Ohio aufgewachsen, auf der florierenden Farm ihrer Familie, von der sie weggezogen war, um aufs College zu gehen. Und anschließend hatte sie begonnen, TV-Shows zu produzieren. Ihre Eltern waren noch immer entsetzt und überzeugt, dass ein Mädchen mit strengen moralischen Grundsätzen wie sie es unmöglich in Hollywood schaffen konnte. Doch sie war fest entschlossen, ihnen das Gegenteil zu beweisen.

Sie liebte diesen Job. Sie würde einfach nicht daran denken, dass sie es nicht auf ihre Weise schaffen könnte.

Andererseits war sie gerade zum Boss gerufen worden – eine kleine Erinnerung daran, dass Entschlossenheit allein in Hollywood nicht genügte. Sie atmete tief durch und ging zu seinem Büro. Vor der geschlossenen Tür strich sie ihren Rock glatt. Bei ihren Haaren war das hoffnungslos, daher versuchte sie es gar nicht erst. Sie setzte ein Lächeln auf und klopfte selbstbewusst.

“Herein!”

Emma öffnete die Tür. Nathan Bennett empfing sie in seinem großen Ledersessel hinter seinem großen eleganten Schreibtisch mit düsterer Miene.

Emma lächelte unerschütterlich weiter. “Sie wollten mich sehen?”

“Emmaline Harris, setzen Sie sich.”

Er redete sie mit ihrem vollen Namen an. Das war nie ein gutes Zeichen. Sie trat ein und setzte sich auf den Sessel, auf den er zeigte. Er war kleiner und weniger bequem als seiner, damit, wie sie wusste, Gäste sich darin minderwertig fühlten.

Das würde bei ihr nicht funktionieren. Schließlich war sie mit den Ermahnungen ihrer Mutter aufgewachsen. “Emma”, hatte sie gesagt, die Hände in die Hüften gestemmt, “niemand kann dir das Gefühl geben, minderwertig zu sein, es sei denn, du lässt es zu.”

Das war ein Zitat von Eleanore Roosevelt, aber Emma hatte stets daran geglaubt. Sie war hart genug für diese Stadt!

Nathan betrachtete sie nachdenklich. “Wissen Sie, warum Sie heute hier sind?”

Um gefeuert zu werden. Es sei denn, es gelänge ihr, ihn zu überreden, es nicht zu tun. Was sie konnte. Im Überreden war sie die Beste. Nur mit dem Lügen und Manipulieren hatte sie Probleme. “Ich bin mir ziemlich sicher.”

Nathan nickte ernst und legte die Finger beider Hände aneinander. “Wir haben Sie trotz Ihrer mangelnden Erfahrung in diesem Geschäft eingestellt, weil wir Sie für einen aufgehenden Stern hielten.”

“Sir …”

“Wir dachten, Sie würden Großes leisten für unsere Produktionsfirma.”

“Und ich hoffe, ich habe gerade erst angefangen.” Sie versuchte es erneut mit dem Lächeln.

Vergebens.

Nathan schob sein bereits perfekt ausgerichtetes Federhalterset rechts vom fleckenlosen Tintenlöscher gerade. “Emmaline, was können Sie mir zu den letzten drei Shows sagen, die Sie hier produziert haben?”

“Nun, ich …”

“Können Sie mir erklären, weshalb jede davon ein Flop war?”

Ihr Lächeln erstarb. Ja, das konnte sie. Aber das würde sie nicht tun. Denn damit würde sie anderen schaden. Als sie neu in die Stadt kam, verstand sie die Regeln nicht – oder besser gesagt, sie begriff nicht, dass es keine Regeln gab. Inzwischen wusste sie es. Die Herausforderung bestand darin, trotzdem ihren Prinzipien treu zu bleiben. “Ich bin sicher, dass jeder hier mal Probleme hat”, sagte sie. “Drei Flops sind …”

“Das waren Ihre einzigen Shows. Sie haben keinen einzigen Erfolg vorzuweisen.”

Sie wussten beide, dass sie hart arbeitete. Daran lag es nicht. Dummerweise hatte sie nicht nur Ehrgeiz, sondern auch ein weiches Herz, und das erwies sich oft als Karrierebremse. Denn sie wollte auf ihrem Weg nach oben nicht lügen oder jemandem wehtun. Damit hätte sie nicht leben können.

