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Winterzauber wider Willen

Als Buch hier erhältlich:

Dezember - und Kayla Green hat nur einen Weihnachtswunsch: dass das "Fest der Liebe" möglichst schnell vorbeigeht! Schlitten, Rentiere und dieser bärtige alte Mann im roten Mantel sind ihr ungefähr so angenehm wie Zahnschmerzen. Da kommt der PR-Expertin der Auftrag von Jackson O’Neil sehr gelegen. Als der Hotelier sie bittet, die Feiertage im malerischen Snow Crystal zu verbringen und dort eine Kampagne für das Skiresort seiner Familie zu entwickeln, kann Kayla nicht Nein sagen. Immerhin ist Jackson ihr Auftraggeber und dazu äußerst attraktiv! Und die luxuriöse Blockhütte, in der er sie einquartiert, entpuppt sich zum Glück als lamettafreie Zone. Doch schon das erste Treffen mit Jacksons Familie bringt die Weihnachtshasserin ganz schön in Bedrängnis …


  • Erscheinungstag: 10.11.2014
  • Aus der Serie: Snow Crystal
  • Bandnummer: 1
  • Seitenanzahl: 384
  • ISBN/Artikelnummer: 9783956493713
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Kayla Green stellte die Lautstärke ihrer Lieblings-Playlist höher, um die weihnachtliche Musik und das Gelächter zu übertönen, die trotz der geschlossenen Bürotür an ihre Ohren drangen.

War sie eigentlich der einzige Mensch auf Erden, der diese Jahreszeit hasste?

Es musste doch jemanden da draußen geben, dem es ebenso ging wie ihr, oder?

Jemanden, der Weihnachten kein bisschen fröhlich oder stimmungsvoll fand.

Jemanden, der wusste, dass Misteln giftig waren.

Trübsinnig beobachtete sie die taumelnden Schneeflocken hinter den bodentiefen Glasfenstern, die zwei Wände ihres riesigen Eckbüros bildeten. Sie hatte ausdrücklich nicht von weißer Weihnacht geträumt, aber wie es aussah, würde sie wohl eine bekommen.

Tief unter ihr in den Straßen von Manhattan drängten sich die Touristen, die ganz wild waren auf New Yorks festliche Attraktionen. Ein riesiger Tannenbaum blinkte vor dem Rockefeller Center, und in der Ferne glitzerte der Hudson wie ein silbergrau schimmerndes Band im winterlichen Licht.

Kayla wandte ihren Blick von dem Schnee, dem Baum und den glitzernden Wolkenkratzern ab und konzentrierte sich wieder auf den Bildschirm.

Kurz darauf öffnete sich die Tür, und Tony, ihr Kollege im Bereich Entertainment und Sports erschien mit zwei Gläsern Champagner.

Kayla nahm die Ohrstöpsel heraus. „Wer zum Teufel sucht da draußen eigentlich die Musik aus?“

„Gefällt sie dir nicht?“ Der oberste Knopf seines Hemdes war geöffnet, und das Glitzern in seinen Augen deutete darauf hin, dass dies nicht sein erstes Glas Champagner war. „Versteckst du dich deshalb in deinem Büro?“

„Ich suche nach innerer Ruhe, doch ich würde mich auch schon mit äußerer Ruhe zufriedengeben. Wenn du also auf dem Weg nach draußen die Tür schließen würdest, wäre das großartig.“

„Komm schon, Kayla. Wir feiern das beste Jahr, das wir je hatten. Es ist eine britische Tradition, dass man sich dabei betrinkt, schreckliche Karaoke-Lieder singt und mit seinen Kollegen flirtet.“

„Wer hat dir das denn erzählt?“

„Ich habe Bridget Jones gesehen.“

„Ach so.“ Die Musik verursachte ihr Kopfschmerzen. Es war immer dasselbe in dieser Jahreszeit. Das knotige Angstgefühl in ihrem Bauch. Das schmerzhafte Ziehen in ihrer Brust, das bis zum 26. Dezember nicht weichen wollte. „Tony, möchtest du etwas? Denn ich würde gerne weiterarbeiten.“

„Es ist unsere Bürofeier. Du kannst heute Abend nicht so lange arbeiten.“

Wenn es nach ihr ging, war es der perfekte Abend, um lange zu arbeiten.

„Hast du A Christmas Carol gesehen? Oder das Buch gelesen?”

Er stellte das Glas Champagner vor ihr auf den Schreibtisch. „Ich schätze, in diesem Szenario bist du nicht Tiny Tim, was dich entweder zu Scrooge oder zu einem der Geister macht.“

„Ich bin Scrooge, aber ohne das geschmacklose Nachthemd.“ Ohne das Glas Champagner zu beachten, blickte Kayla in Richtung Tür. „Ist Melinda da draußen?“

„Das letzte Mal, als ich sie gesehen habe, bezirzte sie den CEO von Adventure Travel, der dich schon den ganzen Abend sucht, um dir persönlich für das unglaubliche Jahr zu danken, das seine Firma erlebt hat. Die Buchungen sind um zweihundert Prozent gestiegen, seit du ihren Account übernommen hast. Und nicht nur das, du hast sein Bild auf das Cover des Time Magazine gebracht.“ Er hob das Glas, und sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. „Bis du nach New York kamst, war ich der Goldjunge. Brett gab mir immer Tipps, wie ich nach ganz oben komme. Ich war bestens darauf vorbereitet, der jüngste Vizepräsident zu werden, den diese Firma je ernannt hat.“

In ihrem Kopf begann eine Alarmglocke zu klingeln. „Tony …“

„Nun geht diese Auszeichnung vermutlich an dich.“

„Du bist noch immer der Goldjunge. Wir arbeiten in verschiedenen Bereichen. Können wir morgen darüber sprechen?“ Kayla kramte in ihrer Tasche nach einem Bericht und wünschte sich, sie könnte hineinspringen, sie zumachen und bis Januar darin bleiben. „Ich bin wirklich beschäftigt.“

„Zu beschäftigt, um mein angeschlagenes Ego aufzubauen?“

Sie beäugte den Champagner. „Meine Überzeugung war immer, dass die Menschen für ihr Ego selbst verantwortlich sein sollten.“

Er lachte verächtlich. „Bei jedem anderen hätte ich eine Anspielung in diesem Satz vermutet, aber du machst keine Anspielungen, nicht wahr? Du hast keine Zeit dafür. Genauso wie du keine Zeit für Partys hast oder für einen Drink auf dem Heimweg nach der Arbeit. Du hast für nichts Zeit, außer für die Arbeit. Für Kayla Green, Associate Vice President des Bereichs Hotels & Tourismus, geht es immer nur um das nächste Geschäft. Weißt du eigentlich, dass wir eine Wette im Büro laufen haben, ob du mit deinem Telefon ins Bett gehst?“

„Natürlich gehe ich mit meinem Telefon ins Bett. Du etwa nicht?“

„Nein. Manchmal gehe ich mit einem Menschen ins Bett, Kayla. Einer scharfen nackten Frau. Manchmal vergesse ich die Arbeit und stürze mich in eine Nacht voll unglaublichem Sex.“ Seine Augen ruhten auf ihr, und die Botschaft war unmissverständlich. Kayla wünschte, sie hätte ihre Bürotür abgeschlossen.

„Tony …“

„Ich mache mich hier vermutlich zum totalen Idioten, aber …“

Bitte nicht.“ Da sie vielleicht gleich beide Hände brauchen würde, entschied sich Kayla, die Suche nach der Akte aufzugeben. „Geh zurück zu der Feier.“

„Du bist die verführerischste Frau, der ich je begegnet bin.“

Oh verdammt.

„Tony …“

„Ich muss zugeben, dass ich mir vorgenommen hatte, dich zu hassen, als du von London hierherkamst und direkt zum Associate Vice President ernannt wurdest. Aber mit deiner süßen britischen Art hast du uns alle bezaubert, und Brett hast du mit deinem geschäftlichen Killerinstinkt bezaubert.“ Er beugte sich vor. „Und du hast mich bezaubert.“

Kayla blickte auf das Glas in seiner Hand. „Wie viele davon hattest du schon?“

„Vor ein paar Tagen habe ich dich im Konferenzraum bei einer Präsentation für einen Kunden beobachtet. Du hast nie stillgestanden.“

„Ich kann besser denken, wenn ich mich bewege.“

„Ja, du läufst da herum in diesem engen kleinen Bleistiftrock, der deinen Hintern betont, und in diesen himmelhohen High Heels, die unendlich lange Beine machen, und die ganze Zeit, die du da herumliefst, dachte ich: ‚Kayla Green hat den schärfsten Verstand im Geschäft, aber sie hat auch fantastische Beine …‘“

„Tony …“

„… und sie hat nicht nur fantastische Beine, sondern auch noch unglaubliche grüne Augen, die einen Mann aus tausend Schritten Entfernung töten können.“

Sie starrte ihn eindringlich an und schüttelte dann den Kopf. „Nein. Es funktioniert nicht. Du lebst schließlich immer noch, insofern musst du mit deiner Einschätzung falschliegen. Und jetzt geh zurück zu der Feier.“

„Lass uns hier abhauen, Green. Gehen wir zu mir. Nur du und ich und mein riesengroßes Bett.“

„Tony …“ Sie versuchte, ihrer Stimme den richtigen Tonfall zu geben. Bestimmt, sachlich und eindeutig nicht interessiert. „Ich verstehe, wie viel Mut es dich gekostet hat, mir deine Gefühle ehrlich mitzuteilen, und ich werde ebenso offen sein.“ Na ja, nicht ganz, aber so nah an offen, wie sie überhaupt konnte. „Mal abgesehen von dem Umstand, dass ich niemals etwas mit einem Kollegen anfangen würde, weil es unprofessionell wäre, bin ich wirklich schlecht in Beziehungen.“

„Du kannst gar nicht in irgendwas schlecht sein. Ich hörte, wie Brett diese Woche einem Kunden erzählte, dass du ein Superstar bist.“ Eine bittere Schärfe schlich sich in seine Stimme, und sie seufzte.

