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Zwischen Himmel und Glück

hier erhältlich:

Verdammtes Herz! Jill sollte Brian auf keinen Fall eine Chance geben. Dass er damals nach New York ging und sie verließ, hat eine Wunde hinterlassen, die nie richtig geheilt ist. Doch nun ist er wieder da, flirtet mit ihr und weckt ihre Sehnsucht. Ein Kuss - und plötzlich scheint alles möglich! Bis Brians Ex-Freundin in Dare Valley auftaucht. Jills schlimmste Befürchtungen scheinen wahr zu werden: Sie kann ihm nicht trauen. Oder ist ihre Liebe diesmal stark genug, um für ihr Glück zu kämpfen?

"Hier findet man Liebe wie bei Nora Roberts."

Publishers Weekly

"Auf Augenhöhe mit Nicholas Sparks."

Jennifer‘s Corner Blog

"Ava Miles‘ Sinn für Humor, ihr Respekt für den Leser und die Empathie für ihre Charaktere schimmern in jedem Wort durch."

USA Today


  • Erscheinungstag: 10.04.2017
  • Seitenanzahl: 448
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955766375
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Für meine Großmutter, Lanone Miles Bosn, die mich lehrte, Geschichten zu erzählen, indem sie mich als Kind immer wieder mit amüsanten Begebenheiten von der Farm unserer Familie in einen friedvollen Schlaf hinübergleiten ließ. Sie brachte mir auch das Kochen bei – alles, was in diesem Buch mit Essen verbunden ist, hat daher seine Wurzeln in jenen Sommern, die ich bei ihr verbrachte, auch wenn sie später behauptete, ich hätte das Kochen immer perfektioniert. Ich vermisse dich, aber ich weiß, dass du stets bei mir bist.

Außerdem geht mein Dank an meine himmlischen Begleiter, deren Unterstützung und Liebe das Leben so wunderschön und zauberhaft machen, wie es ist.

Danksagung

Es sind immer eine Menge Menschen, die uns darin unterstützen, unsere Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Hier sind meine Engel auf Erden vom Team Ava, einschließlich meines Marketingteams Joan Schulhafer:

Ich danke Debby Tobias und Alissa Di Giacomo von Joan Schulhafer Publishing and Media Consulting; Elizabeth Bemis und Sienna Condy von Bemis Promotions für meine Website; meiner wundervollen Lektorin Angela Polidoro; der Killion Group für das Buchcover; meiner Korrektorin Helen Hester-Ossa; Gregory Stewart für meine offiziellen Werbefotos, die großartige Landkarte des Dare Valley und dafür, dass er immer bereit ist einzuspringen, wenn es notwendig ist; und Janet Geary, die mich bei der Recherche zum Thema Strafverfolgung beraten hat.

Meiner ehemaligen Agentin Jennifer Schober für ihre Kommentare zu dem frühen Manuskript.

Christi Barth für ihre Unterstützung auf dieser Reise in die Literatur. Sie hat dieses Buch mit offenen Armen empfangen und mir ein wunderbares Feedback gegeben, wodurch ihm noch mehr Glanz verliehen wurde. Dich hat mir der Himmel geschickt.

Meinem ehemaligen Chef und all meinen anderen Kollegen im Hintergrund, die mir beigebracht haben, dass man Eiweiß einfrieren kann und wie man ein traditionelles Tiramisu und eine Million anderer Dinge zubereitet.

Meiner Familie, deren Liebe, Lachen und Unterstützung mir alles bedeuten.

Meinem T. F. Aus unendlich vielen Gründen.

All den Leserinnen und Lesern dieses Buches. Ihr seid unbezahlbare Juwelen in meinem Leben.

Zu guter Letzt noch ein Wort darüber, dass ich auf Zeit gespielt habe, was den Aspekt des Stadtrats in dieser Geschichte betrifft, mit dem alles zueinanderfindet. Sie mögen Romane? Dann viel Spaß beim Lesen.

Prolog

Jill Hale begutachtete die Kuchenbleche. Sie waren mit dem berühmten Plätzchenteig ihrer Mutter belegt, in dem Brocken aus Mokkaschokolade steckten. Die Kekse wären längst im Ofen, wenn ihre Mutter die Backtemperatur auf das Rezept geschrieben hätte. Jill hoffte nur, dass Mom bald vom Einkaufen für die Abschlussparty von der Highschool zurück sein würde. Ihnen blieben noch ungefähr sechs Stunden, bevor die Familie und die Freunde über das Haus hereinbrechen würden.

Dummerweise war eine Party das Letzte, was Jill im Kopf hatte. Das Lied It’s my party schien ihr treffend, denn sie wollte nichts lieber als weinen. Sie gab der Verlockung nach und nahm sich einen der Teigklumpen vom Backblech.

Die Zwischentür von der Garage zur Küche öffnete sich. Endlich! „Mom, bei welcher Temperatur backe ich die denn nur? Es steht nicht im Rezept.“

„Hundertneunzig“, antwortete die Stimme eines jungen Mannes – jene, von der sie gehofft hatte, sie nie wieder zu hören.

Ihr Freund seit Kindertagen und die Liebe ihres Lebens, Brian McConnell, stand mit hängenden Schultern am Eingang zur Küche. Sein dunkelblaues Hemd unterstrich das Blau seiner Augen. Er schob eine Hand in die Tasche seiner Cargo-Shorts und klimperte mit dem Schlüsselbund. Natürlich, er wusste die Temperatur, schließlich würde er in ein paar Tagen nach New York fahren, um sich an einer der besten und teuersten Kochschulen, dem Culinary Institute of America, ausbilden zu lassen. Verdammt sollte er sein.

„Du hast nicht mehr das Recht, hier einfach hereinzuplatzen“, gab sie zurück, warf den Rest des Teigbällchens in die Spüle und wischte sich die Finger an einem gelb karierten Handtuch ab. Sie flehte innerlich, nicht in Tränen auszubrechen, und drehte sich zu ihm um.

„Jill, ich bin seit dem Tag in dieses Haus gegangen, an dem ich einen Türknauf umdrehen konnte. Stell jetzt keine neuen Regeln auf, nur weil wir uns gestritten haben. Wir müssen reden.“

Achtlos legte sie das Geschirrtuch beiseite und durchquerte die Küche mit großen Schritten. „Gestritten? Das ist untertrieben. Worüber wir hier reden, ist glatter Betrug. Betrug von der Sorte, die Freundschaften zerstört.“

Er zog die Brauen zusammen. „Sag so etwas nicht. Sieh mal, es tut mir leid, dir nicht erzählt zu haben, dass ich zum Culinary Institute statt zur Cook Street in Denver gehe. Ich wusste nicht, wie ich es sagen sollte.“

Was für eine durchschaubare Lüge. Sie umklammerte die Granitplatte der Kücheninsel. „Du hast mir immer alles sagen können. Deshalb waren wir ja beste Freunde. Ich hatte beschlossen, zur University of Denver zu gehen, damit wir zusammen sein können. Ich dachte …“ Die erste Träne rann ihr über das Gesicht. Mit der Handfläche wischte Jill sie fort.

„Mist, jetzt weine doch nicht! Sieh mal, ich weiß, es ist hart, aber ich muss das tun.“ Er trat näher und streckte die Arme nach ihr aus.

Sie schob ihn fort. „Nein. Du wirst mich nicht anfassen. Schließlich hast du klargestellt, dass du das nicht mehr willst.“ Auf ihren Wangen bildeten sich entsetzliche heiße rote Flecken. Niemals würde sie über die Demütigung seiner Zurückweisung hinwegkommen.

Er massierte sich den Nasenrücken. „Jill, ich weiß, du bist sauer, weil ich nicht mit dir komme, aber …“

Unglaublich, er versuchte sogar noch, seine Entscheidung zu verteidigen. „Was aber, Romeo? Wolltest du jemanden mit mehr Erfahrung? Ist das der Grund, aus dem du mich abserviert und mit Kelly Kimple herumgemacht hast?“ Das Dröhnen in ihrem Kopf schwoll derart an, dass sie die Zähne in ihre Unterlippe grub.

Sein Adamsapfel bewegte sich, als er schluckte. „Verdammt, ich wusste, ich würde gehen. Jill …“

„Aber ich nicht.“ Sie schlug mit der Hand auf die hellbraune Granitarbeitsfläche, ihre Handfläche schmerzte vom Aufprall. „Warum hast du mich überhaupt gefragt, ob ich mit dir ausgehe? Das habe ich mir seit Jahren gewünscht, aber du hast dich immer zurückgehalten. Erst hast du mich besinnungslos geküsst, dann hast du mich fallengelassen, als ich sagte, ich will mit dir zusammen sein. Du bist ein Aufreißer.“

Er schürzte die Lippen. „Ich habe dich nie zuvor gebeten, mit mir auszugehen, weil ich unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen wollte, falls es zwischen uns nicht so gut läuft. Und ich wollte deine Familie nicht verlieren, die mir mehr bedeutet, als meine eigene es je könnte. Verdammt, das weißt du.“

Sie starrte über seine Schulter auf die babyblaue Wand und versuchte zu verhindern, dass die Spur von Mitgefühl, die sie empfand, ihre Entschlossenheit schwächte.

„Aber als ich wusste, ich würde Dare verlassen, da konnte ich nicht länger gegen meine Gefühle für dich ankämpfen. Ich wollte nicht gehen, ohne mich wirklich mit dir verabredet zu haben. Es war ein Fehler. Ich war selbstsüchtig, und das tut mir leid. Ich habe nicht geahnt, dass du vorhattest, schon nach einer Verabredung deine erste Erfahrung mit mir zu machen. Himmel! Es hat mich verrückt gemacht, okay? Ich konnte beinahe deinen Vater hören, wie er mir sagte, er würde mir in den Arsch treten. Jill, du stürzt dich immer kopfüber in alles. Ich weiß, ich hab dich verletzt. Bitte sag mir, wie ich das wiedergutmachen kann.“

Sie ballte die Hände an den Seiten zu Fäusten, während die Schockwellen über seine Zurückweisung sie noch einmal überfluteten. „Das kannst du nicht.“

„Kelly war nicht wichtig. Das hat rein gar nichts bedeutet.“ Er betonte jedes Wort, als ob dies etwas daran ändern könnte.

Sie presste die Hände auf die Ohren. „Ich will es nicht hören.“ Kelly war eine selbstbewusste blonde zierliche Cheerleaderin, Jill hingegen war rothaarig, groß und ganz eindeutig nicht zierlich mit ihrer Schuhgröße 43. Er hatte sich für das hübschere Mädchen entschieden. Und sie würde mit diesem Stich in ihr Selbstwertgefühl bis zum Ende ihres Lebens klarkommen müssen.

