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Roarke - der Abenteurer

Bevor Daria das Bewusstsein verliert, flüstert sie dem Journalisten Roarke O'Malley ein brisantes Geheimnis zu. Roarke ist besorgt - aber gleichzeitig ist seine Neugierde geweckt. Was wird Daria sagen, wenn sie wieder erwacht? Nichts - denn sie hat ihr Gedächtnis verloren ...


  • Erscheinungstag: 10.12.2012
  • Seitenanzahl: 192
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955761103
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Joann Ross

New Orleans Gentlemen
Roarke – Der Abenteurer

Roman

Image

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieses eBooks © 2012 by MIRA Taschenbuchin

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der englischen Originalausgabe:

Roarke: The Adventurer

Copyright © 1997 by JoAnn Ross

erschienen bei: Harlequin Books, Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Getty Images, München

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook 978-3-95576-110-3

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Zeichen (ohne Leerzeichen) 207.787

1. KAPITEL

Es war Mardi Gras, Karneval in New Orleans. Die ganze Stadt war auf den Beinen und feierte. In dieser ausgelassenen Stimmung war ein Toter in ihrem Hotelzimmer das Letzte, was Daria Shea erwartet hatte.

Zuerst merkte sie nicht einmal, dass er tot war.

“Sie haben sich verspätet”, warf sie dem Mann vor, der in dem Sessel am Fenster zum Hof saß. Daria legte die Handtasche und eine Einkaufstüte auf den Tisch. “Wir sollten beim Essen arbeiten. Ich habe uns Sandwiches besorgt.”

Bestimmt schwieg er, weil er nicht einverstanden war. Damit hatte sie schon gerechnet. Und wie üblich ging sie prompt in die Defensive.

“Da draußen ist die Hölle los. Selbst wenn wir irgendwo in der Stadt einen freien Tisch gefunden hätten, wären wir nicht ungestört gewesen.”

Noch immer sagte er nichts, sondern starrte sie nur stumm wie eine der handbemalten Kokosnüsse an, die beim Umzug vom Zulu–Wagen in die Menge geworfen wurden. Nahm er ihr übel, dass sie ihn bei der Ankunft aus Washington nicht erwartet hatte? Er war schließlich derjenige, der sich verspätet hatte. Gereizt holte sie zwei Flaschen aus der Tüte – Mineralwasser für sich und Bier für ihn.

“Hat Ihre Mutter Ihnen nie gesagt, dass man nicht schmollen soll?” Als sie noch immer keine Antwort erhielt, wurde ihr mulmig. “Martin? Das ist wirklich nicht komisch.” Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, während sie langsam zu ihm ging, und ihr Herz schlug schneller. “Martin, was ist denn?”

Sobald sie Bundesanwalt Martin Fletcher an der Schulter berührte, kippte er nach vorne und fiel auf den Fußboden.

Daria presste die Hand auf den Mund, um nicht laut loszuschreien, packte ihre Handtasche und ergriff die Flucht.

Die Blue Bayou Lounge im Whitfield Palace Hotel von New Orleans erinnerte Roarke an die Barszene aus dem Film “Krieg der Sterne”. Eine über zwei Meter große Marie Antoinette mit gepuderter Perücke und großem Adamsapfel unterhielt sich angeregt mit einem Mann, der sich als Riesen–Kondom verkleidet hatte, und einer üppigen Rothaarigen in BH und knappen Shorts, die bis über die Knie reichende Stiefel und eine Peitsche trug, alles aus schwarzem Leder. Jeder Sado–Maso–Anhänger wäre bei ihrem Anblick in Verzückung geraten.

Ein Mann in einem Trikot aus Silberlamee mit riesigen Flügeln und einem glitzernden Heiligenschein tanzte mit einer Nonne. Am Rand der winzigen Tanzfläche verglichen drei Bodybuilder ihre schwellenden Muskelpakete.

“Ich liebe Mardi Gras, Sie auch?” fragte eine Frau.

Roarke drehte sich zögernd zu dem neuen Gast um, der sich auf den frei gewordenen Barhocker neben ihm gesetzt hatte. Hätte er Einsamkeit gesucht, hätte er nicht ausgerechnet während des Mardi Gras nach New Orleans heimkehren dürfen.

“Unvergleichlich”, bestätigte er.