„Geht es hier darum? Um Wettbewerb? Als Brett dir Tipps gegeben hat, wie du es allen zeigen kannst, hat er vermutlich nicht gemeint, dass du das wörtlich nehmen sollst.“

„Heißer, schmutziger Sex, Kayla, und nur heute Nacht.“ Er hob das Glas. „Ein Morgen gibt es nicht.“

Soweit es sie betraf, konnte das Morgen gar nicht früh genug kommen. „Gute Nacht, Tony.“

„Ich würde dich deine E-Mails vergessen lassen.“

„Kein Mann hat mich je meine E-Mails vergessen lassen.“ Der Gedanke an diese traurige Tatsache verbesserte ihre Stimmung keineswegs. „Du bist betrunken, und du wirst diese Szene morgen früh bereuen.“

Er setzte sich auf ihren Schreibtisch, direkt auf einen Stapel von Rechnungen, die sie noch abzeichnen musste. „Weißt du, ich dachte immer, ich würde hart arbeiten, aber dann traf ich dich. Kayla Green, PR-Genie, das allen immer einen Schritt voraus ist.“

Sie zog an den Rechnungen. „Mein nächster Schritt wird ein Tritt in deinen Hintern sein, wenn du nicht von meinen Rechnungen aufstehst.“

„Hintern? Ich dachte, ihr Briten sagt Arsch dazu.“

„Hintern, Arsch – nenn ihn, wie du willst, aber nimm ihn von meinem Schreibtisch. Und jetzt geh nach Hause, bevor du etwas sagst, das du zu jemandem, der wichtig ist, besser nicht sagen solltest.“ Sie war schon drauf und dran, aufzustehen und ihn mit Körpereinsatz hinauszuwerfen, sah aber zu ihrer Erleichterung, dass die Tür sich öffnete und Stacy, ihre persönliche Assistentin, hereinkam.

Ihr Blick fiel auf das leere Glas in Tonys Hand. „Äh, Tony – Brett sucht dich. Eine neue Chance für ein Geschäft. Er sagt, du bist der Richtige, das in die Hand zu nehmen.“

„Tatsächlich? In dem Fall …“ Tony nahm Kaylas unberührtes Glas und schlenderte zur Tür. „Das Geschäft geht immer vor, nicht wahr? Auf jeden Fall vor das Vergnügen.“

Stacy sah ihm erstaunt nach. „Was ist denn in den gefahren?“

„Offenbar zwei Flaschen Champagner.“ Kayla stützte den Kopf in die Hände und starrte ausdruckslos auf den Bildschirm. „Hat Brett ihn wirklich gesucht?“

„Nein, aber du sahst aus, als würdest du ihn gleich schlagen, und ich wollte nicht, dass du Weihnachten im Gefängnis verbringst. Das Essen dort soll furchtbar sein.“

„Du bist wirklich einmalig und hast dir einen fetten Bonus verdient.“

„Du hast mir bereits einen fetten Bonus gezahlt. Ich habe mir dieses Top spendiert.“ Stacy drehte sich wie eine Ballerina, und schwarze Pailletten glitzerten im Licht. „Was meinst du?“

„Es ist toll. Aber komm damit Tentakel-Tony nicht zu nah.“

„Ich finde ihn süß.“ Stacy errötete. „Tut mir leid. Wolltest du gar nicht wissen.“

„Du findest ihn attraktiv?“ Kayla starrte zur Tür, durch die Tony vor wenigen Minuten verschwunden war, und fragte sich, was mit ihr nicht stimmte. „Ernsthaft?“

„Jede tut das. Außer dir natürlich, aber das liegt daran, dass du zu viel arbeitest, um es zu bemerken. Warum kommst du nicht mit zur Feier?“

„Alle werden über ihre Weihnachtspläne sprechen. Ich bin gut in Gesprächen über die Arbeit, aber völlig verloren, wenn es um Kinder, Haustiere und Großmütter geht.“

„Apropos Arbeit, wir haben einen potenziellen neuen Kunden. Der Typ kommt morgen zu einem ersten Gespräch. Brett möchte dich bei dem Meeting dabeihaben.“

Der Themenwechsel verbesserte ihre Laune sofort. „Was für ein Typ?“

„Jackson O’Neil.“

„Jackson O’Neil.“ Sie kramte in ihrem Hirn. „Der CEO von Snowdrift Leisure. Denen gehört eine Handvoll Luxushotels, die sich auf Wintersport spezialisiert haben. Die meisten befinden sich in Europa. Zermatt, Klosters, Chamonix. Eindrucksvolle Bilanz. Sehr erfolgreich. Was ist mit ihm?“

Stacy starrte sie mit offenem Mund an. „Woher weißt du all dieses Zeug?“

„Damit beschäftige ich mich, wenn andere Menschen ihr Privatleben führen.“ Kayla tippte Jackson O’Neil in die Suchmaschine. „Sollen wir für sie tätig werden? Ich könnte mit jemandem im Londoner Büro sprechen.“

„Es geht nicht um das Europageschäft. Und auch nicht um Snowdrift Leisure. Er ist vor achtzehn Monaten in der Firma etwas kürzergetreten, um in die USA zurückzukehren und sich auf den Familienbetrieb zu konzentrieren.“

„Tatsächlich? Wie konnte mir das entgehen?“ Kayla betrachtete die Bilder, die auf dem Bildschirm auftauchten. Jackson O’Neil war mindestens zwei Jahrzehnte jünger, als sie erwartet hatte. Statt der üblichen Porträts zeigte ihn ein Bild, wie er auf Skiern eine scheinbar senkrechte Piste hinunterfuhr. Sie musste den Kopf neigen, um ihn richtig zu sehen. „Ist das Photoshop?“

Stacy sah ihr über die Schulter und stieß einen anerkennenden Laut aus. „Der Kerl ist wirklich heiß. Ich wette, er trinkt Wodka Martini, geschüttelt, und nicht gerührt. Das ist kein Photoshop. Alle drei O’Neil-Brüder sind Skifahrer. Tyler O’Neil gehörte zum US-Skiteam, bis er sich verletzte. Sie stürzen sich ständig von irgendwelchen Klippen oder so herunter.“

„Dann sollte ich wohl besser nicht erwähnen, dass mir auf der Aussichtsplattform des Empire State Building schwindlig wird.“ Kayla klickte das Bild weg. „Snowdrift Leisure ist eine rasch wachsende erfolgreiche Firma. Warum konzentriert er sich nicht darauf?“

„Wegen der Familie. Den O’Neils gehört das Snow Crystal Resort and Spa in Vermont.“

Familie. Die zerstörerischste Kraft, die die Menschheit kannte. „Ich habe nie davon gehört.“

„Ich schätze, das ist der Grund, warum er uns um Hilfe bittet.“

„Wenn er das Familienunternehmen leiten will, warum hat er das dann nicht von Anfang an getan, statt seine eigene Firma zu gründen?“ Sie klickte sich durch die Homepage von Snow Crystal und begutachtete die Bilder. Ein riesiges Hotel im Alpenstil und kleine Blockhütten, die sich im Wald versteckten. Ein lächelndes Paar in einem von Pferden gezogenen Schlitten. Lachende Familien, die auf einem gefrorenen See Schlittschuh liefen. Rasch klickte sie sich zu den Bildern der Blockhütten zurück. „Vielleicht liebt er Herausforderungen.“

„Er wird es dir zweifellos verraten, wenn ihr euch kennenlernt. Er hat ausdrücklich nach dir gefragt. Er hat gesehen, was du für Adventure Travel geleistet hast.“

Kayla starrte auf die Cottages und dachte, wie friedlich sie wirkten. „Schreiben sie den Auftrag aus?“

„Brett glaubt, dass der Auftrag uns gehört, wenn du Jackson O’Neil morgen überzeugen kannst.“

„Dann sollten wir wohl besser zusehen, dass wir ihn beeindrucken.“

„Ich bin sicher, dass dir das gelingt.“ Stacy zögerte. „Bist du jemals Ski gefahren?“

„Nicht wirklich. Ich meine, ich habe niemals auf einem Paar Skier gestanden, aber immerhin bin ich letzte Woche auf dem Schnee draußen vor Bloomingdales herumgerutscht. Ich hatte das Gefühl, mein Magen dreht sich um. Skifahren muss sich ähnlich anfühlen.“

Stacy lachte. „Meine Eltern sind mit mir nach Vermont gefahren, als ich klein war. Ich kann mich nur noch an Eis erinnern. Selbst die Bäume waren gefroren.“

„Das trifft sich gut, ich liebe Eis.“

„Tatsächlich?“

„Und wie. Idealerweise gestoßen in einer Margarita oder in Schwanenform als Mittelpunkt eines Buffets, aber wenn es sein muss, werde ich auch mit Eis unter meinen Füßen fertig. Es wird alles gut laufen, Stacy. Schließlich helfe ich ihnen nur, den Laden bekannt zu machen, und verbringe dort nicht meine Ferien. Musste ich etwa einen Löwen umarmen, als ich an dieser Afrikasache arbeitete? Nein, musste ich nicht.“ Kayla verspürte die gewohnte Erregung, die sie angesichts einer neuen Auftragschance immer ergriff. Ihre Weihnachtsängste legten sich ein wenig, nun, da sie einen gewichtigen und allgemein respektierten Grund hatte, sich in Arbeit zu vergraben. Damit würde sie die heikle Zeit überstehen, wie sie es immer tat, und niemand würde etwas von ihrem Elend bemerken. „Sei so gut und besorg mir so viel Material wie möglich über Snow Crystal und die O’Neils, vor allem über Jackson. Ich möchte wissen, warum er sich aus seinem höchst erfolgreichen Unternehmen zurückgezogen hat, um nach Hause zurückzukehren und einen alten Kasten zu führen, den ich nicht einmal auf der Landkarte finden kann.“

„Ich werde es dir morgen als Erstes auf den Tisch legen.“ Flott und effizient machte sich Stacy eine Notiz. „Vielleicht solltest du danach mal Pause machen, Kayla. Du vergisst dauernd, dass Weihnachten ist!“

„Das vergesse ich nicht.“

Seit fünfzehn Jahren versuchte sie, es zu vergessen. Aber es gab kein Vergessen.