Und aus diesem Grund war sie auch jetzt nicht imstande, Nathan die drei Flops zu erklären. “Ich weiß, dass ich schlecht dastehe, aber ich kann es. Bitte geben Sie mir nur noch eine Chance. Wenn ich von Anfang an die gesamte Verantwortung für eine Show haben könnte …”

Er schüttelte bereits den Kopf und lehnte sich zurück. Sein Haar war schwarz, ohne jede Spur von Grau. Er hatte es ähnlich wie Donald Trump nach vorn gekämmt, um zu kaschieren, dass es sich lichtete. Sein Gesicht war gebräunt von seinem letzten Urlaub auf den Bahamas mit seiner dritten Frau, und er trug Brillantstecker in den Ohren, die mindestens das Fünffache ihres Jahresgehalts wert waren. Er war vermutlich noch nie im Leben gefeuert worden. “Sie hatten Ihre Chance”, sagte er entschieden. “Sogar drei.”

Klar. Die erste war eine aufregende Realityshow mit zwei Brüdern, beides liebenswerte Erfinder mit enormem IQ. Emma war begeistert von den beiden und wollte sie unbedingt bekannt machen. Leider stellte sich heraus, dass Ty und Todd schon bekannt waren und dass gegen sie wegen Patentverletzung ein Gerichtsverfahren lief. Als die erste Folge im Fernsehen gezeigt wurde, wurde der Sender verklagt.

Emmas zweiter Versuch war ihre Chance, zu beweisen, dass die vorige Katastrophe einfach nur Pech war. Doch von Beginn an hatte es bei der Realityshow um eine Safari Krach unter den Mitarbeitern und Sabotage gegeben. Weil Emma die Crew nicht zusammenstellen durfte, gelang es ihr auch nicht, sie zu führen. Das und die Tatsache, dass keiner von ihnen eine Landkarte lesen konnte, führte zum Scheitern, noch ehe die Sache richtig begonnen hatte.

Emmas dritter Versuch war eine Talkshow, deren Moderatorin keineswegs zufällig Nathans angeheiratete Nichte sein sollte. Eine nette, witzige, scharfsinnige Frau, die dabei war, als Komikerin Karriere zu machen, nachdem sie ein Jahr zuvor einen schrecklichen Autounfall überstanden hatte und nun medikamentenabhängig war – ein Geheimnis, das sie ruinieren konnte. Als Emma dahinterkam, flehte die Frau sie an, es niemandem zu sagen.

Natürlich verriet Emma es niemandem. Das entsprach einfach nicht ihrem Charakter. Aber als die Komikerin sich live im Fernsehen selbst zerstörte, kostete Emma diese Entscheidung die Show.

Jetzt hatte sie also drei Flops, die ihr anhafteten. Für jeden lag der Grund nicht darin, dass sie eine schlechte Produzentin war, sondern weil sie sich ihre Mitarbeiter nicht selbst hatte aussuchen können.

Ihr war klar, dass noch nie so viel auf dem Spiel gestanden hatte. Aber sie wusste auch, dass alles möglich war, sogar, in dieser Branche Erfolg zu haben. Auf ihre Weise. “Ich kann es, Nathan”, wiederholte sie. “Ich weiß, dass ich es kann. Sie müssen mir nur eine echte Chance geben.”

“Emmaline …”

“Eine echte Chance.” Sie stand auf, beugte sich über den Schreibtisch und stützte sich dabei mit den Händen auf, um ihren Worten mehr Nachdruck zu verleihen. “Wenn ich die Crew und den Moderator dieses Mal selbst aussuchen könnte …”

“Sie haben keine Erfahrung auf diesem Gebiet.”

Das stimmte. Bis zum College hatte sie einen Traktor gefahren, sich um den Stall gekümmert und die Bücher über das Milchvieh auf der Farm ihrer Eltern geführt. Aber da sie einen Abschluss in Medienwissenschaften in der Tasche hatte, wollte sie sich endlich auf diesem Gebiet beweisen. “Sie haben doch selbst gerade gesagt, dass Sie Hoffnung in mich gesetzt hatten. Bitte lassen Sie es mich noch einmal versuchen.”

Nathan drehte seinen Füllhalter zwischen den Fingern und schwieg so lange, dass Emma ganz kribbelig wurde. Schließlich seufzte er dramatisch. “Ich weiß, dass ich es bereuen werde, aber na schön …”

“Ja?” Sie lachte verblüfft. “Wirklich?”

Er nickte, wirkte aber nicht besonders glücklich dabei.

“Vielen, vielen Dank!”, rief sie, rannte um seinen Schreibtisch und umarmte Nathan.