Brian ergriff ihre Hände und drückte diese gegen seine Brust. „Du wirst mir zuhören. Verdammt, ich gehe nicht auf diese Weise aus Dare fort. Wir werden das zusammen durchstehen.“

In der zehnten Klasse hatte er sie an Kraft überholt. Da sie ihre Hände nicht aus seinem Griff lösen konnte, trat sie ihm gegen das Schienbein.

„Au!“, schrie er auf, wich zurück und hüpfte auf dem unverletzten Bein. „Mensch! Hör auf damit.“

Sie wischte sich die Tränen ab, hastete zu der Verbindungstür zur Garage und riss sie auf. Die Tür prallte mit solcher Wucht gegen die weiße Wand, dass sie eine Schramme darauf hinterließ. „Vielleicht hätten wir es schaffen können, wenn du nur eine Sache falsch gemacht hättest. Aber mir das Culinary Institute zu verschweigen, das war zu viel. Bri, seit wir sprechen gelernt haben, hast du mir alles erzählt. Und das hast du nicht erwähnt. Nicht ein einziges Mal. Dabei betrifft es auch mich.“

Er massierte sich das Schienbein, dann richtete er sich auf und sah ihr direkt in die Augen. „Ich habe dir nie alles erzählt, verdammt.“

Ihr stockte der Atem. Richtig. Die anderen Mädchen … jene, die nicht nur Freundinnen waren. Darüber hatten sie nie gesprochen.

„Ich wusste nicht, ob sie mich am Culinary Institute annehmen würden, aber ich musste es versuchen“, fuhr er fort. „Damit wird mein Traum wahr. Und als mir das klar wurde, hatte ich keine Ahnung, wie ich es dir sagen sollte. Ich wusste ja, du hattest mit deinem Sturkopf das ganze Denver-Szenario schon ausgearbeitet.“

„Stur? Hör auf!“

Mit einem großen Schritt trat er auf sie zu. „Du bist stur. Wenn du so bist, kann man mit dir nicht reden. Es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe. Diese ganze Sache macht mich völlig fertig. Ich lasse alles zurück, was ich kenne, all meine Freunde … und dich. Ich will dich nicht verlieren, Jill. Ich weiß nicht, wie ich einen Tag überstehen soll, ohne mit dir zu reden.“

Ihre Lippe zitterte. Es schmerzte sie, seine Qual zu sehen, doch sie konnte – wollte – nicht einlenken. „Du wirst es herausfinden müssen. Ich kann dir nicht mehr vertrauen, und das ist schlimmer als alles andere.“

Er zog sie an sich und umarmte sie, und angesichts seiner Größe fühlte sie sich nicht mehr so riesig wie früher, ehe er in die Höhe geschossen war. „Sag das nicht. Wir können das aus der Welt schaffen, bevor ich fahre. Ich will dich nicht verlieren, Jill.“

Sein Duft – eine Mischung aus Zedernholz-Aftershave und Salz – kitzelte sie in der Nase. Sie schluchzte verhalten an seiner Brust, während er ihr über den Rücken strich.

„Nicht weinen, Jill, bitte, weine nicht. Wir werden unser Gleichgewicht wiederfinden.“

Seine ernste, schmerzerfüllte Stimme ließ ihr Herz in winzige Stücke brechen, die nicht zu kitten waren. Sie stieß ihn weg und sah ihn an. „Du verstehst mich nicht, Brian. Es ist vorbei. Geh ans Culinary Institute. Hab ein schönes Leben. Aber das hier ist jetzt zu Ende.“

Seine Augen verengten sich, sein Blick war verdächtig bestimmt. „Nein, das ist es nicht. Ich rufe dich an.“

„Ich werde nicht rangehen“, erwiderte sie nachdrücklich. Wie konnte er erwarten, dass sie nach alldem noch mit ihm befreundet sein könnte? Insbesondere dann, wenn sie geglaubt hatte, die Verabredung mit ihm würde zu dem führen, was sie sich immer gewünscht hatte – dass sie sich ineinander verliebten, heirateten, ihre Kinder in Dare großzogen. Er konnte vorgeben, nicht zu wissen, wie ernst es ihr war, in Wirklichkeit aber wusste er es. Sie hatte nie irgendetwas vor ihm verbergen können.

Er ließ den Kopf sinken. „Jill, wir haben uns immer wieder vertragen.“

Erneut wischte sie die Tränen ab und richtete sich zu voller Größe auf. Dabei sammelte sie all ihre innere Kraft für das, was getan werden musste. „Ich will dich nicht auf meiner Party dabeihaben. Das meine ich ernst, Brian. Das mit uns hat sich erledigt.“

Er riss den Mund auf. „Aber unsere Freunde. Unsere Eltern. Es ist das letzte Mal für Monate, vielleicht für Jahre, dass die vier Musketiere zusammen sein werden. Was werden Jemma und Pete sagen?“

„Sie wissen schon, was ich empfinde.“ Ihre besten Freunde waren seit der Highschool ein Paar, so wie sie es sich immer mit Brian gewünscht hatte, aber er hatte nie die Initiative ergriffen. Jegliches Mitleid verpuffte. „Es ist besser so.“

Er senkte den Kopf. Dann trat er gegen das Linoleum und schwieg einen langen Moment. „Okay, Rotschopf, dein Wunsch ist mir Befehl, aber ich werde dich anrufen, wenn ich in meiner neuen Wohnung bin. Ich werde dir Zeit geben, damit du dich wieder abkühlen kannst.“

Nicht einmal ein Winter in Alaska würde sie dazu bringen, ihre Meinung zu ändern.

Er suchte etwas in seiner Hosentasche. „Ich habe es in dem Juweliergeschäft vom alten Jenkins gekauft, deshalb ist es nicht eingepackt, aber hier ist dein Geschenk.“

Sie starrte auf das kleine schwarze Kästchen. Wie betäubt griff sie danach.

Er machte einen großen Schritt auf sie zu und küsste sie auf die Stirn, ehe sie sich ducken konnte. „Sei nicht mehr sauer.“ Und mit diesen Abschiedsworten schloss er die Tür hinter sich.

Jill öffnete das Kästchen. Ein herzförmiger Kettenanhänger leuchtete ihr entgegen. Auf der Suche nach Antworten glitten ihre Finger über die Form. Die Gravur ließ ihre Knie weich werden. J&B, BFFs. Sie sank zu Boden und presste es an ihre Brust.

1. Kapitel

Acht Jahre später

Jill Hales Herz machte einen Sprung, als sich Brian McConnells silberner SUV auf der Route 44 vor dem Wagen einfädelte, in dem sie fuhr – dem nagelneuen roten Feuerwehrwagen des Dare Valley. Ernie, der Chef der Feuerwehr, hatte sie und ihre Schwester Meredith als Kinder gelegentlich mitfahren lassen, und heute hatte er vorgeschlagen, sie wieder einmal mitzunehmen, um sie aufzuheitern. Angesichts dieses Angebots hatte das Kind in ihr Luftsprünge gemacht.

Ihr Blick wanderte zu Brians Rückspiegel in der Hoffnung, kurz sein Gesicht sehen zu können. Doch sie erhaschte nur einen unvollständigen Blick auf sein kräftiges Kinn und sein leichtes Lächeln. Ihr entfuhr der Hauch eines Seufzens.

Seit Jill klein gewesen war, liebte sie Brian, dennoch hatte sie acht Jahre lang nicht mit ihm geredet, bis er im vergangenen Sommer in die Stadt zurückgekehrt war. Ihr Zerwürfnis hatte Wunden hinterlassen, die verschorft waren, ohne völlig zu verheilen. Mittlerweile hatte sie ihm verziehen. Fast. Der Tod von Jemma, ihrer Freundin aus Kindertagen, hatte sie wieder in Kontakt gebracht und zu einer brüchigen Versöhnung geführt.

Seitdem hatten sie viel Zeit miteinander verbracht – sie waren ins Kino oder eine Pizza essen gegangen, waren in den Bergen Ski gelaufen. Es war sehr vergnüglich gewesen – und sehr platonisch. Jill versuchte, es locker zu nehmen, aber das Warten machte sie verrückt. Nach allem, was zwischen ihnen passiert war, musste Brian den ersten Schritt machen.

„Erde an Jill“, schrie ihre Schwester über den Motorenlärm hinweg. Als Meredith Hale mit einer Hand vor Jills Gesicht wedelte, blitzte ihr Ehering auf. „Mann, du hast es schwer. Jedes Mal, wenn du ihn siehst – oder auch nur seinen Wagen –, bist du wie ferngesteuert.“

Während sie in schnellem Tempo an einer Ampel vorbeifuhren, klammerte Jill sich an der Messingstange des Feuerwehrwagens fest. „Ich kann nichts dagegen tun“, sagte sie. „Brian ist seit Monaten wieder hier, und ich habe endlich beschlossen, dass ich ihn haben will. Muhaha.“

„Lass dieses entsetzliche Lachen“, flehte Meredith scherzhaft und schüttelte den Kopf, sodass ihr rotes Haar flog.

Jill wusste nicht, wohin Brian fuhr, aber sie hoffte, er würde ihr Café ansteuern, weil er sie sehen wollte. Als er auf die Straße abbog, die zur Stadtmitte von Dare führte, lächelte sie vor sich hin – da ging es zum Don’t Soy With Me. „Hey, Ernie, kannst du Richtung Süden fahren, auf die Dare Avenue?“

Der alte Feuerwehrchef, dessen schwarz-gelbe Uniform an eine Wespe erinnerte, blickte über seine Schulter und lächelte Jill an. „Na klar, Schätzchen. Immerhin soll diese Fahrt mein Lieblingsmädchen ja aufmuntern.“

Ihr Herz zog sich zusammen. Die ganze Stadt hatte ihr geholfen, über Jemmas plötzlichen Tod hinwegzukommen. Meistens erwärmte dies ihr Herz, manchmal allerdings erinnerte es sie nur daran, was sie alles verloren hatte – ihr ständiges Geplänkel während der gemeinsamen Arbeit im Café, die Mädelsabende in Hairy’s Irish Pub, eine Schulter zum Anlehnen, wann immer sie die gebraucht hatte.

Brian fuhr die Straße hinunter, das Feuerwehrauto folgte ihm dicht auf den Fersen. Vielleicht war das nicht ganz das, was Ernie sich vorgestellt hatte, als er Jill angeboten hatte, sie und ihre Schwester mitzunehmen, aber insgesamt hob die Sache mit dem Wagen ihre Stimmung. Seit einer Woche hatte sie Brian nicht mehr gesehen, und sie verzehrte sich vor Sehnsucht nach seiner Gesellschaft.