Wann auch immer sie ihr Apartment oder das Büro verließ, ging sie mit gesenktem Kopf, um den Blick auf glitzernden Fensterschmuck und funkelnde Lichter zu vermeiden, doch nichts half.

Stacy ordnete den Stapel Rechnungen. „Bist du sicher, dass du uns nicht doch bei unserem Teamausflug zum Weihnachtsmann begleiten willst?“

Kayla hatte das Gefühl, als würde ihr jemand durch den Bauch sägen.

Sie zog die Schublade auf, holte die Magentabletten heraus und steckte zwei in den Mund. Sie fragte sich, ob sie wohl bis nach Weihnachten außer Gefecht wäre, wenn sie einfach die ganze Schachtel nahm. „Ich kann nicht, tut mir leid, aber danke für die Einladung.“

„Es gibt dort Weihnachtsbäume und Elfen …“

„Oh Gott, du Ärmste.“

„Warum Ärmste? Ich liebe Weihnachten.“ Stacy blickte sie verwirrt an. „Du etwa nicht?“

„Ich vergöttere Weihnachten. Ich bin völlig am Boden zerstört, dass ich euch nicht begleiten kann. Ich meinte ich Ärmste, nicht du Ärmste.“ Ihr Kiefer schmerzte vor Anstrengung, so etwas wie ein Lächeln hinzubekommen. „Denkt an mich, während ihr mit den Elfen tanzt.“

„Vielleicht solltest du trotzdem mitkommen und mit dem Weihnachtsmann reden. Du könntest ihm deinen Wunschzettel geben: Lieber Santa, bitte bring mir den Snow-Crystal-Auftrag zusammen mit einem ordentlichen Budget. Und wenn du schon dabei bist, hätte ich gerne auch noch Jackson O’Neil nackt. Das Geschenkpapier kannst du dir sparen.“

Alles, was sie sich zu Weihnachten wünschte, war, dass es möglichst schnell vorüberging.

Die aufflackernden Erinnerungen trafen sie wie ein Schlag. Kayla stand abrupt auf und ging zum Fenster. Doch alles, was sie da draußen sah, hatte mit Weihnachten zu tun. Sie ging zurück an ihren Schreibtisch, setzte sich und schwor sich im Stillen, nächstes Jahr eine Reise in die Antarktis zu buchen. Wale beobachten. Wale feierten kein Weihnachten, oder?

Als das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte, atmete sie erleichtert auf. Gott sei Dank.

Stacy wurde sofort wieder geschäftlich und griff über den Schreibtisch nach dem Hörer, doch Kayla winkte ab.

„Ich nehme das. Ich erwarte einen Anruf des CEO von Extreme Explore. Mir wäre es allerdings lieber, wenn der Mann nicht taub werden würde von diesen Weihnachtsglocken oder Schlittenglocken oder was für Glocken auch immer da draußen bimmeln. Insofern wäre es toll, wenn du die Tür hinter dir zumachst, wenn du wieder zurück zur Feier gehst. Danke, Stacy. Und falls irgendjemand fragt, ich bin nicht da, und du hast auch keine Ahnung, wo ich bin.“ Kayla wartete, bis Stacy die Tür hinter sich schloss, stöhnte dann entnervt auf und ließ ihre Stirn auf die Tischplatte sinken. „Beschissenes, elendes, grauenhaftes Weihnachten. Bitte geh dieses Jahr rasch vorüber, weil ich ansonsten noch das letzte Stückchen Eis aus Vermont brauche für all die Drinks, die ich trinken werde.“ Sie setzte sich auf, atmete tief durch, strich sich das Haar aus dem Gesicht und nahm den Hörer. „Oliver?“ Da sie nicht wollte, dass er die Verzweiflung in ihrer Stimme hörte, setzte sie wieder ihr Lächeln auf. Gott sei Dank war dies keine Videokonferenz. „Hier ist Kayla. Schön, Sie zu hören. Wie geht es Ihnen? Ich habe Ihre Geschäftspläne für das nächste Jahr durchgearbeitet. Aufregend!“

Mit dem hier, dachte sie, wurde sie fertig.

Kein Weihnachten. Kein Weihnachtsmann. Keine Erinnerungen.

Nur Arbeit.

Wenn sie den Kopf einzog und sich voll darauf konzentrierte, den O’Neil-Auftrag zu ergattern, wären die schrecklichen Feiertage bald überstanden.

„Was für ein verdammter Unsinn ist das denn?“ Walter O’Neil war achtzig Jahre alt, ließ seine Faust aber mit der Energie eines halb so alten Mannes auf den Küchentisch niedersausen. Sein Enkel Jackson saß im Sessel und biss sich auf die Zunge, um nicht aus der Haut zu fahren.

Jedes Treffen verlief gleich.

Bei jeder Auseinandersetzung kamen sie auf dasselbe Thema zurück.

Dies war der Grund, warum er nicht mit seiner Familie hatte arbeiten wollen. Es war nichts Berufliches, sondern etwas Persönliches. Es gab keinen Raum, um zu agieren. Jeder Anflug einer guten Idee wurde im Keim erstickt. Er hatte sein eigenes Unternehmen aus dem Nichts erfolgreich aufgebaut, und nun kam er sich wie ein Teenager vor, der am Wochenende im Familienbetrieb aushalf.

„Das nennt man Public Relations, Gramps.“

„Das nennt man Geldverschwendung. Ich hätte das nicht getan und dein Vater auch nicht.“

Das war ein Schlag unter die Gürtellinie. Jackson wechselte einen raschen Blick mit seinem Bruder, doch bevor einer von beiden antworten konnte, ertönte ein lautes Klirren. Seine Großmutter starrte bestürzt auf die Scherben am Boden.

Der Welpe winselte und kroch Rettung suchend unter den Tisch.

„Grams …“ Jackson sprang sofort auf, doch seine Mutter war vor ihm bei seiner Großmutter.

„Macht nichts, Alice, ich mochte diesen Teller sowieso nie. Hässliches Ding. Ich räume die Scherben fort.“

„Normalerweise bin ich nicht so tollpatschig.“

„Du hast den ganzen Vormittag gebacken. Du musst erschöpft sein.“ Sie warf ihrem Schwiegervater einen vorwurfsvollen Blick zu, den dieser ungerührt erwiderte.

„Was? Willst du damit andeuten, dass ich nicht über Michael sprechen darf? Wollen wir alle so tun, als ob wir nicht wissen, was hier gerade geschieht? Kehren wir sein Andenken wie Krümel unter den Teppich?“

Jackson wusste nicht, was schlimmer war – mit ansehen zu müssen, wie seine sonst so quirlige Großmutter ganz kleinlaut wurde, oder der Schatten, der sich über das Gesicht seiner Mutter legte.

„Ich brauche Hilfe beim Dekorieren der Lebkuchenmänner.“ Sie schmeichelte und beruhigte und sorgte dafür, dass jeder sich wohlfühlte, wobei sie die düstere Stimmung ihres Schwiegervaters ignorierte. Innerhalb von Sekunden hatte sie Alice vor ein Blech mit frischen Lebkuchenmännern und verschiedenen Schüsseln mit gefärbtem Zuckerguss gesetzt.

„Ich dachte, dies sollte ein Familientreffen werden, kein Familienstreit“, meldete sich Tyler vom anderen Ende des Tisches ungeduldig zu Wort.

„Streit?“ Alice sah besorgt zu Elizabeth. „Ist dies denn ein Streit?“

„Natürlich nicht. Es soll nur jeder zu Wort kommen.“

„Familien müssen zusammenhalten.“

„Wir sind zusammen, Alice. Aus diesem Grund ist es so laut und unruhig.“

„Wenn das so ist, dann ziehe ich mich mit Vergnügen zurück.“ Tyler war schon halb aufgestanden, doch Jackson warf ihm einen warnenden Blick zu.

„Bleib sitzen. Wir sind hier noch nicht fertig.“

„Ich bin fertig.“ Tyler hasste jede Form von Autorität. Er hielt Jacksons Blick stand, doch als er sah, wie sein Bruder angriffslustig das Kinn vorschob, ließ er sich wieder auf den Stuhl fallen. „Kann mir jemand sagen, warum ich überhaupt nach Hause gekommen bin?“

„Weil du eine Tochter hast“, blaffte Walter. „Und Verantwortung. Es kommt der Tag im Leben eines Mannes, wenn er mehr tun muss, als die Pisten hinunterzurasen und Frauen aufzureißen.“

„Du warst derjenige, der mir beigebracht hat, die Pisten hinunterzurasen. Du hast mir die Gene gegeben und die Ski, und du hast mir gezeigt, was ich mit beidem tun muss.“

Jackson fragte sich, wie zum Teufel er diesen Laden hier zum Laufen bringen sollte, wenn sein „Personal“ mehr seelische Bürden mit sich rumschleppte, als man am Flughafen Gepäck fand.