Die Blondine trug unter dem durchsichtigen Minikleid nur einen silbernen Tanga. Nicht einmal der Anblick ihrer sagenhaften, offenbar chirurgisch vergrößerten Brüste löste bei Roarke auch nur die geringste Reaktion aus. Vielleicht hatte sein Chef beim Fernsehen doch Recht gehabt, als er ihm vorwarf, zeimlich ausgebrannt zu sein.

“Wie bitte?” fragte er, als er merkte, dass die Blondine noch etwas gesagt hatte.

“Ich habe gefragt, ob Sie aus New Orleans sind.”

Bevor Roarke antworten konnte, dass er mit der Zeit alle Wurzeln verloren hatte, lief eine Brünette in einem hautengen schwarzen Katzenkostüm und einer Halbmaske auf ihn zu, schlang die Arme um seinen Nacken und küsste ihn mitten auf den Mund.

Ihre Lippen waren so weich, und sie duftete so gut, dass Roarke ein leichtes Verlangen verspürte. Ihr Verhalten überraschte ihn nicht. Da hatte er während des Mardi Gras schon Verrückteres erlebt. Also legte er die Hände auf ihre schlanke Taille und wollte die Fremde näher zu sich heranziehen.

“Wo warst du denn, Darling?” fragte sie und wich zurück. “Ich habe Jan und Harvey versprochen, dass wir sie im Perunia’s zum Abendessen treffen. Wir hätten schon vor einer halben Stunde dort sein sollen. Ich will jetzt unbedingt eine Riesenportion Shrimp Creole, und du kennst mich. Ich erwarte, dass man mir jeden Wunsch erfüllt.”

Wegen der Maske konnte er ihr Gesicht nicht erkennen, doch ihre Augen hinter den Sehschlitzen der Maske funkelten leidenschaftlich, als sie ihn förmlich vom Barhocker zog.

“Ich habe keine Ahnung, wer Jan und Harvey sind”, antwortete Roarke, während sie ihn durch die Menschenmenge führte. “Aber die Sache mit deinen Wünschen, die man dir erfüllen soll, interessiert mich, Schätzchen.”

Sie sah sich gehetzt in der Bar um. “Bitte”, drängte sie und ging eilig mit ihm durch die Hotelhalle. “Spielen Sie mit, und stellen Sie keine Fragen, bis wir auf der Straße sind.”

Schlagartig erinnerte Roarke sich an seinen letzten Einsatz als Journalist in Moskau, an die Explosion und an das riesige Loch an der Stelle, wo er seinen Wagen geparkt hatte.

Diese Frau mochte wie Cat Woman aussehen, wie die Blumen im Garten seiner Mutter duften und wie Honig schmecken, aber er hatte keine Lust, sich auf ein neues Abenteuer einzulassen.

“Hören Sie, Schätzchen …”

“Bitte”, flehte sie. “Sie sollen mir nur helfen, einem unbeschreiblich aufdringlichen Mann zu entkommen.”

Daria hatte Roarke O’Malley sofort erkannt, als sie in die Blue Bayou Lounge geflohen war. Im Fernsehen sah er einfach hinreißend aus, wenn er von den Kriegsschauplätzen der Welt berichtete. Und weil er so hinreißend aussah, tauchten ständig Geschichten über sein wildes Liebesleben in allen Klatschzeitschriften auf.

Daria hatte keine Ahnung, was er hier in New Orleans machte, aber er bot ihr Sicherheit. Roarke O’Malley war der einzige Mann in der Stadt, der ihr garantiert nicht nach dem Leben trachtete.

Seine Reportagen hatten bewiesen, dass er mehr zu bieten hatte als ein attraktives Gesicht auf dem Bildschirm. Er war klug genug, jede Lüge zu durchschauen. Daria hätte ihm gern die Wahrheit erzählt und ihn sogar um Hilfe gebeten, doch sie kannte die Medien. Daher fürchtete sie, er könnte ihre Story veröffentlichen, bevor sie Schutz erhielt. Also durfte sie sich ihm nicht anvertrauen.

Zwar war sie eine schlechte Lügnerin, aber zum Glück hatte sie vor Gericht gelernt zu bluffen. Sie schenkte Roarke ein strahlendes Lächeln, das die härtesten Männer auf die Knie gezwungen hätte.