Sie folgten weiterhin dem silbernen SUV. Jill legte sich in jede Kurve, die roten Korkenzieherlocken umrahmten ihre geröteten Wangen. Ungefragt drehte Ernie das schwere Lenkrad, um Brian auf die Hauptstraße zu folgen. Klar, er wusste Bescheid. Verdammt, jeder in der Stadt wusste von ihnen.

„Kann ich das Martinshorn anschalten, wenn wir am Zeitungsverlag vorbeifahren?“, bat Jill und tänzelte in ihren Winterstiefeln. Als sie am Cut and Curl’s vorbeifuhren, funkelte der Feuerwehrwagen in dem Schaufenster wie Dorothys rubinrote Pantoffeln.

Meredith hob eine Augenbraue. „Wir sind auf der Hauptstraße, und es ist kein Brand in Sicht. Das ist gegen die Vorschriften.“

„Ich liebe es, Regeln zu brechen.“ Jill zog einen Schmollmund. Ihre ältere Schwester konnte ein solcher Spielverderber sein. Warum sollten sie nicht ein wenig Spaß haben?

Ernie gluckste. „Okay. Aber nur, weil dein Großvater gestern Abend beim Poker geblufft und mich um fünfzig Mäuse erleichtert hat.“

Jill legte die Hand neben den Knopf, als sie sich dem Hauptgebäude der Tageszeitung näherten, die ihre Familie herausbrachte.

Während sie die Hände über die Ohren legte, sagte ihre Schwester: „Als Mitarbeiterin des Western Independent sollte ich dich darauf hinweisen, dass du mindestens vier Reporter – meinen Ehemann und unseren Grandpa inklusive – wie Ameisen aus dem Haupteingang scheuchen wirst, weil sie den Grund für die Aufregung sehen wollen.“

Jill drückte den Knopf, und das immer wiederkehrende, ohrenbetäubende Heulen ertönte. „Ich weiß. Ist das nicht großartig?“

Ihre Schwester streckte ihr die Zunge heraus. Sie tat es ihr gleich, presste weiter auf die Sirene und reckte begeistert die Faust in die Luft.

Brian stellte seinen Wagen vor einer Reihe hell gestrichener Geschäfte an der Hauptstraße ab. Ihr Herzschlag wurde schneller. Er wollte tatsächlich zu ihr!

„Ernie, kannst du ganz schnell drehen? Ich muss etwas im Don’t Soy With Me erledigen.“

„Na klar, Kindchen.“

Als sie an Brians Wagen vorbeifuhren, zog sie den Kopf ein und rollte sich trotz ihrer Größe so klein wie möglich zusammen.

Ihre Schwester kauerte sich neben sie. „Ich verstecke mich nur mit dir, weil ich dich liebe. Da du jetzt alle im Independent aufgescheucht hast, weiß jeder – und ich meine jeder –, dass wir im Feuerwehrwagen gesessen haben.“

Jill taumelte und stieß mit dem Kopf gegen ein schwarzes Atemschutzgerät. „Shit, du hast recht! Ich denke nicht immer über alles gründlich genug nach.“

„Das kannst du laut sagen. Es ist, als würde sich deine Spontaneitätskarte verhaken und jegliche Logik blockieren.“

Was war denn an Logik überhaupt so großartig? „Ich hätte dich ja nicht mitnehmen müssen.“

„Mädchen, Mädchen“, rief Ernie und brachte sie damit zum Lächeln. Wie oft hatte er das zu ihnen gesagt, als sie noch Kinder gewesen waren?

Die Bremsen zischten, als er den Wagen zum Halten brachte. Er drehte sich in seinem Sitz um. „Ich schätze, ich sollte froh sein, dass Brian nicht nach Denver wollte. Für eine zweistündige Fahrt hätte ich nicht genug Sprit gehabt.“

Jill beugte sich vor und küsste seine bärtige Wange. „Du alter Bussard. Du weißt, für mich hättest du das getan.“

Er hob eine Hand. „Schon als du ein Kind warst, mit diesen roten Zöpfen wie Pippi Langstrumpf, hast du mich um den Finger gewickelt.“ Er deutete auf Meredith. „Und du auch, kleines Fräulein. Und jetzt seht zu, dass ihr aus meinem Feuerwehrauto aussteigt.“ Das Funkgerät rauschte. „Die ersten Anfragen wegen des Martinshorns kommen rein. Ich kann es gar nicht erwarten, mit eurem Großvater zu reden. Hoffentlich hat er schon Maalox für seinen Magen genommen, weil er so gereizt ist.“

Die Schwestern sprangen aus dem Wagen und schafften es gerade, einer Pfütze geschmolzenen Schnees auszuweichen. „Danke, Ernie!“, sagten sie wie aus einem Mund.

Die dicke Brandnarbe an seinem Mund verzog sich, als er lächelte. „Ach, seht zu, dass ihr weiterkommt.“

Meredith ergriff Jills Hand, und in unausgesprochener Einigkeit rannten sie zusammen zur Rückseite des Kaffeehauses. „Du weißt, dass du den Verstand verloren hast, oder?“

„Ich hatte sowieso keinen.“

Sie eilten durch die Hintertür, den Gang entlang, vorbei an Jills Büro, und kamen schlitternd zum Stehen, als sie den Hauptraum des Cafés erreicht hatten. Don’t Soy With Me hatte sämtliche Erwartungen übertroffen – ihre eigenen, die ihrer Familie und der ganzen Stadt. Auch wenn die Hales in der Zeitungswelt einen bedeutenden Namen hatten, war es lange her, seit ein Hale in einem anderen Bereich als dem von Druckerschwärze und Papier erfolgreich gewesen war. Noch dazu präsentierte der Laden Jills einzigartigen Stil haargenau. Das kühne Farbenspiel von Feuerwehrautorot – was nach dem heutigen Tag besonders angebracht schien – und Sonnengelb war eindrucksvoll. An den Wänden hingen Gemälde hiesiger Künstler, meist handelte es sich um moderne Malerei mit Klecksen in Primärfarben. Ihre Gäste deckten das gesamte Spektrum der Stadt ab: Die Studenten der örtlichen Universität lernten, während ihre Professoren Arbeiten korrigierten, Einheimische plauderten über das Wetter, und die Zugezogenen aus Kalifornien bestellten Soja-Latte und Croissants mit Tofu-Füllung.

Jill hatte einen Weg gefunden, jeden anzusprechen, und damit aus Don’t Soy With Me mehr gemacht als nur ein Café. Es war der Treffpunkt des Ortes. Sie hatte die Speisekarte um Sandwiches, Pizza und leichte Kleinigkeiten erweitert, und mittlerweile servierten sie Speisen und Getränke von sechs Uhr morgens bis Mitternacht. Gar nicht schlecht für ein Geschäft, das anfangs kaum mehr als ein Projekt gewesen war.

„Reiß dich zusammen und hör auf zu keuchen“, ermahnte sie ihre Schwester und strich sich das Haar glatt.

„Keuchen? Ich schwimme vier Meilen …“

„Blablabla“, unterbrach Jill sie. „Margie, unseren Lieblingskaffee bitte“, rief sie der Barista zu – einer der Vorteile, Chefin zu sein –, und sie flitzten zu einem der Tische am Fenster, der gerade frei geworden war. Jill beobachtete die Straße mit Argusaugen und entdeckte Brians grüne Spyder-Jacke sofort. Er war in die entgegengesetzte Richtung unterwegs. So ein Mist! Da hatte sie eine Fahrt in einem Feuerwehrauto unterbrochen, nur um in ihrem eigenen Café dazusitzen wie ein Mauerblümchen.

„Du hast recht. Ich bin jämmerlich.“

Sie konnte es nicht lassen, Brian auf seinem Weg zum Drugstore mit einem verräterischen Blick zu folgen. Obwohl er eine Jacke trug, tauchte in ihrem Kopf das Bild dieser festen Muskeln an seinem Rücken auf. Dieser breiten Schultern. Sie dachte daran, wie er sein T-Shirt im Sportstudio ausfüllte, nur Schweiß und Muskeln. Schon in der Highschool war er attraktiv gewesen, aber die acht Jahre in New York hatten seinem Aussehen noch einen zusätzlichen Feinschliff gegeben. Er hatte mittlerweile diese lässige Perfektion verinnerlicht, und er war ein echter Mann.

„Hast du irgendeine Vorstellung, wo das enden soll?“, wollte Meredith wissen, als Margie ihnen die Getränke hinstellte. In ihrer Stimme lag eine Spur ältere Schwester.

Brian wandte sich um und grüßte eine ältere Dame auf der Straße, seine geschwungenen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als er sich über irgendetwas amüsierte, was diese gesagt hatte. Sein leichter Gang verriet, dass er es nicht eilig hatte. Nein, er war nie in Eile, weder bei ihr noch bei sonst jemandem.

„Hey!“ Meredith boxte sie leicht. „Hast du mich gehört?“

„Ja! Tja, ich weiß, wohin es meinen Wünschen nach führen sollte. Dazu, dass wir zusammenkommen. Endlich!“ In der zweiten Klasse hatte sie beschlossen: Brian war der Eine. Er hatte Timmy Caren dafür verprügelt, dass dieser Jill Karottenkopf genannt und sie am Pferdeschwanz gezogen hatte. Sie hatte mit Buntstiften Bilder von ihnen beiden gemalt, wie sie Händchen hielten, und ihre Notizbücher hatte sie in zaghafter Schreibschrift mit „Jill McConnell“ vollgekritzelt.

Sie hatte darauf gewartet, dass er den ersten Schritt machte. Und gewartet.

In der Geschichte des Liebeswerbens hätten selbst zwei Schildkröten schneller zueinandergefunden.

Dann hatte er die Regeln geändert, und alles war zum Teufel gegangen. Ehe er ans Culinary Institute of America gegangen war, hatte er versprochen, sie so lange anzurufen, bis sie einlenken würde, doch nach sechs Monaten hatte er schließlich aufgegeben. Bis zu seiner Rückkehr in die Stadt hatte sie nichts mehr von ihm gehört.