„Wir sollten beim Geschäftlichen bleiben.“ Sein Ton brachte ihm die Aufmerksamkeit ein, die er brauchte. „Tyler, du hilfst Brenna bei der Erstellung des Programms für die Winteraktivitäten.“ Und da lauert schon ein weiteres Problem, dachte er. Er hatte den Eindruck, dass Brenna nicht allzu erfreut war, Tyler in Snow Crystal wiederzusehen, und er war ziemlich sicher, dass er den Grund dafür kannte.

Er sah zu, wie seine Mutter eine Schüssel mit weißem Zuckerguss auf den Tisch stellte und seiner Großmutter ein Messer reichte.

Nun, da Alice beschäftigt war, widmete sich Elizabeth O’Neil dem zerbrochenen Porzellan auf dem Boden.

Jackson fühlte sich, als müsste er barfuß über die Scherben balancieren.

„Ich habe vor, dieses Geschäft hier anzukurbeln, doch dafür muss ich einige Veränderungen vornehmen.“

Sein Großvater sah ihn finster an. „Es lief durchaus gut, als ich es führte und als dein Vater es führte.“

Nein, das tat es nicht. Die bittere Wahrheit über die Situation der Firma lag ihm bereits auf der Zunge, doch dann sah er, wie seine Mutter den Besen umklammerte, sodass ihre Fingerknöchel ganz weiß wurden. Wusste sie, welch ein Chaos sein Vater hinterlassen hatte?

Er hätte es ihnen direkt sagen und gar nicht erst versuchen sollen, sie zu schützen, dachte er. Wenn er von vornherein Klartext geredet hätte, wären sie jetzt vielleicht nicht gegen ihn.

Jackson sah seinen Großvater an. „Ich bin nach Hause gekommen, um den Betrieb zu übernehmen.“

„Niemand hat dich darum gebeten.“

Elizabeth straffte die Schultern. „Ich habe ihn darum gebeten.“

„Wir brauchen ihn hier nicht.“ Walter schlug mit der Faust auf den Tisch. „Er hätte dort bleiben sollen, wo er war, und seine neumodische Firma leiten und den dicken Chef markieren. Ich hätte den Betrieb hier leiten können.“

„Du bist achtzig Jahre alt, Walter. Du solltest es langsamer angehen lassen und dir nicht noch mehr aufbürden. Schluck doch bitte einmal deinen Stolz hinunter und nimm die Hilfe an, die dir angeboten wird.“ Elizabeth klaubte die Porzellanscherben auf. „Du solltest dankbar sein, dass Jackson nach Hause gekommen ist.“

„Ich bin nicht dankbar! Ein Unternehmen ist dazu da, um Geld zu machen. Doch er gibt es nur aus.“

Jackson blieb ruhig und bemühte sich, den aufsteigenden Ärger zurückzuhalten. „Das nennt man eine Investition.“

„Das nennt man Geldverschwendung.“

„Es ist mein verdammtes Geld.“

„Kein Fluchen in meiner Küche, Jackson O’Neil.“

„Und warum zur Hölle nicht?“ Tyler war so unruhig wie ein eingesperrtes Wildtier. Jackson wusste, dass sein Bruder sich hier drinnen gefangen fühlte und dieses Gefühl fast so sehr hasste wie jede Form von Autorität. Alles, was er je gewollt hatte, war Ski fahren, und das so schnell, wie es menschenmöglich war. Seit der Verletzung, die seine Skifahrerkarriere beendet hatte, litt er an starken Stimmungsschwankungen.

„Provozier deinen Großvater nicht, Tyler.“ Seine Mutter warf die Scherben in eine Mülltüte. „Ich mache erst einmal Tee.“

Er stand kurz davor zu sagen, dass sie nicht Tee, sondern Teamarbeit brauchten, doch dann erinnerte sich Jackson daran, dass seine Mutter immer Tee kochte und alle möglichen Sachen backte, wenn sie gestresst war. Und sie war seit achtzehn Monaten gestresst. „Tee wäre großartig, Mom.“

„Wenn du von mir erwartest, hier sitzen zu bleiben, brauche ich etwas verdammt Stärkeres als Tee.“ Tyler holte sich ein weiteres Bier aus dem Kühlschrank und warf auch seinem Bruder eines zu.

Jackson fing die Dose mit einer Hand auf. Er wusste, dass Tyler die ganze Situation trotz seiner äußeren Gleichgültigkeit ebenso wenig gefiel wie ihm. Es bedrückte ihn, dass sie diesen Ort verlieren konnten. Es ging ihm auf die Nerven, dass sein Großvater sich weigerte, die Dinge loszulassen.

Jackson fragte sich, ob es falsch von ihm gewesen war, nach Hause zu kommen.

Doch dann sah er das faltige, ängstliche Gesicht seiner Großmutter, die sich verbissen auf die Verzierung der Lebkuchenmänner konzentrierte, und die besorgte Miene seiner Mutter und wusste, dass er auf keinen Fall hätte fortbleiben können.

Sein Großvater wollte ihn vielleicht nicht hier haben, doch er wurde zweifellos gebraucht.

Er sah zu, wie seine Mutter herumwuselte und Trost darin fand, sich um andere Menschen zu kümmern. Sie stellte ein Blech mit frisch gebackenen Zimtsternen in die Mitte des riesigen Pinientisches und sah nach dem Brot, das im Ofen buk.

Der Duft rief Erinnerungen an seine Kindheit wach. Die große freundliche Küche war immer ein Teil seines Lebens gewesen. Nun war sie das, was einem Konferenzraum am nächsten kam, und seine anstrengende, nervige und liebenswerte Familie war sein Geschäftsführungsteam. Zwei Senioren in den Achtzigern, eine trauernde Witwe, ein draufgängerischer Bruder und ein überdrehter Welpe mit Erziehungsbedarf.

Beam mich hoch, Scotty.

Seine Mutter stellte einen dampfenden Becher neben sein Bier, und er verspürte einen kurzen Anflug von Schuldgefühl, weil er sich gerade heftig in sein altes Büro zurückwünschte, zu seinem erfahrenen Team, wo er sich ausschließlich auf die Arbeit konzentrieren konnte. Diese Zeit schien so lange zurückzuliegen. Sein Leben hatte sich verändert. Und im Moment war er nicht sicher, ob zum Besseren.

„Die Veränderungen, die wir vornehmen, werden etwas bewegen, doch wir müssen den Leuten von diesen Veränderungen erzählen. Dafür engagiere ich eine PR-Agentur, die ich aus meiner Tasche bezahle.“ Angesichts der finanziellen Lage von Snow Crystal blieb ihm auch gar nichts anderes übrig. „Wenn ich also Geld verschwende, dann höchstens mein eigenes.“

Sein Großvater schnaubte abfällig. „Wenn du dein eigenes Geld wegwerfen möchtest, bist du sogar noch dümmer, als ich dachte.“

„Ich engagiere Experten.“

„Du meinst Außenstehende.“ Walter rümpfte die Nase. „Und vielleicht solltest du auch mit deinem anderen Bruder sprechen, bevor du hier Entscheidungen über das Familienunternehmen triffst.“

„Sean ist nicht hier.“

„Weil er so vernünftig ist, die Leitung anderen zu überlassen. Ich sage nur, dass er wissen sollte, was hier vor sich geht, das ist alles.“

„Er kommt Weihnachten nach Hause. Dann spreche ich mit ihm.“ Jackson beugte sich vor. „Ich brauche jemanden, der Snow Crystal die Aufmerksamkeit verschaffen kann, die es verdient. Wir müssen die Buchungszahlen verbessern. Wir brauchen belegte Betten.“

„Geht es darum, dass du hier etwas beweisen willst? Denn das hast du bereits getan mit deiner großspurigen Art, deiner modernen Firma und deinen neumodischen Autos.“

Veränderung, dachte Jackson. Sie hassen Veränderung.

Alles, was sein Großvater verstand, waren klare Worte. Na gut, dann würde er eben klare Worte bekommen.

„Wenn wir die Dinge so lassen, wie sie sind, verlieren wir das Unternehmen.“

Seine Großmutter kleckerte eine Lache Zuckerguss auf den Tisch, seine Mutter wurde blass, und die blauen Augen seines Großvaters blitzten in seinem zerfurchten Gesicht wütend auf.

„Dieser Ort ist seit vier Generationen im Besitz unserer Familie.“

„Und ich versuche ihn der Familie auch für die nächsten vier Generationen zu erhalten.“

„Indem du ein Vermögen für eine schicke New Yorker Agentur ausgibst, die Vermont nicht einmal auf der Landkarte finden kann? Was verstehen die schon von unserem Geschäft?“

„Eine Menge. Sie haben eine Abteilung, die sich auf Hotels und Tourismus spezialisiert hat, und die Frau, die sie leitet, weiß, was sie tut. Hast du schon einmal von Adventure Travel gehört?“ Jackson beugte sich auf seinem Stuhl noch weiter vor. „Sie standen vor dem Untergang, als Kayla Green den Kunden übernahm. Ihr gelang es, dass das Unternehmen in allen anvisierten Schlüsselmedien erwähnt wurde.“

„Ach, Fachchinesisch“, brummte Walter. „Wer ist sie denn? Eine Zauberin?“

„Sie ist PR-Spezialistin. Eine der Besten auf ihrem Gebiet. Sie hat Medienkontakte, von denen wir anderen nur träumen können.“

„Sie ist nicht die Einzige mit Medienkontakten.“ Walter O’Neil schnaubte demonstrativ, um zu zeigen, was genau er von Kayla Greens Fähigkeiten hielt. „Ich gehe seit zwanzig Jahren mit Max Rogers, dem Herausgeber der Snow Crystal Post, zum Bowling. Wenn ich einen Artikel in der Zeitung haben möchte, bitte ich ihn darum.“

Die Snow Crystal Post.