“Ich hatte mit ihm das schlimmste Blind Date, das man sich überhaupt vorstellen kann”, behauptete sie und streichelte scheinbar unbewusst, aber sehr verführerisch seinen Arm.

Sie war gut, verdammt gut sogar. Das musste Roarke ihr zugestehen. Aber sie schwindelte. Und er wusste aus eigener Erfahrung, dass Frauen das Blaue vom Himmel herunterlogen, damit ein Mann ihre Wünsche erfüllte.

“Warum ich?”

“Was?” fragte sie ungeduldig und nervös.

“Warum soll gerade ich Ihnen helfen?”

“Oh.” Sie holte tief Luft und lenkte für einen Moment seinen Blick auf ihre Brüste, die zar nicht so üppig wie bei der Blondine in dem durchsichtigen Kleid waren, das Katzenkostüm aber gut ausfüllten. “Sie wirken Vertrauen erweckend.” Durch die Sehschlitze hindurch ließ sie den Blick über ihn gleiten. “Und sehr kräftig.”

“Kräftig genug, um mit dem aufdringlichsten Kerl fertig zu werden.” Warum sollte er nicht eine Weile mitmachen? “Es sei denn, es handelt sich um einen Footballspieler oder einen Profiringer.”

“Nein.” Daria stockte. Wie sollte sie ihm erklären, dass sie keine Ahnung hatte, wie der Mann aussah, der sie umbringen wollte?”Ich nehme es wenigstens nicht an.”

Wie schon in der Bar sah sie sich auch in der Hotelhalle ängstlich um und betrachtete jede einzelne Person, als suchte sie jemanden. Als ein Mann im dunklen Anzug hinter einer der Marmorsäulen auftauchte und auf sie zukam, verkrampfte sie sich.

“Könnten wir uns später unterhalten?” fragte Daria. “Sie machen die Leute auf uns aufmerksam.”

Sie hastete weiter auf die Drehtür zu, ohne Roarke loszulassen. Er hätte sie allerdings auch begleitet, hätte sie sich nicht an seinem Arm festgekrallt.

“Wenn Sie keine Aufmerksamkeit erregen wollen, sollten Sie sich anders kleiden”, bemerkte er. “Und wieso kennen Sie den Beruf dieses Kerls nicht?”

“Es ist Mardi Gras”, erwiderte sie, als würde das ihr Aussehen und ihr Verhalten vollkommen erklären. “Welchen Kerl meinen Sie?”

“Den, mit dem Sie sich verabredet haben, ohne ihn zu kennen.”

“Ach, den. Also … wir … wir sind nicht so weit gekommen, dass wir uns über seinen Beruf unterhalten hätten.”

“Das klingt nach Abneigung auf den ersten Blick.”

“Ich bin eine recht gute Menschenkennerin … wenigstens meistens”, erwiderte sie leise.

Auf dem Bürgersteig standen die Menschen dicht an dicht gedrängt, um die abendliche Parade anzusehen. Manche Leute hielten aufgespannte Regenschirme verkehrt herum. Sie hofften auf Souvenirs, die von den Wagen geworfen wurden und die sie zusammen mit ihren Hurrikanbrillen und den Voodooketten nach Hause mitnehmen wollten. Dabei ging es ruppig zu. Roarke hatte selbst gesehen, wie nette ältere Damen mit blau gefärbtem Haar einen Mann mit Fußtritten traktierten, um an eine unechte Perlenkette zu kommen.

Vor drei Stunden war Roarke auf dem Flughafen eingetroffen. Seither war die Temperatur wegen der aufziehenden Wolken um zehn Grad gefallen. Ein kräftiger Wind hatte sich erhoben, brachte den Geruch von Regen mit sich und raschelte in den Blättern der Bananenstauden in einem nahen Garten.

“Ihnen ist doch klar, dass es heute Abend bei Petunia’s sehr voll sein wird.”

“Ich habe nicht die Absicht, dorthin zu gehen”, wehrte sie ab. “Sicher nicht, nachdem ich es in der Blue Bayou Lounge ausposaunt habe.” Hufe klapperten auf dem Pflaster. Als ein berittener Polizist näher kam, wandte sie sich hastig ab.