Meredith legte ihre Serviette ordentlich auf den Schoß. „Denkst du, er hat vor zu bleiben? New York kann man doch nur schwer hinter sich lassen. Und Dare ist nicht gerade bekannt für eine heiße Restaurantszene.“

Sie biss sich auf die Lippe. „Ich weiß. Deshalb habe ich versucht, ihn zu überreden, dass wir gemeinsam ein Restaurant eröffnen. Er würde kochen, und ich würde das Geschäftliche übernehmen. Da das Don’t Soy With Me ein so großer Erfolg ist, brauche ich ein neues Projekt, und das wäre ein großartiger Weg, die Verbindung zu ihm wiederherzustellen. Außerdem passt es zu meinem Plan, irgendwann eine herausragende Geschäftsfrau zu sein.“

„Lass der Sache Zeit.“ Meredith umarmte sie. „Ich weiß, du möchtest, dass es mit euch beiden klappt, aber hast du schon mal darüber nachgedacht, diese ganze Restaurant-Idee beiseitezuschieben? Wenn die Dinge nicht gut laufen …“

„Das würde alles vermasseln.“ Sie zerrte an einer roten Locke.

„Jill, im Ernst, warum gibst du eurer Beziehung nicht etwas Zeit, sich zu entwickeln, bevor du mit dieser Sache vorpreschst?“

Es schien ihr angebracht, die Augen zu verdrehen. „Meredith, im Ernst“, äffte sie ihre Schwester nach, „warum hörst du nicht auf, meine Pläne zu durchkreuzen?“

„Du weißt verdammt gut, was ich meine. Auf mich wirkt das nicht klug.“

„Nun, auf mich schon“, erwiderte sie, hob ihr Kinn und versicherte sich selbst, es würde wunderbar werden.

„Versprich mir, du wirst vernünftig sein.“

„Wann bin ich jemals vernünftig gewesen? Lass es gut sein, Meredith.“

Kapitulierend hob ihre Schwester die Hände. „Okay, okay, aber lass es langsam angehen.“

Große Schwestern. „Ich habe nur versucht, Brian dazu zu überreden. Es ist nicht so, als hätte ich schon die Pläne entworfen oder einen Kredit aufgenommen. Himmel.“

„Ich versuche nur ganz vorsichtig zu sagen, dass du mit Jemmas Tod eine Menge durchgemacht hast. Meine Güte, wir alle haben das.“

„Du hast leicht reden. Für dich hat sich alles großartig entwickelt.“

Meredith und Tanner hatten nach einem stürmischen Anfang ihrer Beziehung am Neujahrsabend geheiratet und lebten nun in ihrem eigenen Nora-Roberts-Land – wie in den Lieblingsromanen ihrer Schwester.

„Mach dir keine Sorgen, Jill. Das wird es bei dir auch.“

„Ich vermisse Jemma, Mere.“

„Ich weiß. Es war so süß von Ernie zu versuchen, dich auf diese Weise aufzuheitern.“ Sie schob ihren Stuhl näher heran und beugte sich zu Jill hinüber. „Gehst du immer noch zu ihrem Grab?“

Jill straffte sich. „Ich weiß, dir gefällt das nicht, aber ich muss mit ihr reden. Sie war meine beste Freundin!“

„Die Familie macht sich Sorgen“, entgegnete ihre Schwester mit einem Seufzer.

„Ich höre auf, dort hinzugehen, wenn die Zeit reif ist.“ Wenn sie doch nur die Trauer ausschalten könnte wie das Licht auf der Veranda. „Es hilft, dass Brian und ich so viel zusammen sind.“ Das stimmte, auch wenn ihr Zusammensein nicht so heiß und leidenschaftlich war, wie sie es sich gewünscht hätte.

„Ich verstehe immer noch nicht, warum er ins Dare Valley zurückgekommen ist.“ Meredith leckte den Schaum von ihrem Schokoladenmokka.

„Ich auch nicht“, erwiderte Jill. Brian erzählte wenig von seiner Zeit in New York oder darüber, weshalb er in seine Heimatstadt zurückgekehrt war. Einerseits war das geheimnisvoll und irgendwie sexy, andererseits machte es ihr deutlich, dass sie nicht mehr die besten Freunde waren, die jeden angefangenen Satz des anderen hätten beenden können.

Mit einer kleinen Tüte in der Hand kam er aus dem Drugstore. Hatte er sich Rasierschaum gekauft, um langsam den Bartschatten abzurasieren, der sein Gesicht dunkler wirken ließ? Sie hoffte es nicht.

Als spürte er ihre Überlegung, schaute er durchs Fenster herein, dann hob er eine Hand und winkte. Großartig. Sie war eine Stalkerin geworden. Erst das Feuerwehrauto und jetzt dies. Der Film könnte bei Lifetime laufen. Sie winkte zurück, als wollte sie sagen: Ta-ta. Ich beobachte dich keineswegs wie ein liebeskrankes Huhn. Er betrat das nächste Geschäft. Wegen des finsteren Ausdrucks, den ihr Gesicht angenommen hatte, spannten sich ihre Lippen, deshalb griff sie nach dem Lipgloss mit Kaugummigeschmack in ihrer kleinen getigerten Tasche.

Der Knuff an ihrem Arm riss sie aus den Gedanken.

„Hey!“

„Du bist im Land der Träume, kleine Schwester.“

„Du redest wie eine glücklich verheiratete Frau.“

„Jepp, aber ich kann mich daran erinnern, wie rastlos ich war, bevor Tanner und ich zusammengekommen sind. Genauso geht es dir, mit dem Unterschied, dass du Brian schon ewig kennst.“

„Ich weiß. Das macht es manchmal … sonderbar.“

„Du schaffst das schon. Ihr habt die Kennenlernphase quasi übersprungen, weil ihr zusammen aufgewachsen seid. Jetzt müsst ihr all die Jahre nachholen, in denen er fort war.“

„Manchmal scheint er mir so vertraut“, sagte Jill. „Und dann wieder … Nun, es ist, als gäbe es da diese neuen Ebenen – Vorsicht, Schweigsamkeit und … Verwirrung.“ Als wüsste er nicht immer, was er in ihrer Nähe sagen oder wie er sich verhalten sollte.

Natürlich könnte die verrückte Lust, die sie beide überfallen hatte, etwas damit zu tun haben. Sie wusste, dass er sich von ihr angezogen fühlte, und er wusste verdammt genau, wie sie empfand. Und trotzdem hatten sie einander in der letzten Zeit nicht berührt. Okay, abgesehen von dem Vorfall vor einigen Wochen, als sie auf dem Weg ins Kino auf dem Eis ausgerutscht war. Und das zählte absolut nicht.

Die Glocke, die neue Kunden ankündigte, bimmelte. Unwillkürlich schwang ihr Kopf herum. Brian kam ins Café geschlendert – zerzaust und ungestylt, als wäre er gerade aus dem Bett gekrochen. Sein Haar, das die Farbe von Ahornsirup hatte, lockte sich im Nacken, und seine blauen Augen verrieten, dass er es mit jedem aufnahm.

„Hey!“ Er steckte die Hände in die Hosentaschen und suchte ihren Blick.

„Selber hey“, gab sie zurück und versuchte, angesichts seiner Ausbuchtung nicht zu seufzen wie irgendein Groupie. Sie war eine Ausbuchtungs-Beobachterin. Ihre Mutter wäre so stolz auf sie.

„Hey, Brian.“ Meredith stand auf und umarmte ihn kurz.

„Habt ihr gehört, wo der Brand war?“

Jill biss sich auf die Lippe. „Nein.“

„Es gibt eine Menge Fehlalarme“, meinte Meredith. „Katzen auf Bäumen. Idioten, die …“

„Ich bin sicher, dass er sich nicht für Brandstatistiken interessiert, Mere.“

Seine Mundwinkel hoben sich, und schon breitete sich eine Welle der Lust in ihrem Unterleib aus.

„Jill und ich haben uns gerade über dich unterhalten, Brian. Du hast uns nie erzählt, warum du aus New York weggegangen bist. Die Stadt hat eine heiße Restaurantszene. Du musst sie vermissen.“

Die Muskeln rund um seinen Mund strafften sich. Auch wenn Jill es wissen wollte – tatsächlich starb sie vor Neugier –, war es gemein von ihrer Schwester, ihn so hinterrücks zu überfallen.

„Gib ihm Zeit, Mere. Typen plaudern nicht ihre Lebensgeschichte aus.“

Oder wenn, dann nur den Frauen ihres Lebens gegenüber. Brian hatte definitiv etwas zu erzählen. So etwas wie: Ich habe in New York jemanden kennengelernt, aber es hat nicht funktioniert. Oder: Im Winter habe ich einen toten Obdachlosen in einer Gasse entdeckt, und das hat mich verändert.

Meredith starrte sie an. „Das ist das Vorrecht von Reportern. Okay, ich muss wieder an die Arbeit. Etwas über den Brand in Erfahrung bringen.“ Sie gab Jill einen Kuss und segelte hinaus.

Ohne Meredith, die die Hitze erträglich gemacht hatte, fühlte Jill sich, als würden sich ihre Knochen in weiches Papier verwandeln. Es wäre lächerlich, vom Stuhl zu rutschen, aber plötzlich begriff sie den Hintergrund der viktorianischen Kanapees, auf denen man sich zurücklehnen konnte.

„Also“, sagte Brian gedehnt. Einen Moment lang wandte er den Blick aus seinen blauen Augen ab und erlaubte ihr damit, tief durchzuatmen. „Die Geschäfte laufen gut.“

Als er sich wieder umdrehte, begann ihr Herz erneut, wie ein Kolibri zu flattern. „Ja. Äh, soll ich dir deinen Lieblingskaffee machen?“

Jill wurde klar, sie würde so ziemlich alles für diesen Mann tun. Den Continental Divide von Kanada bis Mexiko im Schnee durchwandern. Löcher in Socken stopfen. Um Himmels willen, sie brauchte einen Anhaltspunkt. Oder ein neues Leben.

„Nein … Ich dachte, ich schau mal rein und frag nach, ob du Lust auf Dinner heute Abend hast. Ich würde kochen.“

Überrascht riss sie den Kopf hoch. Sie hatten in den vergangenen Monaten Zeit miteinander verbracht, aber Kochen … einfach so. Das war neu.

„Wie ein richtiges Date?“, erkundigte sie sich. Verdammt, vielleicht hatte diese ganze Fahrt im Feuerwehrwagen sie mit Leben-oder-Tod-Energie vollgepumpt, aber sie wollte wissen, woran sie war.