Jackson wusste nicht, ob er lachen oder ein Loch in den Tisch hauen sollte.

Seinem Großvater die Geschäftsführung von Snow Crystal abzunehmen war ungefähr so, als würde man versuchen, einem hungrigen Löwen ein Stück frisches Fleisch aus dem Maul zu reißen.

„Die Lokalpresse ist großartig, doch wir brauchen vor allem Aufmerksamkeit von den nationalen und internationalen Medien …“ Er wollte eigentlich noch „soziale Medien“ hinzufügen, entschied sich aber, damit gar nicht erst anzufangen. „PR beinhaltet mehr, als mit der Presse zu sprechen, und wir müssen größer denken als die Snow Crystal Post.“

„Größer ist nicht immer besser.“

„Nein, aber klein kann pleite bedeuten. Wir müssen expandieren.“

„Du hörst dich an, als ob wir eine Fabrik sind!“

„Keine Fabrik, ein Unternehmen. Ein Unternehmen, Gramps.“ Jackson rieb sich mit den Fingerspitzen die Stirn, um seinen Kopfschmerz zu lindern. Er war daran gewöhnt, irgendwo hereinzukommen und dafür zu sorgen, dass die Arbeit gemacht wurde. Aber das galt jetzt nicht mehr. Nicht bei seiner eigenen Familie, denn hier ging es darum, Gefühle zu berücksichtigen.

Doch langsam wurde ihm klar, dass sie nur auf harte Fakten reagieren würden. „Es ist wichtig, dass ihr erfahrt, wie die Dinge im Moment stehen …“

Seine Mutter schob ihm einen Teller hin. „Nimm einen Lebkuchenmann.“

Jackson starrte düster auf die lächelnden Lebkuchenmännchen. Sie würden nicht so verdammt fröhlich aussehen, wenn sie wüssten, wie schwarz die Zukunft für das Familienunternehmen war.

„Mom …“

„Du bringst das schon in Ordnung, Jackson. Du wirst tun, was richtig ist. Übrigens, Walter …“ Ihr Ton war beiläufig. „Warst du schon beim Arzt wegen dieser Schmerzen in deiner Brust? Ich kann dich heute gern rüberfahren.“

Walter verzog mürrisch das Gesicht. „Ich habe mir beim Holzhacken einen Muskel verspannt. Es ist nichts.“

„Er will einfach nicht hören.“ Alice tauchte ein Messer in die Schüssel mit Zuckerguss. „Ich sage ihm immer wieder, dass er es beim Sex ruhiger angehen lassen sollte, doch er ignoriert mich.“

„Guter Gott, Grams!“ Tyler rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. Seine Großmutter blickte von dem Lebkuchenmann in ihrer Hand auf. Etwas vom alten Feuer flackerte in ihren Augen.

„Achte auf deine Sprache! Und was ist überhaupt los mit dir? Glaubst du etwa, Sex ist nur etwas für die Jungen? Du hast Sex, Tyler O’Neil. Jede Menge sogar, wenn man den Gerüchten glauben darf.“

„Ja, aber ich rede nicht mit meiner Großmutter darüber.“ Tyler erhob sich. „Ich bin dann mal weg. Ich kann nur ein gewisses Maß an Familie an einem einzigen Tag ertragen. Höchste Zeit, die Pisten hinunterzurasen und Frauen hinterherzujagen.“

Da er wusste, dass Tyler nicht Teil seines Problems war, ließ Jackson ihn ohne Widerspruch ziehen.

Er fing den Blick seiner Mutter auf und las die Botschaft in ihren Augen.

Sie warnte ihn davor, den Druck auf seinen Großvater weiter zu vergrößern.

Die Tür schlug hinter Tyler zu, und seine Großmutter verzog das Gesicht. „Er war als Junge wild, und er ist als Mann wild.“

„Er ist nicht wild.“ Elizabeth füllte Milch in ein hübsches gepunktetes Kännchen. „Er hat einfach seit seiner Verletzung noch nicht seinen Platz in der Welt gefunden. Er wird sich mit der Zeit fangen, vor allem jetzt, da er Jess zu Hause hat.“

Jackson dachte, dass seine Mutter ebenso gut von sich selbst sprechen könnte. Seit dem Tod seines Vaters hatte sie ihren Platz in der Welt nicht gefunden. Die Wunde war so frisch wie immer, und Elizabeth taumelte herum wie ein Vogel mit gebrochenem Flügel.

Der Kuchenduft lockte den Welpen unter dem Tisch hervor. Er schaute hoffnungsvoll zu Jackson hoch und wedelte so stark mit dem Schwanz, dass der ganze Körper wackelte.

„Maple, Süße.“ Elizabeth hob die kleine Hündin hoch. „Sie mag dieses ganze Geschrei nicht.“

Walter schnaubte. „Gib ihr etwas zu fressen. Ich sehe sie gerne fressen. Sie war nur Haut und Knochen, als sie zu uns kam.“

Jackson schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, befand er sich noch immer in der Küche. Noch immer in einem „Meeting“, bei dem die Hälfte der im Raum Anwesenden aus Lebkuchen bestand oder vier Pfoten hatte.

„Mom …“

„Hast du vielleicht eine Minute, um den Karton mit der Weihnachtsbaumdekoration herunterzuholen? Alice und ich müssen die Sachen sortieren.“

Jackson verkniff sich den Hinweis, dass er seit seiner Ankunft in Snow Crystal nicht eine einzige freie Minute hatte. Er steckte bis zum Hals in Arbeit – mit Krediten, Businessplänen, Angestellten, die ihren Job nicht richtig machten, und Abrechnungen, die nicht stimmten. Es gab Tage, an denen er im Stehen aß, und Nächte, in denen er angezogen auf dem Bett lag, weil er zu müde war, sich zu entkleiden.

„Wir sind vom Thema abgekommen. Du musst lernen, ein Meeting auf Kurs zu halten, Jackson.“ Sein Großvater griff nach einem Keks. „Also, was weiß diese Frau aus New York eigentlich von unserem Betrieb? Ich wette, sie hat noch nie einen Zuckerahornbaum gesehen, geschweige denn einen ganzen verdammten Wald davon.“

„Ich lade sie nicht ein, um die Bäume anzubohren, Gramps.“

Sein Großvater stieß ein abfälliges Ächzen aus. „Sie hat vermutlich noch niemals einen wirklich guten Ahornsirup probiert. So habe ich deine Großmutter kennengelernt. Sie kam, um eine Flasche von unserem Ahornsirup zu kaufen.“ Er biss einem Lebkuchenmann den Kopf ab und zwinkerte Alice zu. „Sie fand mich so süß, dass sie nie wieder ging.“

Während er zusah, wie seine Großeltern liebevolle Blicke tauschten, überlegte Jackson, dass es wohl zu Kayla Greens geringsten Problemen zählte, keinen Ahornsirup probiert zu haben. „Wenn du dich damit besser fühlst, werde ich ihr eine Flasche geben. Doch das ist nicht unser Hauptgeschäft, sondern ein Hobby.“

„Hobby? Die O’Neils sind in dieser Gegend berühmt für die hohe Qualität ihres Ahornsirups – das ist seit über einhundert Jahren eine Familientradition. Hier kommen Touristen her, um zu sehen, was wir tun, und du nennst das ein Hobby?“

„Wie viele Touristen?“ Jackson ignorierte den Lebkuchenmann auf dem Teller vor ihm. „Was glaubst du denn, wie viele Touristen letztes Jahr hierherkamen? Weil ich dir nämlich sagen muss, dass es nicht genug waren, um diesen Ort weiter zu unterhalten.“

„Dann hättest du vielleicht nicht so viel Geld ausgeben sollen, um diese schicken Hütten zu bauen und das Haupthaus neu zu möblieren. Brauchen wir einen Spa-Bereich? Brauchen wir einen Pool? Musst du eine französische Köchin im Restaurant beschäftigen? Alles nur Verschwendung.“ Sein Großvater war jetzt knallrot im Gesicht, und Jackson erhob sich voller Sorge. Er wusste, wie sehr sie einander verletzten. Doch er wusste auch, dass Snow Crystal Resort untergehen würde, wenn sie der Zukunft nicht bald ins Gesicht sahen.

Und das würde er nicht zulassen.

„Ich werde tun, was getan werden muss. Und du wirst mir vertrauen müssen.“

„Dann bist du jetzt also Alleinherrscher.“ Doch die Stimme seines Großvaters war brüchig, und Jackson sah etwas in den Augen des alten Mannes, das ihn innehalten ließ.

Dies war der Mann, der ihm beibrachte, wie man einen Stock zum Bogen schnitzte, wie man an einem Bach einen Damm baute und einen Fisch mit bloßen Händen fing. Dieser Mann hatte ihn aus dem tiefen Schnee gezogen, wenn es ihn von den Skiern riss, und dieser Mann hatte ihm gezeigt, wie man die Dicke des Eises auf dem See testete, damit man nicht einbrach.

Und dies war der Mann, der seinen Sohn verloren hatte.