“Hören Sie.” Roarke reichten die Spielchen jetzt. “Lassen wir den Unsinn. Wenn Sie tatsächlich ein Kerl belästigt, halten wir den Polizisten an und …”

“Nein, das ist wirklich nicht nötig”, wehrte sie hastig ab, beugte sich zu Roarke und küsste ihn auf die Wange. “Vielen Dank für Ihre Hilfe. Es ist schön, dass es in den Südstaaten noch immer Kavaliere gibt.”

Er hätte darauf vorbereitet sein müssen, aber der flüchtige Kuss lenkte ihn einen Moment ab. Die Frau löste sich von ihm und verschwand im Karnevalsgetümmel.

“Verdammt!” Roarke war keine Fehlschläge gewöhnt, und sein Reporterinstinkt sagte ihm, dass er einer spannenden Story auf der Spur war. Hastig nahm er die Verfolgung der schönen Unbekannten auf.

Darias Herz schlug zum Zerspringen, als sie sich einen Weg durch die bunt kostümierte Menschenmenge bahnte. Wieso hatte Martins Mörder nicht im Hotelzimmer auf sie gewartet? Vielleicht war ihm das zu riskant gewesen. Aber sie war überzeugt, dass er es auch auf sie abgesehen hatte.

Ihr Mörder konnte jeder der Maskierten sein – vielleicht Pan mit der Flöte oder Ra, der golden funkelnde Sonnengott, der plötzlich vor ihr auftauchte. Er packte sie an den Armen und erstickte ihren Schrei durch einen Kuss. Sekundenlang fühlte sie seine gepiercte Zunge in ihrem Mund. Dann ließ er sie los und suchte sich das nächste Opfer.

Eine Hand legte sich auf ihren Po, und jemand wollte sie an sich drücken. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, wehrte sie sich nicht gegen die plumpe Vertraulichkeit, sondern hastete weiter. In ihrem Kopf drehte sich alles, und vor ihren Augen verschwammen vor Angst die Bilder. Sie wusste nur eines: Je weiter sie sich vom Polizeirevier entfernte, desto sicherer war sie.

An der Ecke bog Daria in die Saint Peter Street ein, ließ den Fluss hinter sich und kämpfte sich durch die Menge der lachenden und singenden Menschen. Trotz des Lärms auf den Straßen hörte sie das Klicken ihrer hohen Absätze auf dem Pflaster. In ihren Ohren klang es so laut wie Schüsse.

Ihre Nerven waren zum Zerreißen angespannt, und nur mit Mühe unterdrückte sie einen Schrei, als mehrere Betrunkene sie aufhielten.

“Warum denn so eilig?” fragte einer von ihnen und rieb sich lasziv an ihr, während sich ein anderer von hinten an sie presste.

Wütend und verängstigt rammte sie ihm den hohen Absatz auf den Fuß.

Fluchend ließ er sie los. Daria lief weiter und prallte beinahe gegen drei ältere Nonnen, die das Fest beobachteten. Schon überlegte sie, ob sie sich an die Frauen um Hilfe wenden sollte, wollte sie aber nicht in Lebensgefahr bringen. Also lief sie weiter, ohne zu wissen, wer ihr Mörder war und wo er auf sie lauerte.

Normalerweise wäre die Rampart Street völlig verlassen gewesen. An den elf Tagen des Mardi Gras, an denen Umzüge stattfanden, drängten sich jedoch überall Menschen, die auf die bunten Festwagen warteten. Auf ihrem Weg zum Municipal Auditorium im Louis Armstrong Park mussten sie hier vorbeikommen.

Bei mehreren Laternen auf der Brücke, die in den Park führte, waren die Glühbirnen entweder kaputtgegangen oder zerschossen worden. Trotz der vielen Zeugen wäre es ein gefährlicher Fehler gewesen, nachts den Park zu betreten. Auf der Basin Street wäre Daria aber auch nicht sicherer gewesen. Die Basin Street führte in mehreren Biegungen zwischen dem Park und dem Saint Louis-Friedhof Nr. 1 hindurch, auf den sich eine Frau nicht einmal tagsüber wagte.

Daria überlegte soeben, welchen Weg sie einschlagen sollte, als sie von hinten gepackt wurde. Eine in einem Lederhandschuh steckende Hand hielt ihr den Mund so fest zu, dass sie keine Luft mehr bekam. Als der Unbekannte sie zu sich heranzog, fiel ihr Blick auf eine schwarze Henkersmütze. Gnadenlos zerrte der Angreifer sie zum Friedhof.