Er tätschelte ihr unbeholfen den Rücken. “Ist ja gut.”

“Verzeihung.” Sie ließ ihn los und wich zurück. Das breite Grinsen verschwand jedoch nicht aus ihrem Gesicht. “Sie werden es ganz bestimmt nicht bereuen.”

“Versprechen Sie mir nur, dass Sie es diesmal wirklich hinbekommen”, sagte er ernst. Doch wenn Emma nicht alles täuschte, lag ein amüsierter Ausdruck in seinen Augen. “Denn glauben Sie mir, wenn Sie es diesmal vermasseln, sind Sie für immer erledigt.”

“Oh, ich werde es hinbekommen.” Sie atmete tief durch, um ihn nicht schon wieder zu umarmen. “Verraten Sie mir, was für eine Show soll es werden?”

“Wir wollen eine Kochsendung.”

Emma starrte ihn perplex an. “Eine Kochsendung.”

“Mit einem dynamischen unterhaltsamen Koch. Sie wissen schon, so ein Kerl, der mit Messern und Zutaten jongliert. Wie diese Köche in den japanischen Restaurants, nur ohne das folkloristische Element. Sie werden alles in dieser Show zubreiten, von Hamburgern bis zu Crème brûlée.”

Crème brûlée? Sie wusste nicht einmal, was das war. “Eine Kochsendung”, wiederholte sie und dachte fieberhaft nach. Sie hatte vom Kochen ebenso viel Ahnung wie von Flugzeugbau und schaffte es sogar, Wasser anbrennen zu lassen.

“Kochsendungen sind momentan schwer angesagt”, erklärte Nathan. “Sie sollten mit dem Koch beginnen. Er wird der Schlüssel zu Ihrem Erfolg sein. Zufällig habe ich schon jemanden im Sinn …”

“Sie haben doch gesagt, ich könnte die Mitwirkenden einstellen …”

“Ja, die Mitarbeiter rund um die Show.”

Sie behielt ihr Lächeln bei und hoffte, die aufsteigende Panik damit überspielen zu können. Eine Kochsendung … “Ich hatte gehofft, Sie würden es mir überlassen, die Crew und den Moderator zu engagieren.”

“Das tue ich. Sehen Sie sich einfach mal den Koch an, der mir vorschwebt. Er hat eine enorme Ausstrahlung und wird das Publikum anziehen. Frauen finden ihn sexy.”

“Wer ist es?”

“Jake Hill, der zurzeit das Amuse Bouche leitet, das Gourmet-Restaurant im berühmten Hotel Hush in New York.”

“Sie meinen das neue Hotel, das thematisch ausgerichtet ist auf …”

“Sex? Genau das. Sie können sofort aufbrechen.” Nathan hielt inne. “Oh, noch etwas.”

Emma war immer noch benommen, weil sie nicht gefeuert worden war, sondern stattdessen eine Kochsendung machen sollte und zu einem Erotik-Hotel geschickt wurde.

“Ich kenne Ihr Potenzial, Emma. Deshalb mache ich das. Aber Sie müssen wirklich aufhören, so weichherzig zu sein. Werden Sie härter.”

“Ich bin hart.”

“Nicht auf die Art, die ich meine. Es wäre besser, wenn Sie sich dem anpassen würden, wie es hier läuft.”

“Sie meinen, ich soll lügen und betrügen?”

Zum ersten Mal lächelte er. “Exakt. Wenn der Kerl nicht freiwillig mitmachen will, engagieren Sie jemanden, der im Amuse Bouche ein Haar in seiner Suppe findet. In einem Restaurant wie dem wäre er auf der Stelle erledigt. Dann wird er Sie anflehen, die Sendung machen zu dürfen.”

Sie sah ihn fassungslos an. “Das ist verabscheuungswürdig.”

Er zuckte die Schultern. “So ist das Leben nun mal.”

“So etwas würde ich niemals tun.”

“Ja.” Sein Lächeln verschwand, und er rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. “Das wäre dann Flop Nummer vier.”

“Ich werde nicht zum vierten Mal versagen.”

Er wirkte nicht überzeugt. “Sie haben einen Monat Zeit, um die Sendung zu produzieren. Viel Glück.”

Das würde sie zweifellos brauchen.

1. KAPITEL

New York

Drei Tage nach dem Gespräch mit Nathan Bennett stand Emma in der Lobby des Hotel Hush und schaute sich staunend um. Der Teppich unter ihren Füßen hatte ein Muster aus Schwarz, Grün, Grau und Pink und war so dick, dass man glaubte, auf Luft zu gehen. Die im Art-déco-Stil gehaltenen Möbel und die Gemälde erinnerten an die herrlichen alten Salons in den wilden Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts.