Jackson lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Ich bin kein Alleinherrscher, aber es führt kein Weg daran vorbei, dass wir dringend etwas ändern müssen. Wir gehören nun mal zu einer Wirtschaftsbranche, die stagniert. Wir müssen uns von der Masse abheben. Wir müssen etwas Besonderes anbieten.“

„Snow Crystal Resort ist etwas Besonderes.“

„Es heißt jetzt Snow Crystal Resort and Spa, und ausnahmsweise sind wir uns darin einig: Es ist etwas Besonderes.“

Die Augen seines Großvaters schimmerten verdächtig. „Warum müssen wir denn dann die Dinge verändern?“

„Weil die Leute nichts davon wissen, dass wir etwas Besonderes sind, Gramps. Doch sie werden es erfahren.“ Der Welpe schnüffelte an seinem Knöchel, und Jackson beugte sich hinunter, um sein weiches Fell zu streicheln. „Ich fliege morgen nach New York, um Kayla Green zu treffen.“

„Ich kapiere immer noch nicht, was ein Mädchen aus Manhattan davon verstehen soll, wie man ein Resort wie unseres leitet.“

„Sie ist nicht aus Manhattan. Sie ist Britin.“

Die Miene seiner Mutter hellte sich auf. „Sie wird sich in diesen Ort verlieben. Mir ging es so. Vom alten England nach Neuengland.“

Walter runzelte die Stirn. „Du lebst hier schon so lange, dass ich dich nie als Britin gesehen habe. Herrje, ich wette, diese Kayla hat noch nie einen Elch gesehen!“

„Muss sie einen Elch sehen, um ihren Auftrag zu erledigen?“ Doch in seinem Kopf keimte eine Idee. Nicht unbedingt ein Kompromiss, aber doch eine Lösung, die funktionieren könnte. „Wenn ich Kayla Green überreden kann, hierherzukommen und aus erster Hand zu erfahren, was genau wir hier in Snow Crystal anbieten, wirst du ihr dann zuhören?“

„Hängt davon ab. In ein paar Stunden wird sie nicht allzu viel zu sehen bekommen, oder?“

Jackson stand auf. „Sie kann eine Woche lang bleiben. Gott weiß, dass wir genug leer stehende Cottages haben.“

„Niemals wird Miss New York oder Miss London oder wo zum Teufel sie auch herkommt, bereit sein, mitten im Vermonter Winter eine Woche in unserer Wildnis zu verbringen.“

Insgeheim stimmte Jackson ihm zu, doch er wollte noch keine Niederlage eingestehen.

„Ich bringe sie hierher, und du wirst ihr zuhören.“

„Ich höre ihr zu, wenn sie etwas sagt, das es wert ist, ihr zuzuhören.“

„Einverstanden.“ Er warf sein Jackett über, während seine Mutter ihn besorgt ansah. „Bleib zum Essen. Du arbeitest so hart. Ich wette, du hattest keine Zeit zum Einkaufen.“

„Er hätte eben nicht ausziehen sollen.“ Sein Großvater schnippte mit den Fingern, um die Aufmerksamkeit des Hündchens auf sich zu ziehen. „Er hätte nicht das ganze Geld dafür ausgeben sollen, diese heruntergekommene alte Scheune in sein schickes Zuhause zu verwandeln, wo wir doch all diese leeren Zimmer haben.“

„Ich habe den Wert dieser heruntergekommenen alten Scheune verdreifacht.“ Und außerdem mit dieser Maßnahme dafür gesorgt, dass er nicht verrückt wurde. Jackson verstaute den Tablet-Computer in seiner Tasche und dachte, dass das Hightech-Teil ihm hier so wenig nützte, dass es ebenso gut aus Lebkuchenteig bestehen könnte. „Kein Essen, danke. Ich muss noch ein paar Zahlen für die Leute von Innovation zusammenstellen. Ich verbringe den Abend bei mir.“

„Das tust du immer“, murrte seine Großmutter. Jackson schüttelte resigniert den Kopf und trat aus der warmen gemütlichen Küche in die kalte Winterluft hinaus.

Die dicke Schneeschicht unter seinen Schuhen knirschte, und er blieb stehen, um den Frieden und die Ruhe einzuatmen, zusammen mit dem Duft nach Holzfeuer.

Zu Hause.

Manchmal erstickend, manchmal tröstlich. Ihm wurde klar, dass er es lange gemieden hatte. Dass er länger fortgeblieben war, als er es hätte tun sollen, weil es ihn eine Zeit lang mehr erstickt als getröstet hatte.

Er hatte den Ort mit achtzehn Jahren verlassen, angetrieben von dem brennenden Wunsch, sich selbst zu beweisen. Warum in Snow Crystal gefangen bleiben, wenn die weite Welt dort draußen jede Menge Möglichkeiten und Gelegenheiten bot? Die Begeisterung und Aufregung, etwas Neues zu erschaffen, etwas, das seins war, beflügelten ihn geradezu. Er war lange auf dieser Welle geritten – bis zu jenem Anruf. Er kam mitten in der Nacht, wie alle schlimmen Anrufe, und hatte sein Leben für immer verändert.

Wo wäre er jetzt, wenn sein Vater nicht gestorben wäre? Würde er sein Unternehmen in Europa weiter ausbauen? Oder hätte er gerade ein heißes Date mit einer Frau?

Oder würde er den Rebellen geben wie sein Bruder?

Er hörte ein Winseln und senkte den Blick auf den Boden, wo Maple sich an seine Knöchel drängte. Ihr Fell war voller Schnee, und sie sah irgendwie verschmitzt aus.

„Du solltest nicht hier draußen sein.“ Jackson hob das Knäuel hoch. Unter dem lockigen Fell spürte er das Zittern des kleinen Körpers. Die Hündin war zart und fragil, ein kleiner Spielzeugpudel mit dem Herz einer Löwin. Jackson erinnerte sich, wie er und Tyler sie verlassen im Wald gefunden hatten, ein Fellbündel, kaum noch am Leben. Sie brachten sie nach Hause und päppelten sie wieder auf. „Ich wette, es gibt Tage, an denen du dir wünschst, du wärst nicht ausgerechnet in meiner Familie gelandet.“

Seine Mutter öffnete die Tür und war sichtlich erleichtert, als sie Maple sah. „Sie ist dir gefolgt.“ Sie nahm ihm das Hündchen ab, zog es an sich und überschüttete es mit all ihrer Liebe, während Jackson ihr dabei zusah und spürte, wie das Gewicht der Verantwortung auf ihm lastete.

„Mom …“

„Er braucht dich, Jackson. Früher oder später wird er das erkennen. Dein Vater hat Fehler gemacht, aber dein Großvater schafft es im Moment nicht, sich das einzugestehen. Er kann es nicht ertragen, wenn Michaels Andenken getrübt wird.“

Und sie konnte es ebenso wenig ertragen. Das verrieten ihm die Schatten in ihren Augen.

Er wusste, wie sehr sie seinen Vater geliebt hatte. Die Anspannung in Jacksons Schultern wurde immer größer. „Ich versuche, die Arbeit zu erledigen, ohne ihn zu verletzen.“

Sie zögerte. „Du fragst dich vermutlich, warum du überhaupt zurückgekommen bist.“

„Nein, das frage ich mich nicht.“

Irgendwie musste er einen Weg finden, aus dem, womit sie sich identifizierten, etwas zu machen, mit dem auch er sich identifizieren konnte. Und er musste seinem Großvater dabei das Gefühl geben, als ob die ganze Sache seine Idee gewesen wäre.

Er musste retten, was seine Familie aufgebaut hatte.

Kayla Green mochte im Laufe ihrer Karriere mit einigen der härtesten und erfolgreichsten Unternehmen gearbeitet haben, doch nichts, nichts kam auch nur im Entferntesten an die Herausforderung heran, mit dem O’Neil-Clan zurechtzukommen.

Er konnte nur hoffen, dass sie Lebkuchenmänner mochte.

2. KAPITEL

Angie von der Washington Post hat angerufen. Ich sagte ihr, du würdest zurückrufen. Und ich habe diese Medienlisten hier vervollständigt.“ Stacy beugte sich über ihren Schreibtisch, und Kayla bekam fast keine Luft mehr.

„Ähm – nettes Parfum.“ Ihre Hand schloss sich um den großen Becher Cappuccino, den sie sich auf dem Weg zum Büro geholt hatte. Sie wickelte den Kaschmirschal ab und warf ihn über die Lehne ihres Stuhls. Die Schneeflocken, die sich darauf gesammelt hatten, schwebten zu Boden. „Es friert da draußen wie verrückt. Wenn ich gewusst hätte, dass New York im Winter so kalt ist, hätte ich die Versetzung nach L. A. beantragt.“ Während sie an ihrem Kaffee nippte, streifte sie mit den Füßen nacheinander die Stiefel ab, die sie für den kurzen Weg von ihrem Apartment zum Büro angezogen hatte, und holte ihre Schuhe aus der Schublade.