“Hey, Mann!” rief ein Student in einem Sweatshirt der Tulane University. “Was machen Sie da?”

“Meine Frau und ich hatten einen kleinen Streit”, erwiderte der Mann freundlich, während sich seine Finger schmerzhaft in Darias Haut gruben. “Ich will mich nur in Ruhe mit ihr unterhalten.”

Der Student war offensichtlich nicht überzeugt. “Ist alles in Ordnung, Ma’am?”

Der Mann presste sie so fest an sich, dass sie deutlich eine Waffe in seiner Manteltasche fühlte. “Sagen Sie ja, oder der Junge ist tot”, zischte er ihr ins Ohr. Sein Atem roch nach Bourbon.

Daria zweifelte nicht daran, dass er seine Drohung wahr machen würde. “Alles bestens”, rief sie. Dabei bebte ihre Stimme vor Angst.

Der Tulane-Student betrachtete sie noch einmal eingehend. Als ihm seine Kameraden zuriefen, er solle sich beeilen, zuckte er die Schultern. Er wurde vermutlich nicht gebraucht.

“Braves Mädchen”, sagte der Mann leise. “Sie kommen jetzt mit mir. Ein Freund von Ihnen will sich mit Ihnen unterhalten.”

Daria wusste, dass es keine Unterhaltung geben würde, weil sie eine zu große Gefahr darstellte. Sie musste wie Martin sterben.

In ihrer Verzweiflung riss sie sich los, doch der Mann packte sie am Haar und riss sie derb zu Boden. Mit aller Kraft kam sie wieder auf die Knie. Hinter den Löchern in der Henkersmütze sah sie die Augen des Mörders, Augen, die sie an einen Tiger erinnerten, der seine Beute erspäht hatte.

Daria kämpfte ihre Angst nieder. Sie musste ruhig bleiben. Sie war eine intelligente Frau, hatte in Stanford Jura studiert und als Jahresbeste bestanden. Sie war sogar als Mitarbeiterin für einen Richter des Obersten Gerichtshofs im Staat vorgesehen gewesen, als sie die Stelle bei der Staatsanwaltschaft angetreten hatte. Bestimmt fand sie einen Ausweg aus ihrer Lage.

“Damit kommen Sie nie durch”, warnte sie den Mann, während ihr Herz unerträglich schlug.

“Wollen wir wetten?” Seine Stimme klang tief und rau. “Du hättest dich nicht einmischen sollen, du Miststück. Jetzt lernst du, was mit einer Frau passiert, die ihre Nase in anderer Leute Angelegenheiten steckt.”

Er riss sie hoch und zerrte sie auf den dunklen Friedhof. Die Muscheln, die hier überall anstelle von Kies verwendet wurden, knirschten unter ihren Füßen. Die Grabmäler aus weißem Marmor schimmerten geisterhaft im silbrigen Mondschein, der zwischen den winterlich dichten Regenwolken hindurchfiel.

“Das reicht.” Er schleuderte sie gegen eines der größeren Gräber. Daria prallte mit dem Kopf an den Marmor und glitt langsam zu Boden.

Wie ironisch! Der Mörder hatte ausgerechnet das Grab von Marie Laveau gewählt, um sie umzubringen. Jeder, der bei der früheren Voodoo-Königin von New Orleans Hilfe suchte, hatte auf das Grab ein Kreuz gemalt. Münzen, Muscheln und bunte Perlen lagen vor dem Grab als Bezahlung.

Der Mann kniete sich neben sie und zog die Pistole, die sie gefühlt hatte, aus der Tasche. In diesem Moment erschienen zwei schwarze Jugendliche hinter dem Grab.

“Polizei!” schnauzte der Killer die beiden an.

Mehr brauchte er nicht zu sagen. Die beiden warfen einen Blick auf Daria, den Mann und die Waffe und rannten weg. Auch wenn sie vermutlich nicht mit ehrlichen Absichten auf den Friedhof gekommen waren, wollte Daria sie doch nicht in Gefahr bringen, indem sie um Hilfe rief.

“Also, wo waren wir stehen geblieben?” Sein gelassener Ton war genauso Furcht einflößend wie die Mündung der Pistole, die er Daria an die Schläfe drückte. Die Waffe war mit einem Schalldämpfer ausgestattet. Dieser Mann hatte Übung im Töten und würde beim geringsten Zeichen von Widerstand sofort abdrücken.