„Äh, klar. Wenn du es so nennen willst.“ Er klimperte mit dem Kleingeld in seiner Tasche, senkte den Kopf und zog die Schulter hoch, wie er es immer machte, wenn er nervös war. „Ich möchte für dich kochen.“

Wollte er? Das Herz wurde ihr weit, so, als hielte sie einen Hundewelpen im Arm. „Das wäre wundervoll! Ich hätte Lust. Ich meine …“ Viel zu übertrieben, wurde ihr klar. „Großartig, einfach großartig.“ Halt den Mund, Jill.

„Warum kommst du nicht um sieben vorbei?“

„Soll ich etwas mitbringen?“

„Nur dich selbst.“

Und die Art, wie er es sagte, ließ ihr die Beine zittern. Tatsächlich zittern.

„Großartig!“, stieß sie aus und biss die Zähne zusammen. Vielleicht sollte sie mal das Wörterbuch lesen, damit sie lernte, wie man zusammenhängende Sätze bildete.

„Okay.“ Er lehnte sich zurück. Dann stürzte er vor und küsste sie auf die Wange. „Bis dann.“ Damit wandte er sich um, stieß gegen den Tisch und suchte sich seinen Weg nach draußen, ohne noch einmal zurückzublicken.

Jill stellte den Pappbecher, den er umgestoßen hatte, wieder auf und widerstand der Versuchung, ihre Wange zu berühren. Das dumpfe Kichern der Gäste ließ ihr liebeskrankes Grinsen nur noch breiter werden.

Sie war nicht die Einzige, die nicht richtig tickte. Brian machte einen echten ersten Schritt.

Das wurde auch verdammt Zeit.

2. Kapitel

Brian steuerte auf seinen Wagen zu. Verdammt, was war nur mit ihm los? Jill brachte ihn an seine Grenzen. In ihrer Nähe fühlte er sich wieder wie ein Highschool-Teenager. Der Junge von damals hatte sie gewollt. Dem Mann verlangte es nach ihr.

Aber er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass es um alles oder nichts ging.

Brian musste sich selbst wiederfinden. Er wollte sich nicht mit Jill in irgendetwas stürzen, bevor er wusste, ob sie das Gleichgewicht herstellen konnten zwischen ihrer Freundschaft und der Anziehungskraft, die sie füreinander empfanden und die so heiß war wie ein Bunsenbrenner in der Profiküche. Er hatte Angst davor, die Sache mit ihr zu vermasseln. Als er sie vor acht Jahren verloren hatte, war es, als hätte er einen Teil von sich verloren. Es wäre unerträglich, das noch einmal geschehen zu lassen.

Er zerrte an dem Wollschal um seinen Hals. Schaffte es, die Leute anzulächeln, an denen er auf dem Bürgersteig vorüberging. In seinem Kopf herrschte ein einziges Chaos, so wie auf den Bildern mit den Farbklecksen in Jills Café. Wie lange konnte er dies noch aufrechterhalten? Wie lange konnte er noch Zeit mit Jill verbringen, ohne ihr die Gründe für seine Rückkehr in die Stadt zu nennen? Wenn sie lernen könnte, ihm vollkommen zu vertrauen, würde sie vielleicht verstehen. Aber wie könnte sie das, wenn er selbst es nicht tat?

Für sie zu kochen hatte nach einer netten Geste ausgesehen, um ihre Freundschaft auf die nächste Ebene zu bringen. Zum Teufel, er war Küchenchef, und sein Kumpel Pete – also Jemmas Ex und Jills derzeitiges Hassobjekt – war der einzige Mensch, für den er gekocht hatte, seit er in die Stadt zurückgekommen war.

Er änderte seinen Kurs und steuerte das Lebensmittelgeschäft an, um ein paar Zutaten zu besorgen. Als er in die Abteilung für Obst und Gemüse kam, begutachteten gerade sieben Kundinnen alles von Bananen bis zu Zwiebeln. Die geschwätzigen alten Damen hatten ihre Gewohnheiten nicht geändert. Ihre Gespräche wirbelten um ihn herum.

„Habt ihr gesehen, dass Kerry Jenkins beim Basketballspiel gestern Abend neben Mitch Miller gesessen hat? Die Leute fangen an zu reden. Da braut sich was zusammen.“

Ein anderes Trio unterhielt sich über den mysteriösen Wagen, der heute Morgen in der Auffahrt ihrer Nachbarn gestanden hatte. „Ihr wisst, was das bedeutet“, flüsterte eine Frau, die einen strengen Pferdeschwanz trug, und ihre Stimme übertönte die anderen.

Sein Magen zog sich zusammen. Einiges in Dare machte ihn glücklich – die eng verbundene Gemeinschaft, die freie Natur, die Vertrautheit.

Auch New York hatte seine Vor- und Nachteile, doch dort hatte er die Möglichkeit gehabt, zu tun, was er wollte und wann er es wollte. Das Problem war nur, dass er die Dinge zu weit getrieben hatte.

Egal, wo du lebst – es gibt immer Konsequenzen.

Er widmete sich dem kleinen Regal mit biologisch angebautem Gemüse. Es war eine positive Ergänzung, vielleicht ein zusätzliches Angebot für die Kalifornier, die in die Stadt gezogen waren. Er nahm eine Avocado und betrachtete die gesprenkelte grüne Farbe.

„Meine Güte, Brian McConnell.“

Beim Klang der schrillen Stimme verkrampfte sich seine Hand automatisch.

Noch immer trug Vivian Thomilson ausschließlich Schwarz, und ihr Haar am Kinn war bestimmt fünf Zentimeter lang. „Ich habe beinahe zweimal hinschauen müssen, als ich gesehen habe, dass du Gemüse aussuchst.“

Er hörte den Tadel in ihrer Bemerkung. Gott, er hatte gehofft, die alte Leier darüber, dass er kochte, wäre beendet.

Brian schaffte es, seine Lippen zu einem Lächeln zu formen. „Tja, ich habe keine nette Frau wie Sie, die für mich einkauft, was ich brauche, Mrs. Thomilson.“

Sie lachte in einem hohen, abgehackten Ton, ihre Kamee-Ohrringe tanzten gefährlich an ihren ausgeleierten Ohrläppchen. „Nun, ich habe deiner Mutter immer gesagt, wie glücklich sie sich schätzen kann, dass aus dir ein Küchenchef geworden ist. Als du in der Highschool diese Quiches gebacken hast, haben wir uns schon Sorgen gemacht, du könntest schwul sein.“

Der Stich saß. Ein Teenager in Dare zu sein, der gern backte und Speisen künstlerisch dekorierte, musste Beschimpfungen und mehr über sich ergehen lassen. Schürzenbengel. Schwuchtel. Er hatte es nicht vergessen.

Seinen Eltern war sein Interesse an der französischen Küche peinlich gewesen, besonders weil er damit gleichzeitig die Gerüchteküche im Ort angeheizt hatte. Seine Mutter hatte versucht, ihn vom Kochen abzuhalten, indem sie ständig mit der Familie essen gegangen war und keine Lebensmittel eingekauft hatte. Sein Vater, der meinte, echte Männer hätten nichts in der Küche verloren, erteilte ihm Hausarrest, weil er Interesse am Kochen zeigte. Doch als das nichts brachte, eskalierte sein Feldzug. Er warf Brian vor, kein Mann zu sein, beschimpfte ihn fürchterlich und drohte sogar damit, die Leidenschaft für das Kochen aus ihm herauszuprügeln.

Jills Mom hatte seinen Traum vor dem Sterben bewahrt, indem sie ihn in der Küche der Hales kochen ließ. Als er heranwuchs, hatte er mehr Zeit bei den Hales als in seinem eigenen Elternhaus verbracht. Sie waren die Familie gewesen, die er sich immer gewünscht hatte. Seine Eltern hatten sich nach fünfundzwanzig Ehejahren scheiden lassen, als er sechzehn Jahre alt gewesen war. Seitdem hatte er all seinen Zorn, seinen Herzschmerz und seine Verwirrung in seine Speisen strömen lassen.

Meredith hatte ihn gefragt, warum er zurückgekehrt sei. Nun, das war einer der Gründe. Er musste Dare noch etwas beweisen.

„Aha“, murmelte er und presste die Zähne zusammen. Er wünschte, sie würde gehen, ehe er dem Drang nachgab, ihr mit einer Aubergine eins über den Kopf zu ziehen.

„Das Chop House ist eine gute Adresse für dich. Es geht nichts über ein gutes Steak.“

Er hatte darauf spekuliert, dass man ihm im Chop House einige kreative Freiheiten lassen würde, nachdem er sich dort bewährt hätte. Es war ein langsamer Prozess gewesen, aber er hatte den Eigentümer überredet, eine Beurre-Blanc-Soße zum Ribeye-Steak auszuprobieren, für die er Lobeshymnen geerntet hatte. Nun gut, sie hatten sie Weißwein-Buttersoße genannt, weil sie den französischen Begriff nicht verwenden wollten.

Er nickte nur. Mit Mrs. Thomilson unterhielt man sich nicht. Man hörte zu – oder gab es zumindest vor.

„Tom Kenders hat uns erzählt, du machst dich gut.“

Brian zog eine Augenbraue hoch. Es gefiel ihm nicht, dass sein Chef über ihn sprach, andererseits überraschte es ihn nicht wirklich.

„Er sagt, du hättest dir einige Anregungen in New York geholt, aber du würdest verstehen, dass Dare nicht der Big Apple ist und auch nicht sein will.“

„Dare hat immer seinen eigenen Stil gehabt.“

„Genau“, brummte sie missbilligend und mit einem Lächeln, das eher einer Grimasse ähnelte. „Nun, schön, dich zu sehen. Grüß deine Mutter von mir. Wir vermissen sie.“

Wenn die Hölle zufror, würde er sie grüßen. Sie sprachen nicht miteinander. Drei Monate nach der Scheidung seiner Eltern war sie nach Phoenix gezogen, um einen verklemmten Podologen zu heiraten, den sie im Internet kennengelernt hatte. Ihren Sohn hatte sie mit einem Vater alleingelassen, der sich für ihn schämte und sich keine Mühe gab, ihn zu verstehen. Zum Glück wohnten seine Eltern beide nicht mehr hier. „Natürlich.“

Nachdem Mrs. Thomilson gegangen war, ließ er seine verspannten Schultern kreisen und legte die Avocado zurück. Sie war noch nicht reif genug für heute Abend. Er brauchte etwas anderes. Die Brunnenkresse fiel ihm ins Auge, dann griff er noch nach einer glänzenden Clementine. Er könnte Pekannüsse mit Honig und Bourbon rösten. Die Kombination würde die Basis für einen grandiosen Salat ergeben. Er steckte alles ein und schlenderte durch die Gänge.