Durch die Glastür, die sie vom restlichen vierten Stock abtrennte, sah sie, wie zwei Kundenbetreuerinnen diskret ihr Make-up auffrischten. „Was ist los? Brett geht an die Decke, wenn er vorbeikommt und Lipgloss und Wimperntusche sieht.“

„Brett ist bei Jackson O’Neil. Sie warten im Konferenzraum auf dich.“

„Ist Jackson O’Neil der Grund für das Parfum und den plötzlichen Ansturm auf Kosmetika?“

„Der Mann ist verdammt heiß, Kayla.“

Kayla, die nur mit halbem Ohr zuhörte, nahm ihr Smartphone aus der Tasche und ging die neuen E-Mails durch, während sie in ihre Schuhe schlüpfte. „Hast du noch mehr Informationen über ihn bekommen?“

„Ja. Er ist unglaublich sexy und …“ Stacy errötete „…noch Single.“

„Ich meine über die Firma.“

„Ich habe dir alles, was ich finden konnte, heute Morgen zugemailt. Aber Kayla, er ist …“

„Irgendwie habe ich fünfzig E-Mails bekommen, seit ich mein Apartment verlassen habe. Wie ist das möglich? Ich habe den Posteingang doch um fünf Uhr in der Früh geleert.“ Kayla stellte ihren Kaffee ab, schob das Smartphone in ihre Tasche und holte den Stapel Notizen heraus, den sie um drei Uhr nachts erstellt hatte. „Als ich den Schnee gesehen habe, dachte ich, dass O’Neil absagen würde.“

„Er hat einen früheren Flug genommen, weil die Vorhersage so schlecht war und er diese Sache erledigt wissen will. Ich habe ihn aus dem Foyer abgeholt. Es ist mir gerade so eben gelungen, meine Würde zu bewahren und davon abzusehen, mich auf ihn zu stürzen.“

„Das würde dem Begriff ‚Full-Service-Agentur‘ sonst auch eine ganz neue Bedeutung verleihen.“ Grinsend fuhr sich Kayla mit der Hand durchs Haar und atmete dann tief durch. „Du solltest deinen Kopf unter kaltes Wasser halten.“

„Dein Posteingang ist das Pendant zu einer kalten Dusche. Ach, übrigens, das hier ist für dich gekommen. Es trägt den Vermerk ‚Persönlich‘, deswegen habe ich es nicht geöffnet. Ich schätze, es kommt von jemandem, der deine private Adresse nicht kennt.“ Stacy reichte ihr einen Umschlag, und Kayla erkannte die Handschrift ihrer Stiefmutter.

Ein kalter Schauer rieselte ihr den Rücken hinunter. Sie fühlte sich, als wäre sie nackt in einer Schneewehe gelandet.

„Danke.“ Sie stopfte den Umschlag rasch in ihre Handtasche und eilte aus dem Büro. Während sie die Treppe zum Foyer hinabging, dachte sie, dass sie den Umschlag lieber auf ihrem Schreibtisch hätte lassen sollen, statt ihn in ihre Tasche zu stecken. Sie konnte an nichts anderes denken, als dass er da war. Auch wenn er nicht mehr wog als ein paar Schneeflocken, fühlte sich ihre Tasche plötzlich schwer an.

Mitten auf der Treppe hielt sie inne, presste die Handflächen an ihre Rippen und atmete einige Male tief durch.

Das Einzige, was sie momentan beschäftigen sollte, waren Jackson O’Neil und das Snow Crystal Resort and Spa. Sie sollte nicht an ihre Stiefmutter denken, nicht zuletzt weil das dazu führte, dass sie auch an ihren Vater denken musste und dann unweigerlich an ihre Mutter.

Sie gönnte sich einen Moment, um aus dem Fenster auf die benachbarte Skyline von Midtown zu schauen, und rief sich in Erinnerung, wie hart sie gearbeitet hatte, um heute hier zu stehen. Dann ging sie weiter die Treppe hinunter und stieß die Tür zum Foyer auf.

Die New Yorker Büroräume von Innovation waren elegant und stilvoll, eingefasst von bodentiefen Fenstern, die einen atemberaubenden Blick auf Manhattans Wolkenkratzer boten. Heute hatte man den schicken Minimalismus allerdings durch eine festliche Dekoration ersetzt. Ein riesiger Weihnachtsbaum dominierte die Halle, und über der Tür zum Konferenzraum hatte jemand eine Lichterkette mit winzigen Sternen aufgehängt.

Jeder einzelne Mitarbeiter, von der Empfangsdame bis hin zu Brett selbst, schwelgte geradezu in dieser lächelnden, energiegeladenen Stimmung, die sich zwangsläufig zwischen Thanksgiving und Weihnachten einstellte.

Vielleicht war sie ja doch Scrooge, dachte Kayla finster, während ihre Absätze über den polierten Eichenboden klackerten und sie die Empfangsdame im Vorübergehen mit einem diskreten Winken grüßte. Vielleicht würde sie sich nächstes Jahr irgendwo ein Cottage mit Blick auf einen Wald und einen See mieten.

Vielleicht würde sie nächstes Jahr auch jemanden engagieren, um den Weihnachtsmann zu entführen.

Sie stieß die Tür auf, und Brett erhob sich.

„Hier ist sie! Der Star der Show. Kayla, darf ich dir Jackson O’Neil vorstellen. Jackson, das ist Kayla Green.“

Er stand mit dem Rücken zu ihr und bewunderte die Aussicht.

In diesen wenigen Sekundenbruchteilen entschied Kayla, dass Stacy übertrieben hatte. Sicher, das rabenschwarze Haar wirkte vielversprechend, und er schien größer und breiter zu sein als die durchschnittlichen Geschäftsmänner, denen sie in ihrem Arbeitsalltag begegnete. Dennoch konnte sie nichts an ihm entdecken, das die Berge von Kosmetik und all die Aufregung im vierten Stock erklären konnte.

Dann drehte er sich um.

Bei dem tiefschwarzen Haar hatte sie dunkle Augen erwartet, doch seine waren blau. Ein sehr intensives Blau, das geradezu glühte. Kayla verschlug es den Atem, denn wie sie nun sehr genau erkennen konnte, war nichts an diesem Mann durchschnittlich.

Es lag eine gewisse Strenge in seinen Gesichtszügen, eine Härte, die zu allem passte, was sie bei ihrer frühmorgendlichen Arbeitssitzung über ihn gelesen hatte. Vom kühnen Schwung seiner Augenbrauen bis zu dem Höcker auf seiner Nase strahlte er eine unmissverständliche Männlichkeit aus.

Die Augen unter den schweren Lidern erfassten und maßen sie mit einem kurzen Blick, und sie hatte das Gefühl, als ob ihr jemand den Boden unter den Füßen wegriss.

Sie dachte an Stacys Vorschlag, sich vom Weihnachtsmann einen nackten Jackson O’Neil zu wünschen.

Lieber Santa, du hast lange nichts mehr von mir gehört, aber …

„Miss Green.“ Seine Stimme war tief und kräftig. Kayla musste erst einmal den Schock verdauen, dass sie zum ersten Mal Stacys Männergeschmack teilte. Jackson kam auf sie zu und schüttelte ihr die Hand.

Die plötzliche körperliche Anziehung brachte sie aus dem Gleichgewicht.

„Schön, Sie kennenzulernen, Mr O’Neil.“

Für einen flüchtigen Moment kam ihr der Gedanke, dass dieser Mann vielleicht sogar das Zeug dazu hatte, sie ihre E-Mails vergessen zu lassen. Also ermahnte sie sich, dass vergessene E-Mails schlechte Arbeit zur Folge hätten, und das würde sie auf gar keinen Fall zulassen.

„Ich hoffe, Sie hatten einen guten Flug?“ Kayla wählte einen Stuhl, auf dem sie so viel Abstand zu diesen blauen Augen hatte, wie es in dieser Situation zu vertreten war. „Ich bin begeistert von der Möglichkeit einer Zusammenarbeit. Warum erzählen Sie uns nicht ein bisschen darüber, wie wir Ihnen Ihrer Meinung nach helfen können, Mr O’Neil.“

„Jackson.“

„Jackson.“ Es fühlte sich zu persönlich an. „Ich habe den Aufstieg von Snowdrift Leisure verfolgt.“

„Mein Fokus liegt derzeit auf Snow Crystal, dem Familienunternehmen. Es wurde ursprünglich von meinem Vater geführt.“

Und sein Vater war bei einem Autounfall in Neuseeland ums Leben gekommen. Sie hatte bei ihrer Recherche davon gelesen.

Sie überlegte noch, wie sie die Frage, die sich ihr aufdrängte, am taktvollsten stellen konnte, als er fragend eine Braue hob.

„Sie haben eine Frage?“ Er war geradezu schmerzhaft direkt. „Für mich ist der Erfolg dieses Projekts sehr wichtig. Wenn Sie also etwas wissen müssen, dann fragen Sie.“

„Ich möchte nicht taktlos sein.“

Seine Augen funkelten. „Sehe ich so aus, als ob ich empfindlich wäre?“

Er sah wie ein Mann aus, der einen Baum mit der bloßen Handkante fällen konnte. „Es wäre hilfreich zu verstehen, warum Sie sich jetzt und nicht früher in Ihrer Karriere dafür entschieden haben, den Familienbetrieb zu übernehmen.“

„Haben Sie jemals mit Familie gearbeitet?“

„Nein.“ In ihrem Magen bildete sich ein Knoten. „Nein, das habe ich nicht.“

„Gute Entscheidung. Bei einem Familienunternehmen sind noch ganz andere Dinge wichtig als der Blick auf die Zahlen. Die Sache als kompliziert zu bezeichnen würde die ganze Situation noch vereinfachen.“ Um seine Mundwinkel zuckte ein ironisches Lächeln, und Kayla ertappte sich dabei, wie sie den Schwung seiner Lippen betrachtete. Sie war sicher, dass Jackson O’Neil außergewöhnlich gut küsste.

Verärgert über sich und ihre Gedanken, klappte sie ihr Tablet auf.

Verdammte Stacy.

„Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach ist, sich auf eine Geschäftsstrategie zu einigen, wenn die involvierten Personen auch emotional beteiligt sind. Vielleicht könnten Sie die unterschiedlichen Zuständigkeiten innerhalb der Firma skizzieren?“

„Ich würde sie als flexibel bezeichnen.“ Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Die Unternehmensstruktur, wenn man sie denn so nennen kann, ist formlos. Wenn jemand eine Idee hat, dann macht er den Mund auf, auch wenn das nicht unbedingt bedeutet, dass ihm jemand zuhört.“

Aber ihm hörten sie zu, dessen war sie sicher. Er strahlte unmissverständliche Macht und Autorität aus.

„Klingt charmant“, bemerkte Brett, während Kayla ihre Augen auf ihr Tablet gerichtet hielt.