Aus der Website des Hushs wusste Emma, dass das Hotel ein junges wohlhabendes und neugieriges Publikum ansprechen wollte. Es hatte achtzig Suiten beziehungsweise Zimmer, die mit jedem erdenklichen Komfort ausgestattet und nach unterschiedlichen Mottos eingerichtet waren. Außerdem gab es von Designern entworfene Penthouse-Suiten mit Butler, eine Bar namens Erotique, in der die Schickeria New Yorks verkehrte, ein luxuriöses Wellnesscenter sowie einen Swimmingpool auf dem Dach. Und jede Annehmlichkeit war ausgerichtet auf das zentrale Thema des Hotels: prickelnde Erotik. Die Gäste konnten die Videokameras in den Zimmern benutzen oder eines der Spielzeuge, die sich in jedem Schrank befanden. Und im Kellergeschoss gab es eine Bar, in der Paare ihre Fantasien ausleben konnten.

Damit waren sinnliche Vergnügungen gemeint, zu denen nur sehr tolerante, experimentierfreudige Gäste den Mut fanden. Laut den Informationen, die Emma im Internet gefunden hatte, konnte dort alles passieren.

Emma konnte sich das kaum vorstellen. Nicht dass es darauf ankäme. Schließlich war sie nicht zum Vergnügen hier, sondern um sich das Amuse Bouche und dessen Chefkoch anzusehen. Nathan hatte eine gute Wahl getroffen. Es hieß, Jake Hill sei ein Genie in der Küche.

Außerdem sollte er wahnsinnig sexy sein.

Es hieß, sein Essen sei nicht von dieser Welt und man werde süchtig danach, sobald man es gekostet habe. Angeblich musste das Küchenpersonal die Türen bewachen und jeden Abend Frauen abwimmeln, die Jake Hill wollten und keinen anderen.

Emma hoffte, dass das Fernsehen das Besondere an diesem Mann vermitteln konnte.

Sie hatte versucht, mehr über ihn zu erfahren, doch interessanterweise gab es nicht viel. Sie fand mehrere beeindruckende Referenzen, seltsamerweise jedoch nichts, was länger als fünf Jahre zurückreichte. Was entweder bedeutete, dass Jake Hill relativ neu im Geschäft war oder eine Vergangenheit hatte, die er lieber für sich behielt.

Kurz gesagt: Er war ein Rätsel. Und der letzte Schritt zu Emmas Erfolg.

Hoffentlich hatte er mit dem Rest der menschlichen Rasse gemeinsam, dass man ihn entweder mit Geld oder Ruhm locken konnte, und zwar quer durchs Land nach Los Angeles.

“Sieh dir das nur an”, sagte Liza ehrfürchtig. Liza war Emmas älteste Freundin und seit Neuestem ihre Assistentin. “All diese Art-déco-Stücke sind echte Kunstwerke.”

“Ich bin sicher, die männlichen Gäste kommen nur deswegen her”, bemerkte Eric, Emmas zweitbester Freund und neuer Location Director. Er betrachtete genüsslich ein Gemälde, das eine wunderschöne nackte Frau auf einem luxuriösen Bett zeigte.

Liza verdrehte die Augen. “Wir sind wegen des Restaurants hier.”

“Ja, und glaub mir, als Koch habe ich eine Schwäche für gute Restaurants. Nur sind wir auch hier, um Emmas Hintern zu retten … Au!” Er rieb sich die Rippen, in die Liza ihm ihren Ellbogen gestoßen hatte. “Was ist denn? Es stimmt doch.”

Liza schüttelte angewidert den Kopf. “Nein, das stimmt nicht, und du bist kein Koch.”

“Bin ich wohl.”

“Bist du nicht.”

Emma seufzte. Die beiden besaßen ein einzigartiges Talent, sich gegenseitig auf die Palme zu bringen – oder sexuelle Spannung zwischen sich aufzubauen.

Eric starrte wieder die nackten Frauen auf den Gemälden an.

“Du bist ein Tier”, sagte Liza. “Männer sind Tiere.”

Eric knurrte.

Wenn Eric ein Tier war, dann ein sehr attraktives. Er war groß und sah in seiner Freizeithose, dem Poloshirt, den Tennisschuhen und der in die blonde Mähne geschobenen Sonnenbrille sehr kalifornisch aus. Er hatte himmelblaue Augen und ein Lächeln, mit dem er den Verkehr zum Erliegen bringen konnte.