Daria hatte nicht genug Luft zum Schreien. Kampflos wollte sie jedoch auch nicht aufgeben. Heimlich fasste sie mit beiden Händen in die Muscheln.

“Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden”, stieß sie hervor.

“Wenn du mit einer Lüge stirbst, kommst du direkt in die Hölle”, bemerkte er ganz beiläufig.

“Es ist nicht gelogen.”

Er versetzte ihr einen harten Schlag ins Gesicht und strich anschließend mit einem Finger über ihre schmerzende Wange. “Wie schade, dass wir nicht mehr Zeit haben”, murmelte er. “Du siehst wirklich nicht schlecht aus.” Seine Hand glitt an ihrem Hals hinunter. “Ich habe nie begriffen, was du an dem Kerl findest, mit dem du dich verlobt hast. Ein Jammer, dass du stirbst, ohne zu wissen, wie gut es mit einem richtigen Mann sein kann.”

Plötzlich kam ihr eine Idee. “Warum muss es denn so sein?” fragte sie.

Er zog den Reißverschluss an der Vorderseite ihres Katzenkostüms herunter. Der schwarze BH, den sie darunter trug, hob sich deutlich von ihrer blassen Haut ab.

“Was meinst du?” Er strich mit dem Lauf der Waffe zwischen ihren Brüsten entlang und genoss es sichtlich, dass Daria erschauerte.

“Wenn Sie mich tatsächlich umbringen wollen …”

“Sicher will ich das.”

“Ich möchte nicht als Jungfrau sterben.”

Volltreffer! Als die Hand mit der Waffe stockte und er sie überrascht ansah, wusste sie, dass sie das Zauberwort ausgesprochen hatte.

“Du lügst.”

“Das kann man feststellen.”

“Du bist verlobt.”

“Na und? Ich bin ein altmodisches Mädchen. Außerdem haben Sie Recht, was James betrifft”, improvisierte sie. “Einmal haben wir es fast gemacht …” Sie verstummte und versuchte, verlegen zu wirken. “Also … er konnte nicht … nun ja, Sie wissen schon.”

Er lachte rau. “Das kann ich mir vorstellen.”

“Sogar zum Tode verurteilten Verbrechern erfüllt man einen letzten Wunsch”, erinnerte sie ihn.

“Wenn du versuchst, mich hereinzulegen, bringe ich dich um.”

“Sie werden mich ohnehin umbringen”, erwiderte sie. “Ich will noch etwas davon haben.”

Er sah sie bohrend an. “Ihr Juristen müsst immer verhandeln.”

“Das liegt uns im Blut.”

Sein Lachen klang sanfter und gefährlicher, während er ihre Brüste betrachtete. “Ich muss verrückt sein! Ich überlege tatsächlich, ob ich es machen soll.”

Daria nahm die Maske ab und bemühte sich um einen verführerischen Gesichtsausdruck. “Ich möchte, dass Sie eine Frau aus mir machen. Danach können Sie mit mir meinetwegen tun und lassen, was Sie wollen. Töten Sie mich, wenn es sein muss. Aber vielleicht sind wir zusammen so gut, dass Sie mich behalten wollen. Niemand müsste das je erfahren.”

“Ich habe mir schon immer eine Lustsklavin gewünscht. In ‚Rawhide’ habe ich einen Artikel gelesen.” Es überraschte Daria nicht, dass er eines der schlimmsten Pornomagazine erwähnte. “Der Typ prozessierte mit seiner Frau um das Sorgerecht für die Kinder und nahm ihre Anwältin gefangen. Das Miststück musste alles tun, was er wollte. Alles”, betonte er, “sonst hätte er sie in Stücke geschnitten.”

Unwillkürlich schauderte Daria. “Mich müssten Sie nicht zwingen. Ich würde alles tun, was Sie wollen.” In ihrer verzweifelten Lage griff sie zu jedem erdenklichen Mittel. Sie legte die Hand auf den Reißverschluss seiner Jeans. “Ich möchte es gern.” Sie ekelte sich, doch sie wollte überleben.

Er sah sich auf dem verlassenen Friedhof um. “Nicht hier.”

“Wo denn?”

“Im Bayou. Dort hört dich niemand schreien.”