Sich mit Jill selbstständig zu machen würde jene verstummen lassen, die jemals behauptet hatten, er wäre schwul oder ein wenig verrückt, weil er den Kartoffelsalat für das Gemeindefest mit Safran verfeinert hatte. Sie können mich mal, Mrs. Thomilson. Er schob seinen Einkaufswagen in die Fleischabteilung.

Meredith war nicht die Einzige, die erfahren wollte, warum er zurückgekehrt war. Jeder fragte sich das. Niemand von ihnen wusste, dass es keinen Ort gab, wohin er sonst hätte gehen können. Bei seinem Versuch, es in New York zu schaffen, hatte er verbrannte Erde hinterlassen, und jetzt musste er sein Ansehen wiederherstellen und sich über ein paar Dinge klar werden.

Dann würde er wieder gehen. Zurück in ein Restaurant mit einem Michelin-Stern. Bitte, lieber Gott!

Zumindest war das der Plan gewesen, ehe Jill wieder auf der Bildfläche erschienen war. Natürlich war er zum Teil gerade wegen Jill zurückgekommen, aber er hatte nicht geahnt, wie stark ihn das bewegen würde. Er hatte nicht geahnt, dass ihre Lebensfreude ihn sofort anspringen und an der Gurgel packen würde.

Es war ihm schwergefallen, das Mädchen unberührt zu verlassen.

Und er glaubte nicht, dass er die Frau nehmen und der Gleiche bleiben könnte.

Sein Telefon läutete, und als er die Nummer erkannte, blieb ihm das Herz stehen. Warum zum Teufel rief Simca ihn nach all der Zeit an? Dies war der dritte Tag in Folge. Er hatte nicht abgenommen, auch wenn ein Teil von ihm erfahren wollte, warum seine frühere Geliebte versuchte, Kontakt mit ihm aufzunehmen.

Ihr und ihrem Ehemann gehörte das Restaurant, in dem Brian in New York gearbeitet hatte. Sie hatte Brian erzählt, ihre Ehe sei vorbei, und sie hatten eine Affäre angefangen, während ihr Mann im Ausland ein neues Restaurant eröffnete. Sobald er zurück war, feuerte er Brian vor der gesamten Küchenmannschaft. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, beschuldigte er ihn, geheime Familienrezepte gestohlen zu haben. Am Ende der Beziehung stand Brian mit einem Bündel Was-wäre-wenns und Warums da – was ungefähr so befriedigend war wie ein Beilagensalat nach einer langen Wandertour.

War das nicht ein weiterer Grund, um sich nicht in eine intensive Beziehung mit Jill zu stürzen? Er schnaubte. Genau. Was zwischen ihnen war denn nicht intensiv?

Brian drückte auf „Ablehnen“ und legte das Telefon beiseite, dann schob er den Einkaufswagen sorgsam weiter. Nein, er hatte Simca nichts mehr zu sagen. Er war hier. Und die Vergangenheit musste Vergangenheit bleiben.

Davon hing seine Zukunft ab.

Die Fleischabteilung lockte wie eine Sirene und flüsterte: in der Pfanne geröstet, gebraten, gekocht. Die aufreizende Stimme löste die Knoten in seinem Magen. So viele Möglichkeiten. Er stand da und ließ der Inspiration freien Lauf, während die Einkaufswagen um ihn herum langsamer wurden und die Kunden ihn beobachteten.

Er hörte andere geflüsterte Stimmen aus der Vergangenheit – sowohl aus Dare als auch aus New York –, aber er blendete sie aus.

3. Kapitel

Dares Dreigestirn der Wahrheit, wie die Einwohner sie scherzhaft nannten, kam in ihr Café. Zwei Generationen von Journalisten betrieben die Tageszeitung der Familie Hale, den Western Independent, eine der führenden unabhängigen Tageszeitungen des Landes. Jills Großvater hatte den Verlag gegründet, als der Preis für Kaffee noch fünf Cent gewesen war. Seitdem hatte er das zeitlose Getränk mit unzähligen Präsidenten und Herrschern weltweit geteilt. Jetzt hatte ihre Schwester den Posten ihres Vaters übernommen, der sich jüngst zurückgezogen hatte, und ihr Großvater hätte darüber nicht glücklicher sein können. Da nun auch noch Merediths neuer Ehemann das Team verstärkte – ein ehemaliger Auslandskorrespondent –, lag so viel Energie in Arthur Hales Schritten, wie es bei einem Mann in den Siebzigern nur möglich war.

Wie immer hielt Meredith Händchen mit Tanner, und er blieb stehen, um Großvater Hale die Tür aufzuhalten. Wer das alte Schlitzohr nicht besser kannte, hätte annehmen können, sein finsterer Blick resultiere aus einer Abneigung gegenüber Jills Laden. Aber auch wenn er über ihren albernen Kaffee und die Preise meckerte, war das alles nur Theater. Ein bisschen Aufregung hielt sein Herz am Schlagen, und Jill wusste das genau.

„Bist du in der Stimmung für einen Himbeer-Mokka, Grandpa? Gerade rechtzeitig zum Valentinstag.“

Seine buschigen Augenbrauen schnellten in die Höhe. „Bist du verrückt? Gib mir verdammt noch mal einen normalen Kaffee. Unverständlich, warum Leute Obst in ihrem Kaffee wollen. Zu meiner Zeit …“

„Die Leute vermischen auch Obst mit Götterspeise, Marshmallows und Schlagsahne und nennen es Salat“, unterbrach Jill ihn und trommelte mit ihren pinkfarbenen Fingernägeln auf den Tresen. „Zu meiner Zeit bestand Salat aus Salatblättern und …“

„Hi, Jill“, mischte Tanner sich ein, dessen dunkle Haare und Augen ihrem Mokka-Espresso Konkurrenz machten. „Ich hätte gern einen Caffè americano. Und meine wunderschöne Frau nimmt einen …“ Er studierte die Tafel, dann wandte er sich um und sah Meredith an. Die Energie zwischen ihnen wirkte, als hätte Zeus einen Blitz vom Himmel gesandt. Neidisch seufzte Jill. Würde es zwischen Brian und ihr jemals so sein?

„Oh, um Himmels willen“, murmelte ihr Großvater. „So sind sie die ganze Zeit. Bestell diesen Obstkaffee. Irgendwas, damit dieser schmalzige Blick ein Ende hat.“

Tanners Schultern bebten vor Lachen. „Schmalziger Blick? Wow, das ist echt ein Ausdruck von früher.“

„Na ja, ich bin eben auch uralt. Ich kann nicht fassen, dass ich für diesen Kaffee und diese Konversation den langen Weg durch die Kälte gelaufen bin. Meine Hüfte.“ Um Aufmerksamkeit heischend klopfte er dagegen.

Jill verdrehte die Augen. Um seine Gesundheit könnte es nicht besser stehen. „Mere?“

„Der mit Himbeeren klingt köstlich.“

Tanner nestelte in seiner Brieftasche. „Wir diskutieren gerade über ein neues Editorial, deshalb brauchten wir eine neutrale Umgebung. Die zwei hier sind ziemlich hart rangegangen.“

„Und du bist was?“ Meredith runzelte die Stirn. „Jimmy Carter in Friedensgesprächen? Zufällig erinnere ich mich …“

Jill griff nach seinem Zwanziger, verschwand, um den bestellten Kaffee zuzubereiten, und scheuchte ihre Barista Margie fort. Wenn sie die Journalisten herauskehrten, war mit ihnen nicht zu reden.

Sie vergewisserte sich, dass auf dem Becher ihres Großvaters kein einziger Wasserfleck war, sonst hätte er ihr die Hölle heißgemacht. Manche Familien klopften einem auf die Schulter, um ihre Liebe und Unterstützung auszudrücken. Andere Familien neckten sich. Die Familie Hale hätte den Emmy für die beste Comedy gewonnen.

Der neue Himbeer-Kaffee, den sie für den Valentinstag kreiert hatte, ließ sie an Brian denken. Natürlich. Würden sie am Valentinstag irgendetwas unternehmen, wenn sie heute Abend ihr erstes Date hatten? Es war nur noch eine Woche bis dahin.

„Hier kommt euer Kaffee“, rief sie.

Automatisch griffen sie nach ihren Bechern, während sie ihre Diskussion über das Gesundheitssystem fortsetzten. Sie gingen zum Tisch und grüßten auf dem Weg dorthin andere Gäste. Die kleine Gruppe war so auf sich konzentriert, dass es schwerfiel, sich nicht ausgeschlossen zu fühlen.

Normalerweise machte es ihr nichts aus, nicht Teil des Hale-Journalisten-Clubs zu sein, aber wenn das Dreigestirn der Wahrheit in ihrem Café saß, nagten die alten Gefühle, das schwarze Schaf der Familie zu sein, an ihr.

Don’t Soy With Me war unbestreitbar ein Erfolg, aber sie wollte mehr. Einige Leute fanden ihr Lokal „zu süß, um es in Worte zu fassen“. Mann, es war verlockend, ihnen ein Croissant in den Mund zu stopfen. Sie sehnte sich danach, Dare und ihrer Familie zu zeigen, dass sie etwas Großes schaffen konnte, so groß wie die Zeitung der Familie.

Am meisten aber wollte sie es sich selbst beweisen. Und gemeinsam mit Brian ein Restaurant zu eröffnen, schien die Eintrittskarte zu sein. Außerdem hätte das den zusätzlichen Vorteil, ihn hier zu halten.

Margie stupste sie in die Hüfte. „So in Gedanken?“

„Ich hatte nicht genug Kaffee heute Morgen.“

„Lass mich dir etwas ganz Spezielles machen.“ Ihr Augenbrauen-Piercing funkelte im Licht.

„Danke.“

Jill wandte sich ab. Jemma hatte das immer für sie gemacht. Ihre beste Freundin hatte ihr geholfen, Don’t Soy With Me zu entwickeln. Sie blickte auf die Gedenktafel, die sie an der hinteren Wand nach Jemmas Tod angebracht hatte. Auf der einen Seite sah man ein Foto von ihr, auf der anderen stand die Inschrift: Unser Kaffee-Engel. Du wirst immer in unseren Herzen sein.

Das Läuten des Telefons riss sie aus ihren Tagträumen.