Ohne ihn und Liza würde Emma die vor ihr liegende Aufgabe nicht bewältigen können.

“Ich werde uns anmelden”, verkündete Liza. “Ich werde mir ein Zimmer nehmen, das so weit wie möglich von deinem entfernt liegt”, fügte sie, an Eric gewandt, hinzu.

“Meinetwegen.” Er zuckte gleichgültig die Schultern. “Letzte Chance, Emma. Spar dir den ganzen Ärger und nimm mich als Koch. Du weißt, dass ich gut bin.”

Das stimmte, nur hatte er keine formelle Ausbildung absolviert und war viel zu flapsig, um jemals ernst genommen zu werden. “Eric …”, begann Emma.

“Ja, ja. Ich gehe in die Bar.”

“Meinetwegen”, schnappte Liza. Die beiden verschwanden mürrisch und ließen Emma allein in der Lobby stehen.

“Na, das wird ja lustig”, sagte sie zu sich selbst.

Früher auf dem College hatten sie alle drei viel Spaß zusammen gehabt. Letztes Jahr hatte Eric dann den Fehler gemacht, Liza zu gestehen, dass er sie liebe. Er schenkte ihr einen Diamantring und heiratete sie.

Die Ehe hielt zwei wilde, erotisch prickelnde Monate, bevor es zu einem heftigen Streit kam. Und weil keiner von beiden vorher jemals eine feste Beziehung gehabt hatte, wussten sie nichts mit wahrer Liebe anzufangen. Jetzt, mit all den angestauten Gefühlen, stritten und zankten sie sich ständig.

Emma hatte alle beide schrecklich gern, aber wenn sie nicht begriffen, dass sie ihren Gefühlen trauen und endlich mal wieder miteinander schlafen mussten, würde sie sie zusammen in ein Zimmer sperren, bis sie es herausfanden.

Aber darum würde sie sich ein andermal kümmern. Denn Eric hatte recht. Emma musste sich retten, und deshalb ging sie nun zur Rezeption, deren brusthoher schwarzer Marmortresen die gleiche Eleganz ausstrahlte wie der Rest der Lobby. An der Wand dahinter prangte in pinkfarbenen Buchstaben der Name Hush.

Für die Anmeldung war eine hübsche Frau in schwarzem Smoking mit pinkfarbener Fliege und einem freundlichen Lächeln zuständig. “Ihr Zimmer liegt im zwölften Stock, genau wie das Ihrer Freunde. Sie haben Nummer 1212. Es bietet eine großartige Aussicht auf die Stadt. Falls Sie noch etwas benötigen, rufen Sie uns jederzeit an.”

Wenn das nur so einfach wäre – einfach die Rezeption anrufen und Jake Hill bestellen. Emma nahm die Chipkarte und holte Liza und Eric bei den Fahrstühlen ein.

Eric prostete ihr mit einem Bier zu. “Dieses Hotel ist wirklich etwas Besonderes. Man kann die Spannung, die hier in der Luft liegt, förmlich riechen.”

Liza schnupperte und zuckte die Schultern.

Eric lachte. “Dieses Hotel ist für Leute, die Action wollen. Leute, die sich als Weltbürger fühlen. Ich kann es spüren.”

“Seit wann willst du denn Weltbürger sein? Du sitzt doch am liebsten mit einem Bier und der Fernbedienung auf dem Sofa”, meinte Liza.

“Seit zwei Frauen im Erotique mich praktisch mit den Augen verschlungen haben.”

Lizas Augen funkelten zornig, doch sie tat so, als wäre sie kein bisschen neugierig. “Erotique?”

“Die Bar. Du hättest mich da mal erleben sollen. Echt heiß.” Er grinste jungenhaft. “Tja, du hättest mich eben festhalten sollen, als du noch die Chance dazu hattest.”

“Ha.”

Offenbar zufrieden, ihren wunden Punkt getroffen zu haben, wandte er sich an Emma. “Auf Phase zwei.” Er prostete ihr erneut mit dem Bier zu. “Darauf, dass wir uns den Chefkoch schnappen.”

“Ja, auf Emmas Erfolg”, pflichtete Liza ihm bei.

“Genau!”, rief Eric und sah sie mit sanfter Miene an.

Liza stutzte.

“Was ist los?”, wollte er wissen.

“Waren wir gerade einer Meinung?”

Er lachte. “Das kann nicht sein.”