Wenn er sie aus der Stadt hinausschaffte, war sie verloren.

Er zerrte sie so heftig auf die Beine, dass es in ihrer Schulter knackte und sie schmerzlich zusammenzuckte. Dann presste er sie an sich, zog die Henkersmütze vom Kopf und küsste sie so hart, dass ihre Zähne aufeinander stießen. Ungeduldig fasste er ihr ins Haar, schob ihren Kopf nach hinten und zwang ihr seine Zunge in den Mund. Nur mit Mühe unterdrückte sie ein Würgen. Dieser brutale Kuss war nicht mit dem zu vergleichen, den sie mit Roarke O’Malley getauscht hatte.

Sofort kam ihr ein anderer Gedanke. Wäre sie vor dem Reporter nicht weggelaufen, würde sie jetzt nicht in der Klemme stecken. Nun war sie ganz auf sich allein gestellt.

So einfach wollte sie sich nicht umbringen lassen. Mit aller Kraft rammte sie dem Mann das Knie zwischen die Beine. Als er sich zusammenkrümmte, schleuderte sie ihm die scharfkantigen Muscheln ins Gesicht.

Er brüllte wie ein verwundeter Löwe. Daria wirbelte herum und lief zurück zur Straße.

2. KAPITEL

Roarke fand die Frau schon zehn Minuten, nachdem sie vor ihm weggelaufen war. Er ging gerade durch die Rampart Street, als er auf eine Menschenansammlung unter einer Straßenlaterne traf. In der Mitte des Kreises stand ein Polizist neben einer bewusstlosen Frau.

Obwohl sie auf dem Bauch lag, erkannte Roarke sie sofort an dem hautengen Katzenkostüm. Die Blutlache wurde von dem winterlichen Regen weggespült, der inzwischen eingesetzt hatte. Neben ihr entdeckte er eine schmale schwarze Umhängetasche.

Er schlängelte sich an den Schaulustigen vorbei. “Roarke O’Malley”, sagte er und zeigte dem Polizisten seinen Presseausweis. “WorldWide Broadcasting Network. Was ist passiert?”

Der Polizist, der noch nicht alt genug aussah, um sich zu rasieren, ließ sich von Roarkes Ausweis nicht beeindrucken. “Wenn ich sage, dass alle zurückbleiben sollen, dann meine ich alle, auch Reporter”, sagte er so verächtlich, als wollte er Reporter mit Drogenhändlern und Serienmördern in einen Topf werfen.

Roarke hätte es in seinem Beruf nicht bis an die Spitze gebracht, wenn er nicht einen messerschafen Verstand gehabt hätte. Diese Frau wollte er nicht mehr aus den Augen lassen. “Ich bin nicht nur Reporter, sondern auch ihr Mann.”

Ein aufgeregtes Raunen lief durch die Menge. Der Polizist blieb allerdings misstrauisch. “Machen Sie mit Ihrer Frau hier Urlaub?”

“Ja.”

Roarke kniete sich neben die Frau. Ihr Haar war nass und blutbeschmiert. Jemand hatte ihr die Maske abgenommen. Sie war hübsch, aber jetzt war ihr Gesicht erschreckend blass.

“Merkwürdig, dass Sie nicht zusammen waren wie andere Leute im Urlaub.”

“Wir wurden im Gedränge getrennt. Das kann doch leicht passieren.” Es hätte ihm gerade noch gefehlt, hätte er sich jetzt verdächtig gemacht. “Wir müssen etwas für sie tun.”

“Ich habe einen Krankenwagen angefordert”, erwiderte der Polizist.

Es war auf sie geschossen worden. Roarke hatte genug Schusswunden gesehen, um sofort zu erkennen, dass eine Kugel ihren Kopf gestreift hatte.

“Bei Mordanschlägen auf eine verheiratete Frau gilt der Ehemann stets als Hauptverdächtiger”, sagte der Polizist, als würde er aus dem Handbuch für angehende Polizisten zitieren.

“Ja, ich habe auch einen Fernseher und sehe mir Krimiserien an.” Roarke bremste sich. Mit spöttischen Bemerkungen würde er hier nichts erreichen. “Vielleicht war es ein Unfall. Könnte sein, dass jemand in die Luft geschossen hat. Einmal muss die Kugel wieder herunterkommen.”

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