Margie klemmte sich den Hörer zwischen Ohr und Schulter. „Klare Sache.“ Dann legte sie das Telefon ab. „Hey, es ist der Typ mit der sündhaft schönen Stimme, der dich immer wieder anruft und keine Nachricht hinterlassen will. Ich bin fast traurig darüber, dass du hier bist, denn ich hatte mich schon auf seine Anrufe gefreut.“

Beim Gedanken an das Geheimnis kicherte Jill. „Nun, ich muss nur in Erfahrung bringen, was er will.“

„Wart’s nur ab. Seine Stimme … die ist wie eine französische Schokoladentarte.“

„Im Ernst?“

Margie deutete eine Ohnmacht an. Jill ging zurück in ihr Büro. Dieser Anruf sollte besser so spannend sein wie angekündigt. Wenn es irgendein Perverser war, der wissen wollte, was sie anhatte, dann würde sie Peggy später anrufen. Ihre Freundin könnte dann den Deputy Sheriff herauskehren, wobei sie angeregt darüber reden würde, wie das Gesetz mit Verrückten umgehen sollte, bevor diese zu einer Bedrohung wurden. Die seltsamsten Dinge verbesserten Peggys Laune.

Jill schmunzelte beim Anblick ihres Schreibtischs, der seit Kurzem violett gestrichen war. Sie hatte ihn neu lackiert, damit er zu ihrem Couchtisch zu Hause passte. Mit den roten und gelben Wänden, dem grünen Stuhl und dem Gemälde einer blauen Lagune an der Wand schrie ihr Büro förmlich nach Regenbogen und Einhörnern. Sie liebte es.

„Hallo. Hier spricht Jill Hale.“

„Miss Hale, Sie sind schwer zu erreichen. Mein Name ist Mac Maven.“

Seine Stimme verursachte tatsächlich einen wohligen Schauer. Französische Schokoladentarte passte perfekt. „Mr. Maven, wie kann ich Ihnen helfen?“

„Ich würde mich gern mit Ihnen treffen, um Ihnen ein geschäftliches Angebot zu unterbreiten. Wir haben einen gemeinsamen Freund, Jack Higgins.“

Was um alles in der Welt konnte das bedeuten? Jack war ein Stammgast, der in letzter Zeit häufiger als üblich kam. Erst vergangene Woche hatte er eine Menge Fotos von ihrem Laden gemacht und ihr erklärt, er wolle versuchen, einige Freunde im Silicon Valley davon zu überzeugen, wie kultiviert es in Dare zuging, damit sie zu Besuch kämen. War dieser Typ einer von ihnen? Jack hatte Millionen verdient da draußen, bevor er mit seiner Frau und den zwei Kindern in die kleine Stadt gezogen war, um ein weniger hektisches Leben zu führen, und nebenbei machte er Unternehmensberatungen. Was sie wirklich an ihm schätzte, war seine Bodenständigkeit angesichts all seines Geldes und Erfolges.

„Jack ist ein großartiger Typ. Ich würde mich gern mit Ihnen treffen.“ Und wenn es nur war, um Jack einen Gefallen zu tun. „Was schlagen Sie vor?“

„Nun, das ist etwas kompliziert.“ Er machte eine Pause. „Ich weiß, dass es ziemlich ungewöhnlich ist, aber meine Geschäftsinteressen erfordern ein Geheimhaltungsabkommen. Jack kann sich für mich verbürgen, wenn Sie skeptisch sind.“

Sie drehte ihren Glück bringenden Flying-Purple-People-Eater-Stift im Kreis, weit davon entfernt, fasziniert zu sein. „Ein Geheimhaltungsabkommen, hm?“ Nun, das klang ganz nach Silicon Valley.

Sein Lachen brach förmlich hervor – ein voller, leichter Klang. „Nein, nichts dergleichen. Es ist nur eine Formalität. Ich würde gern darauf verzichten, aber darüber wären meine Anwälte unglücklich, und sie würden es als Grund anführen, um ihre Gebührensätze zu erhöhen.“

Dieses Mal war es an ihr zu lachen. Sie hatte Stanley Kepok als Honoraranwalt, aber er war der Jurist der Zeitung und stellte ihr keinen Cent in Rechnung. „Ich habe schon so etwas gehört.“

„Warum schreiben Sie sich nicht meine Nummer auf und rufen Jack an, um sich über mich zu erkundigen? Und dann können Sie mich zurückrufen.“

Er nannte ihr seine Mobilnummer, und sie schrieb sie mit. „Okay, aber ich sollte Sie warnen. Ich denke gerade über ein anderes Geschäftsprojekt nach.“ Brains attraktives Gesicht tauchte vor ihrem inneren Auge auf.

„Sie wirken auf mich wie jemand, den ein Angebot faszinieren könnte, das mit einem Geheimhaltungsabkommen zusammenhängt.“

„Da haben Sie recht, aber mein Partner und ich kennen uns schon lange.“

„Ah“, murmelte er, und sie wünschte, Margie wäre an ihrer Stelle am Telefon. Jill interessierte sich für niemanden außer für Brian, aber die Stimme dieses Mannes verursachte ihr ein Kribbeln.

„Wie lange?“

„Seit meiner ersten Selbstständigkeit. Einem Limonadenstand.“

„Und wie lief der?“

„Wir haben Geld gescheffelt. Ich habe meinen Großvater überzeugt, eine Anzeige in unserer Zeitung aufsetzen zu dürfen. Dann habe ich meine Mutter dazu gebracht, alle frischen Zitronen in Dare zu kaufen und uns zu helfen, Kekse zu backen. Mein Partner meinte, Haferflocken-Rosinen-Plätzchen würden besser gehen als die mit Schokoladenstückchen. Sie sind nicht so süß.“ Sie hielt einen Moment inne, die Erinnerung ließ es ihr warm ums Herz werden. „Er hatte recht.“

„Sie sind also dazu ausersehen, wieder Limonade aus Zitronen zu machen?“

„So etwas in der Art.“

„Tun Sie mir nur einen Gefallen. Rufen Sie Jack an.“

„Okay, aber ich kann nichts versprechen.“

„Es ist spannend.“

„Stopp. Sie sind ja schlimmer als ein Rattenfänger.“

„Okay. Und, Jill, ich muss nur noch eine weitere Sache sagen, Pfadfinderehrenwort. Nach allem, was ich über Sie und Ihr Café gehört habe, kann ich es kaum erwarten, Sie kennenzulernen. Schönen Tag noch.“

„Danke“, brachte sie heraus. „Ihnen auch.“

Nachdem er die Verbindung unterbrochen hatte, starrte sie auf das Telefon. Sie war jetzt tatsächlich gespannt, deshalb startete sie ihren Laptop und schickte Jack eine E-Mail mit der Bitte um weitere Informationen. Dann suchte sie im Internet. Macs Name wurde schon vorgeschlagen, bevor sie auch nur drei Buchstaben eingegeben hatte.

Als sie sein Foto sah, hätte sie beinahe Margie hereingerufen. O mein Gott. Der Blick aus seinen grünen Augen schien sein Gegenüber zu verfolgen – so in der Art, wie man es von hervorragenden Porträts sagte. Er hatte hohe Wangenknochen und ein schelmisches Lächeln, sein glattes Haar war so dunkelbraun, dass es fast schwarz wirkte. Und in seinem Kinn hatte er ein Grübchen. Er schien etwa in Tanners Alter zu sein – Mitte bis Ende dreißig. Wow! Er hätte in einer Seifenoper mitspielen können.

Als sie seine Biografie entdeckte, hockte sie sich hin. Mac Maven war einer der größten Pokerspieler, und ihm gehörte ein Unternehmen namens Four Aces Incorporated. Es war spezialisiert auf Boutique-Hotels für die Pokerwelt – nicht der Typ dieser riesigen Casinos mit protzigen Ausgabeautomaten. Er war definitiv kein Typ aus dem Silicon Valley. Sie lachte.

„Vielleicht will er ein Franchise meines Cafés für seine Hotels.“ In seinen edlen Restaurants beschäftigte er berühmte Küchenchefs, aber eine Kaffeehauskette gehörte nicht dazu. Das wäre eine Möglichkeit. Jill vollführte einen kleinen Tanz in ihrem Sessel.

Er war einer der ganz Großen. Und er wollte sie haben. Die entscheidende Frage war: Wofür?

Sie konnte sich nicht mehr bremsen, wie immer. Das hier könnte so viel größer sein als jedes Restaurant, flüsterte die Geschäftsfrau in ihrem Innern ihr ins Ohr.

Sie war ein schrecklicher Mensch. Sie glaubte, größer wäre besser.

Nun, Brian und sie hatten nur darüber gesprochen, ein Lokal zusammen zu eröffnen. Er hat noch nicht zugestimmt, fügte die leise Stimme hinzu. Sie musste abwarten, was Jack sagen und wie sich die Dinge mit Brian entwickeln würden.

Dann schaltete sie ihren Laptop aus, damit sie sich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrieren konnte.

Sie musste sich auf ein Date vorbereiten. Eines, auf das sie ihr ganzes Leben lang gewartet hatte.

4. Kapitel

Deputy Sheriff Peggy McBride fuhr auf dem Nachhauseweg durch ihre Straßen, wie sie diese mittlerweile nannte. Erst vor einem Monat waren sie und ihr siebenjähriger Sohn von Kansas nach Dare gezogen, um in der Nähe ihres Bruders Tanner zu leben und weil Peggy hier einen neuen Job angenommen hatte, doch es fühlte sich schon so an, als gehörte sie hierher.

In ihrem täglichen Wettkampf hatten die Berge die Sonne einmal mehr besiegt und hüllten die Stadt in ein gespenstisches Zwielicht. Peggy hatte sich noch nicht an die Erhabenheit der Natur gewöhnt, die so anders war als die Hügel der Prärie in Kansas, wo Stürme, die sich zusammenbrauten, schon meilenweit zu sehen waren.

Sie fuhr die Adler Street hinunter, als sie Jill sah, die gerade zu ihrem Wagen ging und gekleidet war wie eine Frau, die noch etwas vorhatte. Peggy würde ihren Arsch darauf verwetten, dass Jill zu Brian fuhr. Sie fuhr mit ihrem Wagen heran und ließ die Scheibe hinunter.

„Planen Sie irgendetwas Illegales heute Abend, Miss Hale?“

Jills Augen blitzten, ein schelmisches Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Ich bin nicht sicher, ob ich einer Polizistin etwas vom Gesetz erzählen sollte.“

„Ich muss jetzt die Babysitterin ablösen, aber hast du Zeit, ein paar Minuten rüberzukommen und mir alles darüber zu berichten?“

Es fiel Peggy nicht leicht, Freundschaften zu schließen. Sie verstand das männliche Geschlecht besser. Peggy wusste, wie man mit einem Queue beim Billard umging – und mit einer Waffe. Sie war nicht beleidigt, wenn Männer rülpsten oder sich in den Schritt fassten, und sie konnte den Bad Cop so gut spielen, dass ihre Kumpel scherzten, sie lasse deren Eier verschrumpeln. Aber sie versuchte, Nähe zu Jill aufzubauen, insbesondere da Jill die Schwester ihrer Schwägerin war und somit ein Teil ihrer neuerdings erweiterten Familie.