“Waren wir aber.”

“Dann kreuze es im Kalender an”, sagte er in beinah zärtlichem Ton.

“Sehr witzig.”

“Im Ernst.” Er trat näher zu ihr. “Als wir noch verheiratet waren, warst du nie einer Meinung mit mir, ganz egal, worum es ging. Wenn ich gesagt hätte, ‘Schatz, der Himmel ist blau’, hättest du geantwortet: ‘Nein, er ist hellblau oder dunkelblau, aber nicht bloß einfach blau’. Hauptsache, du warst nicht einer Meinung mit mir.”

“So war ich nicht”, widersprach Liza.

Ihre Nasen berührten sich fast, so dicht standen sie voreinander. “Die Wahrheit schmerzt manchmal, was?”

Die Spannung zwischen ihnen war spürbar, und sie wurde nicht nur durch Ärger erzeugt.

“Leute …”, warf Emma ein.

“Weißt du, was dein Problem ist?”, fragte Liza Eric.

“Nein, aber ich nehme an, das wirst du mir gleich verraten.”

“Bitte …”, sagte Emma.

“Du glaubst, du seist Gottes Geschenk an die Frauen”, sagte Liza. “Und das ist widerlich.”

“Dann werde ich eben versuchen, es für mich zu behalten”, erwiderte er leichthin. “Danke.”

“Es war eine dumme Idee, dass wir zusammen mitgefahren sind”, stellte Liza fest.

“Genau, Emma. Willst du diese ganze Sache nicht aufgeben und lieber gleich mich als Koch nehmen, wo ich doch Gottes Geschenk an die Frauen bin? Dann können wir alle gleich wieder nach Hause fahren.”

“Wir werden das hier durchziehen”, sagte Emma. “Ihr könnt es. Bitte.”

Eric und Liza sahen sich an. Dann seufzten sie beide und nickten.

Emma atmete auf. Sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht und war bestens vorbereitet. Sie brauchten Jake Hill, und sie hatte vor, ihn zu bekommen.

Auf ihre Weise.

Während sie darauf warteten, dass sich die Fahrstuhltür öffnete, beäugte Liza einen attraktiven Mann, der durch die Lobby ging.

Eric beobachtete sie mit ernstem Blick.

Emma schüttelte den Kopf und bückte sich, um eine schwarze Katze zu streicheln, die von irgendwoher aufgetaucht war. Sie trug ein pinkfarbenes Halsband mit einem Schild, auf dem “Eartha Kitty” stand. Die Katze schnurrte und rieb sich an Emmas Knöcheln, bis die Fahrstuhltüren endlich aufgingen.

Die Kabine war luxuriös wie alles in diesem Hotel, mit Spiegeln und dekorativem schwarzem Stahl. Emma betrachtete die Reihe der pinkfarbenen Knöpfe, nachdem sie den Fahrstuhl betreten hatte – ohne Liza und Eric, die schon wieder zankten.

Genervt und fest entschlossen, diese Sache mit oder ohne sie in Angriff zu nehmen, drückte sie den Knopf für den zwölften Stock. Die Tür ging zu, und angenehme Stille umgab Emma. Sie lehnte sich an die Wand und schloss die Augen. Wenn Liza und Eric sich bis zum Sonnenuntergang nicht gegenseitig umgebracht hatten, würde sie, Emma, es liebend gern für sie tun.

Nein, besser noch, sie würde sie in eines der Zimmer sperren, damit sie ihren Frust abreagieren konnten.

Unglücklicherweise hatte Emma kein Ventil für ihren Frust. Die meisten Männer in ihrem Leben hatten sich als Frösche erwiesen, die sich auch nach diversen Küssen nicht in Prinzen verwandelten. Na schön, wenn sie ehrlich war, konnte man das von allen Männern sagen, mit denen sie bisher zusammen war.

Sie machte die Augen wieder auf und betrachtete sich im Spiegel. Ihre Haare waren zerzaust, die Augen müde … wenn heute ein Prinz auftauchen würde, liefe er bei ihrem Anblick davon.

Der Fahrstuhl hielt und ging auf. Im zweiten Stock?

Ein Mann betrat die Kabine. Er trug schwarze Jeans und zerschrammte Cowboystiefel, dazu ein langärmeliges schwarzes Hemd mit dem pinkfarbenen Hush-Logo auf der Brust. Seine Augen waren hinter einer verspiegelten Pilotenbrille verborgen. Als er sie auf den Kopf schob, hielt Emma den Atem an.

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