Es klang eher nach Chaos.

Sie sah auf. „Erzählen Sie mir ein bisschen über Snow Crystal.“

„Den O’Neils gehört das Land um Snow Crystal seit vier Generationen. Mein Urgroßvater kaufte es wegen der Zuckerahornbäume und gründete eine Firma, die Ahornsirup produzierte. Sie gewannen ihn auf die traditionelle Art und Weise, indem sie die Bäume anbohrten und den Saft in einem Eimer auffingen. Meine Urgroßmutter half dabei. Sie begannen den Sirup und die Sirupkekse, die sie backte, zu verkaufen. Es kamen viele Touristen, um die Produktion zu besichtigen, deswegen haben sie angefangen, Übernachtungen anzubieten. Und von da an blühte das Geschäft.“ Seine Stimme war tief, mitreißend und selbstbewusst.

Er erzählte die Geschichte einer Familie, die zusammengehalten hatte, die hart gearbeitet hatte, um gemeinsam etwas aufzubauen. Eine Familie mit einer Vergangenheit und einer Zukunft.

Was verstand sie schon davon?

Nichts.

Sie rief sich innerlich zur Ordnung. Schließlich kaufte er ihre fachlichen Qualitäten und nicht ihre Herkunft. „Ich habe im Internet die Blockhütten gesehen.“

„Die habe ich als Erstes bauen lassen, als ich vor achtzehn Monaten wieder in die USA zurückkam. Sie sind aus wiederverwendetem Holz, haben Kamin und Whirlpool und bieten einen Blick auf den Wald. Wenn jemand dem Alltag entfliehen will, findet er hier den richtigen Ort.“

„Buchen Sie mich ein.“ Lächelnd notierte Kayla „romantische Zuflucht“ auf ihrem Tablet. „Und die anderen Räumlichkeiten?“

Er beschrieb das Resort und die Veränderungen, die er vorgenommen hatte.

Sie dachte an die Artikel, die sie mitten in der Nacht gelesen hatte, als sie keinen Schlaf fand. Als talentierter Skifahrer hatte er eine Firma für seinesgleichen gegründet. Die Beschreibungen seiner Person enthielten Begriffe wie fokussiert, schonungslos und visionär, und sein Erfolg mit Snowdrift Leisure ließ darauf schließen, dass diese Beschreibungen zutrafen.

Kayla dachte an das Foto, auf dem zu sehen war, wie er sich auf Skiern die Schneeschlucht hinabstürzte.

Die Szene, die sich vor ihrem geistigen Auge abspielte, lenkte sie vom Wesentlichen ab. Hastig stand sie auf und ging zum Fenster. „Ich habe noch ein paar Fragen – worin besteht Ihrer Meinung nach Ihr wichtigstes Angebot, Mr O’Neil?“ Abgesehen von umwerfenden blauen Augen und einem sexy Körper.

„Wir bieten die üblichen Wintersportarten an, außerdem Schlittschuhlaufen auf dem Eis und Ausflüge im Pferdeschlitten.“ Er schob einen Prospekt über den Tisch. „Trotz der neuen Cottages und des Ausbaus zum Spa verlieren wir Geld. Unsere Auslastung liegt unter vierzig Prozent. Der einzige Teil des Unternehmens, der derzeit Geld abwirft, ist das Restaurant.“

„Mit Snowdrift haben Sie den High-End-Bereich des Marktes anvisiert. Ihre Kunden hatten viel Geld und wenig Zeit, also haben Sie Ihnen alles abgenommen außer dem Urlaub selbst.“ Sie hielt inne und dachte nach. „Auf welche Zielgruppe haben Sie es hier abgesehen? Familien? Paare? Alleinreisende? Abenteurer?“ Weihnachtsflüchtlinge?

Seine Mundwinkel zuckten. „Im Moment nehmen wir jeden, den wir kriegen können, doch der Ort ist ideal für Familien. Wir hatten viel Spaß, als wir in Snow Crystal aufwuchsen. Und nun möchten wir, dass unsere Gäste Spaß haben.“

„Was sagt denn Ihre Familie dazu, dass Sie eine Agentur von außen hinzuziehen?“

„Sie sind skeptisch.“

„Und Sie glauben, Sie könnten sie überzeugen, unsere Ratschläge anzunehmen?“

„Es ist Ihr Job, sie zu überzeugen. Können Sie das?“

„Natürlich kann sie das. Kayla ist gut, sie kriegt alles hin“, schaltete Brett sich ein. „Ich bin sicher, dass sie ihr schon nach fünf Minuten aus der Hand fressen. Kein Problem.“

„Das ist gut, denn Essen ist ein wichtiger Familienzeitvertreib.“ Jacksons Blick richtete sich auf Kayla. „Ich habe mich an Sie gewandt, weil Sie die Beste sein sollen. Es ist von größter Wichtigkeit, dass Sie meine Familie von all Ihren Ratschlägen überzeugen können.“

„Ich verstehe.“ Kayla lehnte sich zurück und machte sich eine Notiz auf dem Tablet. „Es ist immer wichtig, die Unterstützung des gesamten Managements zu haben.“

„Das wird eine echte Herausforderung.“

Brett lächelte. „Herausforderungen verspeist Kayla am liebsten zum Frühstück. Zusammen mit einer Portion Schwierigkeiten als Beilage und dem Unmöglichen als Garnitur. Ist es nicht so, Kayla?“

Sie wünschte, Brett würde den Mund halten. „Wer ist in Ihren Augen die wichtigste Person, die überzeugt werden muss?“

„Mein Großvater.“ Die Antwort kam ohne Zögern. „Er ist in Snow Crystal geboren und hat dort sein ganzes Leben gewohnt und gearbeitet. Er möchte noch immer derjenige sein, der den Laden schmeißt. Und es ärgert ihn, dass es nicht so ist.“

Und du ärgerst dich darüber, dass er dich nicht in Ruhe weitermachen lässt, dachte Kayla.

„Also lässt er Ihnen keine freie Hand?“

„Mein Großvater lebt und atmet dieses Unternehmen. Sie wissen ja, wie das so ist mit Familie.“

Tief in sich spürte sie wieder diesen Knoten.

Nein, sie wusste nicht, wie das mit Familie war. Sie hatte keine Ahnung.

Kayla zwang sich zu einem Lächeln. „Dann sähen Sie es also gerne, wenn ich hochfliege und Ihre Familie kennenlerne?“

„Ich möchte mehr als das. Um meinen Großvater überhaupt von der Idee zu überzeugen, dass wir Hilfe von außen hinzuziehen, habe ich angekündigt, dass Sie einige Zeit bei uns verbringen. Dass Sie uns beweisen, dass Sie unser Geschäft verstehen.“

Die Tatsache, dass er das ohne Rücksprache mit der Agentur gemacht hatte, bestätigte ihren Verdacht, dass Jackson O’Neil ein Mann war, der das Wort Nein offenbar selten zu hören bekam.

Sie behielt ihr Lächeln bei. „Das ist ein großartiger Vorschlag.“

„Ich möchte, dass Sie für eine Woche zu uns kommen.“

Eine Woche!

Sogar Brett wurde aus seiner geschäftsmäßigen Coolness gerissen. „Jackson …“

Eine Woche?

„Sie brauchen die Zeit, wenn Sie all das erleben wollen, was Snow Crystal zu bieten hat.“

Es war ein Test ihrer Einsatzbereitschaft.

Diese blauen Augen waren trügerisch und gefährlich, erkannte Kayla. An der Oberfläche wirkte Jackson O’Neil höflich und umgänglich, doch er war ein Mann, der wusste, was er wollte, und der seine Ziele ohne Scheu verfolgte. Sie hatte so eine Ahnung, dass er diese Augen ganz bewusst einsetzte, um seine Beute benommen zu machen, bevor er zuschlug.

„Eine Woche könnte schwierig werden.“

„Aber Sie lieben doch Schwierigkeiten, oder nicht?“ Er wehrte ihre Argumente mit der Steilvorlage ab, die Brett ihm geliefert hatte. „Sie werden einen Weg finden. Natürlich zahle ich für Ihre Zeit.“

Kayla konnte die Dollarzeichen in Bretts Augen geradezu rattern sehen.

Ihr Chef entspannte sich. „In dem Fall kein Problem.“

Sie widerstand der Versuchung, sich über den Schreibtisch zu werfen und Brett die Gurgel umzudrehen, bis die Worte „kein Problem“ nie wieder über seine Lippen kamen.

Wie um alles in der Welt sollte sie in ihrem vollgestopften Terminkalender eine ganze Woche finden, wenn sogar schon das Pinkeln im Voraus geplant werden musste? Ein Tag wäre schon eine reife Leistung, aber eine ganze Woche?

Sie suchte nach einer Antwort, die nicht lautete: Besorgen Sie mir eine Zeitmaschine, dann besorge ich Ihnen eine Woche. Schon öffnete sie den Mund, um eine Übernachtung im neuen Jahr anzubieten, da kam ihr ein Gedanke.

„Sagten Sie nicht, dass diese Luxushütten sehr abgeschieden liegen?“

„Ja.“

„So abgeschieden“, erkundigte sie sich beiläufig, „dass eine Person sich dort wie der einzige Mensch auf Erden fühlen kann?“

Seine blauen Augen bohrten sich in die ihren. „Das Einzige, was ein Gast zu sehen bekommt, während er im Whirlpool seiner Hütte liegt, sind die örtlichen Wildtiere. Weißwedelhirsche, Waschbären, Elche – gelegentlich ein Schwarzbär, auch wenn die sich um diese Jahreszeit in der Höhle aufhalten, insofern ist das unwahrscheinlich.“

„In der Höhle?“

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