Außerdem unterhielt sie niemand wie Jill, die sich immer benahm, als wäre sie gerade auf Droge – allerdings auf eine positive Art, nicht auf diese Bring-mich-ins-Kittchen-Weise.

Jill kam näher und schob ihren Ärmel hoch. Selbst in der Dämmerung war ihre lilafarbene elektrische Uhr mit den künstlichen Edelsteinen nicht zu übersehen. „Ich wollte mir gerade einen neuen Lipgloss kaufen, aber ich verhalte mich schon neurotisch. Pink Passion genügt völlig. Und jetzt kann ich die gewonnene Zeit gut für ein Gespräch unter Mädels nutzen. Danke.“

Ein Gespräch unter Mädels, dachte Peggy. Was trinken die Leute noch mal dazu? Tee? „Okay, wir sehen uns dann gleich.“

Die stillen Straßen von Dare zogen sie in ihren Bann, als sie weiterfuhr. Eltern kamen von der Arbeit heim und begrüßten ihre Kinder am Garagentor. In schlichten Giebelhäusern flammten die Lichter auf.

Als Peggy ankam, wartete Jill schon vor ihrer Haustür.

„Wie um alles in der Welt hast du mich überholt?“, wollte Peggy wissen, als sie aus dem Wagen stieg.

Ihre Freundin schlenderte zu ihr herüber. „Du fährst wie eine alte Dame. Ich dachte, als Deputy hätte man den Vorteil, niemals ein Strafmandat wegen zu schnellen Fahrens zu bekommen.“

„Von Polizisten wird erwartet, sich das Gesetz zum Vorbild zu nehmen und es durchzusetzen“, erwiderte Peggy affektiert.

„Klingt nach einem schlechten Deal. Ich liebe es zu rasen.“

Peggy lachte und steuerte aufs Haus zu. „Lass mich nur meine Babysitterin bezahlen. Dann mache ich dir Tee.“

„Ich hasse Tee.“

„Gott sei Dank. Ich dachte schon, wir müssten Little Women nachspielen.“

„Ich mag Little Women.“

Peggy schloss auf und ging hinein. Das Trappeln der Füße, das sofort einsetzte, war der Höhepunkt ihres Tages – jeden Tag.

„Mom!“ Keith kam um die Ecke gerannt, herausgeputzt in einem Superman-Sweatshirt und einer blauen Jogginghose. Auf einer seiner Wangen zeichneten sich rote Linien ab – das lag an seiner Angewohnheit, mit einer Hand unter dem Kinn Fernsehen zu schauen. Als sie sich hinunterbeugte, um ihn zu umarmen, schlang er ihr die Arme um die Taille.

„Mann, ich hab gedacht, du würdest nie kommen. Können wir heute Abend Pizza essen?“

„Nein, die hatten wir erst am Sonntag. Sag Jill Hallo.“

Jill trat durch die Tür, nachdem sie ihre Stiefel abgetreten hatte, bückte sich und breitete die Arme aus. „Wie geht’s meinem Lieblingskumpel?“

„Jillie“, schrie Keith, und es klang wie ein Schlachtruf. Dann ließ er sich in ihre Arme fallen. Ihre große Zuneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Die meisten Menschen mochten Keith auf Anhieb. Peggy wusste nicht, woher er dieses aufgeschlossene Wesen hatte – ganz sicher nicht von ihr oder ihrem Exmann, der ebenfalls Polizist war.

„Mom, jetzt müssen wir Pizza machen. Jill, oder willst du keine?“

„Leider nicht. Ich muss gleich rüber zu Brian. Ich bin nur für ein Gespräch unter Mädels gekommen. Eure Wohnung gefällt mir“, fügte sie hinzu und sah sich um. „Ihr habt euch schon ziemlich häuslich eingerichtet.“

„Ja, Mom hat alles aufgebaut. Ich hab ihr gesagt, wenn die Bilder nicht gerade hingen.“

Ihren Sohn aus Kansas zu entwurzeln, war Peggy nicht schwergefallen. Niemand wollte lieber in der Nähe von Onkel Tanner wohnen als Keith. Okay, sie kam gleich an zweiter Stelle. Sie liebte ihren Bruder von ganzem Herzen. Verdammt, er hatte sie praktisch großgezogen, nachdem ihr Dad sie verlassen hatte. Und ihr Ex war mehr oder weniger von der Bildfläche verschwunden: Er dachte kaum daran, mal anzurufen oder den Unterhalt für Keith zu bezahlen.

„Das Haus sieht großartig aus, aber es könnte mehr Farbe vertragen“, stellte Jill fest.

Peggy schüttelte sich. „Auf keinen Fall. Ich mag Weiß und Grau.“ Sie betrachtete die Landschaftsdrucke an der Wand und dachte an die Modelleisenbahn, die sie noch nach Mitternacht zusammengebaut hatte. Es war eindeutig nicht Jills Stil. Peggy sehnte sich nach Ordnung und klaren Linien – es war ein Rückzugsort für Keith und sie. Sie konnte ihm keinen Vater und kein normales Familienleben bieten. Die Art, wie ihr Ex sie hintergangen hatte, hatte jede Möglichkeit zunichtegemacht. Sie versuchte, es Keith so wenig wie möglich spüren zu lassen. Sie wollte nicht, dass er dachte, ihm würde irgendetwas fehlen.

„Keith, möchtest du nicht ein pinkfarbenes Zimmer?“, erkundigte sich Jill.

Die würgenden Geräusche, die er machte, waren ein bisschen zu echt.

„Ich mache uns einen Kaffee“, sagte Peggy. Dann erkannte sie die Ironie. Sie kochte Kaffee für eine Caféinhaberin. Und sie hatte keine andere Sorte als die supergünstige Marke, die es im Lebensmittelladen gab, nichts Exotisches aus dem Ausland, mit dem Jills Laden warb. Vielleicht würde ihre Freundin es nicht bemerken, wenn sie genug Milch und Zucker hinzufügte.

Sie bezahlte die Babysitterin, die geduldig in der Küche gewartet hatte, und verfeinerte den Kaffee so gut es ging, während Keith und Jill mit ihrem Schal Tauziehen spielten. Nachdem sie den Küchentisch gedeckt hatte – mit Papierservietten statt des üblichen Küchenkrepps –, schickte sie Keith hinaus, damit Jill und sie reden konnten. Er schaltete vor dem Fernseher wieder gedanklich ab und sah sich die Toy Story zum vielleicht siebentausendsten Mal an.

Jill nippte an dem Kaffee, den Peggy zusammengebraut hatte. Peggy bemerkte, wie sie zusammenzuckte.

„Ist er so schlecht?“, erkundigte sie sich.

„Er ist okay.“

„Bitte, ich verhöre mein Leben lang Menschen. Lass mich dir etwas anderes machen.“

„Ist es Instantkaffee?“

„Nein, aber den habe ich, wenn du ihn lieber möchtest.“ Als sie das blanke Entsetzen auf Jills Gesicht sah, lachte sie auf. „Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich als Berufsanfängerin Instantkaffee getrunken habe.“

„Das weckt in mir den Wunsch, Polizisten auf der ganzen Welt zu retten.“

„Wenn du ständig Schichtdienst hast, hörst du auf, den Geschmack wahrzunehmen.“

„Stopp. Mir kommen die Tränen.“ Jill tat so, als müsste sie sich über die Augen wischen. „Also, da ich heute Abend ein echtes Date habe – was hältst du von meinem Outfit?“ Sie sprang auf und schwang herum.

Peggy stand der Mund offen. Mädchen drehten sich füreinander im Kreis? Gott sei Dank hatte sie keinen Gummiknüppel im Haus. Genau deshalb fühlte sie sich unwohl damit, Freundinnen zu haben.

„Ich bin nicht gerade die Modepolizei.“

„Haha. Aber du kannst mir sagen, ob es geht, oder?“

Konnte sie das? Sie ordnete das, was sie sah, ein, als wenn sie einen Verdächtigen beschreiben würde. „Das grüne Sweatshirt passt zu deinen Augen. Die Jeans sind knackig eng, falls du es darauf abgesehen hast. Und es bringt alles …“ Sie deutete auf den tiefen V-Ausschnitt. Auf keinen Fall würde sie über Brüste reden, wenn ihr Sohn im Nebenraum war. „Es sieht … gut aus.“

Jill verdrehte die Augen. „Sehr ermutigend. Könnte ich einen Mann des Gesetzes zu etwas Illegalem verführen?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Um Himmels willen, was hast du dir angesehen?“

„Okay, nächstes Mal fahre ich zu Mere, aber Tanner und sie sind noch im siebten Himmel, deshalb will ich dort nicht unerwartet auftauchen.“

„Bitte, er ist mein Bruder.“ Sie wollte auf keinen Fall auf diese Weise an ihn denken.

„Verstanden.“

„Es muss was Ernstes zwischen dir und Brian sein, wenn er für dich kocht.“

Jill schlug mit der Hand auf den Tisch. „Ja, endlich! Wir haben zwar schon was zusammen unternommen, aber dies ist unser erstes echtes Date. Ich habe ihn gefragt.“

„An so etwas kann ich mich gar nicht erinnern. Ich bin eine alleinerziehende Mutter. Ich sehe mir Comics an, höre Kindermusik und baue bis spät in die Nacht Spielzeug zusammen.“

„Du musst häufiger ausgehen. Wir sollten einen Mädelsabend in Hairy’s Pub machen. Du darfst auf dem Schoß des Kobolds sitzen.“

Peggy ließ ihre Knöchel knacken. „Davon träumst du auch nur. Erzähl mir lieber von Brian und dir.“

Statt zu antworten, rührte Jill ihren Kaffee mit einem Löffel um. Nach einer Weile sagte sie: „Wenn jemand nicht über seine Vergangenheit reden möchte, heißt das normalerweise, dass etwas Schlimmes passiert ist, richtig?“ Ganz offensichtlich hatte sie darüber schon eine Weile nachgedacht. „Brian sagt mir nicht aufrichtig, warum er heimgekehrt ist.“

Peggy sah auf die Uhr und beschloss, nebenbei für Keith Makkaroni mit Käse zuzubereiten, dann wären sie in zwanzig Minuten fertig. Sie stand auf und zog das Gefrierfach auf.

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